Die katastrophale Art und Weise, in der der Abzug der amerikanischen Truppen angeordnet wurde, ließ die Schwächsten zurück. Das geht auf Ihr Konto, Präsident Biden. Sie haben das amerikanische Ansehen in der Welt für immer beschmutzt.
Zu jeder Tages- und Nachtzeit erzählen mir afghanische Frauen ihre Schreckensgeschichten. Eine Frauenrechtlerin übersetzt mir einen Artikel, den sie in ihren eigenen Worten wiedergibt:
„Die Taliban haben in Balkh 15 Frauenrechtsaktivistinnen ermordet“, sagt sie. „In nur einem Monat wurden die Leichen von 15 Frauen in das Abu Ali Sina Balkhi District Hospital in Mazar-i-Sharif gebracht. Internationale Organisationen haben die Taliban für diese Tötungen verantwortlich gemacht. Frauen werden gefoltert und vergewaltigt! Dutzende von Frauen wurden von dieser Terrorgruppe als Geiseln genommen. Vergessen Sie nicht all die Frauen, indem Sie sich nur auf zwei oder drei Namen konzentrieren.“
Ich kann in den Mainstream-Medien keine Berichte über die Foltermorde an diesen 15 Unschuldigen finden. Darüber hinaus wurden mindestens sechs Frauen, die im vergangenen Monat an einer Demonstration in Kabul teilgenommen hatten, entführt. Die Vereinten Nationen haben die Taliban aufgefordert, „alle möglichen Maßnahmen zu ergreifen, um ihre sichere und sofortige Freilassung zu gewährleisten und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen“. Ein Taliban-Sprecher „bestritt, dass jemand festgehalten wurde“, berichtete die Voice of America. Doch dann widersprach er sich selbst und sagte, die Behörden hätten das Recht, „Dissidenten oder Personen, die gegen das Gesetz verstoßen, festzunehmen und zu inhaftieren“.
Der staatliche türkische Sender TRT berichtet, dass die Taliban dabei sind, „schlechte Menschen“ aus ihren Reihen zu entfernen.
Fälle des Verschwindens
Die afghanische Aktivistin Tamana Paryani nahm ein Video auf, das sie schreiend zeigt, unmittelbar bevor die Taliban mit Äxten in ihre Wohnung eindringen und sie gefangen nehmen. Eine andere Frau, Parwana Embrahimkhel, wurde auf ähnliche Weise aus ihrem Haus entführt.
Nach Aussage der afghanischen Frauen, von denen ich höre, wurden diese Frauen seitdem nicht mehr gesehen. Beide Frauen nahmen an einer Demonstration in Kabul teil, bei der die Unterdrückung durch die Taliban angeprangert wurde. „Hört auf, unschuldige Frauen zu verhaften und zu töten“, skandierten die Demonstranten Berichten zufolge. „Freiheit, Bildung und Arbeitsrechte.“
Es gibt noch andere Beispiele – viele andere.
Die Frauenrechtlerinnen, die sich in ihren Häusern verstecken und mit denen ich in Kontakt bleibe, erzählen mir von ähnlichen Fällen des Verschwindens. Eine afghanische Frau berichtete mir zum Beispiel:
„Die Taliban haben die Frauenrechtsaktivistin Mursal Ayar in ihrem Haus verhaftet. Ihre Mutter sagte, die Taliban hätten Mursals Namen von einer anderen Frauenrechtlerin erfahren, die sie gefoltert hätten, und seien dann in Mursals Haus eingedrungen, hätten sie vor den Augen ihrer Familie und Nachbarn geschlagen und sie dann mitgenommen.“
Mursal hatte an derselben Demonstration in Kabul teilgenommen. „Das Leben der Frauen in Afghanistan ist sehr hart geworden ... Unsere einzige Möglichkeit ist es, unsere Stimme zu erheben, auch wenn das unser Leben gefährdet“, hatte sie gegenüber La Prensa Latina gesagt, bevor sie verschwand.
Taliban in Oslo
Ist es wirklich möglich, dass sich keine feministischen Gruppen für die Freilassung der afghanischen Frauen eingesetzt haben? Ihre Ausbildung, ihre Karrieren und ihre Denkweise sind ausschließlich den feministischen Ideen, der amerikanischen Politik und den westlichen Militärstiefeln vor Ort zu verdanken. Die National Organization for Women hat nichts unternommen, und die Feminist Majority hat zwar einen Artikel über gefährdete afghanische Frauen veröffentlicht, aber darin wird Präsident Biden nicht ausdrücklich aufgefordert, die Freilassung der inhaftierten Frauen oder ihre Evakuierung zu fordern.
Soweit mir bekannt ist, hat keine große Organisation eine Kampagne zur Freilassung und Evakuierung dieser gefährdeten Frauen gestartet.
Der türkische Sender TRT zitiert die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, die feststellte, „dass diese Verhaftungen eine erschreckende Eskalation im Vorgehen der Taliban gegen die Frauenrechtsbewegung darstellen“.
