Ob Beethoven für den Klimawandel oder ein Virus für den digitalen EU-Pass: Global agierende NGOs, EU und UNO verstehen sich meisterlich darauf, alles zu instrumentalisieren, was ihren Ideologien dienlich ist.
Von Martina Binnig.
Beethoven hat mir die Augen geöffnet. Dabei ist er mir von den großen Wiener Klassikern eigentlich der fremdeste. Doch im vergangenen Jahr wurde sein 250. Geburtstag begangen, und das führte zu bemerkenswerten Aktivitäten. Im nahen Bonn gründete sich eine „Beethoven Jubiläums GmbH“, die das Event „BTHVN2020“ managte. Dieser Tage, nämlich am 2. Dezember 2021, wurde die Beethoven Jubiläums GmbH mit ihrer Marke BTHVN2020 in der Kategorie „Europäische Kulturmarke des Jahres 2021“ im Beethoven-Haus Bonn ausgezeichnet.
Auf der Internetseite der GmbH heißt es vollmundig: „2020 feiert Deutschland mit der ganzen Welt den 250. Geburtstag von Ludwig van Beethoven. In einem einzigartigen Schulterschluss haben sich die Bundesrepublik Deutschland, das Land Nordrhein-Westfalen, der Rhein-Sieg-Kreis und die Bundesstadt Bonn zur Errichtung der gemeinnützigen Beethoven Jubiläums GmbH zusammengefunden, die dieses bedeutende Jubiläum koordiniert und unter der Dachmarke BTHVN2020 kommuniziert“ (www.bthvn2020.de). Gegen einen derart gewichtigen Schulterschluss wäre natürlich überhaupt nichts einzuwenden, denn die Ziele der Initiative stellen sich als durchaus lauter dar: „Ziele des Beethoven-Jubiläums sind zum einen die Vermittlung von Beethovens Werk sowie die Stärkung und Förderung innovativer Projekte, zum anderen die Steigerung der Bekanntheit Bonns als Beethoven-Stadt.“
Skepsis erregt jedoch ein Unterpunkt auf der Seite, der zum „Beethoven Pastoral Project“ führt. Denn hier treten als Partner plötzlich „Earth Day Network“, „United Nations/Climate Change“ und ICLEI („Local Governments for Sustainability“) in Erscheinung. Die Frage drängt sich auf, was diese Netzwerke mit Beethoven zu tun haben? Schauen wir sie uns an. ICLEI definiert sich selbst folgendermaßen:
„ICLEI – Local Governments for Sustainability ist ein globales Netzwerk von mehr als 2500 lokalen und regionalen Regierungen, die sich für eine nachhaltige Stadtentwicklung einsetzen. Wir sind in über 125 Ländern aktiv, beeinflussen die Nachhaltigkeitspolitik und treiben lokale Maßnahmen für eine emissionsarme, naturnahe, gerechte, widerstandsfähige und kreislauforientierte Entwicklung voran. Unsere Mitglieder und unser Expertenteam arbeiten durch gegenseitigen Austausch, Partnerschaften und Kapazitätsaufbau zusammen, um einen systemischen Wandel für die städtische Nachhaltigkeit zu bewirken“.
Als Kontaktadresse ist die Kaiser-Friedrich-Straße 7 in Bonn angegeben, und Ashok Sridharan, der von 2018 bis 2021 als Präsident von ICLEI fungierte, war bis Ende Oktober 2020 Oberbürgermeister von Bonn. Ein geographischer und personeller Bezug lässt sich also leicht herstellen – aber ein inhaltlicher?
Ein Klassiker wird instrumentalisiert
Auch das „Earth Day Network“ nimmt in seiner Selbstdarstellung nicht gerade Bezug auf Beethoven:
„Die Mission von EARTHDAY.ORG ist es, die Umweltbewegung weltweit zu diversifizieren, zu informieren und zu aktivieren. EARTHDAY.ORG, das aus dem ersten Earth Day im Jahr 1970 hervorging, ist die weltweit größte Organisation, die für die Umweltbewegung wirbt und mit mehr als 150.000 Partnern in über 192 Ländern zusammenarbeitet, um positive Maßnahmen für unseren Planeten zu fördern“.
