Claudio Casula / 05.05.2023 / 12:00 / Foto: Kyle Flood / 95 / Seite ausdrucken

Beleidigt in Berlin: die Strafanzeigeritis

Politiker stellen inzwischen Strafanzeigen am Fließband, weil sie sich beleidigt oder bedroht fühlen. Haben „Hass und Hetze“ wirklich zugenommen oder entbehren die Protagonisten einfach der Souveränität, mit der man früher damit umging?

Kein Zweifel: Der Ton in der politischen Auseinandersetzung wird rauer. „Volksverräter“, „Demokratiefeinde“, „Rechtsextreme“ – darunter wird es schon im Plenarsaal nicht mehr gemacht. Und auch das Volk murrt vernehmlich lauter, unbeliebte Protagonisten unseres Politikbetriebs bekommen bei öffentlichen Auftritten schon mal „Hau ab! Hau ab!“ und anderes zu hören. Und zunehmend scheinen die Politiker dünnhäutig zu werden. So ist immer wieder zu lesen, dass im Fall einer Allerweltsbeleidigung der Staatsschutz ermittle. Wie etwa, als der / die Bundestagsabgeordnete Markus / Tessa Ganserer (Grüne) „in abfälliger Weise angesprochen und transphob beleidigt“ und gegen den Übeltäter wegen übler Nachrede, Verleumdung gegen Personen des politischen Lebens, Beleidigung und Volksverhetzung ermittelt wurde.

In der Wikipedia wird Staatsschutz so definiert:

„Der Sammelbegriff Staatsschutz bezeichnet den Schutz eines bestehenden Staates vor politisch motivierten, staatsbedrohenden Aktivitäten (z. B. Gefährdung der Allgemeinheit; Staatsordnung, Öffentlicher Sicherheit, z. B. mittels Terrorismus, egal ob politisch, religiös) im Rahmen polizei- und ordnungsbehördlicher Maßnahmen.“

Könnte es sein, dass hier mit Kanonen auf Spatzen geschossen wird? Unvergessen ist das „Pimmelgate“ in der Hansestadt Hamburg: Mitten in der Coronamaßnahmenzeit hatte sich Innensenator Andy Grote (SPD) über feiernde Jugendliche aufgeregt, woraufhin ein Twitter-Nutzer sein Statement mit den Worten „Andy, du bist so 1 Pimmel“ kommentierte, was der Senator als „Hatespeech“ empfand und weswegen er die Wohnung des Missetäters morgens um halb sieben von vier Beamten stürmen ließ. Die Hausdurchsuchung wurde später vom Hamburger Landgericht für unrechtmäßig erklärt.

Habeck und das V-Wort

Robert Habeck fing sich auf der Social-Media-Plattform auf sein nun wirklich hanebüchenes Gestammel im Maischberger-Talk über Bäckereien, die nicht mehr produzieren, aber nicht insolvent seien, folgende Reaktion ein: „Schmeißt diesen Vollidioten endlich raus“. Grund genug für den empfindsamen bzw. empfindlichen Minister, wegen des V-Worts Strafanzeige zu stellen.

Und, klar: Der Staatsschutz ermittelte wegen Beleidigung und übler Nachrede. Der Paragraph 188 StGB macht es möglich, die neu eingeführte Qualifikation zu Delikten des Äußerungsrechts, nämlich der üblen Nachrede und der Beleidigung. Wenn „eine im politischen Leben des Volkes stehende Person“ betroffen ist und die Beleidigung „aus „Beweggründen begangen wird, die mit der Stellung des Beleidigten im öffentlichen Leben zusammenhängen“, ist man schon fällig.

Und so schreiben Politiker, die beim Austeilen selbst nicht zimperlich sind und „Ungeimpften“ vorwerfen, „mit dem Leben der anderen zu spielen“ (Lauterbach) oder als „Minderheit die Mehrheit zu terrorisieren“ (Strack-Zimmermann), selbst fleißig Strafanzeigen – oder lassen sie vom armen Büroleiter verfassen. Der Gesundheitsminister brüstet sich, „gerade wieder 59 Strafanzeigen unterschrieben“ zu haben, und sein Genosse Helge Lindh erstattet 55 Strafanzeigen wegen Beleidigung, Bedrohung und Verleumdung, weil er in Kommentarspalten verspottet wird. Mit Meinungsfreiheit kann Helge schlecht umgehen, wie hier sehr schön zu sehen ist.

Cheblis Credo: „Lamento, ergo sum“

Wir robben uns nun langsam an die Larmoyantesten unter den Politikern heran. Die dauergekränkte Sawsan Chebli stellt 30 Strafanzeigen pro Woche und hat über „Hass und Hetze“ gerade ein ganzes Buch geschrieben respektive schreiben lassen, das zu einem ähnlichen Verkaufsschlager avancierte wie Stachelschwein am Stiel und unweigerlich zum Preis von 99 Cent auf einer Resterampe enden wird, was wiederum mutmaßlich zu weiterem Hohn und Spott animieren dürfte. Ein circulus vitiosus, in dem sich die Berliner Lokalpolitikerin jedoch pudelwohl fühlt, lautet ihr Credo doch seit jeher „Lamento, ergo sum“. Das Jammern auf niedrigem Niveau ist ihre Königsdisziplin, sonst ist da wenig, womit sie Aufmerksamkeit generieren könnte.

