Zum einen ist der in der Republik hoch gelobte Föderalismus im Zusammenhang mit der von den Ländern kleingläubig reklamierten Regulierungskompetenz in Bezug auf die Lehrinhalte der verschiedenen Schulformen nicht förderlich,tödlich für Schüler, die aus welchen Gründen auch immer möglichst mehrfach in ihrem Schülerdasein über Ländergrenzen wechseln müssen,dies in einer Zeit, in der den Eltern regierungsseitig vorgeschrieben wird, als Arbeit Suchende auch weiter entfernt angebotene Jobs annehmen zu müssen. Als Ergebnis der Bildungs- und Schulexperimente unserer sog. Experten und Politgenies, die meinen, bei jedem Regierungswechsel im Ländle ideologiebeladen das jewelige Konzept der Lehrinhalte und -Systeme neu ordnen zu müssen, habe ich in meinem Berufsleben bei den Berufseinsteigern im Laufe der verschiedenen Dekaden einen zunehmend großen Anteil von Fundamental-Legasthenikern erleben dürfen. Und wenn sodann diplomierte Studienabgänger kein Problem damit haben, zu zu geben keinen einfachen Dreisatz lösen zu können, dürfte das für sich sprechen, für die Qualität unseres Schulsystems / Reifezeugnisses,wie auch für das vorliegende Verständnis für Bildung und beruflich erforderliches Wissen.
Mit Entsetzen hatte ich dazumals vernommen, dass es einen Film namens IDIOCRACY gibt. Dass der aber im Einführungsteil so nahe einmal an die Realität reichen würde, macht mich fassungslos. An den letzten Satz des Beitrags möchte ich anschließen: das werden andere übernehmen, die wir wegen ihres wachen Geists eher fürchten als bewundern. Nicht hungern müssen, ist eine gute Sache. Satt sein verbreitet den Wunsch, überall satt sein zu wollen, einfach so. Bildungshunger ist uncool… Wissen erwerben als Bürgerpflicht noch viel mehr. Mit “anwendungsbereites Wissen” gingen uns einige Lehrer (1963-1973) mächtig auf den Geist. Und das war gut so.
Ich bin in den 60er und 70er Jahren zur Schule gegangen, habe studiert und bin dann selbst Lehrer geworden. Wenn ich daran denke, welche Inhalte damals als angeblich relevant vermittelt wurden und wie sich manche Professoren einen schönen Lenz mit ewig wiederholten Vorlesungen/Seminaren zu “Orchideenthemen” (-bei satter Alimentation-) machten, kann ich das Lamento über das angeblich sinkende Wissens- und Leistungsniveau nicht verstehen. Ich sage ohne Selbstüberschätzung: Ich wäre froh gewesen, wenn ich mehr Lehrer/Professoren gehabt hätte wie ich dann einer wurde, indem ich mühsam und mit viel ‘trial and error’ das Lernen und Lehren lernte. Was m.E. bei dem o.g. Lamentieren kaum bedacht wird: Heute wird nicht w e n i g e r , sondern a n d e r e s, auf die heutigen Anforderungen bezogenes Wissen vermittelt; Stichwort: Neue Technologien/Digitalisierung, Globalisierung. In diesem Zusammenhang weist Herr Grell zurecht auf die Bedeutung der MINT-Fächer hin. Zu ergänzen wären Gebiete wie (auch internationale) Politik und Wirtschaft.
Seitdem auch an Schulen der freie Samstag eingeführt worden ist – bei voller Beibehaltung der Ferien – stehen die Schulen an der Mehrzahl der Jahrestage leer. Hinzu kommen eine Unzahl von Aktivitäten, die alle Unterrichtszeit fressen: z.B. Berufsberatung, zweiwöchige Berufspraktika, Skifreizeiten.. Auch die sog. Pädagogischen Tage – Weiterbildungstage des Kollegiums- finden selbstverständlich mitten in der besten Unterrichtszeit statt. So ist die Anzahl der Jahrestage, an denen überhaupt noch Unterricht stattfinden kann, von rund 220 in den achtziger Jahren auf heute unter 180 gefallen: Der normale Unterrichtstag ist zu einem seltenen Ereignis geworden. Die Unterrichtsstunden werden auf die noch verbliebenen Tage zusammengepresst; und nichts ist dem Lernen abträglicher als Zeitdruck. Die Behauptung, bei gut organisiertem Ganztagesbetrieb ließe sich genau dieser vermeiden, ist eine Ausrede, um den heiligen freien Samstag nicht zur Disposition stellen zu müssen. Tatsächlich ist kein Schüler, kein Lehrer in der Lage, am Tag in mehr als sechs Unterrichtsstunden erfolgreich mitzuarbeiten bzw. diese zu halten und vor-und nachzubereiten, gleichgültig, wie man den Tag aufzieht. Da dies alles vorab bekannt war, hat man denn die Lehrpläne bis aufs Gerippe ausgedünnt, hat diesen Raubzug an Lerninhalten als „Entrümpeln“ gefeiert – und nun wundert man sich, was man so alles zum Gerümpel geworfen hat. Solange man das Übel nicht an der Wurzel packt und die Zahl der Unterrichtstage wieder auf das Niveau der achtziger Jahre anhebt, werden das Gejammer über die Defizite einerseits, das Herumlügen und das Vernebeln der Ursachen andererseits nicht aufhören.
Sehr geehrter Herr Grell, Ihrer Zusammenfassung zum Zustand von Lernen und Bildung in unserer Zeit kann ich nur zustimmen. Angefangen hat das „Drama“, von mir persönlich so wahrgenommen, bereits Ende der Sechziger, Anfang der siebziger Jahre, insbesondere bei uns in Bayern als die Kollegstufe mit Spezialisierungen auf einzelne Lernfächer eingeführt wurde. Meines Erachtens befinden wir uns auf einer nach unten gerichteten Spirale, hervorgerufen durch ein seit Jahrzehnten stetig abnehmendes, vielseitiges Wissens- und Bildungsniveau der Lehrer und Professoren. Leider muß ich Ihnen bei dem Neantertaler-Vergleich widersprechen. Wir wissen nicht welches Erkenntnis- und BIldungsniveau der Homo (sapiens) neandertalensis im Kontext seiner Entwicklung und seiner Existenz hatte. Diese Menschen haben als Art jedenfalls wesentlich länger existiert als der Homo sapiens sapiens seit seinem ersten Erscheinen bis heute. Ich vermute mal, daß diese Menschen so blöd nicht gewesen sein werden wie wir das heute gerne unterstellen wollen. Wie sie richtig feststellen geht die Evolution simpel und erfolgreich weiter. Wir sollten deshalb nicht unsere Vergleiche nach hinten ausrichten wo uns die Maßstäbe zur Beurteilung fehlen. Wenn wir von der fortschreitenden Artentwicklung ausgehen wollen, dann würde ich eher von dem neuen Homo stupidus sprechen.
Als ich 1990 Bundesbürger wurde und endlich Westfernsehen sehen konnte (komme aus dem TdA), mußte ich mit tiefstem Erstaunen registrieren, dass man in diesem Land in sogenannten Talkshows punkten konnte mit der doch an sich peinlichen Beichte, in “Mathe” immer eine 5 gehabt zu haben.
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