Henryk M. Broder / 03.05.2018 / 10:00 / Foto: Rosino / 45 / Seite ausdrucken

Binnenpluralität! Das kleine, dreckige Geheimnis des HR

Es gibt da eine Auseinandersetzung mit dem Hessischen Rundfunk, die ich Ihnen nicht vorenthalten möchte. An sich eine Petitesse, aber doch charakteristisch für den Hochmut der Riesenzwerge, die in den öffentlich-rechtlichen Anstalten das Sagen haben: humorlos, kleinlich, völlig ignorant gegenüber der Tatsache, dass sie unsere Dienstleister sind und nicht unsere Erziehungsberechtigten.

Wie Sie sich vielleicht noch erinnern können, nahm das vom Hessischen Rundfunk produzierte Kulturmagazin der ARD, ttt, am 8. April die „Gemeinsame Erklärung 2018" zum Anlass, mit den Feinden der Demokratie abzurechnen. Ein wild grimassierender Wasserbüffelzüchter aus Brandenburg verstieg sich zu der Behauptung, mit der „selbstherrlich so genannten Gemeinsamen Erklärung 2018" hätten „Intellektuelle" – er sprach das Wort so angeekelt aus, als sei er soeben in eine Jauchegrube gefallen – „alternative Fakten" verbreitet, damit sich „immer mehr Menschen bedroht fühlen, irgendwie, und nach dem starken Mann rufen, der endlich aufräumen soll", ein „altbewährtes Despotenrezept".

Hat er echt so gesagt, der Frankenstein-Klon des HR, bei der Anreise nach Frankfurt muss ihm im Inter-Regio irgendwie das Kleingeld ausgegangen sein.

Der kretinös-launigen Moderation folgte ein knapp acht Minuten langer Bericht, in dem vier Experten für staatsgefährdende und zersetzende Umtriebe erklärten, worum es in der „Gemeinsamen Erklärung 2018" geht. Worauf ich am 12. April an den Intendanten des HR, Manfred Krupp, eine kurze Mail schrieb und um Aufklärung bat, warum „in dem bericht vier kritiker der erklärung zu wort kamen, frau ebner, frau zeh, herr welzer und herr friedman", aber "von den unterzeichnern keiner".  

Sechs Tage später, am 18. April, bekam ich eine Antwort aus dem Büro des Intendanten:

Sehr geehrter Herr Broder, anbei erhalten Sie eine Antwort auf Ihr Schreiben vom 12. April 2018.

Mit freundlichen Grüßen

Petra Resch, Intendanz 

„Anbei" fand ich in einem Anhang eine PDF-Datei, die sich nicht aufmachen ließ. Also schrieb ich Frau Resch eine Mail, mit der Bitte, mir „den brief des intendanten als word-datei zu schicken".

Die Antwort kam am selben Tag und war ein wenig enttäuschend.

Sehr geehrter Herr Broder,

leider können wir Ihnen keine Word-Datei zur Verfügung stellen. Wir bitten Sie uns Ihre Postadresse zukommen zu lassen, dann werden wir Ihnen umgehend das Schreiben von Herrn Krupp postalisch zukommen lassen.

Mit freundlichen Grüßen

Renate Eiffert, Intendanz 

Das kann doch nicht wahr sein, dachte ich. Die Karnevalszeit war schon eine Weile vorbei, und die Ebbelwoi-Saison hatte noch nicht angefangen. Also versuchte ich es noch einmal, diesmal ausführlicher.

sehr geehrte frau eiffert,

vielen dank für ihre nachricht. das mit der postalischen zustellung könnte sich kompliziert gestalten. ich bin derzeit auf den aleuten unterwegs und jeden tag bzw. jede nacht in einem anderen ort, dessen namen ich nicht einmal buchstabieren kann. allerdings gibt es fast überall eine stabile netz-verbindung.

ich bin also gut erreichbar, von der zeitdifferenz abgesehen.

mir ist nicht klar, warum sie mir den brief des Intendanten nicht als word-datei übermitteln wollen. sie haben doch eine word-datei des briefes, sonst hätten sie kein pdf-format erstellen können. wollen sie es wirklich auf eine kraftprobe ankommen lassen? ich könnte versuchen, die demnächst fällige "demokratie-abgabe" als pdf-datei an die GEZ zu schicken, unter hinweis auf das gebaren des HR-intendanten. 

also bitte, geben sie sich einen ruck und schicken sie mir eine word-datei des schreibens von herrn krupp. ich kann es kaum abwarten zu lesen, was er mir sagen möchte.

mit den besten grüßen aus amaknak island

ihr hb

Die Antwort von Frau Eiffert ließ nicht lange auf sich warten.

Sehr geehrter Herr Broder,

es ist total unüblich eine Worddatei zu senden, es fehlen Briefkopf usw. Sie können mir auch gerne eine Faxnummer in irgendeinem Hotel zukommen lassen, damit wir Ihnen den Brief zustellen können. Ihnen einen schönen Urlaub.

