Berliner Verkaufsveranstaltung mit Christine Lagarde

Von Markus C. Kerber.

Alles war bestens präpariert, als Christine Lagarde am 26.3.2018 das Gebäude der Hertie School of Governance betrat, um im Rahmen der European Lecture des DIW für mehr Transfers innerhalb der Eurozone zu werben. Marcel Fratzscher, jener DIW-Präsident, der auf seiner Homepage verkündet, er sei nur noch Europäer (und nicht mehr Deutscher), stellte die elegant gewandete Madame Lagarde aus Washington mit einer Fülle von Elogen vor. Fast hatten die Zuhörer den Eindruck, ein junger Liebhaber würde Rosen über die Dame seines Herzens ausschütten.

Lagarde nahm die Huldigungen souverän entgegen. Denn sie wusste: Auf den Nur-Noch-Europäer Fratzscher ist bei IWF-Wünschen nach (noch) höherer Haftung Deutschlands Verlass. Außerdem fühlen sich beide derselben Elite zugehörig: supranational und finanzkapitalistisch. Da nimmt es kein Wunder, wenn Fratzscher zwar die Minister-Karriere von Lagarde unter Sarkozy, nicht aber ihre Verwicklung in den Skandal um Bankrotteur Bernard Tapie erwähnt. Und natürlich ist dem DIW Präsidenten der Hinweis auf Lagardes frühere Vorstandsposition bei einer Anwaltsfirma wichtiger als ihr mehrmaliges Scheitern bei der Aufnahmeprüfung zur Pariser Eliteschule Ecole Nationale d’Administration.

So vermag die Französin aus Washington die Kommunikation in Berlin mit der Gewissheit zu steuern, aus dem Publikum keinen Widerspruch zu erwarten und den Veranstalter ganz auf ihrer Seite zu wissen. Denn es geht im Kern um die Bearbeitung der deutschen Öffentlichkeit mit dem Ziel, die Deutschen gefügig zu machen und zur „Stabilisierung“ der Eurozone mehr Transfergelder zur Verfügung zu stellen. 

Spätestens bei der Forderung nach einem deutschen Beitrag zu einem rainy day fund von nachgerechnet etwa 11 Milliarden Euro jährlich müsste die versammelte Fachöffentlichkeit danach fragen, wie ausgerechnet die geschäftsführende Direktorin des IWF auf die Idee kommt, mit der Autorität ihres Amtes den Deutschen diese Forderung nahezubringen. Die Legitimität ihres Wirkens in Deutschland folgt jedenfalls nicht aus der unbedingten Bereitschaft von DIW und Hertie School zur großherzigen Kollaboration mit Frankreich. Denn der IWF soll vornehmlich Zahlungsbilanzkrisen seiner Mitgliedsländer überwinden helfen.

Keine einzige Frage nach Lagardes Legitimität

Dies ist schwer genug und hat die Washingtoner Institution manches Mal überfordert. Bei Griechenland ging es – außerhalb des IWF-Mandats – um eine Haushaltskrise.    Mittlerweile beschränkt sich der IWF darauf, sich bei der hellenischen Dauerkrise aus der Verantwortung zu klinken und von den Gläubigerstaaten Griechenlands weitgehende Forderungsverzichte zu fordern. Darin ist Madame Lagarde unübertroffen. Marcel Fratzscher weiß sie dabei an ihrer Seite.

Doch bevor es um dieses heikle Thema in der deutschen Öffentlichkeit geht, gilt es, die Deutschen dazu zu bringen, mehr Transfers in Gestalt von Einlagesicherung, Letztsicherung für die Bankenunion und rainy day fund als das süße Gift der europäischen Integration zu schlucken. Dass sich Madame Lagarde soweit vortraut, hat nichts mit dem Mandat des IWF zu tun, sondern beruht auf der kollusiven Arbeitsteilung zwischen dem Pariser Machthaber Macron und der expansiv-dekadenten Führung der EU-Kommission. Paris-Washington-Brüssel, dieser Trust, will die Deutschen einkreisen. Wie will sich die Zwergen-Nation, geführt von Maas und Merkel, dieses argumentativen Ansturms erwehren? Zumal es hinreichend Fachwissenschaftler gibt, die wie Fratzscher in der offenen Kollaboration mit Mächten, die Deutschland das Recht auf Selbstbestimmung verweigern, ihre raison d’être sehen?

