Obwohl Friedrich Merz und Markus Söder die noch intakten Teilbereiche der Kernkraftwerke retten könnten, tun sie es nicht – wegen der Brandmauer. Ein erschütternder Bericht von der Staats-Sabotage an deutschen Kernkraftwerken.
Es ist erschütternd, wie unverblümt Friedrich Merz den Sinn von Demokratie und Verfassung mit Füßen tritt. Mehrheiten in dem deutschen Parlament darf es nur noch geben, wenn die Beschlussinhalte vorher zwischen den Parteifürsten im Hinterzimmer ausbaldowert wurden.
„Zufallsmehrheiten“ will der Parteichef der vermeintlich Christlich Demokratischen Partei nicht, solche Themen dürfen von den Abgeordneten nicht einmal mehr diskutiert werden – sie kommen nicht mehr auf die Tagesordnung. Merz macht kein Hehl daraus, weil er es als normal empfindet, dass die Volksvertreter die Demokratie nur noch simulieren.
Merz könnte längst seine Programmpunkte, mit denen er auf Wählerfang geht, im Bundestag durchsetzen, wenn er sie denn wirklich umsetzen wollte. Er hätte dafür eine satte Mehrheit. Was aber sagt der Mann?
„Ich möchte, dass wir jetzt nur noch die Dinge auf die Tagesordnung setzen, die wir vorher im Konsens zwischen Opposition und restlicher Regierung vereinbart haben. Um uns alle, die Regierung und uns, davor zu bewahren, dass wir plötzlich Zufallsmehrheiten im Saal mit der AfD oder mit den Linken haben. Ich will das nicht! Ich möchte, dass wir hier zu vernünftigen gemeinsamen Lösungen kommen.“
Das ist eine Verhöhnung der repräsentativen Demokratie, weil Merz damit eine inoffizielle Einheitspartei im Bundestag aufmacht.
Die CDU/CSU nimmt sich damit alle Möglichkeiten, um beispielsweise die gescheiterte deutsche Energiepolitik vom Kopf auf die Füße zu stellen. Merz hätte für den Wiedereinstieg in die Kernenergie oder die Abschaffung des Kohleverstromungsbeendigungsgesetzes und ähnlicher energiepolitischer Tollheiten ohne Probleme eine Mehrheit im Bundestag.
Er könnte Strom wieder bezahlbar machen, die Deindustrialisierung beenden und dem Wohl der Bürger des Landes dienen, dessen Kanzler er werden will. „Ich will das nicht!“ ruft er in den Bundestag, weil ihm die Brandmauer wichtiger ist, als das Landeswohl. Er will nicht einmal „Zufallsmehrheiten“ im Bundestag riskieren.
Man könnte meinen, dass die größte Noch-Oppositionspartei CDU/CSU die Brandmauer als ein Brett vor dem Kopf mit sich herumträgt und fürchtet, dass vernünftige Punkte ihres Wahlprogramms umgesetzt werden könnten, weil die AfD zustimmt. Wie will Merz als Kanzler mit so einem Unsinn zum Wohle des Volkes regieren?
Ein neuer Kanzler, aber keine neue Politik
Noch vor kurzem hatten der „Energieexperte der CDU“ Jens Spahn versprochen, den Betrug beim Kernenergieausstieg aufzuklären. Ergebnis? Nada. Und der CSU-Chef Markus Söder hat die Rückkehr zur Kernenergie inklusive der Wiederinbetriebnahme der letzten Kernkraftwerke wählerwirksam öffentlich gefordert. In der Pressekonferenz nach der Klausurtagung der CDU/CSU sagte der bayerische Ministerpräsident Markus Söder ins Mikrofon (ab Minute 19):
„Aber die Wahrheit ist, wenn es nicht eine grundlegende Wende in der Energiepolitik in Deutschland gibt, nämlich insbesondere Kernenergie, dann werden die Klimaziele weder in Deutschland noch in Bayern erfüllt werden können. Keine Chance. Sie müssen dann entweder neues billiges Gas aus einem Land holen, das wir nicht wollen. Oder Kohle anwerfen – beides ist fürs Klima nicht gut.
