Peter Grimm / 24.04.2019 / 13:00 / Foto: Pixabay / 75 / Seite ausdrucken

Bitte vermeiden Sie das I-Wort!

Die Handschrift der islamistischen Angriffe auf Kirchen und Hotels in Sri Lanka war schon recht eindeutig, als die ersten Meldungen über die minutiös geplanten Selbstmordattentate am Ostersonntag zu lesen waren. Dennoch ist es durchaus verständlich und journalistisch professionell, mit Schlussfolgerungen noch auf belastbare Informationen zu warten. Ein wenig auffällig ist es da natürlich, wenn man vorsorglich betonte, dass Terror keine Religion habe, ganz so, als habe das blutige Werk solcher Massenmörder gar nichts mit der Weltanschauung zu tun, in deren Namen es verübt wurde.

Aber spätestens im Verlauf des Ostermontags hieß es quasi regierungsamtlich aus Colombo: Die Mörder der mehr als 300 Christen und Touristen waren Islamisten. Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zudem zum Massenmord im Namen Allahs und seines Propheten, doch in deutschen Medien kam diese Tatsache nur äußerst verhalten vor. Zunächst vor allem in dem Kontext, dass es sich bei der islamistischen Kommandoaktion in Sri Lanka eigentlich um einen Racheakt für den Anschlag eines Einzeltäters auf eine Moschee im neuseeländischen Christchurch gehandelt habe. In deutschen Zeitungen las sich das dann beispielsweise so:

„Laut Vize-Verteidigungsminister Ruwan Wijewardene seien die Anschläge als Vergeltung für Christchurch durchgeführt worden. […] Im australischen Christchurch hatte ein Attentäter mehr als 50 Muslime getötet. Es handelte sich um ein rassistisch und religiös motivierten Terroranschlag eines 28 Jahre alten Rechtsextremisten. Der Angreifer hatte seine Tat live über Facebook im Internet als Video-Stream übertragen und somit eine möglichst große öffentliche Wahrnehmung erzeugen wollen.“

Soll man jetzt Verständnis für die Rächer entwickeln oder vielleicht auf den Gedanken kommen, der „rassistisch und religiös motivierte“ Rechtsextremist sei mitschuldig? Interessant ist, dass an dieser Stelle die religiöse Motivation besonders betont wird, wo man doch sonst nach islamistischen Anschlägen gern belehrt wird, dass solcher Extremismus gar nichts mit der Religion zu tun haben könne.

Aber solche Gedanken muss der moderne Meinungsbildner hintanstellen, denn heutzutage scheint zu gelten, das I-Wort im Zusammenhang mit der Täterschaft bei Morden, Anschlägen und Angriffen möglichst zu vermeiden. Das ist aus der Sicht all derer, die jedes böse Wort über die Islamideologie vermeiden wollen, durchaus verständlich, denn inzwischen haben sich alle erdenklichen Variationen des Satzes „Das hat nichts mit dem Islam zu tun“ ja bis zur bitteren Lächerlichkeit abgenutzt. Da hilft nur noch Schweigen. Dieses unausgesprochene Schweigegelübde führt möglicherweise bei manch einem Medienprofi ganz unfreiwillig zu einer kuriosen Routine. 

Ideologie ohne Namen

Ein leitender Politik-Redakteur der NWZ hat beispielsweise am Dienstag in seiner Zeitung einen guten Kommentar geschrieben:

Nach Christchurch hat die Politik wochenlang über ideologische und politische Konsequenzen debattiert. Nach Sri Lanka ist davon nichts zu vernehmen. Betroffenheitsrituale – und dann: nichts mehr. Das ist völlig falsch.