Im Image-Film des Netzwerks spricht sich John Kerry für „The Climate Revolution“ aus). Von Beethoven allerdings keine Spur.
Für die Vereinten Nationen meldet sich Generalsekretär António Guterres persönlich zu Wort:
„Eine bessere, nachhaltigere und klimatisch sicherere Welt für Milliarden von Menschen zu schaffen, erfordert Kreativität auf allen Ebenen der Gesellschaft. Das Beethoven Pastoral Project nutzt die Kraft der Musik und ein ikonisches globales Genie, um Führungspersönlichkeiten und die Öffentlichkeit zu motivieren. Ich wünsche dem Projekt alles Gute".
Hier wird immerhin Beethoven indirekt genannt – nämlich als „ikonisches globales Genie“, das in der Lage sei, „Führungspersönlichkeiten und die Öffentlichkeit zu motivieren“. Motivieren wozu? Guterres’ Formulierung mangelt es wenigstens nicht an Ehrlichkeit: Das Projekt „nutzt“ demnach expressis verbis das Genie. Mit anderen Worten: Beethoven wird instrumentalisiert. Aber wofür? Auf der Internetseite des Projekts wird folgendermaßen für eine Teilnahme geworben:
„Setzen Sie ein starkes künstlerisches Zeichen für unseren Planeten! Beethovens 250. Geburtstag ist für uns nicht nur himmlische Musik aus dem 19. Jahrhundert – er ist für uns auch ein Anlass in der Kunst Antworten für die großen Fragen unserer Zeit zu entwickeln. Gemeinsam mit dem Weltklimasekretariat der Vereinten Nationen haben wir deshalb dieses Projekt ins Leben gerufen. Denn Ludwig van Beethoven liebte die Natur. [...] Beethovens 6. Symphonie, die „Pastorale“ ist Ausdruck dieser Liebe: Lob der Schöpfung und gleichzeitig Aufruf, sie zu wahren und zu schützen. Gemeinsam mit Künstlern, der Zivilgesellschaft, Regierungen, Städten und Gemeinden auf der ganzen Welt setzen wir in diesem Geist ein starkes künstlerisches Statement für den Klimaschutz.“
Was hat Beethovens Musik mit Klimawandel zu tun?
Das klingt nach einer hehren Sache, und unzählige Musiker weltweit folgten diesem Aufruf. Allerdings machte der Lockdown ab Mitte März den meisten Live-Events einen Strich durch die Rechnung. Eine der letzten durchgeführten Veranstaltungen fand beispielsweise am 8. März 2020 in Osnabrück statt: Das städtische Symphonieorchester spielte an diesem Wochenende geballt sämtliche Beethoven-Sinfonien, und die städtische Musik- und Kunstschule lud zu einem Wandelkonzert ein. Beteiligt waren außerdem noch Schulklassen mehrerer allgemeinbildenden Schulen mit Kunstaktionen. Unter dem Titel „MUSIK, KUNST UND DIE LAGE DER UMWELT: Ein kultur- und umweltpädagogisches Projekt“ stieß diese Aktion auf großen Zuspruch beim Publikum. Von außen betrachtet wirkte es, als wären die Ausführenden selbst auf die Idee gekommen, einen Bezug zwischen Beethovens Musik und Klimawandel herzustellen. In Wahrheit reichte der lange Arm von António Guterres direkt bis in die OsnabrückHalle.
Am 5. Juni 2020, dem „World Environment Day“, erregte hingegen ein virtuelles Ereignis aus Bonn die Aufmerksamkeit der medialen Öffentlichkeit: Unter dem Motto „Beethoven Pastoral Project Promotes Climate Protection“ wurde ein dreieinhalbstündiges Programm aus Musik und „Talk“ gestreamt, an dem mehr als 250 internationale Künstler teilnahmen. Unter anderem sprach Patricia Espinosa, die seit Mai 2016 Generalsekretärin der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen mit Sitz in Bonn ist). Außerdem wurde die Premiere des Dokumentarfilms „The Sound of Nature“ gezeigt, in dem sich fünf Musiker aus fünf Kontinenten mit Natur und Klimawandel auseinandersetzen. Auch hier gibt es gleich zu Anfang einen O-Ton von Espinosa (hier, ab Minute 1:30): Sie sei davon überzeugt, dass Musiker einen wichtigen Einfluss auf Menschen nehmen können. Die UNO bedient sich also ganz offen der Musiker, um über eine ihrer Unterorganisationen und im Verbund mit regierungsnahen Nichtregierungsorganisationen Meinungsmache zu betreiben.