Ich fordere auch dringend einen Stopp des Rückbaus bei ISAR II. Noch ist es reversibel (gehobener Zeigefinger) noch! Es ist nicht irreversibel. Ist mit Aufwand verbunden – keine Frage. Aber ich glaube fest daran, dass ohne Kernenergie und dann langfristig ohne Kernfusion es nicht geht.“
Ergebnis? Söder kann sich jetzt wieder eine Koalition mit den Grünen vorstellen, die er noch vorige Woche vehement abgelehnt hat.
Liebe CDU/CSU – wie soll das mit Eurem Brett vorm Kopf funktionieren? In eurer CDU/CSU/SPD/Grünen-Einheitspartei sind die Ampelreste strikt gegen eine Kursänderung der Energiewende, auch wenn sie noch so vernünftig wäre. Die AfD ist dafür, das reicht. Also wird nicht weiter darüber gesprochen, während das Zerstörungswerk vor Ort munter voranschreitet.
Die Mehrheit dafür hätte die CDU/CSU nur mit der AfD zusammen. Aber Herr Merz will das nicht! Und was der Merz nicht will, das wollen seine treuen Vasallen auch nicht. Was will eigentlich die CDU/CSU-Basis? Man hört so wenig. Was also wird aus dem Kurs der CDU/CSU? Die Antwort kann sich jeder Wähler selbst geben.
Ist ISAR2 irreversibel zerstört?
Seit Mitte November 2023 wird das KKW ISAR2 „rückgebaut“, also demontiert und verschrottet. Nun hat der Herr Ministerpräsident Söder einen Stopp des Rückbaus gefordert. Warum hat er ihn dann nicht gestoppt? Die Mehrheit und die Macht dazu hätte er.
Die Demontage des Primärkreislaufes von Isar2 hat begonnen und ist so weit vorangeschritten, dass die Umwälzleitungen des Reaktorkühlmittels vom Reaktor-Druckbehälter abgetrennt wurden. Diese Rohrleitungen dienten der Umwälzung des Wassers zum Abtransport der Wärme aus dem Reaktorkern und sind aus rostfreiem Stahl. Sie müssen höchsten Ansprüchen hinsichtlich ihrer Festigkeit, Verarbeitung und Werkstoffprüfung genügen, da durch sie das Kühlmittel des Reaktors mit sehr hohem Druck fließt und ein Leck dieser Rohre zum GAU führen könnte. Damit wurde der Reaktordruckbehälter von den Dampferzeugern und dem Druckhalter dauerhaft abgetrennt. Man kann somit nicht mehr von einem intakten „Primärkreislauf“ sprechen.
Alle vier Hauptkühlmittelpumpen sind nicht mehr verfügbar. Es waren dies die leistungsstärksten und kompliziertesten Pumpen des Kernkraftwerkes. Sie haben ein extrem komplexes Dichtungssystem, damit bei ihrem Betrieb kein Primär-Medium austreten kann, obwohl im Primärkreislauf ein sehr hoher Druck herrscht. Diese Spezialpumpen wurden demontiert, zerlegt und entsorgt.
Auch die vier Frischdampfleitungen werden zerschnitten. Sie dienten dem Abtransport des Dampfes aus den Dampferzeugern, die vom heißen Wasser des Reaktors durchströmt wurden. Die Dampferzeuger sind große Wärmetauscher, in denen das Wasser aus dem Reaktor seine Wärme an einen getrennten, sogenannten „zweiten Kreislauf“ abgibt und in Dampf für den Betrieb des Turbosatzes umwandelt. Die Frischdampfleitungen müssen hohe Drücke und Temperaturen aushalten und durchdringen den hermetisch abgeschlossenen Sicherheitscontainer des Primärkreislaufes in Richtung Sekundärsystem.
Diese Rohrleitungen wurden nunmehr zerschnitten und in zwei Meter lange Stücke zerlegt, in Container verpackt und der Reststoffbearbeitung (Zerlegungs- und Bearbeitungszentrum) zugeführt. Da sie kein radioaktives Medium führten, können sie von Maschinensägen in kleinere Stücke zersägt und nach Freigabe durch die Behörde dem Wertstoffkreislauf zugeführt werden.
