Peter Grimm / 10.06.2019 / 06:14 / Foto: André Karwath / 43 / Seite ausdrucken

Berliner Verfalls-Beschleunigungsgesetz

Berlin ist in gewissem Sinne eine zukunftsweisende Stadt. In dieser Stadt wird vieles schon erlebbar, was anderen Teilen Deutschlands noch bevor steht. Die rot-rot-grün regierte Hauptstadt will nicht nur Vorreiter des gesellschaftlichen Fortschritts sein. Sie macht auch erlebbar, was aus einem Gemeinwesen wird, in dem „Wertschöpfung“ zum Fremdwort verkommen ist. Die Verantwortungsträger scheinen Kleinigkeiten, wie etwa Werterhaltung der Infrastruktur, aus ihrem Aufgabenportfolio einfach abzuwählen, als handle es sich um lästige naturwissenschaftliche Schulfächer auf dem Weg zum Abitur.

Brücken zerbröseln und müssen gesperrt werden. Der öffentliche Nahverkehr wird mal ausgedünnt, weil die Fahrzeuge fehlen und dann wieder, weil es nicht genug Fahrer gibt. Der dramatische Zustand Berliner Schulen hat es schon in den vergangenen Jahren gelegentlich in die überregionale Medienwelt geschafft.

Aktuell treiben ja die Kosten fürs Wohnen viele Menschen in Deutschland um. Im gesellschaftlichen Zukunftslabor Berlin würde es natürlich kein Verantwortlicher wagen, die Suche nach den Ursachen auf mangelnde Bautätigkeit bei gleichzeitig steigendem Zuzug zu beschränken. Nein, es gilt auch, Schuldige zu entlarven. Und das sind vor allem die Besitzer von Mietshäusern. In Berlin unterstützt die Partei der für Bauen und Wohnen zuständigen Senatorin ein Volksbegehren zur Enteignung einer Wohnungsgesellschaft. Dass man auf diese Weise auch Wohnungsbestände enteignen würde, die Jahre zuvor aus städtischem Besitz an Private verkauft wurden, ficht die Kräfte des gesellschaftlichen Fortschritts nicht an.

Erfolgreich wie das Mietenstoppgesetz von 1936?

Mitte letzter Woche kündigte die linke Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher an, dass der Senat am 18. Juni beschließen werde, dass die Mieten in Berlin für „nicht preisgebundene Wohnungen in Mehrfamilienhäusern“ für fünf Jahre eingefroren werden. Die „öffentlich-rechtliche Begrenzung der Mieten“ solle durch ein Landesgesetz erfolgen. Den Gesetzentwurf wolle der Senat im Oktober vorlegen, das Gesetz soll bis zum Jahresende vom Abgeordnetenhaus beschlossen werden. Das neue „Berliner Mietengesetz“ soll nicht für den sozialen Wohnungsbau und auch nicht für Neubauwohnungen gelten, die bisher nicht vermietet wurden. Die Mieter hätten das Recht, ihre Miete auf „Mietpreisüberhöhung“ behördlich prüfen zu lassen. Falls die Miete zu hoch sei, könne sie auf die zulässige Miethöhe reduziert werden. Mieter, die neu in eine Wohnung einziehen, müssten nicht mehr Miete als der Vormieter zahlen. Für Modernisierungsumlagen solle eine Genehmigungs- und Anzeigepflicht gelten.

Mieterhöhungen werden also in Berlin verboten, wie weiland mit dem Mietenstoppgesetz von 1936, das allerdings nicht nur in der Reichshauptstadt, sondern gleich in ganz Deutschland galt. Es hatte das Reich in einem Teil Deutschland auch lange überlebt, denn seine grundlegenden Regelungen behielten auch in der DDR bis zu deren Ende Gültigkeit.

Dass ohne Einnahmen auch nicht nennenswert in Werterhalt, Sanierung oder Modernisierung investiert werden konnte, ist folgerichtig. Über die Jahrzehnte führte dies zu einem großen Bestand an verfallenen Altbauten.

Zunächst wird das Gesetz allerdings nur eine Folge haben, nämlich einen dramatischen Preissprung, vor allem bei moderaten und preiswerten Mieten. Gerade die Vermieter, die mit Mieterhöhungen zurückhaltend waren, müssen nun so stark erhöhen, wie es nur geht. Die alltäglichen Kosten für Reparaturen, andere handwerkliche Leistungen, Gebühren etc. werden ja trotz des Mietenstopps steigen. Deshalb ist für viele, bislang sozial denkende Vermieter die höchstmögliche Mieterhöhung jetzt ein Akt wirtschaftlicher Notwehr.

Wie aber der Senat und die ihn tragenden Parteien diese Wirkung erklären werden, ist absehbar. Die Stadtoberen werden keinen Fehler eingestehen, sondern wieder die Immobilienbesitzer zu Schuldigen erklären, denen man wohl weitere Daumenschrauben anlegen müsse.