Von der Leyen will EU-weite Impfpflicht
Was die UNO kann, kann die EU allerdings schon lange: Einen Tag vor der Preisverleihung an die Beethoven Jubiläums GmbH, also am 1. Dezember 2021, fiel mein Blick an einer Haltestelle der Kölner Stadtbahn versehentlich auf einen der Bildschirme, mittels derer den Wartenden geframete Nachrichten zuteilwerden. Unter einem großen Foto von Ursula von der Leyen war die Schlagzeile zu lesen, dass von der Leyen eine EU-weite Impfpflicht wolle. Diese Schlagzeile erinnerte mich sofort an die „Roadmap“ der EU-Kommission zur Einführung eines Impf- und Personalausweises („vaccination card/passport“) für alle EU-Bürger.
Dafür käme doch eine EU-weite Impfpflicht geradezu wie gerufen, geht mir durch den Kopf. Ich schaue zu Hause noch einmal nach. Der vollständige Titel dieses Fahrplans lautet: „Fahrplan für die Durchführung von Maßnahmen der Europäischen Kommission auf der Grundlage der Mitteilung der Kommission und der Empfehlung des Rates zur Stärkung der Zusammenarbeit bei der Bekämpfung durch Impfung vermeidbarer Krankheiten“.
Das frei zugängliche Dokument ist auf den 7. Dezember 2018 datiert. Darin ist für den Zeitraum 2019 bis 2022 als „Action“ vorgesehen: „Prüfung der Durchführbarkeit der Entwicklung eines gemeinsamen Impfausweises/Passes für EU-Bürger (der potenziell unterschiedliche nationale Impfpläne berücksichtigt), der mit elektronischen Immunisierungsinformationssystemen kompatibel und für die grenzüberschreitende Verwendung anerkannt ist, ohne dass es zu Doppelarbeit auf nationaler Ebene kommt.“
Der Fahrplan steht schon
Für den Zeitraum 2018 bis 2022 steht geschrieben: „Regelmäßige Erstellung eines Berichts über den Stand des Vertrauens in Impfstoffe in der EU, um die Einstellung zu Impfungen zu überwachen. Auf der Grundlage dieses Berichts und unter Berücksichtigung der diesbezüglichen Arbeiten der WHO einen Leitfaden vorlegen, der die Mitgliedstaaten bei der Bekämpfung der Impfmüdigkeit unterstützen kann.“
Und für März 2019: „Einberufung einer Koalition für die Impfung, um europäische Verbände von Beschäftigten im Gesundheitswesen sowie einschlägige Studentenvereinigungen zusammenzubringen, die sich verpflichten, die Öffentlichkeit korrekt zu informieren, Mythen zu bekämpfen und die besten Verfahren auszutauschen.“ Es lohnt sich, die vollständige „roadmap“ zu lesen.
Dazu passt auch die Aussage von Jens Spahn (hier, ab Minute 7:13), dass mindestens das gesamte Jahr 2022 ein 2G-Jahr sein werde, wodurch der Druck auf „Ungeimpfte“ eindeutig noch verstärkt würde.
Wenn der Plan aufgeht, wäre im Jahr 2023 nahezu jeder EU-Bürger über einen kombinierten Impf- und Personalausweis registriert. Das wäre immerhin insofern ein Hoffnungsschimmer, als dann die Notwendigkeit einer aggressiven Impfpropaganda wegfallen würde...
Martina Binnig lebt in Köln und arbeitet als Musikerin, Musikpädagogin und Musikwissenschaftlerin. Außerdem war sie als freie Journalistin tätig, darunter fünfzehn Jahre lang für die Neue Osnabrücker Zeitung.