Gunter Frank / 15.11.2021 / 13:44 / Foto: Achgut.com / 221 / Seite ausdrucken

Bericht zur Coronalage vom 15.11.2021: Entmenschlichung

Die Kampagne gegen Impfkritiker zielt immer mehr auf urzeitliche Verhaltensweisen, die heute noch praktiziert werden, wenn Verantwortliche bei eigenem Versagen die entstehende Wut auf Sündenböcke ablenken. Ein Schreiben von Ärztefunktionären zeigt das auf erschreckende Weise.

Man kann plausible Gründe für und gegen die aktuelle Covidimpfung finden. Mich beunruhigen zum Beispiel die vielfältigen Berichte bzgl. des Auftretens schwerer Krankheiten im zeitlichen Zusammenhang, ohne dass dem adäquat nachgegangen würde. Weil Impfungen vor allem auf den individuellen Schutz des Geimpften zielen und weil die Ausrottung einer Zoonose, wie Influenza oder Corona, durch eine Durchimpfung der Gesellschaft schlicht unmöglich ist, ist die derzeit geführte Diskussion über eine Impflicht irrational.

Jeder der glaubt, dass diese Impfung schützt, kann diesen Schutz in Anspruch nehmen. Wenn diese Impfung dieses Versprechen einhält, dann braucht der Geimpfte sich nicht vor Nichtgeimpften zu fürchten, eher vor dem von der Politik sträflich vernachlässigten Pflegemangel, der schon seit Jahren zu winterlichen Engpässen auf Intensivstationen führt. Und vor Krankenhäusern, die während einer von der Politik beschlossenen Notlage 5.000 Intensivbetten verschwinden lassen. So weit, so gut (oder schlecht). Eine Gesellschaft jedoch, die eine solche Fragestellung nicht mehr vernünftig diskutiert, sondern nur noch moralistisch überhöhte Wahrheiten gelten lässt, öffnet die Tür zur Barbarei.

Wer immer noch glaubt, es ginge bei der aktuellen Impfdiskussion um eine Krankheit und den Schutz davor, dem sollte ein aktuelles Schreiben des Vorstandes der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg an seine Vertragsärzte (90 Prozent aller niedergelassenen Ärzte) die Augen öffnen (das Schreiben ist unter diesem Text zu Dokumentationszwecken im kompletten Wortlaut dargestellt). 

Man setzt auf die Entmenschlichung des Gegners

Daraus zitiert: „Als Ärzte und Psychotherapeuten, die täglich mit den deletären, medizinischen und gesamtgesellschaftlichen Folgen der Coronapandemie als solche, insbesondere aber auch mit den Konsequenzen einer Corona-Erkrankung konfrontiert sind, empfinden wir Impfverweigerung als frech und gesellschaftlich inakzeptabel.“ In dem Schreiben sind die Worte „frech und gesellschaftlich inakzeptabel“ sogar fett herausgehoben. Reden wir nicht lange um den heißen Brei herum: Dies ist eine gefährlich totalitäre Sprache, die Verbrechen gegen die Menschlichkeit Vorschub leistet. Mich erinnert der Duktus direkt an die verbalen Ausfälle des Nationalsozialismus gegenüber seinen Opfern. Warum?

Die Kampagne gegen Impfkritiker zielt immer mehr auf urzeitliche gruppenmoralistische Dynamiken. Das sind Verhaltensweisen, die sich im Rahmen der menschlichen Evolution herausgebildet haben und auch heute noch in Gesellschaften praktiziert werden, wenn die Verantwortlichen bei eigenem Versagen die entstehende Wut auf Sündenböcke ablenken wollen. Damit dieses Ablenkungsmanöver gelingt, muss jedoch eine psychologische Kraft entfacht werden, die, einmal losgelassen, immer die Gefahr des Völkermordes in sich birgt. Denn sie setzt auf die Entmenschlichung des Gegners und blockiert dabei Vernunft und jede Empathie.

Gruppenmoralismus hat sich als Überlebensstrategie deshalb so erfolgreich in unseren Genen erhalten, weil wir dadurch den Konkurrenten, z.B. um Nahrungsquellen, besonders schlagkräftig beseitigen können. Dazu braucht es eine moralistisch überhöhte (Pseudo-)Wahrheit, die es den so Aufgeputschten erlaubt, den Tötungsskrupel herabzusetzen, der uns normalerweise davon abhält, uns blindlings gegenseitig umzubringen. Die Inhalte der hypermoralischen Gruppenidentität sind dabei beliebig und austauschbar, Religion, Hautfarbe oder ... ja: Impfstatus. Hauptsache, es bleiben genügend übrig, die der Aggression ausgesetzt werden können, wie schon Sigmund Freud feststellte.

