Gunter Frank / 15.04.2020 / 06:25 / Foto: Achgut.com / 153 / Seite ausdrucken

Bericht zur Coronalage 15.4.2020 

Nachdem die erwartbaren, umfänglichen Kollateralschäden des Shutdowns immer deutlicher werden, möchte ich mich in diesem Beitrag auf den medizinischen Kern der augenblicklichen Krise fokussieren, die Therapie der schwer an Viruspneumonie Erkrankten mit und ohne positivem Coronatest. Alle bisherigen Maßnahmen haben primär zum Ziel, die Überlastung der Intensivabteilungen durch diese Erkrankten zu verhindern. Zwei Strategien wurden umgesetzt: Erstens wurde versucht, Ansteckungswege im Schrotschussverfahren zu blockieren (Shutdown).

Wie an dieser Stelle mehrfach begründet, ist diese Wahl aufgrund der Kollateralschäden sicher die falsche gegenüber einem präzisen Fokussieren auf die Risikogruppe. Zweitens wurde versucht, möglichst schnell die zur Verfügung stehenden Intensivbetten freizuräumen, vorzuhalten und auszubauen. Das hört sich vernünftig an. Aber wenn man genauer hinsieht, bringt diese Strategie die Medizin in ein ethisches Dilemma, weil sie die Selbstbestimmung eines alten, schwerkranken Menschen bezüglich der Art und Weise, wie das Schicksal sein Leben beenden soll, außer Kraft setzt. Es gäbe eine ethischere Variante, die Intensivbetten auch in Zeiten von Corona viel vernünftiger einzusetzen. Dies setzt jedoch Integration der dazu passenden Fachexpertise und ein hohes Maß an verantwortungsethischer Disziplin der Entscheider voraus. 

Seit Corona vernetzen sich in einer wunderbaren Art und Weise viele erfahrene, medizinische Experten aus Universitäten und Praxen, in einer Geschwindigkeit, wie ich es noch nie erlebt habe. Alle eint, dass sie die beschlossenen Maßnahmen für völlig überzogen und aus mehreren Gründen für gefährlich halten. Ich habe in den letzten Wochen sehr viele Gespräche geführt mit ganz hervorragenden Kollegen aus der Immunologie, Pathologie, Inneren Medizin, Epidemiologie, Pneumologie und vielen mehr. Sie sind Institutsleiter, Praktiker, aktiv in Fachgesellschaften, oft führende Persönlichkeiten ihres Fachs.

Alle schütteln sie den Kopf, wie es passieren konnte, solch massiv eingreifende Entscheidungen zu treffen, ohne vorher eine umfassende Expertise unabhängiger (!) Experten einzuholen. Es fiel auch der Begriff Virologenkartell. Selbstverständlich heißt Wissenschaft immer Streit und nicht homogene Einheitsmeinung. Genau aus diesem fachlich hochwertig geführten Streit, und nur daraus, kristallisieren sich die besten Lösungen. Allerdings muss man in der Lage sein, einen solchen konstruktiven Streit zu moderieren. Doch die Bundesregierung wählte die denkbar schlechteste Option und verließ sich auf den Rat von „Profis“, die schon einmal in ähnlicher Situation mit einer komplett falschen Risikoeinschätzung auffielen.

Oder ein aktuelles Beispiel: Wie konnte das RKI ernsthaft raten, keine Obduktionen durchzuführen wegen des Ansteckungsrisikos für Pathologen. Das ist hanebüchen. Pathologen sind die Experten dafür, wie man sich bei einer infektiösen Leiche schützt. Die Obduktionen wurden trotzdem durchgeführt, weil wir eben auch echte Profis haben. Das RKI wurde inzwischen gezwungen – durch fachliche Stellungnahmen –, diese Empfehlung zurückzunehmen. Die Obduktionsergebnisse dringen aber anscheinend nicht nach Berlin durch, denn sonst könnte man das Thema Intensivbetten sinnvoller angehen, wie Sie gleich sehen werden.

Corona zeigt, wie gefährlich der Verlust der Streitkultur ist 

Viele gehen mit ihrer Kritik nicht exponiert an die Öffentlichkeit, weil sie aus der jüngeren Vergangenheit wissen, dass das öffentliche Schwimmen gegen den Mainstream akademisch mit Nachteilen verbunden ist. Stellen Sie sich vor, Sie sind ein universitärer Institutsleiter, eingebunden in die Bürokratie, und haben Verantwortung für 100 Mitarbeiter. Wenn Sie sich persönlich exponieren, hat das Auswirkungen nicht nur auf Ihr Renommee, sondern auch auf die Zukunft ihrer Einrichtung, Mitarbeiter und Forschung. Das ist völlig nachvollziehbar.