Immerhin durfte sie kürzlich in der 20.00-Uhr-Tagesschau über die Meinungsfreiheit klagen, die es erlaube, sie zu beleidigen (tatsächlich wurde die Schmähung als „dämliches Stück Hirnvakuum“ nicht geahndet, was Chebli als „fatales Signal“ deutete). Ihre 120 Strafanzeigen pro Monat wurden, wie nun bekannt wurde, von Marie-Agnes Strack-Zimmermann ausgestochen, die es auf sage und schreibe 250 Strafanzeigen im Monat bringt. Die FDP-Politikerin wird zwar mit den Worten zitiert, „als Politikerin muss man sich ein dickes Fell zulegen“, allein gebricht es ihr am Willen oder der Fähigkeit, das dann auch mal zu tun. 250 Strafanzeigen pro Monat, das wird die chronisch überlastete Justiz freuen.

Nun gibt es selbstverständlich Äußerungen, die man nicht hinnehmen muss und die durchaus justiziabel sind, und ebenso selbstverständlich sind Drohungen kein Kavaliersdelikt, aber irgendwie fällt die Vorstellung schwer, dass Politiker von altem Schrot und Korn wie Wehner, Strauß oder Schmidt derart mimosenhaft auf emotionale Äußerungen reagiert hätten. Man könnte ja – ketzerischer Gedanke – auch einfach darüberstehen, nach dem Motto: Was stört es den Mond, wenn der Hund ihn anbellt? Dazu scheinen die schwachbrüstigen „Spitzenpolitiker“ unserer Tage, mit wenigen Ausnahmen wie etwa „Pöbel-Ralle“ Ralf Stegner, der nicht nur austeilen, sondern auch einstecken kann, nicht fähig zu sein.

Als „Hass und Hetze“ gelten schon harmlose Witze

Dahinter steckt natürlich das Bestreben, sich gegen den Unmut der Bevölkerung, gegen die inzwischen ganz offen Politik gemacht wird und die man auch mal als „Covidioten“ oder „dunkles Deutschland“ diffamiert, zu immunisieren. Kritiker sollen dazu gebracht werden, sich jede Reaktion dreimal zu überlegen und sich im Zweifelsfall lieber auf die Zunge zu beißen, siehe das unselige „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“ von Merkel und Maas oder das geplante „Gesetz zur digitalen Gewalt“, das es nach dem Willen des Bundesjustizministeriums Gerichten ermöglichen soll, Social-Media-Konten sperren zu lassen.

Zur Begründung wird stets vorgebracht, die Hemmschwelle sei gesunken (natürlich immer nur auf der rechten Seite des politischen Spektrums), „Hass und Hetze“ nähmen, besonders in den sozialen Netzwerken, zu (wobei schon Witze über die Leibesfülle der Grünen-Vorsitzenden Ricarda Lang unter diesem Begriff subsumiert werden), und dann sind da noch die Morddrohungen, die jeder Politiker, der mal wieder in die Zeitungen möchte, erhalten haben will. Die ersehnte Aufmerksamkeit wird allerdings auch hier wieder nur den „Guten“ zuteil, während AfD-Politiker, die ganz ähnliche Post erhalten, nur eben von der guten Seite, offenbar nie Opfer von „Hass und Hetze“ sein können, denn das soll die Domäne der bösen Rechten sein.

Ein bisschen verbale Abrüstung würde indes allen guttun, die stets an die Grenze oder darüber hinausgehen, statt gepflegte Verbalinjurien zu kreieren, mit denen man übrigens auch den Algorithmus austrickst und den Richtern dieses Landes Zeit verschafft, damit sie sich um die wirklich schlimmen Finger kümmern können. Man muss einen Wirtschaftsminister, der nicht weiß, was eine Insolvenz ist oder eine Pendlerpauschale, nicht als „Vollidiot“ schmähen, der Fantasie sind da gerade beim mürrischen Bildungsbürger keine Grenzen gesetzt. Der Autor dieses Textes schreibt seit einem Vierteljahrhundert gegen unangenehme Zeitgenossen an, ist noch nie irgendwo gesperrt oder gar sanktioniert worden und hat im Gegenteil diebische Freude an Wortschöpfungen wie etwa „Surensöhne“ für militante Islamisten. Ich kann da nur jedem zuraten.