Wann sagt Herr Merz: „Ich will das“?
Auch in den anderen jüngst abgeschalteten Kernkraftwerken geht das Zerstörungswerk voran. In diesem Video kann man sehen, wie das Herz des KKW Grafenrheinfeld, die Reaktoreinbauten verschrottet werden: Ist es wirklich noch nicht irreversibel?
Ich weiß nicht, worauf sich Herrn Söders Aussage stützt, dass es „noch nicht zu spät“ sei. Eine Einschätzung über die Möglichkeit und den zeitlichen und finanziellen Aufwand einer eventuellen Wiederinbetriebnahme kann nur unter erheblichem Aufwand durch die Experten der Betreiber und der Behörde abgegeben werden. Und diese Aussage muss belastbar und daher offiziell sein. Sich hier auf Mutmaßungen vom Hörensagen zu stützen, verbietet sich von selbst. Aber solange niemand offiziell diese Expertise einfordert, wird sie auch nicht gemacht.
Es ist hinzuzufügen, dass die Rückbauarbeiten zügig voranschreiten. Die Rückbaumannschaften arbeiten effizient, und eine Wiederinbetriebnahme wird somit mit jedem Tag aufwändiger und somit unwahrscheinlicher.
Mit einem Brett vorm Kopf lässt sich so ein Prozess nicht stoppen. In der gegenwärtigen Kakophonie der Äußerungen der Parteigranden von CDU/CSU hört man aber leider keinen einzigen harmonischen Akkord, der die Hoffnung nähren würde, dass Herr Merz seine Meinung ändert und plötzlich sagt: „Ich will das“. Auch vermute ich, dass sowohl Herr Spahn, Herr Linnemann und Herr Söder ihre mutigen pro-Kernkraft-Statements demnächst leise weinend beerdigen. Herr Merz will das nicht.
Derweil geht das Zerstörungswerk flott voran. Beim Kernenergieausstieg gilt für Merkels Erben immer noch Honeckers Wort: „Vorwärts immer, rückwärts nimmer“.
Von Manfred Haferburg und Klaus Dieter Humpich ist soeben in der Achgut-Edition das Buch
Atomenergie – jetzt aber richtig
erschienen. Das Nachwort stammt von dem Wissenschaftsphilosophen Michael Esfeld. Sie können es hier in unserem Shop bestellen, Auslieferung erfolgt ab kommendem Montag.
Zum Inhalt des Buches: Es ist keine Frage ob, sondern lediglich wann „die dümmste Energiepolitik der Welt“ (wallstreet-Journal) - in Deutschland euphemistisch „Energiewende“ genannt - beerdigt wird. Und was dann? Überall auf der Welt werden längst wieder die Weichen für die Kernenergie gestellt, CO2-frei wie bisher, aber intelligenter, resilienter, mobiler und preiswerter als je zuvor. Die Atomenergie kann auch hierzulande der Nukleus für einen neuen Wohlstand sein, auch diese Einsicht wird sich unter der Last des Faktischen durchsetzen. Die beiden Energieexperten Manfred Haferburg und Klaus Humpich analysieren den deutschen Irrweg und zeigen Wege aus der Sackgasse. Dieses Buch ist ein Almanach der Vernunft für alle, die in Deutschland erfolgreich wirtschaftlich tätig sind und damit fortfahren wollen.
Manfred Haferburg wurde 1948 in Querfurt geboren. Er studierte an der TU Dresden Kernenergetik und machte eine Blitzkarriere im damalig größten AKW der DDR in Greifswald. Wegen des frechen Absingens von Biermannliedern sowie einiger unbedachter Äußerungen beim Karneval wurde er zum feindlich-negativen Element der DDR ernannt und verbrachte folgerichtig einige Zeit unter der Obhut der Stasi in Hohenschönhausen. Nach der Wende kümmerte er sich für eine internationale Organisation um die Sicherheitskultur von Atomkraftwerken weltweit und hat so viele AKWs von innen gesehen wie kaum ein anderer. Im KUUUK-Verlag veröffentlichte er seinen auf Tatsachen beruhenden Roman „Wohn-Haft“ mit einem Vorwort von Wolf Biermann.