Mit freundlichen Grüßen 

Renate Eiffert, Intendanz 

Irgendwie kam mir die Antwort bekannt vor. Sie hörte sich an wie „Das haben wir noch nie gemacht" und „Wo kämen wir denn hin, wenn das alle machen würden?". Zwei Sätze, die ich noch ungustiöser finde als ein Karaoke-Video mit Martin Schulz. Also gab ich dem HR noch eine Chance.

sehr geehrte frau eiffert,

ich verstehe nicht, warum sie einen dermaßen einfachen vorgang so konsequent verkomplizieren. in der zeit, die sie gebraucht haben, um mir zu erklären, warum etwas nicht geht, hätten sie die mail schon dreimal verschicken können. das geht so: sie machen eine word-datei auf, kopieren das schreiben von herrn krupp an mich hinein, geben der datei einen namen (z.b.: ende gut, alles gut)  und hängen sie an eine mail an mich an. ich versichere ihnen, es tut nicht weh und funktioniert. ich brauche keinen briefkopf und kein autogramm des intendanten, ich will das schreiben nicht rahmen und aufhängen, ich will es lesen.

dass etwas bis jetzt „total unüblich" war, ist kein grund, es nicht zu versuchen. im gegenteil. auch das frauenwahlrecht war lange „total unüblich", ebenso die schluckimpfung. also geben sie sich bitte einen ruck und schicken den brief als word-dabei an mich ab.

viele grüße aus aus dutch harbor

ihr hb

Und was soll ich Ihnen sagen? Ich habe seitdem nichts mehr vom HR gehört, weder von Frau Eiffert noch von Frau Resch. Dafür hat es ein schlauer Verwandter von mir geschafft, die PDF-Datei zu öffnen. Sie lässt sich weder kopieren noch in eine Word-Datei konvertieren. Und das war wohl der Zweck der Übung. Ich sollte den Brief des Intendanten nicht online stellen können, es sei denn, dass ich ihn abschreibe.

Was mir zu mühsam ist. Also fasse ich den Inhalt kurz zusammen.

Es sei „richtig", dass „keiner der Unterzeichner der Gemeinsamen Erklärung 2018 zu Wort kam". Die öffentlich-rechtlichen Sender seien „sehr wohl insgesamt zur Ausgewogenheit verpflchtet". Dies gelte aber nicht „für jeden einzelnen Beitrag, jeden einzelnen Programmbestandteil für sich". Allerdings würden „die Erstunterzeichner mit ihren Forderungen im Beitrag mehrfach zitiert und sind damit Ausgangspunkt und Gegenstand des Films". Deswegen habe die Redaktion „bewusst auf eine Stellungnahme der Erstunterzeichner verzichtet, weil es um die Außenwahrnehmung, die Wirkmächtigkeit eines solchen Manifestes ging, nicht um die Selbsteinschätzung der Initiatoren". Daraus folgt: „Ein solcher Beitrag verzichtet damit auf Binnenpluralität."

Bis jetzt kannte ich nur die Binnenalster und die Außenalster. Nun habe ich etwas dazugelernt. Binnenpluralität! Wie wäre es mit Binnennüchternheit? Man könnte die Tage, die ein Mitarbeiter des Senders nüchtern zur Arbeit kommt, mit den Tagen verrechnen, die er besoffen am Arbeitsplatz erscheint. Wenn es dann drei zu zwei stünde, hätte die Binnennüchternheit gewonnen.

Ganz am Ende seines ziemlich langen Schreibens räumt der HR-Chef ein kleines Versäumnis der Redaktion ein. Es hätte „zum besseren Verständnis" des Beitrags geführt, „wenn die Moderation das Ansinnen deutlicher gemacht hätte: Eine an unseren demokratischen Werten und der liberalen Demokratie orientierte Debatte über die Probleme, die durch Flüchtlinge in der Gesellschaft entstehen, über die Gefahren, die der Islamismus für die Demokratie und eine menschenfreundliche Gesellschaft bedeutet, aber auch eine Auseinandersetzung mit den Gefahren, die im Schüren von Angst, von Ressentiments, Fremdenfeindlichkeit und Verschwörungstheorien liegen".

Haben Sie verstanden, was der Intendant damit sagen wollte? Draußen gibts nur Kännchen? Lieber reich und gesund als arm und krank? Oder: Bohneneintopf schmeckt aufgewärmt am besten?

Ich habe es nicht verstanden. Ich weiß nur: Für diesen Stuss zahlen Sie 17,50 Euro monatlich. Und der HR gehört zu den Sendern, die das Gehalt des Intendanten geheimhalten.