Zum gefährlichen Rausch verleiten

Ein Teil der Gesellschaft lässt sich stets leicht zu diesem gefährlichen Rausch verleiten, um dann besonders grausam zu agieren. Wenn sich stattdessen in modernen Zivilisationen Vernunft und Humanismus gegenseitig befruchten, bilden sie dadurch das beste Gegenmittel gegen diese archaisch-grausame Überlebensstrategie. Doch immer wenn Gesellschaften anfangen, die Wirklichkeit auszublenden und Probleme gruppenmoralistisch lösen wollen, zeigt sich, wie dünn das Eis der Zivilisation auch heute noch ist. Die Geschichte ist voll von schrecklichen Beispielen, die zeigen, was passieren kann, wenn es bricht. 

Völlig losgelöst von einer sachlichen Diskussion setzt das Schreiben des KV-Vorstandes erschreckend unverhohlen genau auf diese Entmenschlichung. Mühsam wurde in der Medizin in den letzten Jahren evidenzbasiertes Denken durchgesetzt, sprich kompetentes Abwägen guter Wissenschaft in Kombination mit Lebenserfahrung. Doch all diese Erfolge werden seit Beginn der Corona-Pandemie in atemberaubender Schnelligkeit beiseitegefegt. Der Moralismus bekam Oberhand. Und er gibt sich nie mit dem Erreichten zufrieden. Ungeimpften wird derzeit der Zugang zu Restaurants verweigert, zu Kultur, zu Bildung, zur Arbeit, demnächst auch zu einer ärztlichen Versorgung?

In diesem unseligen Schreiben steht wörtlich:

„Es ist zulässig, getrennte Sprechstunden, von Notfällen abgesehen, für 2G/3G und andere einzurichten. Zeit und Umfang sind vom individuellen Praxisspektrum abhängig und dürfen vom Praxisinhaber festgelegt werden, z.B. 3G-Sprechstunde von 08.00-18.00 Uhr; non 3G-Sprechstunde von 07.00 bis 07.10 Uhr.“

Für alle Ungeimpfte ohne Tests oder Patienten, die ihren Impfstatus nicht angeben wollen, bleiben dann pro Tag insgesamt 10 Minuten übrig. Und das Ganze demnächst für non 2G? Eine solche Entgleisung verstößt gegen alle Grundsätze, die ärztliches Handeln ausmachen.

Kehren wir zurück zu einem echten Dialog

Deswegen der Appell sowohl an alle Kollegen, die eine Entscheidung gegen diese Impfung kritisieren, aber spüren, dass hier etwas zu entgleisen droht. Als auch an diejenigen, die diese Impfung ablehnen, aber auch in den Reihen der „Impfgegner“ die Tendenz sehen, mit gleicher moralistischer Keule zurückzuschlagen. Kehren wir zurück zu einem echten Dialog und fordern wir die sachgerechte Darstellung von Daten und Fakten, um dann fachlich zu streiten. Konstruktiver Streit ist die Essenz der Wissenschaft und des Fortschrittes. Es gibt dazu keine Alternative.

Worauf wollen wir warten? Bis Ungeimpfte unter dem Gejohle der Menge öffentlich zusammengeschlagen werden? Bis Ungeimpfte sterben, weil Ihnen eine Behandlung vorenthalten wird? Bis… ? Kehren wir endlich im Namen unserer Familien und unserer Patienten zu einem zivilisierten Umgang miteinander zurück. Eine wirkungsvolle Rücktrittsforderung der Kassenärzte an die Adresse ihres Vorstandes wäre dafür ein gutes Zeichen.

 

Hier zu Dokumentationszwecken das Schreiben der KVB im Wortlaut:

KVBW · Postfach 80 06 08 · 70506 Stuttgart 

                                                                              Der Vorstand / 11.11.2021

An die Mitglieder der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg 

Dürfen Vertragsärzte und Psychotherapeuten die Patientenbehandlung vom Vorliegen der 3G-Regel abhängig machen? 