In Sri Lanka haben die Attentäter planmäßig und gezielt die westliche und christliche Kultur angegriffen. Der verhasste Westen sollte mit dem Mord in Touristenhotels direkt getroffen werden. Die verhasste Religion des Westens – das Christentum – mit dem Massenmord in Kirchen am höchsten Feiertag. Das alles nicht zu Kenntnis nehmen zu wollen beziehungsweise mit verbalen Beliebigkeiten zu „Hass“ oder „Gewalt“ zuzukleistern, ist Realitätsverweigerung.“

Da ist jedes Wort richtig. Es ist ihm auch zuzustimmen, wenn er schreibt:

„Es ist zudem fahrlässig, sich über die Natur des Terrors Selbsttäuschungen hinzugeben: Hier sind keine Einzeltäter am Werk gewesen, sondern eine vernetzte Terror-Truppe. Hier ist eine Ideologie am Wirken, die für immer neue Rekruten sorgt. Solche Leute schlägt man nicht mit dem Hinhalten der andere Wange.“

Nur eines macht der wackere Redakteur nicht: Er nennt diese Ideologie, die er „am Wirken“ sieht und der man entgegentreten soll, nicht beim Namen. Im ganzen Kommentar nicht. Hat er es vergessen oder ist es ein mittlerweile routinierter Reflex im Umgang mit dem I-Wort? Wenn solche Reflexe schon die kritischen Stimmen erfasst haben, dann haben die Relativierer leider ein leichtes Spiel.

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Frank Volkmar / 24.04.2019

“„Laut Vize-Verteidigungsminister Ruwan Wijewardene seien die Anschläge als Vergeltung für Christchurch durchgeführt worden. […] “ Das ist mir auch aufgefallen, aber erst nachdem ich abgewartet habe ob irgendwann einmal das C-Wort fällt. Die einzigen Hinweise waren “Kirchen” und “christliche Menschen”. Es war aber auch auffallend, das bei dem Anschlag von Christchurch personalisiert wurde währen hier nur die ständig nach oben korrigierten Opferzahlen genannt werden. Wo ist die Person des dänischen milliardärs der drei seiner Kinder verloren hat ? Aber, man kennt das schon vom Anschlag in Berlin her ! PS : Ich beziehe das auf den DLF

Sabine Schönfeld / 24.04.2019

Auf RT-Deutsch liest sich das so: “Blutige Osterfeiertage in Sri Lanka - Ostern ist ein bedeutendes Fest für Christen und eigentlich Anlass zur Freude. Doch eine verheerende Anschlagsserie in Sri Lanka hat die Feierlichkeiten überschattet. Mehr als 200 Menschen wurden getötet und über 500 verletzt. Bilder des Schreckens.” Die Überschrift klingt schon fast so, als wäre Ostern auf Sri Lanka ein traditionell blutiges Ritual. Weiterhin könne man sich eben dieses Jahr nicht so freuen wie sonst, schade. Schuld an allem ist die “verheerende Anschlagsserie”, die das Osterfest “überschattet”, wie schade und störend. Die Anschläge kamen offenbar über die Menschen wie das Wetter. Und das Ermordetwerden ist den Opfern offenbar einfach so passiert, sagt uns der Passiv. Einzig die Bilder sind schrecklich. Schade. Ein solcher Beitrag ist nichts anderes als blutiges Osterhasenfutter.

Martin Landvoigt / 24.04.2019

Es war mir neu, dass der Einzeltäter in Christchurch religiös motiviert gewesen sein soll. Beim Googlen fand ich auch nur die gegenteiligen Angaben, z.B. bei der Tagesschau.de. Die Behauptung, dass es nicht ein überwiegend und nahezu ausschließliches Problem des Islam sei, Menschen zu grausamen Mördern werden zu lassen, gehört wohl zum Narrativ der Lückenpresse. Dabei ist eine massive Islamkritik bitter von Nöten. Einlullende Distanzierungen der deutschen Islamverbände können da nicht überzeugen. Was hilft es, wenn zwar die Mehrheit der Muslime die Gewalt nicht aktiv unterstützt, aber eine große Minderheit - Tausende von religiös motivierten Mördern - ständig ihr blutiges Handwerk ausübt?

Herwig Mankovsky / 24.04.2019

Es war Rache für Christchurch, eindeutig. Und dafür haben sich die Rächer jahrelang vorbereitet…...

Paul Siemons / 24.04.2019

Wenn man unverkrampft mit dem I umgehen möchte, sollte man sich auch das - istisch abgewöhnen. Nicht der Islamististische Staat hat sich zu den Anschlägen bekannt, sondern der Islamische Staat.

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