Ich persönlich tue mich da wesentlich leichter, da ich sozusagen als Privatgelehrter agiere. Viele Universitätskollegen versuchen deshalb derzeit nachdrücklich auf ihre eigene Fachwelt einzuwirken, sich en bloc öffentlich auszusprechen. Eine der wichtigsten Lehren aus Corona kann man jetzt schon formulieren. Wir müssen wieder lernen, streitbar über wichtige gesellschaftliche Themen zu diskutieren und andere Meinungen nicht zu diskreditieren. Ohne eine offene Debatte, die doch die eigentliche Stärke der Demokratie ist, sind wir viel zu anfällig dafür, besonders in Krisen die falschen Entscheidungen zu treffen.

Wenn wir nicht gewusst hätten, dass eine Virusepidemie namens Covid-19 auf uns zurollt oder wenn wir die Bilder aus Italien und China nicht gesehen hätten, dann hätten alle die mir bekannten Experten folgendes Szenario als hochwahrscheinlich gehalten: Im Februar erste Häufung von schweren Viruspneumonien in den Praxen. Diese werden teilweise in die Krankenhäuser eingewiesen, und das hätte vielleicht auch einen kurzzeitigen Überbelegungsstress ausgelöst, der sich aber im April wieder entspannt hätte. Die Ärzte hätten sich gewundert und versucht, die Ursache herauszufinden, was auch irgendwann gelungen wäre. Die Sterblichkeit hätte die einer schweren Grippe nicht überschritten.

Schlagzeilen hätte es wahrscheinlich nicht gegeben, das Leben wäre normal weitergelaufen. Viele hätten sich durchseucht, eine zweite Welle wäre deshalb auch kein Thema. Nächstes Jahr wird in Konkurrenz mit einer neuen Influenza-Grippe dann Corona-Covid-20 sein Unwesen treiben. Der Immunologe Prof. Dr. Stefan Hockertz, der schon sehr früh die aktuellen Maßnahmen als grundfalsch eingestuft hat, sagt dazu: wenn es eine sinnvolle medizinische Botschaft nach Corona gibt, dann die, dass wir endlich die jährlich wiederkehrende Grippe ernster nehmen müssen, indem man die allgemeinen Hygienemaßnahmen, zum Beispiel beim Besuch der Großeltern, besonders in der Winterzeit einhält. 

Der Umgang mit dem Ende des Lebens

Ohne Coronapanik wäre es auch deshalb nicht zu einer dramatischen Überbelastung der Intensivabteilungen gekommen, weil man bei vielen multimorbiden, schwer vorerkrankten, am Ende ihres Lebens stehenden Patienten anders verfahren wäre. Wenn die Lebenskraft sinkt, man kein autarkes Leben mehr führen kann, wollen viele Menschen am Ende ihres Lebens – und das ist häufig eine Lungenentzündung – keine Einweisung ins Krankenhaus und ganz bestimmt keine Hochleistungsmedizin mehr erleben. Sie haben von ihr ganz offensichtlich auch wenig zu erwarten. Stellvertretend für viele Untersuchungen hier eine aktuelle chinesische Studie zu Covid-19.

Nur ein Satz daraus: “while invasive ventilation was given to 100 patients with 97 (97%) deaths at 28-day.“ Es ist anzunehmen, dass die überlebenden 3 Prozent jetzt Pflegefälle sind, wenn sie es nicht schon waren. (Dazu kommt auch noch, dass die auf Intensivabteilungen übliche schnelle Intubation bei allen Viruspneumonien-Erkrankten – eben auch bei den Jungen – offensichtlich problematisch sein kann). So möchten alte Menschen nicht sterben, würde man ihnen die Wahl lassen. Deshalb gibt es auch Patientenverfügungen. Es wäre ein wichtiger Teil einer späteren Untersuchung, inwieweit man diese im Rahmen der Coronakrise auch beachtet hat. 

