Dirk Maxeiner / 23.06.2017 / 09:38 / Foto: cartese / 9 / Seite ausdrucken

BILD wird 65: Happy Birthday!

Ich gebe es zu: Ich lese jeden Tag die BILD-Zeitung. Und das nicht wegen des Sportteils. Jetzt wird BILD 65. Die hintere Umschlagseite zeigt heute den Originaltitel  vom 24.Juni 1952. Na gut: Sie haben für die heutige Print-Ausgabe ein bisschen gemogelt und die Bilder koloriert. BILD darf das. Farbe ins Leben bringen. Schadet ja wirklich nix. Beim Betrachten der alten Titelseite war ich heute regelrecht überrascht: Sauberste grafische  Gestaltung, Klasse ausgewählte Bilder, stringente Typografie, kurze Texte, die zugleich Bildunterschrift sind. Wer moderne Blogs im Internet anschaut, entdeckt verblüffende Ähnlichkeiten im Konzept (siehe hier und hier). Bild, die sich an angelsächsischen Vorbildern orientierte,  war damals schon so etwas wie ein gedruckter Blog, obwohl niemand einen blassen Schimmer hatte, dass es sowas jemals geben würde.

Die erste Ausgabe kam erstaunlich politisch daher, es geht um den eisernen Vorhang, Churchill, Weltpolitik und Rassendiskriminierung in Südafrika. Im Text über die Auseinandersetzungen in Südafrika steht das Wort „Negerfrauen“. Spätestens daran merkt man, wie sehr sich die Zeiten doch geändert haben. Ein bisschen Glamour muss natürlich auch sein. Eine Montage aus Hollywoods „schönsten Augen, schönsten Beinen und anderen weiblichen Attributen“ sowie ein Foto von „Schlittschuhlaufweltmeister“ Paul Falk, dessen Frau ihm „das Herz rubbelt“. Mal ehrlich: Angesichts der allgemeinen Lage braucht man sowas doch auch heute noch.

Ihre Professionalität und die gut verpackte politische Substanz wurde der BILD-Zeitung nie vergeben, bis heute nicht. Im Gegenteil, sie machte sie und den Springer-Verlag  zu den meistgehassten Objekten in der deutschen Presse-Landschaft. Das erlittene Trauma spürt man heute noch, wenn die junge Redaktion ein bisschen zu sehr geliebt werden will. Der Beifall des Lesers ist aber immer noch wichtiger als der Beifall der Kollegen. Verstehen kann man es trotzdem, wer will nicht auch mal zu den Guten gehören. Die aber hießen über Jahrzehnte Spiegel, Stern & Co. Jetzt sind die nur noch ein Schatten ihrer selbst, die Auflagen rauschen schneller in den Keller als ein geplatzter Sack Eierkohlen. BILD hat auch Auflage verloren, aber eines haben sie nicht verloren: Die politische Kampagnenfähigkeit. Das hat sich vorige Woche wieder gezeigt, als sie rotzfrech die WDR-Doku über Anti-Semitismus ins Netz stellten. Happy Birthday, BILD!

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Martin Lederer / 24.06.2017

BILD ist wie Springer allgemein DAS Medium im Dienste Merkels. Mehr gibt es für mich dazu nicht zu sagen.

Winfried Sautter / 24.06.2017

In den 1970ern habe ich Günther Wallraffs Enthüllungreportage, “Der Aufmacher. Der Mann, der bei Bild Hans Esser war” gelesen, und war geschockt und fasziniert. Auch wenn man BILD nicht mochte,  das Blatt war genial - Vox Populi (vulgo Populismus) und Fake News (wenn es den Begriff damals schon gegeben hätte), jeder wusste es und jeder konnte damit - auch augenzwinkernd - umgehen. Wahrscheinlich war BILD den “Qualitätsmedien” und dem durch sie (angeblich) repräsentierten Mainstream schon damals ein Dorn im Auge, weil es täglich vorführte, dass das Volk nicht so blöd ist, wie es die “Eliten” gerne hätten.

Arnauld de Turdupil / 23.06.2017

Bild ist 65 und sollte schleunigst in Rente gehen, dank des Film-Coups bleibt sie zum Abschluss in halbwegs positiver Erinnerung. Meldungen im Stile wie “Der Mord geschah übermorgen” kann man sich nun in jeder Kolorierung, von sehr, sehr wahr - echt! - bis eher falsch bzw. gar “gefakenewst” - auch echt! - aus dem Netz saugen (falls Herr Maas nicht die AAS zur millionenschweren Behebung des Malheurs ansetzt). Den Gang gleich ins journalistische Hospiz dürften auch noch ein paar andere geSPIEGELte und geFAZte QualitätSZmedien ZEITig beschreiten. Möge ihnen die aus den Seelen der Redaktionsmitarbeiter gewonnene Druckerschwärze leicht werden.  R.I.P. And I don’t pay the ferryman…

Christoph Behrends / 23.06.2017

Meine von Jugend an gepflegte “Hass-Liebe” gegenüber der BILD zeigte sich erstmals im Jahr 1979, als ich mit meinem besten Freund eine eigene “BILD” malte und gestaltete: von Hand! Keine andere Zeitung hätten wir je liebevoller und kampfeslustiger karikieren mögen. Wir kannten das Wort “fake news” zwar noch nicht, aber wir lebten und zelebrierten sie…

A. Simon / 23.06.2017

Ja, merkwürdig: Zitiere ich etwas, was ich in BILD gelesen habe, dann werde ich von meinem Umfeld entsetzt angeschaut und es kommen Bemerkungen wie: igitt, Sie lesen Bild! Erzähle etwas, was mir der ZDF-Kleber im heute journal erzählt hat, dann kommt keine entsetzte Reaktion aus meinem Umfeld.

Jürgen Düker / 23.06.2017

Herr Maxeiner, war das Satire oder wollen Sie die Intelligenz ihrer Leser auf die Probe stellen?

Benrhard Reiter / 23.06.2017

Ich habe die Bild von 2003 bis zum Herbst 2015 täglich gekauft. Es fing damit, dass ich morgens, genervt von den Fake-news-Orgien im “MorgenMagazin”, SPON etc., mittags in meinem Lieblingsrestaurant auf eine zur Mainstream-Presse (Echo Chamber!) gegenteilige Meinung bei dem Wirt traf. Ich war immer angenehm von seinen Aussagen überrascht. Ich merkte, dass ich doch nicht der einzige bin, der das Ganze anders sieht. Und dann stellte ich fest, dass der Wirt die Bild-Zeitung las. Daraufhin gehörte die Bild zu meiner täglichen Lektüre (genauso wie die Achse natürlich). Auch hier hat der Herbst 2015 seine Spuren hinterlassen. Der damalige Chefredakteur Kai Diekmann wollte ganz offensichtlich seinen Kollegen und dem Berliner Politik-Zirkus gefallen. Bis heute habe ich meine Enttäuschung nicht überwunden und zähle zu denjenigen, die die Bild-Zeitung vermutlich für immer verloren hat. Schade.

Svenja Gerwing / 23.06.2017

Buntes Toilettenpapier Hab mich schon über das bunte Toilettenpapier im Briefkasten gewundert. Nur, selbst DAFÜR ist dieses Papierbündel nichtmal geeignet, drum flog dieses Etwas sofort in die blaue Papiertonne. War doch die richtige Tonne, oder?

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