Wolfram Weimer / 15.02.2018 / 13:26 / Foto: Superbass / 9 / Seite ausdrucken

Bekommen wir eine Außenministerin?

Das Duell zwischen Martin Schulz und Sigmar Gabriel endet wohl im politischen Doppeltod. Nach dem Totalrückzug von Schulz schwinden in der SPD auch die Chancen für den noch amtierenden Außenminister, sein Amt irgendwie zu retten. Beim neuen Macht-Tandem der Sozialdemokraten, bei Andrea Nahles und Olaf Scholz, genießt Gabriel keinerlei Rückendeckung mehr. Durch sein Wut-Interview und die Attacke auf den „Mann mit den Haaren im Gesicht” hat sich Gabriel für viele Genossen unmöglich gemacht.

Gabriel müht sich noch verzweifelt um Reue, windet sich zu Entschuldigungen und mobilisiert letzte Getreue: Bezirksvorsitzende, SPD-Altvordere, Gewerkschafter und selbst Wirtschaftsführer sollen für ihn plädieren. Doch die Wirkung verpufft. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil verkündet das inoffizielle Aus für Gabriel reichlich klar: „Wer zu unfairen Mitteln greift, nimmt sich damit selbst vom Platz.”

Im Führungskreis der SPD ist man bereits auf der Suche nach einem neuen Außenminister. Der Kandidatenkreis reicht von Michael Roth, Staatsminister für Europa und Beauftragter für die deutsch-französische Zusammenarbeit, über Niels Annen, außenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, bis Thomas Oppermann, Bundestagsvizepräsident und Mitglied im Auswärtigen Ausschuss. Keiner der drei verfügt freilich über Ministererfahrung auf Bundesebene.

Immer häufiger hört man daher den Namen von Katarina Barley in SPD-Kreisen. Sie ist nicht nur Bundesfamilienministerin, sondern führt seit September 2017 auch die Geschäfte des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Barley ist seit ihrer Zeit als SPD-Generalsekretärin gut vernetzt in der Partei, auch der linke Flügel unterstützt sie, und sie hat sich aus den Machtkämpfen der vergangenen Wochen geschickt heraus gehalten. Sie gilt als gesetzt fürs künftige Familienministerium, doch jetzt könnte man sie für die höhere Aufgabe im Außenamt gebrauchen.

Frau Barley verfügt über eine internationale Prägung

Barley bringt einen großen Vorteil für diese Rolle mit – sie verfügt als eine der wenigen in der SPD-Spitze über eine internationale Prägung. Sie ist die Tochter eines britischen Redakteurs der Deutschen Welle und einer deutschen Ärztin. Sie studierte in Paris und verfügt über ein „Diplôme de droit français”. In Paris lernte sie auch ihren späteren (inzwischen geschiedenen) Ehemann und Vater beider Söhne kennen. Barley spricht fließend Englisch und Französisch, sie ist trittsicher auf internationalem und diplomatischem Parkett.

Die promovierte Volljuristin zählt nicht zu dem Schlag Profipolitiker, die ihren Berufsweg nur der Partei verdanken. Barley arbeitete nach dem zweiten Staatsexamen als Rechtsanwältin in einer Hamburger Großkanzlei, als Mitarbeiterin beim Bundesverfassungsgericht und als Richterin.

Barley war von Anfang an außen-, vor allem europapolitisch engagiert. Ihre erste Rede im Deutschen Bundestag hielt sie am 18. November 2013 zum Thema „Östliche Partnerschaft” der Europäischen Union. Der Schluss-Satz dieser Rede lautete: „Dieses soziale Europa, wie wir Sozialdemokraten es schon lange fordern, ist deshalb das europäische Projekt der nächsten Jahre.”

Sie ist leidenschaftliche Europäerin und ärgert sich öffentlich darüber, dass man „viel zu leichtsinnig mit dieser großen und historischen Errungenschaft” umgehe. „Ich werde jedenfalls alles tun, was in meiner Macht steht, um Europa zusammenzuhalten. Denn Europa ist unsere Zukunft.”