Die meisten alten und pflegebedürftigen Menschen akzeptieren das Ende, aber sie möchten es würdevoll und möglichst schmerzfrei erleben. Das nennt man Palliativmedizin, und dieses überaus segensreiche Fach hat sich in den letzten Jahren ganz hervorragend entwickelt. Ein so mutiges wie wichtiges Interview eines Palliativmediziners bringt das Problem in der aktuellen Coronakrise auf den Punkt.

Das bedeutet, man hätte es besser machen können, statt planlos Krankenhäuser leerzuräumen, statt andere wichtige medizinische Maßnahmen für an anderen Krankheiten Erkrankte zu verschieben, statt Beatmungsplätze tagelang mit Patienten zu blockieren, die das gar nicht wollen. So aber geht man das Risiko ein, dass die verunglückte Mutter von zwei kleinen Kindern keinen Platz mehr hat. Das hätte man besser machen können, indem man zusammen mit den Pflegebedürftigen über die Situation gesprochen, ausreichend ambulante Ressourcen für Hausärzte bereitgestellt und die Palliativmedizin ganz bewusst in diese Situation integriert hätte.

Katastrophale Fehlentscheidungen

Das alles hat nichts mit Euthanasie zu tun, sondern damit, alten Menschen, die Möglichkeit zu geben, selbstbestimmt Entscheidungen bezüglich des eigenen Schicksals zu fällen. Doch dazu braucht es die Fähigkeit, die richtigen Fragen zu stellen und auf die dafür passenden Experten zu hören. In Fragen der Selbstbestimmung am Ende eines langen Lebens ist kein Virologe, kein Intensivmediziner und kein RKI-Beamter der richtige Ansprechpartner. 

Es werden künftig sehr viele Fragen zu stellen sein: warum dies alles nicht passierte, und wie wir es in Zukunft besser machen können. Ganz persönlich glaube ich, dass wir als erstes über die Art und Weise sprechen müssen, wie wir in den letzten Jahren Debatten geführt haben und kritische, hochqualifizierte Stimmen aus der öffentlichen Debatte ausgeschlossen haben. Das fällt uns jetzt bei Corona Covid-19 auf die Füße. Denn Experten wie Dr. Wolfgang Wodarg haben gute Argumente, auch wenn sie nicht notwendigerweise alle stimmen müssen. Aber hätte man sie ernsthaft diskutiert, anstatt den Ruf dieser Experten öffentlich hinzurichten, dann wären all diese katastrophalen Fehlentscheidungen so nicht passiert.

Hier wieder zum Schluss mein persönliches Fazit: Stoppt den Shutdown sofort, schützt die Risikogruppen endlich professionell. 

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Sabine Lotus / 15.04.2020

Nein, H@rr Hodgson, ist er nicht. Und da mir gestern der Fall einer Krankenschwester bekannt wurde, deren Vertrag mitten in dieser Pandemie aus ‘wirtschaftlichen Gründen’ nicht verlängert wurde, dürfen wir weiter gespannt auf diesen ‘Burgfrieden’ starren. Aber nur starren…..nix sagen, sonst kommen die Coronazis…

Bernhard Freiling / 15.04.2020

@Neil Hodgson: From my side you are welcome. Bei einem diskussionswürdigen Beitrag sehe ich über jeden Schreibfehler und jede sprachliche Ungeschliffenheit einfach hinweg. Der Inhalt zählt. ;-)

Gabriele klein / 15.04.2020

“Stellen Sie sich vor, Sie sind ein universitärer Institutsleiter, eingebunden in die Bürokratie, und haben Verantwortung für 100 Mitarbeiter. Wenn Sie sich persönlich exponieren, hat das Auswirkungen nicht nur auf Ihr Renommee, sondern auch auf die Zukunft ihrer Einrichtung, Mitarbeiter und Forschung. Das ist völlig nachvollziehbar.” Ich habe dafür keinerlei Verständnis, Ein jeder Stand hat seinen Frieden ein jeder Stand hat seine Last, so das Sprichwort..  Wenn man in jeder Studie die Bedeutung seiner Ideen und Wichtigkeit ihrer Verbreitung unterstreicht, dann sollte man auch in Krisenzeiten zu diesen stehen. Ferner, sollte sich eine Disziplin nicht einerseits in grenzenloser Arroganz im Kielwasser eines streitbaren “Albert Schweitzers” wähnen bei andrerseits vollen Hosen und der Vergangenheit die sie nun mal leider hat. Oder anders ausgedrückt: Der Einwand der Honoren kommt leider reichlich spät und scheint mir von daher überflüssig. Denn, die Isolationsmaßnahmen sind für jeden Deppen deutlich erkennbar nicht wirksam. Die offenen Grenzen und aller einfachsten Gesetze der Aerodynamik erkennen wir auch ohne vernetzte Ärzte.

helmut rott / 15.04.2020

Hoffentlich dringt dieser Artikel zu Herrn Spahn, Frau Merkel, Herrn Laschet usw. durch. Ist Herr Lauterbach eigentlich auch Ihrer Ansicht, Herr Dr.  Frank?

