Gunter Frank / 09.04.2020 / 15:30 / Foto: Achgut.com / 58 / Seite ausdrucken

Bericht zur Coronalage 09.04.2020: Verantwortung statt Parolen

Vorab: Die heutige Pressekonferenz in Heinsberg deutet an, dass die Politik offensichtlich endlich anfängt zu begreifen, wie katastrophal ihr Krisenmanagement aus dem Ruder gelaufen ist. Dabei ist der einzige führende CDU/CDU Politiker, der anscheinend genügend Empathie besaß, sich die Kollateralschäden vorzustellen, tatsächlich Armin Laschet. Doch davon unbenommen, der riesige Schaden ist bereits entstanden, wie katastrophal, wird sich zeigen. Das Projekt Gesichtswahrung läuft bereits auf vollen Touren. Doch merken Sie sich bitte schon eines: Wenn aus der Coronakrise gelernt werden soll, dann muss detailliert untersucht werden, nicht wie das Gesundheitswesen umgestaltet werden muss, sondern welche Mechanismen dafür sorgten, dass sich die Bundesregierung zu dieser katastrophalen Risikoeinschätzung verleiten ließ.

Heute möchte ich Ihnen am Ende dieses Beitrages einen Brief weiterleiten mit der Erlaubnis des Verfassers. Univ.-Prof. Dr. Andreas Sönnichsen, Stellvertretender Curriculumsdirektor der Medizinischen Universität Wien, Abteilung für Allgemeinmedizin und Familienmedizin, Zentrum für Public Health, Medizinische Universität Wien. Er hat diesen Brief an die österreichische Regierung geschrieben.

Unsere eigene Bundesregierung in Deutschland betont in jeder Stellungnahme, dass ihre oberste Priorität dem Schutz der Bevölkerung vor der neuen Corononaerkrankung Covid-19 gilt. Alle Maßnahmen haben primär das Ziel, die Überbelegung der Intensivabteilungen, wie es in Italien geschah, zu verhindern. Damit zeigt die Regierung, dass sie nicht in der Lage ist, alle Faktoren in Krisenzeiten verantwortungsethisch zu berücksichtigen, um den Gesamtschaden für die Bevölkerung möglichst gering zu halten. Ehrlich gesagt, ganz abseits der völlig übertriebenen Coronapanik, macht mir das inzwischen ernsthafte Sorgen, und zwar gegenseitig bedingend: gesundheitlich, freiheitlich und wirtschaftlich. Was passiert, wenn die Masse der Menschen ihre nächsten Lohnzettel erhält und daraufhin einen kollektiven Zorn entwickelt?

Wäre die Vermeidung der Überbelegung wirklich das Ziel, dann muss sich die Bundesregierung fragen lassen, warum genau dort, wo man mit schweren Verläufen rechnen muss, der Schutz vor Ansteckung derart unprofessionell umgesetzt wird, wie in Alters- und Pflegeheimen, Sozialstationen und bei der Organisation der mobilen Pflegedienste. Dort fehlen immer noch massenweise Schutzvorrichtungen, professionelle Schleusen u.v.m. Genau mit dieser Maßnahme ließe sich die Anflutung in den Intensivabteilungen am besten verhindern. 

Mit viel Engagement hätte sich die „freie Gesellschaft“ damit beschäftigen können, wie die zum Selbstschutz isolierten Risikogruppen diese Zeit am humansten übersteht: Konzerte auf den Parkplätzen der Heime, Extraprogramme in TV und Radio, um Danke zu sagen, Gourmetköche kochen mit strenger Hygiene für unsere Coronahelden in den Heimen, den Alten, Pflegern und Ärzten, der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. So würde Solidarität nicht ins Leere laufen, wie es derzeit geschieht.