So fühlten sich manche Besucher der DIW-Veranstaltung von dem hohen Besuch der Französin aus Washington geehrt und stellten nicht einmal die Frage nach der Legitimität ihres Wirkens auf deutschem Territorium. Vergessen scheint auch zu sein, dass Madame Lagarde in ihrer Funktion als Finanzministerin gehörige Schuld für die gegenwärtige Haushaltslage in Paris trifft und sie bereits deshalb mehr Geld fordert, um das wenig reformgeneigte Pariser Ausgabenregime ungezügelt fortzusetzen. Erinnern werden sich manche Deutsche indes daran, dass inmitten der Euro-Krise Madame Lagarde 2010 bei der Schaffung des ersten Rettungsfonds EFSF stolz verkündete: „Wir haben den Maastricht-Vertrag verletzt.“  

Diese Äußerung aus dem Munde französischer Politiker ist keine Überraschung. Regeln mag man in Paris partout nicht, es sei denn, man kann daraus Vorwürfe gegen Deutschland wegen seiner Zahlungsbilanzüberschüsse ableiten. Dies sollte man bedenken, wenn jetzt von Lagarde behauptet wird, auch der rainy day fund müsse strikten Regeln folgen.

Werden sich die Deutschen gegen ihre „Freunde“ aus Paris, Brüssel und Washington wehren? Die Beantwortung dieser Frage hängt wohl von der Bereitschaft der vielzitierten schweigenden Mehrheit, ihre Stimme zu erheben, ab, um die Kollaborateure wie Fratzscher und die Hertie School of Governance als solche zu qualifizieren. Dies wär ein erster, hoffnungsfroher Schritt, der Abdankung Deutschlands als selbstbestimmte Nation entgegenzutreten. 

Markus C. Kerber ist Jurist und Professor für Finzanzwirtschaft und Wirtschaftspolitik an der TU Berlin, E.N.A. 1985 (Diderot), Gastprofessor an der Warsaw School of Economics und der Université Panthéon-Assas sowie Gründer von www.europolis-online.org. Als Buch ist von ihm erschienen: "Europa ohne Frankreich? Deutsche Anmerkungen zur französischen Frage".

Foto: Fabian Nicolay

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Rudolf George / 30.03.2018

Starker Tobak: die Selbstbestimmung der deutschen Nation steht auf dem Spiel. Ich fürchte aber, dass dieses Spiel schon längst verloren ist. Mit der Aufgabe der eigenen Währung, und spätestens seit der Draghischen Bazookapolitik ist die finanzielle Selbsbestimmung Deutschlands vorbei. Auch die kulturelle Selbstbestimmung ist schon lang dahin, haben sich doch die politisch-medialen Eliten „Buntheit“ auf die Fahnen geschrieben. Es bleibt vorerst höchstens eine Form von politischer Selbständigkeit,  aber auch an der Stelle hat der Weichkochprozess schon begonnen.

Helmut Driesel / 30.03.2018

Die vergangenen Jahre haben eigentlich klar gezeigt, dass die Deutschen sowieso zur Kasse gebeten werden, egal, ob nun vorbeugend per “Fond” oder “Schirm” oder operativ, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist. Solidarität ist nun mal, wenn die Reichen den Armen helfen, die Glück gehabt haben den in Not Geratenen, die Gesunden den Kranken und nicht umgekehrt. Im Normalfall verbinden sich damit aber auch Verpflichtungen, im einfachsten Falle Dankbarkeit. So weit wollen die Fans von Frau Lagarde dann aber lieber nicht gehen. Im Grunde ist es doch kein vergeudetes Kapital, wenn 10Mr. im Jahr ausreichen, um in Europa für gute und deutschlandfreundliche Stimmung zu sorgen. Im Süden ist es jeder Politiker und Beamte gewöhnt, immer etwas geschmiert zu werden. Das ist ein Stück Kultur, die alle akzeptieren müssen, die sich gerne großspurig als Europäer darstellen. Für unsere Regierung wäre es vorläufig das Beste, zunächst dafür zu sorgen, dass die Deutschen verglichen mit den anderen Europäern wirklich eine reiche Nation mit einer wohlhabenden Bevölkerung werden, das ist derzeit nämlich noch ein Mythos. Eine erste Aufgabe für Minister Scholz könnte sein, die Renten zu sichern. Har er sich das vorgenommen?