Michael Himpelmann / 15.04.2020

@Frank Pressler: 1. Sie glauben tatsächlich noch an Bilder?? 2. Was glauben sie, wie die Zahlen unserer Nachbarländer zustande kamen? Auf welcher Datenbasis? Wie wurde was bei wem gemessen? Wer erstellte die Statistiken? Nach welchen Standards? Wie vergleichbar sind die Daten überhaupt….? 3. Euromomo: Ja und? Was zeigt Euromomo katastrophales? Einen zweiten Peak in der Größenordnung der Vorjahre (bis jetzt jedenfalls)!

Frances Johnson / 15.04.2020

@ Kai Hoijmans: Doch. Funktioniert. Pfleger machen nur Pflege und bekommen Schutzmaterial und eine Schleuse, das heißt wenigstens einen Raum nur zum Umkleiden, der regelmäßig desinfiziert wird. Essen kommt von außen, kein Pfleger betritt die Patientenküche. Keine Putzhilfe, Pfleger muss leider auch das Zimmer säubern, sofern die Patienten das nicht teilweise selbst übernehmen können. Pflegepersonal braucht vor allem eine FFP2- oder FFP3-Maske. Diese giibt es. Man muss mal den Billigheimer eine Zeitlang ins Regal legen und diese rechtzeitig bestellen, eigentlich schon längst bestellt haben. Diejenigen, die sich zu Hause bei den Kindern riskieren wollen, muss man eine Zeitlang entlassen. Außerdem, wenn ich an diverse Vorgänge in Pflegeheimen denke, sollte penibel geschaut werden, ob nachgeholfen wurde.

Gabriele Klein / 15.04.2020

vielleicht zieht ja die DB eine wichtige Konsequenz aus Corona, nämlich die:  dass eine nicht gewartete Klimaanlage tödlich sein kann und zwar nicht nur wenn sie überhaupt nicht mehr funktioniert wie in überfüllten Zügen, sondern auch dann wenn sie Viren umverteilt….......... Vielleicht wäre es klüger gewesen das Geld in die Filtersysteme zu stecken die es ja gibt, aber das macht vermutlich zu viel Sinn und setzt auch einen verantwortlichen Ansprechpartner für Klimaanlagen voraus. Allerdings zirkuliert in diesem Lande nicht nur der Corona Virus sondern auch die Verantwortung.  Die Wege der Verantwortung verlaufen in Deutschland ganz genauso verschlungen und geheimnisvoll wie die Wege des Corona Virus und das scheint mir das eigentliche Problem.

Frances Johnson / 15.04.2020

@ Frank Pressler: Eine “Todesrate”, also Letalität lässt sich nicht berechnen, weil unterschiedlich viele Tests/1000 anfallen, Frankreich z.B. 5/1000, D 15/1000, Israel 20/1000, Norwegen 24/1000, Schweden 6/1000. Daraus ergibt sich auch eine unterschiedlich hohe Dunkelziffer von Menschen, die die Krankheit ohne Symptome oder nur mit einer leichten Erkältung durchgemacht haben, die außerdem bei Allergikern mit dem üblichen Heuschnupfen verwechselt worden sein kann. Es kann sich nur eine Mortalität für ein Land berechnen lassen, soll heißen Ableben im Vergleich zur Gesamtbevölkerung. Diese müsste übrigens außerdem verglichen werden sowohl mit anderen Jahren als auch mit aus anderen Gründen Verstorbenen. Die Letalität ist also Schwachsinn. Zusätzlich müssten Autopsien durchgeführt werden, um zu sehen, was die Patienten noch alles hatten. Dies ist bereits geschehen in Hamburg, aber z.B. nicht in Italien, wo die meisten Leichen unobduziert verbrannt wurden. Und übrigens einsam und wie Gift entsorgt (an sich bestattet) wurden.

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