Die nächste Welle ist selbstverschuldet

Auch wird nun immer häufiger von der zweiten Covid-19 Welle in den nächsten Monaten gesprochen, die dann auftritt, wenn sich die Bevölkerung nicht ausreichend „durchseuchen“ konnte und das Virus nach der Lockerung des Shutdowns wieder auf eine nicht immunisierte Bevölkerung trifft. So gut wie jeder Experte geht nach überstandener Covid-19 Erkrankung von einer Immunität von mindestens ein bis zwei Jahren aus.

Mir ist kein Fall eines Erkrankten bekannt, der sich wieder angesteckt hat. Hätte man, und würde man jetzt endlich alle Kraft und ausreichend finanziellen Kräfte auf den direkten Schutz der Risikogruppen legen, könnte man der übrigen Gesellschaft wieder ihr Leben zurückgeben und eine Durchseuchung der Nichtgefährdeten, wie der Schulkinder, erreichen, die der allgemeine Shutdown fatalerweise verhindert. 

Die professionelle Analyse der Kollateralschäden

In dem Brief von Professor Sönnichsen werden die medizinischen Folgen des Shutdowns anhand vorhandenen Wissens aufgelistet und den vorhandenen Zahlen bezüglich Covid-19 gegenübergestellt. So geht professionelles Expertentum. Genau dies gilt es zu bedenken, bevor eine Regierung gut klingende, aber tatsächlich unverantwortliche Parolen bedient, wie: dass „Gesundheit vor Wirtschaft“ ginge. Von einer Bundesregierung müssen wir ein verantwortungsethisches Abwägen erwarten können, welche Maßnahmen in einer schwierigen Situation die wenigsten Schäden verursacht. Im folgenden Brief wird es so beschrieben: 

„Es ist also pharisäerhaft, wenn man bei 243 CoViD-19-Toten mit einem Durchschnittsalter von über 80 Jahren 200.000 Arbeitslose und unabsehbare wirtschaftliche, soziale und gesundheitliche Folgen für unser Land in Kauf nimmt, um ‚Leben zu retten‘.“

Bevor nun der Brief folgt, darf ich noch eine Bemerkungen machen, die in den kommenden Beiträgen noch vertieft werden: Heute Vormittag traf ich mich mit einem hochrangigen Immunologen und einem der führenden deutschen Pathologen im Büro von Beate Bahner, der Anwältin, die Normenkontrollklage auf Stop des Shutdowns gestern beim Bundes-Verfassungsgericht eingereicht hat. Inzwischen wurde von den Behörden ein Ermittlungsverfahren wegen Aufrufs zu einer Straftat eingeleitet. Während unseres hochinformativen Gesprächs, in dem beide Experten, die hier schon lange vertretene Linie aus ihrer fachlichen Sicht vollkommen bestätigten, war die Homepage von Frau Bahner plötzlich nicht mehr erreichbar. Ungeachtet dessen bekommt sie massenweise Bestätigung und Mutwünsche aus der Bevölkerung.

Und nun zum eingangs angekündigten Brief von Prof. Sönnichsen an die österreichische Regierung. Sönnichsen ist auch der 1. Vorsitzende des Deutschen Netzwerks für Evidenzbasierte Medizin e.V. und weiß deshalb sehr kompetent mit medizinischen Daten umzugehen. Er ist die Art von Kollegen, die mir auch jederzeit Anlass geben, die eigene Position zu überdenken. Lesen Sie nun, wie es in Österreich aussieht. Die Situation dürfte prinzipiell gut auf Deutschland übertragbar sein. 

Der Brief:

Salzburg, am 8.4.2020

CoViD-19 – Einschätzung von Bedrohung und Verhältnismäßigkeit der ergriffenen Maßnahmen zur Eindämmung der Epidemie in Österreich

Die bisher ergriffenen Maßnahmen der Bundesregierung zur Eindämmung der CoViD-19-Epidemie in Österreich erscheinen aufgrund der Zahlen aus Italien Anfang März gerechtfertigt. Inzwischen sind wir aber vier Wochen weiter und es gilt, die derzeitige Strategie zu überdenken. Im Folgenden möchte ich kurz erläutern, warum.

