Hans Scheuerlein, Gastautor / 17.11.2024 / 11:00 / Foto: Myleeneand / 3 / Seite ausdrucken

Best Band You Never Heard: Stornoway

Im Unterschied zu vielen anderen Bands der Nu-Folk-Bewegung zeichnen sich Stornoway durch einen eigentümlichen Stil aus, der sich aus Einflüssen speist, die für die Folk-Musik eher untypisch sind.

Erinnert sich noch jemand an die „Alles frisch“-Werbekampagne aus den 80er Jahren? Gefühlt auf jedem zweiten Auto klebte so ein runder weißer Sticker, auf dem in roten Lettern „Alles frisch“ stand. Sonst nichts. Ich weiß bis heute nicht, für wen oder was dieser Aufkleber eigentlich werben sollte. Jedenfalls kam ein Bekannter von mir auf die geniale Idee, seine neue Band, für die er noch einen Namen suchte, „Alles frisch“ zu nennen. Somit fuhren im Handumdrehen Millionen von Autos kostenlos für sie Werbung.

So ähnlich dachten wohl auch die Mitglieder der Band Stornoway. So heißt nämlich der größte Ort auf der schottischen Insel Lewis and Harris der Äußeren Hebriden, der in Großbritannien in jedem Wetterbericht erwähnt wird. (Fun Fact am Rande: Anfang der 1920er Jahre herrschte auf der Hebriden-Insel ein eklatanter Männermangel, woraufhin eine gewisse Mary Anne MacLeod nach Amerika auswanderte, wo sie später einen Sohn namens Donald John Trump zur Welt brachte.)

Stornoway wurden gegen Ende der 2000er Jahre im Zuge des Folk-Revivals und des sagenhaften Aufstiegs von Mumford & Sons quasi mit nach oben gespült. Außerhalb des Vereinigten Königreichs kamen die vier jungen Männer aus der Nähe von Oxford jedoch nie über ihren Geheimtipp-Status hinaus. Sehr zu Unrecht, wie ich finde. Denn sie besaßen von Anfang an einen ganz eigenen, unverwechselbaren Stil, mit dem sie sich von der Masse der vielen Nu-Folk-Bands abhoben.

Nu-Folk mit Pop-Einflüssen

Die Musik von Stornoway ist alles andere als ein aufgewärmter Retro-Folk. Vielmehr speist sie sich aus Einflüssen, die für das Folk-Genre eher untypisch sind. Stornoway haben Pop! Und sie scheuen sich auch nicht, Orgel, E-Bass oder Trompete einzusetzen. Ein weiteres Markenzeichen sind ihre geschickt geführten Gesangsmelodien, wobei mich die Stimme von Sänger Brian Briggs sehr an die von Robin Pecknold von den Fleet Foxes erinnert. Vielleicht könnte man Stornoway sogar als poppige Fleet Foxes beschreiben.

Aber man muss sie gar nicht mit anderen Bands vergleichen. Dazu sind sie viel zu authentisch und eigenständig. Außerdem sind sie über all die Jahre ihrem Stil treu geblieben, während sich andere, auch namhafte Vertreter der Nu-Folk-Bewegung, wie etwa Noah and the Whale, Bon Iver oder die bereits erwähnten Mumford & Sons sehr schnell wieder von ihren folkigen Anfängen verabschiedet haben.

Nach drei Alben, mit denen sie fast ausschließlich nur in Großbritannien und in Irland punkten konnten, lösten sich Stornoway 2017 auf. Sie verabschiedeten sich von ihren britischen Fans mit einer Farewell-Tour, aus der noch ein Live-Album von ihrem Abschiedskonzert in Oxford hervorging. 2022 kam es dann anlässlich einiger Festival-Auftritte zur Wiedervereinigung. Und im im Jahr darauf erschien sogar ein neues Album, auf dem sie musikalisch wie qualitativ an ihre vorherigen Veröffentlichungen anknüpften, als wäre nichts gewesen.