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Leserpost

netiquette:

Karl Schmidt / 03.05.2018

Nun, wenn es auf Pluralität nicht in jedem Beitrag ankommt, sondern nur darauf, dass das Programm insgesamt ausgewogen gestaltet ist, darf ich doch davon ausgehen, Herr Broder, dass Ihnen in Kürze ein Angebot des HR unterbreitet wird, einen Pro-Gemeinsame-Gemeinsame-Erklärung-2018-Beitrag zu gestalten. Bitte halten Sie uns doch darüber auf dem Laufenden. In dem Zusammenhang könnten Sie vielleicht auch die Frage diskutieren, ob der HR es für angemessen hält, wenn - so habe ich Ihre Berichterstattung verstanden - die Beteiligten des ttt-Beitrages im Anschluss an die sehr einseitige Berichterstattung eine eigene Gegeninititative gründen. Mir geht es dabei nicht um die Neutralität von Journalisten, sondern um die Frage, ob der Sender hier nicht für politische Werbung der Akteure missbraucht wurde, als Vorbereitung einer politischen Kampagne. Ich nehme an, dass man Ihnen keine solche Plattform bieten wird?

Martin Landvoigt / 03.05.2018

Die Spaltung des Landes in Hell und Dunkeldeutschland vollzieht sich vor unseren Augen. Einen neue ideologische Mauer wird gebaut, und wir sehen fassungslos zu. Die ÖR-Medien sind Staatsfunk einer Regierung, die sich keinen Deut um ehemals erreichte Errungenschaften der Freiheit schert. Das Requiem sollte hier die tonangebende Musik sein.

Thomas Lang / 03.05.2018

Technisch ist der HR wohl auch nicht ganz auf der Höhe, sonst unternähme er nicht solch einen kläglichen Versuch! Das Bild von einem Text in editierbaren Text umzuwandeln von Word les-und bearbeitbar,  kann sogar mein Handy. Einfach abfotografieren, den Rest erledigt die Software. (Samsung S8 mit Android Oreo))

Marcel Arndt / 03.05.2018

Auch wenn’s eigentlich traurig ist (das Thema), aber Sie, lieber Herr Broder, schreiben einfach köstlich sarkastisch.

Andreas Rühl / 03.05.2018

Er hat es schon wieder getan! Lieber Herr Broder, es ist an sich schon mehr als bedenklich, dass Sie als Nicht-Hesse die Schreibweise “Ebbelwoi” bemühen, die kein Frankfurter akzeptiert, weil es eben geschrieben “Apfelwein” oder “Äpfelwein” heisst und nur anders ausgesprochen wird. Solches mag in der der Dialekt-Dichtung, siehe unten, gerade noch erlaubt sein. Bei Ihnen jedoch scheint mir die Bezeichnung nachgerade pejorativ zu sein, so als ob an einem guten Apfelwein oder Äpfelwein etwas Anrüchiges zu finden wäre. Noch dazu führen Sie - zum wiederholten Male - die Emanationen des Schwachsinns, die zum Beispiel der “Hessische Rundfunk” hervorzubringen stets und zu unser vollsten Unzufriedenheit in der Lage ist, auf den “Ebbelwoi” zurück, was dann einfach des Guten zu viel ist. Nein, wie zum Beispiel der große Humorist und Literat Friedrich Stolze beweist, führt der Genuss des Äpfelweins gewisslich nicht notwendig zu einem Zustand, der - bis auf (leider) das Sprechvermögen - jegliche Hirntätigkeit zum Erliegen bringt. Im Gegenteil. Der Apfelwein hat gerade auch aufgrund seiner zuzugeben etwas gewöhnungsbedürftigen Säure eine nachgerade den Geist belebende und anfeuernde, Witz und Scharfsinn evozierende Wirkung (ab dem 2. und bis jedenfalls zum 5. Schoppen). Kurzum: Der Grund dafür, dass beim “HR” offenbar nur noch geistige Grenzgänger zwischen Tier- und Mensch tätig sind, hat nichts, absolut rein gar nichts mit dem Apfelwein zu tun. Diese Grenzgänger werden Sie auch nicht - zum Beispiel - im Fichtekränzi (“Apfelwein Wirtschaft”, nicht “Ebbelwoi-Wertschaft) finden, wo die Bedienung den Großschwätzern nämlich das Maul stopfen würde, sondern allenfalls beim Italiener, wo es alles gibt, nur keinen Apfelwein, den der Frankfurter, so nebenbei seis gesagt, schlicht des Stöffsche nennt und nicht “Ebbelwoi”.

Dr. Liu Mei / 03.05.2018

Jämmerlich mit anzusehen, wie eine „Clique vermeintlich Intellektueller“, das (Rest)Volk verkaspert. Die zukünftige „Bevölkerung“ kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus.

Karen M. Jahns / 03.05.2018

Danke, lieber Herr Broder, you made my day! Viele Grüße aus München, Karen M. Jahns

Dieter Franke / 03.05.2018

Lieber Herr Broder, Sie verstehen es immer wieder, Zustände im Merkelland, die eigentlich zum Schreien sind, so darzustellen, dass man mit Tränen in den Augen vor Lachen kaum das Display erkennt. Bitte gerne mehr davon, aber ich befürchte, daß es die Blindgänger in den Redaktionen und Sendeanstalten nicht beeindrucken wird.

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