Belastung unseres Gesundheitssystems

Entgegen allen Prognosen sind wir – zum Glück und sicher auch dank der ergriffenen Maßnahmen weit weg von einer drohenden Überlastung unseres Gesundheitssystems. Mit Stand heute gibt es 12.721 gemessene Infektionen [1]. Viel wichtiger als die kumulative Gesamtzahl ist allerdings die Anzahl der täglichen Neuerkrankungen. Diese liegt von gestern auf heute bei 233 [2]. Den Zenit mit 830 Neuerkrankungen pro Tag haben wir am 30.3. überschritten. Seither sind die Zahlen deutlich rückläufig. Die Basisreproduktionszahl R0 liegt damit bereits deutlich unter 1 [2].

Auch bei den Hospitalisierungen ist mit 1100 (insgesamt) ein Plateau erreicht [1]. Aus den öffentlich verfügbaren Zahlen lässt sich nicht genau ablesen, wie viele Patienten tatsächlich im Moment im Spital behandelt werden. Bei einer geschätzten Liegezeit von 14 Tagen und einer Hospitalisierungsrate von 9% der Infizierten sind derzeit noch etwa 650 Spitalsbetten mit CoViD-19- Patienten belegt, ebenfalls mit fallender Tendenz. Der Zenit wurde am 2. oder 3.4. mit ca. 820 überschritten [1]. In Österreich gibt es etwa 67.000 Spitalsbetten [3]. Die maximale CoViD-19- Auslastung betrug also 1,2%.

Ähnliches ergibt die Betrachtung der Behandlungen auf Intensivstation. Insgesamt wurden 243 Patienten auf einer Intensivstation behandelt (gerundet ca. 25% der Hospitalisierten) [1]. Derzeit wären demnach etwa 190 Intensivbetten belegt. Der Zenit dürfte bei ca. 200 am 2. oder 3.4. gelegen haben, was bei der Anzahl der in Österreich vorhandenen Intensivbetten von etwa 2500 einer Auslastung von 8% entspricht.

Natürlich muss berücksichtigt werden, dass die Belastung der Spitäler und Intensivstationen zusätzlich zur normalen, alltäglichen Belastung stattfindet. Dennoch kann man dank unseres exzellenten Gesundheitssystems davon ausgehen, dass wir weit weg von den katastrophalen Zuständen unserer Nachbarländer sind.

Gefährlichkeit von SARS-CoV-2

Die derzeitige Pandemie stellt ohne Zweifel eine ernst zu nehmende Bedrohung dar. Man darf allerdings hier die Relationen zur Gefährlichkeit anderer Bedrohungen nicht gänzlich außer Acht lassen, wie das derzeit teilweise geschieht. In Österreich ergibt die Rohdatenberechnung derzeit eine Case Fatality Rate von ca. 1,4%-1,6% [2]. Allerdings wird hier die noch unbekannte Dunkelziffer nicht erfasster Infektionen nicht berücksichtigt. Schätzungen variieren hier zwischen dem Faktor 2 und dem Faktor 10. Das bedeutet, dass die wahre CFR wahrscheinlich irgendwo zwischen 0,8 und 0,1 und damit im Bereich der Influenza oder leicht darüber liegt (die CFR der Influenza lag 2017/18 in Österreich bei 0,7 [4], in Deutschland bei 0,5 [5], im langjährigen Mittel eher bei 0,1). Unabhängig von der CFR interessiert natürlich in erster Linie die absolute Zahl an Todesfällen, die von der CFR und der Anzahl der Infizierten abhängt. Mit derzeit insgesamt 243 Todesfällen an CoViD-19 liegen wir in Österreich in einem Bereich, der sich in der durchschnittlichen Zahl Verstorbener pro Tag (ca. 250-280/Tag) kaum messbar niederschlagen wird. Die meisten CoVid-19-Todesfälle pro Tag wurden mit 22 am 30.3. registriert. Seither ist die Zahl konstant bis leicht rückläufig (gestern und vorgestern jeweils 16 bzw. 18). Zum Vergleich: Influenza-Tote in Österreich 2018/19: 1.400; 2017/18 waren es 2.800 bei geschätzten 400.000 Infizierten (CFR 0,7)[4]. Diese 400.000 Infizierten traten im Verlauf von ca. 15 Kalenderwochen auf. Um in dieser Zeit auf die hohe Anzahl Infizierter zu kommen, muss die Dynamik zu Beginn des Ausbruchs ähnlich gewesen sein wie die CoViD-Dynamik heute (ausgehend von der Annahme, dass der Zenit mit der Hälfte der Erkrankungen – also 200.000 – in etwa zur Mitte der Grippewelle –also nach 8 Wochen - erreicht wurde, benötigt man 19 Verdoppelungen, um in 8 Wochen auf 200.000 Infizierte zu kommen. Dies entspricht einerVerdoppelungszeit von 3 Tagen [56 Tage/19]). Der einzige Unterschied: wir haben es nicht gemessen und auch nichts dagegen unternommen.