Der Staat kümmert sich woanders

Ein Hass-Klima gegenüber Vertretern der Immobilienwirtschaft hat sich in Berlin ohnehin schon geraume Zeit entwickelt. Das hat zuweilen absurde Folgen.

„Etwa 50 Chaoten griffen am Donnerstagabend in Kreuzberg mit Eiern, Tomaten und mit Farbe gefüllten Bechern einen Reisebus an – in dem krebskranke Menschen saßen!“, meldete die BZ dieser Tage.

Es stellte sich heraus, dass die Angreifer sich im Bus geirrt hatten. Sie wollten Teilnehmer einer Veranstaltung des Immobilienverbandes Deutschland treffen, die auch mit Bussen anreisten.

Die Täter sind an diesem Abend scheinbar nicht gefasst worden, aber der Staatsschutz ermittelt. Der hat allerdings in der Hauptstadt viel zu tun, so dass er sich einem solchen Fall vielleicht nicht uneingeschränkt widmen kann.

Aber man soll nicht sagen, dass die Staatsmacht in Berlin einfach alles durchgehen lässt. Hier werden nur klare Prioritäten gesetzt. Im folgenden Fall wurden die gefährlichen Täter sofort festgesetzt und auch hier ermittelt der Staatsschutz. Es war ebenfalls die lokale BZ, die über diesen Fall vom Alexanderplatz berichtete, einem Ort, der in der Vergangenheit eher mit Messerstechereien und ähnlichen Übergriffen in der Presse Erwähnung fand:

„Die beiden 18 und 19 Jahre alten Musliminnen, die Kopftücher trugen, standen am Fahrstuhl zur U8, als die beiden Seniorenpaare an ihnen vorbeiliefen. Diese unterhielten sich den Angaben zufolge laut über Kopftücher.

Einer der beiden Männer soll die Frauen dann beschimpft und sie aufgefordert haben, die Tücher abzunehmen. Die Beschimpften folgten den Tatverdächtigen zum Bahnsteig der U2 und riefen die Polizei. Dort sollen die Beleidigungen seitens der Senioren fortgeführt worden sein. Daraufhin kam es laut Zeugenaussagen zu einem leichten Gerangel zwischen den Ehepaaren und den beiden Frauen.

Die Polizei nahm die beiden Ehepaare vorübergehend fest. Bei den Männern und Frauen im Alter von 71 bis 74 Jahren wurden geringe Mengen Alkohol im Atem festgestellt, wie die Polizei mitteilte. Der für politisch motivierte Straftaten zuständige Staatsschutz ermittelt.“

Das sollte doch all jene nachdenklich werden lassen, die Berlin immer wieder zu Vorreiter in Sachen Staatsversagen erklären, nur weil öffentliche Verwaltung und Dienstleistungen in weiten Teilen nicht so reibungslos funktionieren, wie in den meisten Teilen Deutschlands. Berlin setzt halt nur andere Prioritäten. Das machen Vorreiter des gesellschaftlichen Fortschritts nun einmal so.

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Leserpost

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Richard Loewe / 10.06.2019

Die Deutschen wollen es so; nicht nur die Berliner. Deutschland ist nur noch wenige Baby steps von einer totalitaeren Diktatur entfernt. Wenn die wenigen Leistungstraeger dann ausgesaugt sind und die, die fliehen koennen, fliehen, werden zuerst Steuern auf Republikfluechtlinge erhoben werden und dann werden die Grenzen fuer Ausreisende geschlossen. Bis zur naechsten Bundestagswahl ist das alles da.

Matthias Popp / 10.06.2019

Zum (Nicht-)Handeln von Politikern in der Wohnungspolitik hat Walter Lippmann (Public Opinion) schon 1922 (!) das nötige gewusst: “A legislature dealing with a shortage of houses, such as exists when this is written, illustrates this rule, first by doing nothing to increase the number of houses, second by smiting the greedy landlord on the hip, third by investigating the profiteering builders and working men. For a constructive policy deals with remote and uninteresting factors, while a greedy landlord, or a profiteering plumber is visible and immediate.”

Steffen Huebner / 10.06.2019

“Die Täter sind an diesem Abend scheinbar nicht gefasst worden, aber der Staatsschutz ermittelt.” - Also, aus Erfahrung: wenn der Staatsschutz ermittelt… dann ist die größte Gefahr für Linksextremisten vorbei.