Barley hat auch die britische Staatsbürgerschaft

Wenn sie sich hingegen über Erdogan ärgert, dann postet sie schon mal auf Facebook Sätze wie diese: „Die Türkei verbaut sich Perspektiven, das muss ausgesprochen werden. Wer die Todesstrafe wieder einführt, kann nicht Mitglied der Europäischen Union werden.

Anders als der sprunghafte und impulsive Gabriel wäre Barley ein besser zum Außenamt passendes, kontrolliertes Temperament, das sich souverän im Ausland bewegt. So reiste sie, als in Berlin die Chaos-Wochen der SPD begannen, bewusst nach Argentinien und eröffnete den G20-Frauendialog („W20”) in Buenos Aires. Schließlich hatte am 1. Dezember Argentinien von Deutschland die G20-Präsidentschaft übernommen.

Barley hat neben der deutschen noch die britische Staatsbürgerschaft. Das wäre auf dem Außenministerposten eine pikante Besonderheit, sie könnte aber – so das Wording ihrer Unterstützer – „in Brexit-Zeiten Brücken nach Großbritannien bauen”.

Wichtiger aber ist etwas anderes: Katarina Barley wäre die erste Außenministerin Deutschlands. Angela Merkels weibliche Alleinstellung auf internationaler Bühne würde damit gebrochen – auch eine Erwägung der SPD-Spitze mit Blick auf das langfristig erhoffte Comeback der Genossen. Kurzfristig freilich ist die Partei so labil, dass die Coup-Personalie Barley auch rasch ganz anders ausgehen kann.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf The European hier

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Leserpost

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Lutz Muelbredt / 15.02.2018

Hm. Wie wärs mit:  Merkel schmeißt hin und SPD, Linke und Grüne bilden eine Koalition? Nachtigall, ick hör dir trapsen oder besser Völker hört die Signale?

Frank Stricker / 15.02.2018

Ob Frau Barley die richtige für das Außenministerium ist, darf bezweifelt werden. Speziell nach ihrem letzten Auftritt bei Plasberg, wo sie durch Geschwätzigkeit den WDR und sich selbst in Erklärungsnot gebracht hatte. Auch unvergessen, wo sie bei Markus Lanz ihren Karmann Ghia promoten durfte und sich von der “menschlichen Seite ” gezeigt hat. Mehr geschleimte heile Welt ging nun wirklich nicht mehr.

Wilfried Cremer / 15.02.2018

Herr Maas verhält sich zur Zeit verdächtig still, nach dem Motto: Wer sich zuerst bewegt, hat verloren. Mal abgesehen von der (teilweise berechtigten) Kritik an Poggenburg heute, aber in solchen Dingen ist er nun mal inkontinent, da kann er nicht anders. Außerdem verursacht derlei Normalsprech sowieso keinerlei Mainstreamturburbulenzen und geht den Medien wie Öl runter.

R. Bunkus / 15.02.2018

“Mitarbeiterin beim Bundesverfassungsgericht und als Richterin” - Ihre geballte juristische Kompetenz hat sie jedoch nicht bewogen, deutliche Einwände gegen Rechtsbrüche der vormaligen und jetzt immer noch geschäftsführenden Bundesregierung oder das vermutlich verfassungsbrechende NetzDG zu erheben. Abgesehen davon: „Wer zu unfairen Mitteln greift, nimmt sich damit selbst vom Platz.” (Zitat von Lars Klingbeil) - Ist schon klar, denn alle anderen spielen ja nur mit fairen Mitteln. Musste nicht schon die Vertretungsregelung für Martin Schulz vom Parteivolk per Unmutsbekundungen gegen die Klüngeleien der Parteioberen durchgesetzt werden? Ansonsten wird es ja nicht gefragt, denn eine Urwahl der/des Parteivorsitzenden findet ja nicht statt. Alles lupenreine Demokraten.

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