Bekloppte, Besoffene und ein gallisches Dorf in Thüringen

Man sollte es nicht so schnell vergessen, was da seit dem Spätsommer 2021 in Deutschland politisch und medial so alles geäußert wird. Zum Thema Impfung gegen Corona. Lautstark.

Wenn HNO-Ärztin Elke Ender in einem Interview mit der FAZ den Ausschluss von großen Teilen der Bevölkerung mit bemerkenswert scharfsinnigen Vergleichen rechtfertigt – „Ungeimpften den Zugang zu verwehren, das ist nur logisch. Wer keinen Führerschein machen will, hat auch keinen Zugang zum Autofahren.“ –, ist das, gemessen an sonstigen Verlautbarungen, noch nahezu moderat. Und großzügig ist es, wenn Frau Ender „in einem ersten Schritt“ und „respektvoll“ über ihren Schatten springt: „Die Leute muss man trotzdem im ersten Schritt anhören. Und dann muss man ihnen Fragen stellen, die sie zum Nachdenken bringen, damit sie merken, wie unlogisch sie sich verhalten, und sie aus dieser Verschwörungsschwurbelei herausfinden. Solche Fragen müssen immer respektvoll sein.“ Danke, Frau Ender.

Andere Ärzte sind da schon weiter. Etwa der Zschopauer Internist Hans-Joachim Kruse, der einer Patientin schrieb: „Ich teile Ihnen mit, dass Sie als nicht geimpfte Person in meiner Praxis nicht mehr erwünscht sind. Eine Untersuchung werde ich nur bei einem medizinischen Notfall durchführen, ansonsten untersage ich Ihnen den Zutritt zu meiner Praxis.“ (Das ganze Schreiben ist als erster bzw. ältester Eintrag auf der Seite Schandmale des Internets nachzulesen – gefolgt von einer Vielzahl weiterer entsprechender Funde.) Allein ist Herr Dr. Kruse nicht, in Hannover beispielsweise praktizieren Dr. Christian Albert „und sein Ärztezentrum Nordstadt“ ab 1. Januar 2022 die 2G-Regelung.

Nicht, dass da nicht noch etwas drin wäre, wer will schon die Silbermedaille, wenn er auch Gold haben kann. Die Berliner „Fischerhütte am Schlachtensee“ hat sich für 1G entschieden.

„Es ist Zeit, die Daumenschrauben anzuziehen"

Dass die einfachsten Lösungen oft die besten sind, weiß Medizinethiker Wolfram Henn: „Die Mitte der Gesellschaft sind die Geimpften. Diejenigen, die sich immer noch nicht impfen lassen wollen, machen sich selbst zur Randgruppe. Die könnten sie sehr einfach wieder verlassen.“

Es geht aber auch mit anderen Worten und Vorschlägen, um die „Bekloppten“ (Joachim Gauck, von 2012 bis 2017 Staatsoberhaupt der Bundesrepublik Deutschland) wenn schon nicht zur Einsicht, dann doch wenigstens zum Handeln zu bewegen. Ulrich Waschki, Geschäftsführer und Chefredakteur der Verlagsgruppe Bistumspresse, formuliert auf katholisch.de (!) markig: „Es ist Zeit, die Daumenschrauben anzuziehen… Der beste Weg ist die konsequente Umsetzung von 2G… Ungeimpfte müssen eben spüren, dass ihre eigene Entscheidung eben auch Folgen für sie persönlich hat.“

Norbert Rollinger, Vorstandvorsitzender der R+V Versicherung AG, kann deutlich werden: „Impfverweigerer zeigen ein sozial schädliches Verhalten“. Tim Szent-Ivanyi hat mittels RND-Kommentar ebenfalls noch einen passenden Begriff für Impf-Unwillige in petto: „Auch Appelle an die Solidarität und die Mitmenschlichkeit werden verpuffen. Hier hilft nur eine Art Zermürbungstaktik“. Volker Beck, der über 20 Jahre für die Grünen im Deutschen Bundestag saß, twittert, es sei „Zeit für eine #Impfpflicht. Eine verantwortungslose Minderheit darf nicht die Gesellschaft terrorisieren.“ Charité-Institutsdirektor und Podcaster Christian Drosten geht es dann wieder mehr analytisch an: „In den sehr adhärenten Gesellschaften in Skandinavien herrscht ein sehr hoher Informations- und Bildungsgrad, viele Leute verstehen einfach, wofür die Impfung gut ist…  Da herrscht eine sehr hohe Impfquote… In Deutschland sind wir überhaupt nicht dort“. Fazit: „Man muss Ungeimpfte überzeugen oder auch sonst dazu bringen, sich impfen zu lassen.“ Nochmal: „oder auch sonst dazu bringen“.