E Ekat / 10.06.2019

Der dem Staat gehörende Wohnungsbestand in der DDR war zum Zeitpunkt 1989 offenbar tiptop in Ordnung und mag als Beleg für die Notwendigkeit dienen, den Immobilienbesitz in der BRD zu verstaatlichen.  Dem muß man folgen können, alles andere ist Pillepalle. große Immobiliengesellschaft hat unlängst erklärt, wonach 10 % ihrer Neubau-Wohnungen an Migranten vermietet werden. Bezahlt wer? Die Null-Zins-Politik der EZB führt dazu, daß staatliche Rendite-Papiere nicht mehr rentieren. Das zur Spar-Anlage bestimmte Geld geht demnach in andere Anlageformen. Welche wären dies? Der durch die EZB verursache Überschuß an billigem Geld führt zu Preissteigerungen für Immobilien.  Solange in unserer Gesellschaft niemand zusammenzählen mag, wird es nicht besser werden.

HaJo Wolf / 10.06.2019

Nur nebenbei: angesichts der Nullzinspolitik und der schleichenden, nein, galoppierenden Vernichtung unseres Vermögens haben wir auch die Anschaffung einer Immobilie als Anlageobjekt in Betracht gezogen. Und sind davon wieder ab gekommen, weil wir keine Lust auf Mietgesetze und Gängelungen in unser Eigentum hinein haben. Die Merkel-Diktatur muss endlich beendet werden, linksgrüne Gutmenschen endlich aus der Politik verjagt werden!

Karla Kuhn / 10.06.2019

Das Gefasel von den r r g läßt sich ja rechtlich auch nicht so einfach durchsetzen, vorausgesetzt natürlich wir leben NOCH nicht in einer Anarchie, scheinen aber auf dem Weg dahin zu sein. Wenn ich mit stockfremden Menschen rede und die merken, daß ich auf deren Linie liege, machen sie aus ihrem Herzen keine Mördergrube. Mir erzählte ein junger Mann, daß seine Eltern nicht mehr vermieten. Eine Frau will ihre Eigentumswohnung verkaufen, möglichst an einen reichen Ausländer. Verwandte werden einquartiert etc.  In der DDR gab es gravierenden Wohnungsmangel aber so blöd daß die Politiker mit Enteignungen oder anderen Maßnahmen gedroht haben, waren sie nicht, weil sie GENAU wußten, daß sich ein großer Teil der Menschen im Lande noch mehr der Gesellschaft verweigern würden. Natürlich, muß im Falle der Senioren der STAATSSCHUTZ ermitteln, WO kämen wei denn hin, wenn ALLE noch ihre Meinung sagen würden und auch noch ein “leichtes Gerangel” entsteht ” ??  Hauptsache die Antifa kann möglichst unbehelligt ihr Treiben weiterführen. Übrigens, BERLIN hat ELEKTRO BUSSE für 600.000 Euro das STÜCK gekauft, (normale Busse 250.000), die aber nur HALBTAGS eingesetzt werden können. MOPO gestern “HALBTAGSJOBS für ELEKTRO BUSSE.”  Ich HOFFE, daß ENDLICH der LÄNDERFINANZAUSGLEICH   nur noch für SINNVOLLE und wirklich NOTWENDIGE Ausgaben gezahlt wird, denn auch dieses Geld ist STEUERGELD !!  WENN die Kanzlerin die GRENZEN NICHT für JEDERMANN geöffnet hätte, wäre die Wohnungssituation wahrscheinlich nicht derart am Boden !!  Übrigens SPD Oppermann, will jetzt eine STRIKTE ABSCHIEBUNG durchsetzen, natürlich GEGEN die meisten der Grünen und LINKEN !!Verschiedene SPD Mitglieder haben sich der “WAHREN SPD ” angeschlossen.  Es wird noch lustig werden mit vielen “Koryphäen” der r r g Politik.

Gabriele Schulze / 10.06.2019

@Gerhard Mader: habe erst versehentlich “Gottes Grinsen” gelesen. Wäre aber auch nicht schlecht. Wenn man schon das Höhere bemüht - vielleicht ist es uns nach ‘45 zu schnell zu lange zu gut gegangen. Das Karma schlägt eben jetzt zurück. Oder, wie ein Leser auf welt online jüngst schrieb: “Wir können dem Karma beim Arbeiten zusehen”.

Daniel Oehler / 10.06.2019

Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten, die den Politchaoten-Zoo Berlin einhegt und so das Umland schützt. Noch nicht. Rot-grünes Chaos in Bremen und Berlin gibt es nur, weil der Rest der Republik so dumm ist, dafür zu bezahlen. Es ist höchste Zeit, den Länderfinanzausgleich abzuschaffen. Sollen sich die Wähler von Berlin und Bremen bei den von ihnen gewählten Parteien, also SPD, Linke und Grüne zum Geldempfang anstellen. Diese Parteien liefern bestimmt auch Zelte und Wellblechbaracken, wenn die Häuser zerfallen und die Unterschicht wegen unbezahlbarer exorbitant hoher Strompreise aus den verbliebenen Wohnungen rausfliegt.

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