Wolfram Weimer / 06.10.2018 / 12:00 / Foto: Pixabay / 15 / Seite ausdrucken

Bei Tesla raucht die Bude

Es ist der wohl teuerste Tweet aller Zeiten: “Ich erwäge, Tesla zum Preis von 420 Dollar zu privatisieren. Finanzierung gesichert.” So tönte Elon Musk am 7. August um 18.48 Uhr, als der Aktienkurs weit unter den anvisierten 420 Dollar lag. Doch der angebliche Privatisierungsplan war eine Angeberei. Nun müssen er und Tesla für diesen Tweet jeweils 20 Millionen Dollar Strafe zahlen. Außerdem muss Musk vom Amt des Tesla-Chairman zurücktreten und den Verwaltungsrat an eine unabhängige Person übergeben.

Damit kommt Musk noch glimpflich davon, denn die mächtige US-amerikanische Börsenaufsicht SEC stand kurz davor, den Tesla-Chef auch als CEO des Elektroautobauers zu feuern und ihn sogar auf Lebenszeit aus Chefetagen börsennotierter US-Unternehmen zu verbannen. Die SEC wirft Musk vor, Investoren mit dem Tweet in die Irre geführt und betrogen zu haben, nur um den Aktienkurs hochzutreiben.

Während Börsenspekulanten die für Musk verkraftbare Strafe im Tesla-Milliardenmonopoly nun mit wilden Zukäufen feiern, wachsen nicht nur bei der Börsenaufsicht die Sorgen um die Zurechnungsfähigkeit der Person Elon Musk. Denn beim frei aufgerundeten Wunschkurs von 420 Dollar orientierte sich der Tesla-Chef demonstrativ an Drogen-Symboliken. Die Zahl 420 ist eine Kult-Zahl bei Kiffern, ein in den USAgebräuchliches Codewort für den regelmäßigen Konsum von Cannabis. Die SEC wirft Musk ganz offiziell vor, er habe die Zahl gewählt “wegen der Bedeutung dieser Zahl in der Marihuana-Kultur”. In den USA wird unter Kiffern gerne gegen 4.20 Uhr nachmittags Cannabis geraucht, und der 20. April (US-Datum 4/20) gilt als inoffizieller “Marihuana-Feiertag”, an dem ausgiebig mit Drogen gefeiert wird. Musk wollte damit seine Freundin amüsieren, behauptet der SEC-Ermittler Steven Peiking.

Eine Art Kifferspiel eines enthemmten Milliardärs?

Nach Ansicht der SEC ist der größte Börsenskandal des Jahres damit eine Art Kifferspiel eines enthemmten Milliardärs. Peiking erinnert auf einer Pressekonferenz an Musks Vertrauensposition als Chef eines Milliarden-Dollar-Unternehmens und die damit einhergehende Verantwortung gegenüber den Aktionären: “Ein Prominentenstatus oder die Reputation als Technologie-Innovator gibt jemandem nicht die Lizenz, diese Verantwortung auf die leichte Schulter zu nehmen.”

Der Vorgang reiht sich ein in eine Serie sonderbarer, drogenbezogener Auftritte des Tesla-Chefs. In einem Interview mit der “New York Times” beschrieb er seine 120-Stunden-Arbeitswoche, er arbeite täglich mindestens 17 Stunden. Die immer neuen Ideen in seinem Kopf seien wie “nicht endende Explosionen”, erklärte er einem irritierten Publikum. Er erlebe das “schlimmste Jahr seiner Karriere” voller Überlastung. Ruhe finde er nur, indem er regelmäßig das Schlafmittel Ambien nehme. In einem Tweet gestand er zudem: “Ein wenig Rotwein, eine alte Schallplatte, etwas Ambien … und wunderbar!”

Während des Podcast-Gesprächs mit dem Komiker Joe Rogan paffte Musk schließlich eine ihm angebotene Zigarette mit einer Tabak-Marihuana-Mischung. Das öffentliche Ziehen des Tesla-Chefs an einem Joint drückte tags darauf den Aktienkurs. Immerhin ist der Cannabis-Konsum in Kalifornien nicht illegal. Doch die Häufung der drogenbezogenen Auftritte beschädigt zusehends die Reputation des ohnehin angeschlagenen Managers.

Für seine Bewunderer ist Elon Musk nach wie vor der Thomas Edison des 21. Jahrhunderts: ein genialer Elektrifizierer, mutiger Unternehmer, der Avantgardist unserer Tage. Und ein cooler Anti-Spießer, der offen über Drogen redet. Für Kritiker hingegen gilt Musk inzwischen als Blender, überdrehter Börsenzocker, dem ein Drogenproblem zusehends öffentlich schade.