Sogar die Sportprominenz weiß Bescheid. Jürgen Klopp, bekannt in der Welt des Fußballs, findet, ähnlich der eingangs zitierten HNO-Ärztin Ender, einen luziden Straßenverkehrsvergleich bezüglich der Nicht-Impfung. Diese sei wie „Alkohol am Steuer“. Und auch gewichtige Stimmen des gesellschaftlichen Lebens wollen nicht zurückstehen. Mutter Beimer, von der Verschwörungstheoretiker behaupten, es handle sich in Wirklichkeit um die Schauspielerin Marie-Luise Marjan, erklärte, sie verstehe nicht, warum das „Angebot einer Regierung oder auch der Wissenschaftler und Ärzte“ nicht angenommen werde. Gemeint ist die Impfung. Mutter Beimer fügt hinzu: „Das ist umsonst!“ Nur Schwurbler würden an der Stelle anfangen zu überlegen, was es mit dem Wort „Angebot“ auf sich hat und ob es zuweilen einen Unterschied zwischen „umsonst“ und „kostenlos“ gibt. Oder gar weiter- und querdenken, für wen es „kostenlos“ zu sein scheint und wer es bezahlt.

Also ein Restbestand an besoffenen, bekloppten, terroristischen Autofahrern, die keine ärztliche Behandlung mehr erhalten dürfen (es sei denn, sie verrecken gerade)? Die zermürbende Daumenschrauben angelegt bekommen müssen? Die aufgrund ihrer randgruppigen Unbildung, weil nicht anders möglich, „auch sonst“ dazu bewegt werden müssen, das „Angebot“ anzunehmen, das „umsonst“ ist? Der Bodensatz unserer schönen Demokratie.

„Mit Menschlichkeit gegen übergriffiges staatliches Verhalten“

Die gallischen Dörfer sind bekanntlich klein, aber es gibt sie. Manchmal liegen sie in Thüringen und verstecken sich hinter der Bezeichnung Jenatec Industriemontagen GmbH. Geschäftsführer Peter Schmidt nahm am 17. September 2021 gegenüber der gesamten Belegschaft per Brief Stellung zum Thema „Lohnfortzahlung für Ungeimpfte im Quarantänefall“. Die neue Verordnung sehe vor, dass es „im Falle einer Quarantäne keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung oder Lohnersatzleistung mehr geben soll“. Geschäftsführer Schmidt: „Wir halten das für falsch und moralisch fragwürdig. Wir als Jenatec Industriemontagen GmbH werden einem solchen übergriffigen staatlichen Verhalten mit Menschlichkeit entgegentreten. Niemand soll aus wirtschaftlicher Not oder aus Angst um seine persönliche Freiheit einen Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit hinnehmen müssen. Ein Grund für eine Impfung kann allein eine freie Willensentscheidung… sein. Darum werden wir in Zukunft jeden Mitarbeiter, der sich aus persönlichen Gründen gegen eine Impfung entscheidet, von diesem Risiko freistellen. Sollten Sie als ungeimpfte Person wegen eines Coronafalls in Ihrem Umfeld in Quarantäne müssen, wird die Jenatec Ihnen für diese Zeit freiwillig Lohnfortzahlung leisten.“ Man sei „stolz auf alle Menschen, die täglich den guten Namen der Jenatec in aller Welt vertreten.“ Die Geschäftsführung sei allen Mitarbeitern „in gleicher Weise dankbar, egal ob geimpft oder nicht“ und fügt hinzu: „Bitte bleiben Sie gesund und treffen Sie Ihre Entscheidung in Freiheit.“

Es gibt sie noch, die anderen Nachrichten. Und man sollte nicht so schnell vergessen. Weder das eine, noch das andere.

