Fangen wir in Amerika an. „Black“ war lange Zeit die stolze, selbst gewählte Alternative dunkelhäutiger und nicht ganz so dunkelhäutiger Amerikaner zum „Negro“. Der „Negro“, obwohl offiziell immer noch vorhanden, zum Beispiel im „Negro Spiritual“, ist immer mehr ins Unerwünschte abgerutscht. Lange Zeit war der „Negro“ das höfliche Gegenstück zum beleidigenden „Nigger“. Heute gilt „Afro-Amerikaner“ als politisch korrekter, vor allem unter Weißen, während Afro-Amerikaner sich selber gerne weiter „black“ nennen. Auch das „Negro Spiritual“ hat sich großenteils zum „African-American Spiritual“ gewandelt.
Bei uns ist die politisch korrekte Begriffssuche komplizierter. Wir hängen, ob weiß, ob braun, am Schwarzen fest. Afro-Deutsche gingen auch, aber sie sind offenbar zu dünn gesät, um diesen Begriff in den Sprachsatz einzuführen. Häufiger ist der Deutsch-Afrikaner, der aber – ähnlich wie der Deutsch-Türke – suggeriert, dass der so Bezeichnete in erster Linie Afrikaner (oder Türke) ist, mit einem bisschen Deutsch angereichert. Er gehört also, bei genauerer Betrachtung, nicht wirklich dazu. Da ist der Afro-Amerikaner ein ganz anderes, nämlich bewusst amerikanisches Kaliber. Der Afro-Deutsche wäre es auch, wenn er eine gesellschaftlich durchsetzbare Option wäre.
Der „Neger“ wiederum, das deutsche Gegenstück zum amerikanischen „negro“, hat ganz ausgedient und lebt nur noch als blasse und unwillkommene Erinnerung weiter. Es gab mal eine Zeit, da konnte ein Schuh-Fabrikant eines seiner echt ledernen Modelle noch ganz unbedarft und ungestraft als „negerbraun“ verkaufen. Das war naiv und fast niedlich. War aber nur möglich, weil es einen rassistischen Grundkonsens gab.
Und was ist mit Nigeria?
Heute fällt der offensichtliche Rassist unangenehm auf. Ein schöner Fortschritt, auch wenn der weniger offensichtliche Rassismus weiterlebt. Ein Mann wie Jens Maier, der Noah Becker einen „Halbneger“ nennt, verlässt klar den grünen Bereich. Er gleicht einer uralten Auto-Dreckschleuder, die im Abgasbereinigten Straßenverkehr durch ihren Gestank auffällt.
Andererseits ist ein latinisierter „Neger“, ob halb, ob ganz, nichts anderes als ein germanischer „Schwarzer“. Die Beschreibung einer Hautfarbe also. Bei einem Spanier etwa, für den die Farbe Schwarz nun mal negro ist, bleibt ein negro ein negro. Es sei denn er verabschiedet sich ganz aus dem Farbspiel und begibt sich in die Afro-Variante und damit auf Nummer sicher.
Das Schwarz der alten Lateiner war bekanntlich niger, was heute nun wirklich ziemlich anrüchig klingt. Andererseits leiten sich von dem lateinischen „niger“ die afrikanischen Staaten Nigeria und Niger samt dem gleichnamigen Fluss ab, ohne in irgendeiner Weise despektierlich zu sein.
Immer neue, bessere, reinere Wörter
So variiert die Farbe Schwarz je nach Sprache und Zusammenhang ihren Wert und Unwert. Alles fließt, auch die Begriffe für Menschen, deren Teint nicht rosa oder wandbleich ist. Der Begriffsfluss ist allerdings nicht naturgegeben sondern von Menschenhand gemacht. Er ist wie ein kanalisierter Strom: Man will mit der Sprache das begradigen, was im Denken noch krumm läuft. Das Denken hinkt, was das Verhältnis zwischen den Rassen angeht, hinter der Sprache hinterher. Im Zweifel ist das Denken stärker. Darum zieht es nach und nach die gut gemeinten Begriffe zu sich in die Realität herunter. Und darum müssen immer neue, bessere, reinere Wörter her.
Allerdings bleibt auch das Denken nicht stehen. Die Fortschritte im Verhältnis der Rassen zueinander sind beträchtlich. Die Sprachbemühungen haben dabei durchaus eine helfende Rolle gespielt. Das naive Negerbraun wirkt heute nur noch grotesk und ist zum Glück von der Bildfläche verschwunden.
Bei all der Mühe, das korrekte Wort zu finden und pädagogisch wirken zu lassen, wird gerne vergessen, worauf es eigentlich ankommt: auf die Gesinnung. Eine anständige Wortwahl ist wichtig, aber viel wichtiger ist der Geist, der dahinter weht. Intoleranz kann sich auch hinter wohlanständigen Worten verstecken. Und ein weltoffener Mensch wird nicht zum Bösewicht, wenn ihm mal das Wort „Neger“ herausrutscht. Roberto Blanco war nicht beleidigt, als Bayerns Innenminister Joachim Herrmann ihn einen „wunderbaren Neger“ nannte. Da steckte zwar noch ein Hauch vom „Negerbraun“ des alten Schuh-Fabrikanten drin, aber wirklich böse gemeint war es nicht.
Bei Jens Maiers „Halbneger“ hingegen, der fatal an den „Halbjuden“ erinnert, kommt beides zusammen: das böses Wort und die ekelhafte Gesinnung.