Huda Khamosh, eine bekannte afghanische Feministin, stand vor Kurzem bei einer Klausurtagung mit den Taliban in Norwegen auf und forderte die „Freilassung“ der verschwundenen Frauen (bei diesem Treffen kamen laut Afghan Times sechs Frauenrechtlerinnen, sieben Politiker und ein Journalist mit 15 Talibanvertretern zusammen, Anm.d.Red.). Laut Business Insider waren die Taliban-Führer verblüfft und bezeichneten die Frauen als „Marionetten des Westens“.
Diese Frauen, ihre Familien sowie ihre männlichen und teilweise schwulen Unterstützer, die bisher evakuiert wurden und/oder noch versorgt werden, verdanken ihre Flucht und ihr Überleben den westlichen Regierungen, aber auch entschlossenen einzelnen Zivilisten, Ex-Armeeangehörigen und religiösen Gruppen, die sich den Hindernissen der Regierung widersetzt haben. Dies ist nochmal eine ganz eigene Geschichte.
Biden sind die afghanischen Frauen egal
Wieder einmal fragt eine Frau, ob „Evakuierungen möglich sind? Gibt es Länder, die bereit sind, uns aufzunehmen? Wir sind alle sehr besorgt. Jeder Augenblick des Tages und der Nacht ist von Angst geprägt“.
Ich habe kürzlich von einer afghanischen Frau gehört, die anmerkt: „Afghanistan ist für afghanische Frauenaktivistinnen NICHT SICHER und die Taliban schreien jeden Tag, dass [sie] das Recht haben, die Leute zu vernichten, die gegen sie sind.“
In wessen Auftrag haben wir uns entschieden, solche Frauen und ihre Familien zurückzulassen? Frauen, die Englisch sprechen, die gebildet sind, die Karriere gemacht haben, die mit amerikanischen, kanadischen und europäischen Organisationen in Afghanistan zusammengearbeitet haben – und die sich am ehesten an den Westen anpassen würden?
Laut dem Journalisten George Packer von The Atlantic sagte der damalige Vizepräsident Biden im Jahr 2010, dass ihm die afghanischen Frauen egal seien. Richard Holbrooke, Obamas Gesandter für Afghanistan und Pakistan, besuchte Bidens Büro. Biden bestand darauf:
„‘Ich schicke meinen Sohn nicht dorthin zurück, um sein Leben für die Rechte der Frauen zu riskieren.‘ (Bidens Sohn Beau war kürzlich für ein Jahr in den Irak geschickt worden) ... Als Holbrooke nach der Verpflichtung gegenüber den Menschen fragte, die der US-Regierung vertraut hatten, sagte Biden: 'Scheiß drauf, darüber müssen wir uns keine Sorgen machen. Das haben wir in Vietnam so gemacht; Nixon und Kissinger sind damit durchgekommen.'“
Bidens Gleichgültigkeit wirkt soziopathisch
Packer besteht nicht darauf, dass „Menschenrechte“ immer der einzige Grund für den Einsatz von Truppen sind, „aber das erklärt nicht [Bidens] Härte, seine Streitlustigkeit. Fragen zu Afghanistan und seinen Menschen ließen Biden aufbegehren und störrisch werden.“
Packer bestätigt akribisch, was diejenigen von uns (bereits wissen), die an dem, was er „Task Force Dunkirk“ (Evakuierungs-Hilfsgruppe für afghanische Dissidenten, bestehend aus ehemaligen CIA-Agenten und Militärs, Anm.d.Red.) nennt, beteiligt waren. Für einen Politiker, der sich mit Empathie einen Namen gemacht hat, erscheint Bidens völlige Gleichgültigkeit gegenüber menschlichem Leid soziopathisch. Die katastrophale Art und Weise, in der der Abzug der amerikanischen Truppen angeordnet wurde, ließ die Schwächsten zurück, nämlich diejenigen, die von den Taliban als Beute ins Visier genommen wurden. Es gab viele andere Möglichkeiten, sich zurückzuziehen. Packer schreibt:
„Es wäre bestimmt aussichtsreich gewesen, hätte man sichere Flugplätze und eine sichere Durchreise für die Afghanen gefordert, die die Amerikaner mitnehmen wollten. Man hätte Flugplätze in Herat, Mazar-i-Sharif, Dschalalabad und Kandahar nutzen können, während diese Städte außerhalb der Kontrolle der Taliban blieben ... aber die Regierung tat nichts davon.“
Jetzt sind die glücklichsten afghanischen Flüchtlinge immer noch in Flüchtlingslagern im Nahen Osten und in der westlichen Welt untergebracht. Die Wiederansiedlung ist langsam und schwierig für alle Beteiligten. Kinderheirat, Sprachprobleme, unrealistische Erwartungen, ein ausgeprägtes Anspruchsdenken und tiefe Depressionen sind nur einige der Herausforderungen. Die unglücklichsten Afghanen sind in ihrem Heimatland gefangen und haben Angst. Eltern verkaufen ihre Töchter – und ihre Nieren.
Wie Packer deutlich macht, hätte es nicht so weit kommen müssen. Das geht auf Ihr Konto, Präsident Biden. Sie haben unsere Ehre und unser Ansehen in der Welt für immer beschmutzt.
Dieser Beitrag erschien zuerst bei Investigative Project.