YouTube-Link zu „Zorbing“ vom ersten Album „Beachcombers Windowsill“ mit Video

YouTube-Link zu „The Bigger Picture“ vom zweiten Album „Tales from Terra Firma“ mit Video

YouTube-Link zu „Get Low“ vom dritten Album „Bonxie“ mit Video

YouTube-Link zu „Sea Legs“ vom aktuellen Album „Dig the Mountain!“

Hans Scheuerlein verarbeitet auf der Achse des Guten seit 2021 sein Erschrecken über die Tatsache, dass viele der Schallplatten, die den Soundtrack seines Lebens prägten, inzwischen ein halbes Jahrhundert alt geworden sind.

Achgut.com ist auch für Sie unerlässlich?
Spenden Sie Ihre Wertschätzung hier!

Hier via Paypal spenden Hier via Direktüberweisung spenden
Leserpost

netiquette:

Thomas Roder / 17.11.2024

Besten Dank, Herr Scheuerlein! Fast vergessen und jetzt wiederentdeckt…

Belo Zibé / 17.11.2024

Danke!

Thomas Taterka / 17.11.2024

Bin aus mit der Fairport Convention . Vielleicht klappt’s ein andermal . “Who knows ... ?”

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Hans Scheuerlein, Gastautor / 04.01.2025 / 14:00 / 1

60 Jahre „Four Tops“

Wie kann man das Jahr besser beginnen, als mit etwas Sweet Soul Music? Im Januar 1965 erschien mit dem ersten Album der Four Tops eines…/ mehr

Hans Scheuerlein, Gastautor / 29.12.2024 / 10:00 / 30

„What the World Needs Now Is Love“

In der Musik muss die Liebe nur allzu oft als Allheilmittel gegen alles Schlechte in der Welt herhalten. Aber kann die Liebe wirklich die Welt…/ mehr

Hans Scheuerlein, Gastautor / 08.12.2024 / 16:00 / 9

Frankie Goes to Hollywood: 40 Jahre „Welcome to the Pleasuredome“

Mit ihrem Debüt legte die Liverpooler Band ein überraschend vielseitiges Werk vor, dass nicht nur soundtechnisch neue Maßstäbe setzte, sondern auch musikalisch überzeugte. Frankie Goes…/ mehr

Hans Scheuerlein, Gastautor / 02.11.2024 / 14:00 / 17

Kraftwerk: 50 Jahre „Autobahn“

Ein lockerer Plausch mit dem KI-Textgenerator ChatGPT über das Jubiläum eines deutschen Klassikers – in mehrfacher Hinsicht. Zum 50. Geburtstag von Kraftwerks „Autobahn“ hielt ich…/ mehr

Hans Scheuerlein, Gastautor / 06.10.2024 / 14:00 / 9

Electric Light Orchestra: 50 Jahre „Eldorado“

Das vierte Album von Jeff Lynne und seinem Electric Light Orchestra war zugleich das erste, das der Bezeichnung „Orchester“ auch wirklich gerecht wurde. Wie hätten…/ mehr

Hans Scheuerlein, Gastautor / 08.09.2024 / 14:00 / 5

The Magnetic Fields: 25 Jahre „69 Love Songs“

Als das unumstrittene Meisterwerk der Magnetic Fields gelten ihre „69 Love Songs“, die im September 1999 veröffentlicht wurden. 25 Jahre sind ja durchaus auch ein…/ mehr

Hans Scheuerlein, Gastautor / 18.08.2024 / 16:00 / 4

Lieder für die Ewigkeit: „Live Forever“

Der Song atmet das Gefühl von Freiheit und jugendlichem Übermut. Das Altwerden ist noch ewig weit weg. Und das Leben fühlt sich an, als würde…/ mehr

Hans Scheuerlein, Gastautor / 03.08.2024 / 14:00 / 5

Average White Band: 50 Jahre „AWB“

Der zweite Longplayer der Average White Band klingt nach dem schwärzesten Soul und Funk. Black Music at its best! Oder etwa doch nicht? Finde den…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com