Tony Hall, seit sieben Jahren Generaldirektor der britischen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt BBC, hat bekanntgegeben, dass er sein Amt im Sommer niederlegen will. Die Entscheidung zum Rücktritt ist strategisch motiviert, schreibt das Branchenmagazin DWDL.de, denn 2027 steht eine generelle Überprüfung des Auftrags der BBC an, schon 2022 gibt es eine Art Halbzeit-Analyse. Hall wolle, dass die BBC zu beiden Zeitpunkten von der gleichen Führung geleitet wird, um die Verhandlungsposition des Unternehmens gegenüber der Regierung zu stärken.
Die Verhandlungen dürften hart werden, denn Großbritanniens frischgewählter Premier Boris Johnson gilt als Kritiker der BBC und stellte bereits im Wahlkampf immer wieder die Finanzierung des Unternehmens durch ein Gebührenmodell infrage. Laut einem Bericht des „Guardian“ haben mehrere Abgeordnete von Johnsons Konservativer Partei Halls angekündigten Rücktritt genutzt, um ebenfalls eine Reform der Finanzierung zu fordern.
Halls Nachfolger müsse prüfen, wie die BBC in der „Netflix-Ära“ überleben könne, zitiert die Tageszeitung den konservativen Abgeordneten und ehemaligen Kulturminister John Whittingdale. Die massive Zunahme von gestreamten Inhalten und die Verbreitung von Abonnement-Diensten werfe Fragen hinsichtlich der Zukunft der Rundfunkgebühr auf. Ein anderer konservativer Abgeordneter, Andrew Bridgen, habe moniert, dass der jetzige Auftrag der BBC nicht in den „sauren Apfel“ des Online-Streamings beiße und das Gebührenmodell zu einem Stein geworden sei, der die Rundfunkanstalt herunterziehe. „Wir müssen die Gelegenheit, die unser Sieg geschaffen hat, nutzen, um der BBC den Übergang zu einem neuen Modell zu erleichtern“, zitiert der Guardian einen weiteren konservativen Abgeordneten, Julian Knight. Bei den britischen Bürgern dürften diese Forderungen gut ankommen, denn laut einer Umfrage von Dezember 2019 befürworten drei Viertel die Abschaffung der Rundfunkgebühr.
Der neue Generaldirektor wird vom BBC-Vorstand bestimmt werden, und nicht von der britischen Regierung. Trotzdem wird die Regierung wohl versuchen, Einfluss auf das Auswahlverfahren zu nehmen. Laut dem BBC-Politikredakteur Nicholas Watt hat sie drei Kriterien für Halls Nachfolger: 1. Offenheit gegenüber neuen Finanzierungsmodellen; 2. Offenheit gegenüber der Dekriminalisierung der Nichtbezahlung der Rundfunkgebühr; 3. Beibehaltung der Befreiung von Über-75-Jährigen von der Rundfunkgebühr.