Unterschiede zwischen Österreich und den schwer betroffenen Ländern (Italien, Spanien, Frankreich)

Im Gegensatz zu den Ländern mit schweren Verläufen wurde in Österreich sehr frühzeitig und konsequent mit Gegenmaßnahmen begonnen. Mit ca. 13.000 durchgeführten Tests pro 1 Mio Einwohner [1] belegt Österreich einen der Spitzenplätze in der Welt (Italien 10.000, aber viel später angefangen, USA 4.000, Frankreich 3.400, UK 2.500 [6] . Hierdurch wurde es ermöglicht, zu einem sehr frühen Zeitpunkt Infizierte zu identifizieren und zu isolieren, und so einer raschen Ausbreitung entgegenzuwirken. Natürlich haben auch die weiteren nicht-pharmakologischen Maßnahmen maßgeblich dazu beigetragen, eine katastrophale Entwicklung wie in Italien, Frankreich oder Spanien zu verhindern. Zudem unterscheidet sich unser Gesundheitssystem von den Nachbarländern durchdeutlich höhere Kapazitäten in der Spitals- und intensivmedizinischen Versorgung. Österreich verfügt über 5-mal so viele Intensivplätze wie Italien.

Nutzen und Schaden durch nicht-pharmakologische Maßnahmen

Natürlich ist es prinzipiell richtig, wo immer möglich Leben zu retten. Die Lebensrettung kann aber nicht isoliert betrachtet werden, wie das größtenteils im Moment geschieht. Wie bei jeder medizinischen Maßnahme, gilt es Nutzen und möglichen Schaden gegeneinander abzuwägen. Hierbei müssen sowohl Nutzen und Schaden für das Individuum als auch Nutzen und Schaden für die Gesellschaft als Ganzes berücksichtigt werden.

Wenn auch durch die bisherigen Maßnahmen bis jetzt nicht in Zahlen ausdrückbar Leben gerettet wurde – CoViD-19 ist eine potentiell tödliche Erkrankung, die nur supportiv behandelt werden kann; selbst bei optimaler Behandlung, die bisher allen Betroffenen in Österreich ohne Einschränkungen zuteilwurde, sterben 60-70% aller CoViD-19-Patienten auf Intensivstation [7] – so ist doch an der erkennbaren Senkung der Infektions- und Todesfallzahlen erkennbar, dass die ergriffenen Maßnahmen Leben retten werden.