Foto: Fars News Agency CC-BY 4.0 via Wikimedia Commons

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Torsten Marx / 08.10.2021

Es ist bemerkenswert, wie sich Persönlichkeiten der Öffentlichkeit, mit ein paar Worten vom Paulus zum Saulus wandeln. Wie Herr Klopp. Erledigt für mich die Person. Zu Koksnase Beck spare ich mir jeglichen Kommentar. Der Jenatec GF hat ein positives Zeichen gesetzt. Das ist gut.  Er ist auch nicht dumm. Gute technische MA sind heutzutage rar. Wirtschaftlich ist es für ihn eh neutral. In den wenigen Fällen, in denen das Problem der LFZ überhaupt relevant würde, werden ohnehin alle Symptome haben und dann muss gezahlt werden. Und als AG verliert man jeden Prozess vor dem Arbeitsgericht darum, weil die Regelung eklatant verfassungswidrig ist. Schon allein wegen der Ungleichbehandlung mit den Beamten. Also vor allem ein schlauer GF und viel Lärm um nichts, um mit einem weiteren Schreckgespenst auf Bauernfängerei unter den Ungeimpften zu gehen. Funktioniert nur nicht, wenn die Gejagten um Welten schlauer sind, als die Jäger. Better luck next time.

Karl Heinz Brandt / 08.10.2021

@MarkusKnust … jedes Wort von Ihnen unterschreibe ich mit dickem Edding . Kurze Ergänzung zum Sklaven . Man sagt ja , dass der größte Feind der Demokratie der glückliche Sklave ist . Ich behaupte , dass der Sklave eigentlich nicht die Freiheit wünscht sondern lediglich die Hand am anderen Ende der Peitsche . Es bleibt spannend .

Reinhard Schröter / 08.10.2021

Gut zu wissen, wie der Vorsitzende der R+V Versicherung über einen Teil seiner Kunden , also auch mich denkt , einer der mit seinen Versicherungsbeitragen diesem Lumpen ein komfortables Auskommen sichert. Am Sonntag werden alle Versicherungen bei R+V gekündigt, am Montag geht die Post raus. Natürlich wird der Grund der Kündigungen mit fetten Buchstaben angegeben.

Wolfgang Nirada / 08.10.2021

Bei Reitschuster kann mann nachlesen dass zwei Drittel der englischen Fussballprofis ungeimpft sind (teils aus"religiösen Gründen” teils weil ihnen ihre Berater dringend von dieser “Impfung” abraten)... Das müsste auch dem Herrn Klopp (von dem ich bisher eine bessere Meinung hatte) bekannt sein… Also einfach mal die Fresse halten… Sich impfen zu lassen ist genauso wie als Beifahrer vom Lauterbach Auto zu fahren…

Karl Vogel / 08.10.2021

Thüringen, ausgerechnet Thüringen? Ist das nicht das Land, in dem auf Befehl Ihrer Merkelität eine Wahl rückgängig gemacht wurde und eine bis heute amtierende Mauermörderparteiregierung installiert wurde? Umso schöner, dass es dort Widerstand gibt!

Ilona Grimm / 08.10.2021

@B.Dietrich: Mit sehr ähnlichen Gedanken wie Sie schlage ich mich auch herum. Man denkt, der Großteil der Menschen um einen herum sei ähnlich sozialsiert und an Werten orientiert wie man selber. Und dann wird man an seinem Geburtstag von der einst allerbesten „ähnlich sozialisierten“ Freundin als „Sozialschädling“ bezeichnet, weil man sich nicht impfen lassen möchte und dafür Gründe nennt. - - - Aber, liebe(r) B. Dietrich, freiwillig den Faschisten Platz zu machen, kommt überhaupt nicht in die Tüte. Die sollen sich an uns ärgern bis sie noch schwärzer werden. Füße still halten und standhaft bleiben! Auf die Frage, „Bist du geimpft“, werde ich künftig nur noch antworten, „danke, es geht mir gut.“ Vielleicht zeigt sich schon in einem halben Jahr, wer der Beklopptere war/ist/ sein wird. (Dank an den Gauckler, der immer schon bekloppt war!)

Steffen Huebner / 08.10.2021

Jenatec - so heißt heute einer der wirklichen Beschützer des Grundgesetzes. Die Beschäftigten können stolz auf ihre Geschäftsleitung sein. Das Bimbeskreuz der politischen Blase von Sonntags- Redner von Demokratie und Freiheit werden sie deswegen nicht bekommen.

Peter Wagner / 08.10.2021

Ganz einfach: Je mehr widerliche Drohungen, umso mehr Widerstand gegen dieses “Allheilmittel”.

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