Massive Konkurrenz der Platzhirsche

Die SEC verlangt von Tesla ausdrücklich, dass die Kommunikation Musks mit Investoren künftig überwacht werden müsse. Für den Tesla-Chef sind die Folgen des “420-Skandals” ohnedies nicht ausgestanden: Neben der SEC führt auch das US-Justizministerium eigene Untersuchungen durch, die in Strafermittlungen münden könnten. 

Obendrein sieht sich der E-Auto-Pionier zusehends harter Konkurrenz der klassischen Autokonzerne ausgesetzt. Insbesondere Audi, Porsche, Mercedes, BMW, alle vier deutschen Premiumhersteller haben soeben neue E-Modelle präsentiert und die Frontal-Attacke auf Tesla eröffnet. Eine Auswertung des Beratungsunternehmens McKinsey ergab, dass schon in diesem Jahr insgesamt 71 verschiedene Elektroauto-Modelle eingeführt werden sollen, zusätzlich seien 32 neue Plug-in-Hybrid-Modelle geplant, die neben einem elektrischen Antrieb auch noch einen Verbrennungsmotor besitzen.

Der Elektro-Pionier Tesla bekommt es also mit massiver Konkurrenz der Platzhirsche zu tun. Die Offensive der Wettbewerber trifft Tesla in einem Moment, da sich die Probleme ohnedies häufen. Elon Musk stellt immer wieder in naher Zukunft die Profitabilität des Unternehmens in Aussicht, doch die Wirklichkeit sieht anders aus. Im zweiten Quartal stieg der Verlust auf 717 Millionen US-Dollar gegenüber 336 Millionen US-Dollar im Vergleichsquartal des Vorjahres an. Hektisch werden die Kreditlinien Teslas verlängert, doch einige Banken sind skeptisch.

Mit den Eskapaden des Konzernlenkers wollen einige Führungskräfte offenbar auch nicht mehr leben. Teslas Chefbuchhalter Dave Morton hat spektakulär seinen Posten aufgegeben – nach nur einem Monat in dem Job. Dann suchte aus dem Finanzressort mit Justin McAnear ein weiterer hochrangiger Manager das Weite. Auch Personalchefin Gabrielle Toledano erklärte ihren Rückzug. Und ebenso Shen Jackson, Teslas Leiter der Fertigungstechnik.

In den USA wird der impulsive Elon Musk inzwischen häufiger mit Donald Trump verglichen. Beide seien unberechenbare, twitterwütige Egomanen. In Konferenzen werden Analysten von Musk schon einmal in Trump-Manier wegen angeblich langweiliger Fragen arrogant zurechtgewiesen. Die Analysten der US-Bank JP Morgan – immerhin die größte Bank der USA – haben es nun satt. Sie warnen offen vor den hohen Risiken der Tesla-Situation und ihres schillernden Chefs. Auch nach der Einigung mit der US-Börsenaufsicht solle man die Aktie meiden, das faire Kursziel liege bei nur 195 Dollar – nicht einmal halb so hoch wie die 420 Dollar.

Diesere Beitrag erschien zuerst auf The Europen

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Leserpost

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Wilhelm Bergmann / 06.10.2018

Den Vorwurf der Haschfixerei kenn ich von damals im Dorf. Ambien ist Zolpidem, ein in Spießernachttischen gern gesehener Gast, sicher nicht zu verharmlosen, ist doch seine dyskoordinierende Wirkung für so manchen Oberschenkelhalsbruch nykturischer Altvorderer verantwortlich zu machen. Über die Hanf- und Schlafmittelschiene Musk an den Elektrokarren zu fahren ist allerdings eine allzu billige Tour, auf die man tunlichst verzichten sollte. Schon gar nicht sollte man, wie der Autor, auch noch Ehrenrunden darauf drehen.

F. Weber / 06.10.2018

Der Artikel ist vor allem den Redakteuren in den Wirtschaftsressorts der dicken “Blätter für die bürgerlichen Stände” sehr zur Lektüre zu empfehlen, konnten sie sich doch - zumindest bis vor ein paar Wochen - nicht verkneifen , in ihren Kommentaren regelmäßig Tesla bzw. Elon Musk als Beispiel und Vordenker für die (angeblich verpennten) Bosse der (deutschen) Autoindustrie hinzustellen. Wenn diese in den letzten paar Jahren nur einen Bruchteil des bei Tesla verjubelten Geldes verbrannt hätten, hätte jeder “Schlaukopf” in den Redaktionen der Wirtschaftspresse den jeweiligen Aufsichtsräten dessen Hinrichtung empfohlen.

Reinhard Aschenbrenner / 06.10.2018

Früher wurde behauptet, vollelektrische Autos seien nicht möglich. Inzwischen wird erklärt, dass die etablierten Hersteller es viel besser könnten. Ich muss sagen, dass Musks Antimainstreamhaltung mir Respekt abnötigt. Ihn als verrückten Linken zu bezeichnen greift zu kurz, da er die Gleichheitsideologie von Menschen und Kulturen offen ablehnt.