Allerdings wird hierfür an anderer Stelle erheblicher Schaden angerichtet, und zwar auch, wenn man den wirtschaftlichen Schaden vollkommen außer Acht lässt. Mit über 500.000 Arbeitslosen (Quote 12,2%) wurde binnen eines Monats der höchste Stand seit 1946 erreicht [8]. Mit jedem Prozentpunkt der Arbeitslosenquote sinkt die durchschnittliche Lebenserwartung für Frauen um einen Monat und für Männer um drei Monate [9]. Arbeitslose weisen insgesamt eine höhere Mortalität, eine höhere

Morbidität, eine höhere Suizidrate und eine schlechtere Lebensqualität auf [9]. Auch kürzere Lebensabschnitte mit Arbeitslosigkeit wirken sich diesbezüglich bereits aus [9]. Auch die durch den CoViD-19-Shut-down bewirkten Einkommensverluste – sowohl für Arbeitnehmer als auch für vor allem Kleinunternehmer (Läden, kleine Handwerksbetriebe, Friseure etc.) haben gesundheitliche Auswirkungen auf Lebensqualität, Mortalität und Lebenserwartung. Nach Daten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung beträgt die mittlere Lebenserwartung bei Geburt für Frauen im niedrigsten Einkommensquintil 8,4 Jahre und für Männer 10,8 Jahre weniger als für Personen im höchsten Einkommensquintil [10]. Es ist also pharisäerhaft, wenn man bei 243 CoViD- 19-Toten mit einem Durchschnittsalter von über 80 Jahren 200.000 Arbeitslose und unabsehbare wirtschaftliche, soziale und gesundheitliche Folgen für unser Land in Kauf nimmt um „Leben zu retten“.

Die Schließung der Schulen ist vor allem bei einer weiteren Verlängerung sowohl mit dem Risiko für schlechtere Bildungschancen und Bildung verbunden als auch mit negativen Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit der betreuenden Erziehungsberechtigten. Hiervon sind vor allem Kinder aus sozial schwachen Verhältnissen betroffen. Nach jüngsten Untersuchungen werden 20% der Kinder durch ihre Lehrer auf elektronischem Weg nicht erreicht. Die Ausstattung mit PC, Laptop und Internet für Tele-Learning ist in der Gesellschaft ungleich verteilt und die Schulschließung wird diese Ungleichheit weiter verstärken. Eine US-amerikanische Modellrechnung kam zu dem Ergebnis, dass alleine die Einschränkung der Verfügbarkeit von Angehörigen der Gesundheitsberufe durch Betreuungsverpflichtungen zu einem negativen Nettoeffekt auf die CoViD-19-Mortalität führen könnte [11].

Ethische Überlegungen

In der Gesundheitsökonomie stellt sich tagtäglich die Frage nach der Priorisierung von Maßnahmen im Hinblick auf die damit verbundenen Kosten. Natürlich wollen wir nicht, dass Ärzte in die prekäre Situation kommen, entscheiden zu müssen, welchen Patienten sie beatmen, und welchen nicht. Es ist ungleich einfacher, in einem Büro zu entscheiden, welches Leben man schützten und welches man gefährden möchte. Spektakulärer ist das verlorene Leben auf der Intensivstation, und deshalb werden hier die Prioritäten entsprechend gesetzt. Es ist aber ethisch nicht weniger verwerflich als die Entscheidung für oder gegen eine medizinische Maßnahme.

Weitere Strategie

Für die weitere Strategie ist mit entscheidend, dass wir umfangreichere Daten über die wahre Ausbreitung von SARS-CoV-2 erhalten. Die derzeit geplante Durchführung einer repräsentativen Stickprobe von 2000 PCR-Messungen ist hierfür jedoch nicht geeignet bzw. nicht ausreichend. Selbst wenn man von einer Dunkelziffer vom 10-fachen der derzeit bekannten Infektionen ausgeht, wird sich nur ein Bruchteil der Betroffenen in einem Krankheitsstadium befinden, in dem die PCRMessung positiv ausfällt. Selbst wenn man eine Dunkelziffer von 100.000 jetzt PCR-positiven annehmen würde, würde man in einer repräsentativen Stichprobe aus 8,9 Mio ÖsterreicherInnen rein rechnerisch nur 22 positive Fälle unter den 2.000 Messungen identifizieren – und diese wären zufällig über ganz Österreich verteilt. Das 95%-Konfidenzintervall betrüge 14,6 bis 33. Rückschlüsse auf Altersverteilung oder regionale Häufungen wären aufgrund der geringen Fallzahlen unmöglich.