Sehr verehrte Frau Kollegin, 

sehr geehrter Herr Kollege, 

als Ärzte und Psychotherapeuten, die täglich mit den deletären, medizinischen und gesamtgesellschaftlichen Folgen der Coronapandemie als solche, insbesondere aber auch mit den Konsequenzen einer Corona-Erkrankung konfrontiert sind, empfinden wir Impfverweigerung als frech und gesellschaftlich inakzeptabel. Viele empfinden es zu Recht unerträglich, dass eben diese in Arztpraxen vulnerable Patientengruppen gefährden. 

Spätestens dort, wo man andere gefährdet, ist Corona und Impfen keine Privatsache mehr. 

Sie unterliegen in Ihrer Praxis einer besonderen Verpflichtung gegenüber vulnerablen Patientengruppen, wie z. B. Schwangeren und Immunsupprimierten, für die die Gefahr in Praxen durch Ungeimpfte oder nicht Getestete inakzeptabel ist. Völlig zu Recht wird daher gefordert: 2G/3G-Regeln zu einer Voraussetzung für medizinische Behandlungen zu machen. 

Fakt ist, so insbesondere das Bundesgesundheitsministerium, dass es derzeit keinerlei Rechtsgrundlage gibt, die die 2G/3G-Regeln als Voraussetzung für medizinische Behandlungen erlaubt. 

Ihrer besonderen Verpflichtung, dem Schutz vulnerablen Gruppen nachkommend, ist jedoch folgender Lösungsansatz möglich: 

Es ist zulässig, getrennte Sprechstunden, von Notfällen abgesehen, für 2G/3G und andere einzurichten. Zeitpunkt und Umfang sind vom individuellen Praxisspektrum abhängig und dürfen vom Praxisinhaber festgelegt werden, z. B. 3G-Sprechstunde von 08.00 – 18.00 Uhr; non 3G-Sprechstunde von 07.00 – 07.10 Uhr. 

Sie können die Patienten nach deren Impfstatus fragen, haben aber kein Recht auf eine wahrheitsgemäße Antwort oder gar einen entsprechenden Nachweis. Wer keine Auskunft abgeben möchte, der kann in die non 3G-Sprechstunde verwiesen werden. 

Wir werden uns im politischen Raum weiter dafür einsetzen, dass 2G/3G-Regeln – abgesehen von Notfällen – auch in den Praxen der Ärzte und Psychotherapeuten gelten dürfen, sollen. 

Mit freundlichen Grüßen 

Ihre 

xxxxxx                                          xxxxx

Vorsitzender des Vorstands         stellv. Vorsitzender des Vorstands

 

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Eugen Karl / 15.11.2021

Lieber Autor, ich hoffe, Sie heben der Kassenärztlichen Vereinigung in diuesem Sinne geantwortet. BaWü - das müßte Ihr Zustandsbereich sein. Eine nüchterne Diskussion sollte vor allem klären, warum der Politik die Impfung ALLER wichtiger ist als alle anderen Aspekte. Und ob dies nicht zeigt, daß Corona für die Impfung da ist statt umgekehrt.

Dr. med. Jesko Matthes / 15.11.2021

Zehn Minuten für Nicht-Geimpfte? Hahahahaha, das hier ist nicht mehr normal, das ist Absurdistan. Und, ja: Es gleicht der Diskriminierung aus alten, überwunden geglaubten Zeiten (womit bei dem Betroffenheitsblabla und den hohlen Ritualen der letzten Jahre fest zu rechnen war). - Und wieviele Minuten bekomme ich für die Impfdurchbrüche, die mir inzwischen bald jeden zweiten Tag in der Praxis begegnen? In welches Zeitfenster und in welches Sprechzimmer setze ich sie, und wie vermeide ich den Kontakt zu Asymptomatischen (nach neuen Statistiken Dunkelziffer etwa x2)? Wie soll ich überhaupt noch eine normale Sprechstunde abhalten, wenn ich mich ständig um PCR-Abstriche, Impfberatungen, Impftermine, Impfungen, Meldungen beim Gesundheitsamt über Impfungen und Covid-Erkrankungen, Attestierungen plus die psychosomatischen Auswirkungen (sprich: vielfältigen Ängste und Verunsicherungen bei Ungeimpften genauso wie bei Geimpften) angesichts politischer Entscheidungen “kümmern” und dabei noch die Schreiben der Bundes-KV, meiner Landes-KV, die Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts, die Statistiken des Paul-Ehrlich-Instituts und die tagesaktuellen Meldungen in den Nachrichten zu den Beschlüssen der alten wie den Gesetzesentwürfen der neuen Bundesregierung lesen muss? - Die “anderen” Erkrankungen machen 99% der Kontaktanlässe aus, und die Hausbesuche und Seniorenheime gibt es ja auch noch. Solche “Regelungen”, von deren sozialen und politischen Implikationen einmal abgesehen, sind allein schon organisatorisch eine Unverschämtheit. Sie fordern zur hochriskantem Verhalten und zur Vernachlässigung des Gros aller Krankheiten auf, völlig unabhängig vom Impfstatus. Politik und Funktionäre tragen das pure Chaos in die Hausarztpraxen, und das nach bald zwei Jahren Pandemie. Das sind jene Konsorten, die den Personalmangel und ihr eigenes Organisationsverschulden mit Beschlüssen bearbeiten, die das Papier nicht wert sind, auf dem sie veröffentlicht werden.

