Ulrich Sahm
Laut Nancy Pelosi, Fraktionsvorsitzende der Demokraten im US-Kongress, war Netanjahus Rede vor dem Kongress eine „Beleidigung der Intelligenz der Vereinigten Staaten“. Werner Sonne hat dazu eine Glosse geschrieben, die als Beleidigung für die Intelligenz der Leser des „Cicero“ bezeichnet werden könnte.
Sonne weiß jetzt schon, dass für den „Staat der Juden“ eine „Schicksalswahl“ ansteht, obgleich die Wähler noch nicht gewählt haben. Ohne Neuwahlen hätte Netanjahus Kadenz ohnehin noch zwei Jahre angedauert. Wäre es weniger „schicksalshaft“, wenn Netanjahu weiter am Ruder bliebe?
Es fragt sich, ob Obama wirklich ein „Erzfeind“ Netanjahus ist, nachdem der israelische Premier ihn im Kongress mit vielen Komplimenten überschüttet hat. Dass Obama in der Rede „nichts Neues“ entdeckt hat, entspricht einer Abmachung mit dem Weißen Haus, nichts Geheimes aus den Verhandlungen mit Iran auszuplaudern. Interessanter wäre es, von Obama zu erfahren, ob Netanjahu etwas „Falsches“ gesagt habe. Das hat nämlich bisher noch niemand behauptet.
Sonne sitzt zudem veralteten Umfragen auf. Die dürfen ohnehin nur mit Vorsicht genossen werden. Likud und das „Zionistische Lager“ haben zurzeit wieder gleichgezogen.
Sonne bezeichnet die Bildung einer gemeinsamen arabischen Liste als „wichtige Entwicklung“. Da haben sich tatsächlich Islamisten mit Kommunisten und Nationalisten mit Liberalen zusammengetan. Auf eine gemeinsame Linie haben sie sich nicht festgelegt. Auf Deutschland übertragen wäre das ein Bündnis von NPD mit FDP, Linken und Grünen. Alle Beschlüsse müssen „einstimmig“ gefasst werden.
Am heutigen Freitag konnten sie sich nicht einmal entscheiden, ob sie mit der linken Meretz-Partei eine Abmachung zu “überschüssigen Wählerstimmen” schließen sollten. Solche Stimmen können von einer Partei auf eine andere übertragen werden, damit sie nicht verloren gehen. Für Meretz könnte das den Rutsch unter die Sperrklausel bedeuten. Außerdem hat sich die gemeinsame arabische Liste noch keineswegs festgelegt, welcher großen Partei sie beim Staatspräsidenten die „Empfehlung“ zur Regierungsbildung erteilen will, dem Likud oder dem „Zionistisches Lager“. Das wäre entscheidend, um als „Zünglein an der Waage“ zu gelten. Um eine Regierungsbeteiligung geht es erstmal nicht.
„Benjamin Netanjahu hatte immer nur eines im Sinn: an der Macht zu bleiben.“ Welch weiser Satz bei einem Wahlkampf! Und so wie andere Parteiführer auf „Brautschau“ gehen, offen oder heimlich, ist eigentlich verständlich, dass ein eher rechtsgerichteter Politiker keine Partner bei den Kommunisten sucht sondern bei den Frommen.
Hier unterliegt Sonne einem in Deutschland weit verbreiteten falschen Klischee. Er beschreibt die Ultraorthodoxen als „Fanatiker“. Ja sie sind religiös fanatisch. Aber politisch? Einige lehnen den Staat Israel grundsätzlich ab. Andere sind unpolitisch und lassen sich auf rechts oder links nicht festlegen. Im Gegenteil. Sie wollen nur Geld für ihre Schulen und religiösen Einrichtungen. Wie kommt Sonne da zum Schluss: „Für Israels Position wäre das eine Katastrophe.“
Sonne macht weiter mit einem Wahlkampfslogan von Naftali Bennett, die Westbank annektieren zu wollen. Auf Jiddisch sagt man dazu: „Hot er gesugt“. Na und?