Joachim Lucas / 06.10.2018

Wer die Tesla-Aktie kauft oder dem Unternehmen sonstwie Geld zur Verfügung stellt ist verrückt, blind oder religiös. Als langjähriger Aktienanleger weiß ich, dass einige wenige Zocker mit Tesla Geld verdienen, die Mehrzahl zahlt viel Lehrgeld. US-Schauspieler und andere Tesla-Enthusiasten schweben auf Wolke-Sieben, haben aber keine Ahnung von Zahlen und Physik. Die erste Bank, die diesem Guru und Blender die Kredite kündigt, wird die Lawine lostreten. Noch haben sie Angst davor. Aber irgendeine Chinese wird den Laden dann vielleicht übernehmen.

Wulfrad Schmid / 06.10.2018

Musk ist ein Betrüger, ein Scharlatan, auf den all die geldgeilen Spekulanten reinfallen. Geschieht ihnen recht. Auch die Deppen, die sich eines dieser unausgereiften, schweren, völlig unsinnigen Gefährte zulegen, überteuert, keine vernünftige Reichweite und erheblich umweltschädlicher als die Produktion eines Benzinautos. Auch denen gönne ich, dass sie ihren fahrbaren Untersatz in ein paar Jahren nur noch als Sondermüll (und kostenpflichtig!) verschrotten können. Wer auf solche Typen reinfällt, der ist nicht zurechnungsfähig und gehört eigentlich in die Klapse, aber Dummheit ist ja noch nicht strafbar, kriminelle Aktivitäten wie die eines Musk schon. Würde mich nicht wunden, wenn all jene, die auf einen Return on Investment warten (und mit Luftschlössern immer weiter vertröstet werden), langsam ungeduldig werden und zu härteren Bandagen greifen. Sollen angeblich auch ein paar russische Milliardäre dabei sein, und die sind ja nicht zimperlich.

Constanze Rüttger / 06.10.2018

Zu Elon Musk habe ich keine Meinung, aber wenn so ein flapsiger Tweet der Börsenskandal des Jahres sein soll, dann macht die SEC ihre Arbeit nicht richtig.

beat schaller / 06.10.2018

Ja, gerade heute hat ja auch Frau Heinisch auf Musk hingewiesen und, wer aufmerksam die Zick Zack-Sprünge der “Pioniers” beobachtet, der kann der Geschichte des E-Autos bestimmt einiges abgewinnen. Die Idee Musks ist sicher bestechend, aber, ich glaube schon, das Musk mit seinem gigantischen EGO und seinen vielen finanziellen Engagements doch auch andere Pläne im Hinterkopf hatte. Musk hat das E-Auto der Oberklasse lanciert und dazu gleichzeitig eine Grundausstattung an Ladestationen in vielen Ländern gebaut. Zusammen mit einer Werbeindustrie wurde das serviert und von einigen Gutbetuchten, meist in gehobenen Stellungen oder gar in der Politik installierten Personen gekauft. Das deutet auf gutes Marketing hin. (natürlich auch für die Finanzierung) Musk selbst hat wohl gedacht, dass relativ schnell, einige seiner guten Kontakte aufspringen werden und dass auf halbem Weg dann auch mal die “Heuschrecken” ( die Finanzhaie,) sich heran wagen ,  und den ganz grossen Deal zu machen., bevor es implodiert. Gerade Musk hat darin so einige Erfahrung. Ein Ego-Mensch wie er, der wird aber leider seinen Hals nie, gar nie voll gestopft haben. Das ist gefährlich und so degeneriert er dann vom Pionier zum Abzocker und schlussendlich zum Selbstzerstörer. Er braucht wohl wirklich seinen Joint. Er hat eben nicht die Wesenszüge eines Edison, der bescheiden war und seine Regenerationsphase mit sich selbst in der Natur gefunden hat. Kurz gesagt, die Idee war gut, aber in vielen Dingen nicht zu ende gedacht. Oder vielleicht doch?.... aber nur mit einem Weiterverkauf auf halbem Weg. Denn, sobald die Masse umsteigt, fangen die Probleme an, weil die Masse Strom braucht und weil die Masse Platz braucht um Strom zu tanken. Solche Entwicklungen und deren Infrastrukturen brauchen Zeit und Unmengen an Geld und Ressourcen. Letztere sind immer beschränkt. Und als alleiniges Transportmittel wird es auch nicht existieren. Da helfen auch Selbstdarsteller nicht weiter. b.schaller

peter luetgendorf / 06.10.2018

Sehr geehrter Herr Weimer, er kommt sich in seiner Hybris eben nicht als Edison sondern als Nikola Tesla vor. Dessen Genialität wird er wohl nicht erreichen. Und wenn ich an Elektroautos denke, sehe ich mich und meine Nachbarn mit Kabeltrommeln unterwegs. Gruß

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