Emmanuel Precht / 15.11.2021

Die Ungeimpften-Verfolgung ist im vollen Gange. Es fehlen noch Lager und Rollkommandos. Kommt! Wohlan…

Torsten Hopp / 15.11.2021

Es ist unglaublich, dass Ärzte (leider muss man sagen: auch wenn es Staatsdiener sind) so ein Schreiben verfassen und ungestraft versenden können. Sind wir wirklich weit von “Juden haben hier keinen Zutritt” entfernt? Ich glaube nicht. Allerdings denke ich auch, dass dieses vermeintlich einheitliche (gemeinsame) Vorgehen gegen Impfskeptische zu einem nicht unwesentlichen Teil gehypt wird. Ich denke (hoffe), dass innerhalb der Deutschen viel mehr diskutiert wird. Auch unter dem Aspekt, dass es vielen Leuten nicht Vordergründung um Gesundheit als vielmehr um die Erlangung von Grundfreiheiten geht.

Johannes Schuster / 15.11.2021

Die deutsche Medizin hat das Problem von T4, dem Bullenhuser Damm, der Umwertung von Behindertenmord als Heilung und vor allem ihren Dr. Mengele als Halbwissenschaftler der infantilen Sadismen nie wirklich psychologisch in sich aufgearbeitet. Und diese Altlast, das Uran eines Dr. Sauerbruch, dem Helden und Heuchler, dem kalten Meister (seine Leistung ist hier nicht Gegenstand des Verrisses) und uniformierten Opportunisten, dessen Können erschöpfte was der Charakter nicht hergab, diese Probleme der Wertung von Staatlichkeit innerhalb der Medizin UND der Rechtswissenschaft, wurde in Deutschland mit einem Sarkophag überzogen, aufgelöst wurde das akademische Tschernobyl der Gleichschaltung nie. Und aus den Familien der HEIL - Schreier wurden die sichten BRD - Existenzen, die sich immer die Größe ihrer Dynastie verklemmen mußten. Und so stehen wir heute abermals vor Nationalärzten und Reichheilern vor Selektionisten als müssten sie im Lager Tauglichkeitsklassen bilden.  An dieser Stelle möchte ich auf die Kinder vom Bullenhuser Damm hinweisen, ein sehr ähnliches “Impfexperiment” mit dem Versuch den Körper als Impfstoff- Reaktor zu benutzen: Damals ist das Experiment gescheitert und um das Verbrechen zu vertuschen hatte man die Kinder im Namen der Medizin erhängt. Und warum hat man Högel über Jahre nicht bemerkt ? Weil man blind ist für Leid in einem Fach, was sein eigenes Leid nicht einmal ergründen kann.

Frauke Lüding / 15.11.2021

Ich würde mich freuen, wenn das Haupt- ja das einzige Argument für die Impfung, andere nicht zu gefährden, irgendwie widerlegt werden könnte. Vielleicht könnte darüber nochmal klar Position ergriffen werden auf der Achse, damit endlich gute Argumente gegen diese Behauptung zur Verfügung stehen.  Wenn Millionen gesunde Menschen zu Gefährdern werden, ist das eigentlich schon genug der Entmenschlichung.

Richard Reit / 15.11.2021

Wer das milgram Experiment kennt, kriegt spätestens jetzt angst.das Eis der Zivilisation ist dünn…und die Welle” ( der Film, nicht die Paranoia eines gewissen ” Gesundheitsexperten”) wird auf andere Art real.

Karsten Maltinger / 15.11.2021

Zitat : “Man kann plausible Gründe für ....... die aktuelle Covidimpfung finden.” Zitatende Wie bitte, Herr Frank ? So, das war’s dann ! - Sie sind raus !

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