Man kann davon ausgehen, dass Bennett nicht Premierminister wird. Deshalb wird er seine Idee nicht bei einer Mehrheit in der Knesset durchsetzen können. Genau das aber will Sonne den Cicero-Lesern vermitteln.
Sonnes Sorge ist unverständlich. Fast 50 Jahre lang, seit 1967, hätte Israel diesen Schritt tun können, aber aus guten Gründen unterlassen. Es hat lediglich Ostjerusalem annektiert. Mit welchem Erfolg? Kein Land der Welt hat dden Schritt anerkannt. Na und?
Vollends lächerlich macht sich Sonne, indem er an den Friedensnobelpreis Obamas erinnert und meint, dass der US-Präsident sich jetzt bemühe, mit seiner Iran-Politik die verfrühte Auszeichnung zu rechtfertigen. Sonne scheint zu glauben, dass die Israelis ihrem Selbstmord zustimmen sollten, nur damit Obama seinen Friedenspreis rechtfertigen könnte.
Mit Blick auf die anderen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates mitsamt Deutschland meint Sonne: „Sie alle hat Netanjahu in einer nie dagewesenen Weise brüskiert.“
Wie denn das? Hat Netanjahu irgendetwas Falsches gesagt? Ist es ihm nicht eher gelungen, mit seinem Auftritt in Washington die für Israel existenzielle Frage einer iranischen Atombombe, iranischen Terrors und die handfesten Drohungen Teherans, Israel auslöschen zu wollen, in aller Welt zum Gesprächsthema zu machen?
Weitere Spekulationen von Sonne über die künftige Politik mit „Verteidigungsminister Bennet“ können ignoriert werden, solange niemand weiß, wie die israelischen Wähler entscheiden.
Und wenn die nicht so entscheiden, wie Sonne es für richtig hält, dann muss er eben wieder was für Cicero schreiben.
Man kann Herrn Sahm nur wünschen, dass er noch mehr gelesen und gehört wird, weil er einer der wenigen Publizisten in deutscher Sprache ist, die Israel verstehen und einem grossen Publikum erklären können. Dagegen repräsentiert Herr Sonne mit seiner Glosse den üblen Durchschnitt deutscher Journalisten, die mit viel Halbwissen ihre starke Meinung zu Israel kundtun. Mit dieser Glosse qualifiziert sich Herrn Sonne mühelos in den Kreis jener Israelkritiker, die sich gerade als Deutsche dazu berufen fühlen, den Juden zu erklären was sie zu tun und zu lassen haben. Nur ein Beispiel: "Eigentlich sollte in diesem Jahr das 50. Jubiläum der diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und Israel gefeiert werden", schreibt Herr Sonne. Warum "eigentlich", warum "sollte" ? Bestehen diese diplomatischen Beziehungen nicht mehr? Nein. Gibt es Deutschland nicht mehr? Nein. Gibt es Israel nicht mehr? Nicht mehr lange, denn Herr Sonne weiss, Netanyahu setzt "diplomatische Beziehungen aufs Spiel – und damit auch die Zukunft Israels". Mit solchen Unwissenheiten, Unverschämtheiten und typisch deutschem Besserwissen ist diese Hetzschrift von Herrn Sonne getränkt. Aber das hat nichts mit Antisemitismus zu tun. Es geht Herrn Sonne nur um "das Dauerübel", "seit der Staatsgründung", so Herr Sonne.
Danke für die Aufklärung, sehr gut geschrieben.
Das lustige ist: Er hat alle seine Einschätzungen von einer kleinen Podiumsdiskussion der Naumann-Stiftung, wo ich genau hinter ihm saß
Mit Cicero geht es langsam aber sicher bergab.
Das Leben ist hart, aber eine Wahl - egal ob Schicksalswahl oder Nichtschicksalswahl - kann nur anstehen, wenn die Wähler noch nicht gewählt haben. Denn sonst wäre die Wahl vorbei und stünde nicht mehr an.