Wahrscheinlich ist aber die durch PCR messbare Dunkelziffer viel niedriger, das Konfidenzintervall somit noch beträchtlich weiter, so dass keine zuverlässigen Aussagen ableitbar wären. Um einigermaßen verlässliche Ergebnisse zu bekommen müssten mindestens 20.000 Messungen durchgeführt werden. 

Viel wichtiger wäre es allerdings, Antikörpertests durchzuführen, um festzustellen, welcherProzentsatz der Bevölkerung die Erkrankung bereits durchgemacht hat und wahrscheinlich immun ist.

Die Schließung von Schulen und Betrieben sollte unter Auflagen von Hygienemaßnahmen (Maskenpflicht, Händedesinfektion) umgehend aufgehoben werden. Durch breit angelegte Messungen – z.B. über allgemeinmedizinische Ordinationen, wiederkehrende Personalmessungen in Ordinationen, Gesundheitseinrichtungen, Alten- und Pflegeheimen, können regionale Maßnahmen des Social Distancing implementiert werden, wenn ein regionales Wiederaufflammen der Epidemie erkennbar wird. Der generelle Shut-Down ist in Anbetracht der vorliegenden Gesamtsituation jedenfalls nicht mehr zu rechtfertigen.

Zu guter Letzt müssen ähnlich wie für die Influenza Surveillance-Praxen gewonnen werden, die ein beständiges Monitoring der CoViD-19-Aktivität ermöglichen. So können gezielte lokal begrenzte Eindämmungsmaßnahmen ergriffen werden. Die Erkrankung wird uns über die nächsten Jahre begleiten, und es wäre eine prekäre Strategie auf jedes Wiederaufflammen der Epidemie, das mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, mit einem Shut-Down zu reagieren. Von einem Herdenschutz sind wir jedenfalls selbst bei einer Dunkelziffer des 10-fachen der gemessenen Infektionen meilenweit entfernt, und mit einem spontanen Verschwinden von SARS-CoV-2 ist auch kaum zu rechnen.

Andreas Sönnichsen

Literatur

1. Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz. Amtliches

Dashboard COVID19 – öffentlich zugängliche Informationen [Internet]. 2020 [zitiert 2020 Apr

1]; Available from: https://info.gesundheitsministerium.at/

2. Center for Systems Science and Engineering. Coronavirus COVID-19 (2019-nCoV) [Internet]. Johns Hopkins Univ.2020 [zitiert 2020 März 13]; Available from: https://www.arcgis.com/apps/opsdashboard/index.html#/bda7594740fd40299423467b48e9ecf6

3. Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz. Systemisierte Spitalsbetten in Österreich [Internet]. 2018 [zitiert 2020 Apr 1]; Available from: http://www.kaz.bmg.gv.at/fileadmin/user_upload/Betten/1_T_Betten_SBETT.pdf

4. Nationale Referenzzentrale für Influenza-Epidemiologie. Jahresbericht 2017/18 [Internet]. 2018 [zitiert 2020 Apr 1]; Available from: https://www.ages.at/download/0/0/5b8a8e6c0b5cb539c65a072b36bfef6491cac9e3/fileadmin/AGES2015/Themen/Krankheitserreger_Dateien/Influenza/Nationale_Referenzzentrale_f%C3%BCr_Influenza-Epidemiologie.pdf

5. Robert-Koch-Institut. Bericht zur Epidemiologie der Influenza in Deutschland Saison 2017/18 [Internet]. Robert-Koch-Institut; 2018 [zitiert 2020 März 17]. Available from: https://influenza.rki.de/Saisonberichte/2017.pdf

6. Hasell J, Ortiz-Ospina E, Mathieu E, Ritchie H, Beltekian D, Roser M. Data on CoViD-19-Testing [Internet]. 2020 [zitiert 2020 Apr 1]; Available from: https://ourworldindata.org/covid-testing

7. Yang X, Yu Y, Xu J, Shu H, Xia J, Liu H, u. a. Clinical course and outcomes of critically ill patients with SARS-CoV-2 pneumonia in Wuhan, China: a single-centered, retrospective, observational study. Lancet Respir. Med. 2020;S2213260020300795.