Georg Dobler / 30.03.2018

Das wird schwierig mit den “Kollaborateuren”, wenn schon der Bundespräsident für Bertelsmann eine Veranstaltung in seinem Amtssitz macht. Die Demokratie steht im Grundgesetz, in der Realität verschwindet sie nach und nach. Die westlichen Eliten, vom Banker Macron, Juncker, all die Grenzen-Abschaffer erdrücken uns langsam, alle Skeptiker sind rechts und Populisten. Das Grauen.

W.Schneider / 30.03.2018

Das Problem ist doch, dass wir nicht nur eine schweigende Mehrheit haben, sondern dass diese auch bei zu unterbindendem Aufmucken einfach ignoriert wird. Meiner Einschätzung nach wird der oben beschriebene Schritt hinter verschlossenen Türen längst in trockene Tücher gewickelt. Es ist schließlich Europa, sprich die EU, sprich der Euro, sprich die Banken, zu retten. Wir sind schließlich die besten Europayer.

Werner Arning / 30.03.2018

Hervorragender Artikel, in dem die ganze Malaise beim Namen genannt wird. Man könnte auch formulieren : Frankreich und Andere wollen Zugriff auf unserer Geld. Das Anliegen wird hübsch verpackt und geschmückt und ist von netten Worten begleitet. Hört sich alles so schön europäisch und international an. Und wird vorgetragen von einer Dame von Welt. Elegante Pariserin aus Washington, na was will man mehr? Und zu diesem Spiel sollen wir gute Mine machen und uns noch nett bedanken. Schließlich sind wir ja aufgenommen in den Kreis der global Denkenden. Wer will sich da verschließen? Hat halt alles seinen Preis, aber der scheint einigen gar nicht hoch genug zu sein können. Dann kauft euch eure „Freunde“.

Wolf-Dietrich Staebe / 30.03.2018

Regeln mag man nicht nur in Paris partout nicht, in Berlin und Buntland sind Regeln und deren Einhaltung auch nicht so richtig angesagt. Es sei denn, das blöde Volk soll gegängelt und zur Kasse gebeten werden. Da klappt es auf einmal mit der Rechtsstaatlichkeit. Zwangsbeglückungsabgabe an “Deutschlandradio” (welch ein Hohn!) nicht gezahlt? Da kann man als Deutscher schon mal im Gefängnis landen. Falsch geparkt? Auch nicht gut, kostet richtig Geld und kann auch im Gefängnis enden. Milliarden für Schwachsinn wie Griechenlandhilfe, EU-Finanzierung, Energiewende, Dieselverbot, Klimaschutz, nicht fliegende Flughäfen und strafbare Einwanderung (u.a. §§ 95, 96 AufenthaltG) verballert- da wacht man als Verantwortlicher im Paradies auf! Mit Anspruch auf eine fürstliche Pension und einen Orden, versteht sich.

Monika Schimpke / 30.03.2018

OT - Orthographie und Syntax bitte korrigieren: nicht “prepariert”, sondern: präpariert nicht “sich … diesem argumentativem Ansturm erwehren”, sondern: “sich … dieses argumentatives Ansturms erwehren”

Sebastian Gumbach / 30.03.2018

“European citizen” ist natürlich Unsinn, weil es eben keinen europäischen Staat gibt. Dass das am Ende des EU-Wahns steht, Schulz’ “Vereinigte Staaten von Europa”, ist allgemein bekannt. Normalerweise macht man dann eine Art Roadmap, um aufzuzeigen, wie man das Ziel erreicht. In diesem Fall aber liegt dichter Nebel über diesem Ziel, Nebel, der durch Nebelmaschinen der Protagonisten erzeugt wurde. Stattdessen werden Krisen und Anschläge - Zufall oder gesteuert? - genutzt, um auf leisen Sohlen den Bürger vor vollendete Tatsachen zu stellen. Warum macht man das? Offensichtlich deshalb, weil der EU-Staat keine Mehrheit der Staatsvölker Europas hätte.

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