Und der überempfindlichen Politikerkaste sei empfohlen, sich nicht so zu haben und verbale Ausfälle vielleicht einfach mal zu ignorieren. Am allerbesten wäre natürlich, wenn sie aufhören würde, Bürger zu beschimpfen, zum Denunzieren aufzurufen und auf ihre Interessen zu pfeifen. Das würde ganz entscheidend dazu beitragen, die Atmosphäre zu entgiften. Tut sie es nicht und klagt immer lauter über die Reaktion auf ihr unheilvolles Wirken, wird es in diesem Land nämlich noch viel ungemütlicher. Um das vorauszusehen, muss man wahrlich kein Prophet sein.

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finn waidjuk / 05.05.2023

Da Herr Habeck sich praktisch täglich selbst zum Vollidioten macht, müsste er eigentlich Selbstanzeige erstatten. Falls er dazu intellektuell nicht in der Lage ist (“ich bin kein Vollidiot, ich gebe nur ausschließlich Schwachsinn von mir”) könnte Frau Strack-Zimmermann das für ihn besorgen; bei 250 Strafanzeigen/Monat kommt es auf eine mehr oder weniger auch nicht mehr an.

T. Schneegaß / 05.05.2023

@Uwe Krahmer: Auch das zweite Ultimatum der Polizei wurde vom VG zurückgewiesen. Der Gedenkstein wird also erstmal den Montag überleben. Übrigens ist auf mdr punkt de das altbekannte Argument der Diktatur zu lesen, nämlich dass “empörte Bürger” die Entfernung fordern. Da kann die arme Staatsmacht leider nichts machen.

Dr. R. Möller / 05.05.2023

Das ist doch der Kernpunkt feministischer Politik. Als XY erkennt man Probleme und löst sie.

A. Smentek / 05.05.2023

@Dr. Klaus Schmid: So sehe ich das auch. Sie wissen wohl, dass sie - allen Posen zum Trotz - auf dem absteigenden Ast sitzen, und dass immer mehr Bürger sie und ihre Politik ablehnen - vorsichtig ausgedrückt. Da aber Linksgrüne in ihrer eigenen Wahrnehmung die Wahrheit, die Moral und überhaupt das Richtige und das Gute gepachtet haben, sind sie zu einem realistischen Selbstbild und damit auch zu Selbstkritik nicht fähig. Darum können sie natürlich auch Kritik von anderen nicht ertragen. Dafür können sie offenbar umso besser austeilen - gegen die Bürger. Man erinnere sich an die Verbalinjurien gegen Ungeimpfte, die sich als “Sozialschädlinge”, “Bekloppte”, “Geiselnehmer” etc. beleidigen lassen mussten. Beim Austeilen ist man in der Politik offenbar sehr viel schmerzfreier, als wenn mal selber mal den Spiegel vorgehalten bekommt.—- Ich bin zwar grundsätzlich der Meinung, dass man unter zivilisierten Menschen ohne persönliche Beleidigungen Kritik üben sollte, kann aber auch die Leute verstehen, denen angesichts der politischen Grausamkeiten, die uns im Namen verlogener Narrative zumutet, der Kragen platzt. Manchmal möchte man schon so richtig loslegen!—- Im Übrigen denke ich heutzutage gern zurück an die Zeiten, als Deutschland und die Deutschen noch normal waren, und Franz-Josef Strauß und Herbert Wehner sich deftige Redeschlachten lieferten, ohne sich hinterher mit Anzeigen wegen Beleidung zu überziehen.

Günter H. Probst / 05.05.2023

Diese ganzen Beleidigungs-, Volksverhetzungs-, Leugnungs- usw. Paragraphen gehören gestrichen, weil sie wie in den Diktaturen dazu dienen, politische Opposition mit dem Strafrecht auszuschalten. Im Netz tobt sich aus, was sonst am Stammtisch gebrabbelt wurde. Und wie dort, gibt es auch im Netz Gegenstimmen. Schon in den 60 Jahren wurde erkannt, daß es eine elaborierte und eine nichtelaborierte Sprache gibt. Da der nicht so Gebildete einfache, aber deutliche Sprache, spricht, wird er besonders Opfer dieser Strafvorschriften. Die Grenze sollte lediglich dort gezogen werden, wo einer Gruppe oder einem Einzelnen die Verletzung oder Tötung angedroht wird, zB. “Hamas, Hamas, Juden ins Gas”; aber gerade dann hört die Obrigkeit nicht zu. Oder wenn man bei Sachbeschädigung, Nötigung oder Körperverletzung Audienz beim Minister bekommt.

Gus Schiller / 05.05.2023

@M. Buchholz; Hauptsache ist doch, dass der Kontostand steigt.

Gus Schiller / 05.05.2023

@Dr. Detlef Wacker: Überarbeiten Sie doch einfach Ihren Lebenslauf. Aussenministerinnende können als Vorbildende dienen. Dann klappt es auch mit dem Graichen Clan.

Elena Mai / 05.05.2023

@Dr. Detlef Wacker: Geniale Beschreibung der Koryphäen der deutschen Politik. Danke dafür! Diese Details können der Mehrheit von uns leicht entgehen und dann klappt es auch nicht sie wertzuschätzen. Nur noch Sarkasmus bleibt uns manchmal

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