8. AMS. Arbeitsmarktdaten Österreich [Internet]. 2020 [zitiert 2020 Apr 6]; Available from: https://www.ams.at/arbeitsmarktdaten-und-medien/arbeitsmarkt-daten-und-arbeitsmarktforschung/arbeitsmarktdaten#aktuelle-monatsdaten

9. Kroll L, Lampert T. Arbeitslosigkeit, prekäre Beschäftigung und Gesundheit. Hrsg Robert-Koch-Inst. Berl. [Internet] 2012 [zitiert 2020 Apr 1]; GBE kompakt. Available from: https://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Gesundheitsberichterstattung/GBEDownloadsK/2012_1_Arbeitslosigkeit_Gesundheit.html?nn=2532006

10. Kroll L, Lampert T. Soziale Unterschiede in der Mortalität und Lebenserwartung. Hrsg Robert Koch-Inst. Berl. [Internet] 2014 [zitiert 2020 Apr 1]; GBE kompakt. Available from: https://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Gesundheitsberichterstattung/GBEDownloadsK/2014_2_soziale_unterschiede.html?nn=2532006

11. Bayham J, Fenichel EP. Impact of school closures for COVID-19 on the US health-care workforce and net mortality: a modelling study. Lancet Public Health 2020;

Ende des Briefes.

 

Fazit heute ganz kurz:

Shutdown sofort beenden, bei professionellem Schutz der Risikogruppen. 

Wenn Ihnen dieser Bericht plausibel erscheint, leiten Sie ihn bitte umfassend weiter.

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Leserpost

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Thomas Holzer, Österreich / 09.04.2020

In den österreichischen Medien, vor allem in den “postings” und Leserbriefen, wird der Herr Professor gerade geteert, gevierteilt, am Scheiterhaufen verbrannt, gefedert und was sonst noch so alles aus der Vergangenheit an Strafmaßnahmen gerade jetzt aus dem Orkus der Geschichte hervorgeholt wird. LEIDER Aber die Politiker machen unbeirrt weiter, ganz stolz darauf, das ganze Land an die Wand zu fahren, und der Herr Kogler ruft schon nach allen möglichen neuen Steuern, weil die Reichen müssen für diese “Krise” bezahlen, natürlich nicht jene, welche sie verursacht haben (Daß deren Steuerzahlereinkommen nicht ausreicht, sei nur nebenbei erwähnt)

Frances Johnson / 09.04.2020

Die Covid 19-Grippe wird später ausgehen wie das Horneberger Schießen, während bis dahin über Arbeitslose, Pleiten, psycholgische Verwerfungen und Suizide geredet werden wird, außerdem über übersehene Tumoren und andere vernachlässigte Krankheiten. Streeck und Hartmann sagen allerdings, sie bliebe uns bis zur Impfung erhalten, das heißt, das Ältere lernen müssen, auf sich aufzupassen.

Andi Nöhren / 09.04.2020

Bericht erscheint mir plausibel. Was mir nicht plausibel erscheint: Im Sommer machen viele Firmen und Unternehmen über eine Zeit von bis zu drei Wochen Sommerpause. Jetzt tun viele Firmen seit dem ersten Tag der Schließung ihrer Betriebe so, als wären sie innerhalb von wenigen Stunden pleite. Es geht dabei wohl auch um eine milliardenschwere, große Geldverteilungs- und Vermögensverteilungsmaschine (Subventionen) in Richtung der großen Konzerne. Gestern las ich, dass der Amazonchef vermögensmäßig auch unter der Coronkrise leiden würde. Das stimmt nicht wirklich. Zwar sind seine Aktienwerte gesunken, aber das sind ja nur Buchwerte, solange wie er diese nicht realisiert, ist er tatsächlich noch nicht ärmer geworden (und das trifft auf alle Aktionäre zu, egal von welchem Konzern). Im Gegenteil, der Amazonchef ist einer der großen Krisengewinner, weil derzeit die Amazonumsätze in die Höhe schießen, damit wird sein Konto wachsen und er wird nicht ärmer durch die Coronakrise. Wirtschaftlich und existentiell Verlierer sind nur die kleinen und Kleinstunternehmer und natürlich die Arbeitnehmer, die beißen immer die Hunde.

Heribert Glumener / 09.04.2020

Gewisse Funktionäre ahnen durchaus, was sie angerichtet haben und was ihnen blühen könnte. Ergo halten sie voll dagegen: RKI-Apparatschiks betonen höhere Risiken des Virus, auch die unselige Merkel pusht aktuell wieder Ängste. Wem aber werden die Leute glauben? Erfahrenen Wissenschaftlern oder verkommenen Gauklern?

A.Ziegler / 09.04.2020

Vielen, vielen Dank für solche Artikel. Der Autor ist ein Leuchtturm der sachlichen Information in dieser dunklen Zeit einer durch Massenhysterie getriebenen Politik. In den ausgezeichneten, regelmäßigen Berichten habe ich mehr erfahren als in der Summe der MM zusammen! Achse eben. Bitte dringend um Fortsetzung.

Stefan Ahrens / 09.04.2020

Wenn so oft vom geringen Gefährdungsgrad an Schulen gesprochen wird, ist nicht nur das Risiko für Eltern und Großeltern der Kinder, sondern auch das Durchschnittsalter heutiger Lehrer übersehen worden. Sind nicht die Lehrer selbst eine Risikogruppe? Ein mir bekannter Lehrer ohne Vorerkrankungen (NR, 55) lag gerade drei Wochen mit Corona auf Intensivstation. Im Falle einer Überbelegung wäre er vielleicht nicht zu retten gewesen.

Frances Johnson / 09.04.2020

Mein Fazit: Shutdown nicht sofort, sondern erst nach den Osterferien, teilweise beenden, zwei Wochen Beobachtung. Größere Veranstaltungen weiterhin meiden, Restaurants für vier Wochen Beobachtungszeitraum halbieren, größere Tischdistanz, Kinder, bei denen es möglich ist, nicht zurück in die KiTa, sondern evtl. ganz zu den Großeltern, so diese das wünschen: wie Sönnichsen vorschlägt, umfangreiche Antikörpertests, zuerst bei Personen, die in irgendeiner Form in den letzen Monaten eine Grippe durchgemacht haben sowie bei med. Personal, Absprache mit wenigen Ländern in der gleichen Position, das wären z.B. Norwegen, Dänemark, Felix Austria und die Schweiz. Italien, Spanien, die NL, Belgien und Frankreich müssen zwangsläufig zu anderen Schlüssen kommen. GB kann nur zu der Erkenntnis finden, dass NHS nichts taugt und Krankenversicherungen hilfreich sind. Das Bonner Forscherteam plus der Hygienespezialist vom RKI wirken seriös.

Hans Kloss / 09.04.2020

Sie wissen doch dass Sie nicht gewinnen können, oder? Fakten, Vernunft, Ruhe: das sind alle Werkzeuge der Rechten und heutzutage noch vlt Superverbreiter. Ich wünsche innen trotzdem Erfolg. Gesellschaft die nicht in der Lage ist offen über (oft genug, selbst erzeugte) Probleme zu sprechen ist schwach und auf dem guten Weg in die Knechtschaft.

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