Henryk M. Broder / 16.11.2018 / 13:00 / 35 / Seite ausdrucken

Bedeutende Denkerinnen und Denker des 21. Jahrhunderts: Werner B.

Wohl nicht zufällig erschien pünktlich zu Beginn der närrischen Jahreszeit, am 11. November, in der SZ ein Beitrag über "Puritanische Vorurteile jenseits aller Wissenschaft", der mit einem Zweizeiler eingeleitet wurde: "In den USA soll das Geschlecht eines Kindes bald anhand der Genitalien bestimmt werden. Das ist rückwärtsgewandt und vor allem unsinnig."

Viel mehr stand auch im dazugehörigen Text nicht, nur eben ausführlicher. Je dünner der Quark, umso breiter muss er ausgewalzt werden. Die rückwärtsgewandte und vor allem unsinnige Bestimmung der geschlechtlichen Zugehörigkeit eines Kindes anhand der Genitalien ist zwar schon seit Adam und Eva grenzüberschreitend und kulturübergreifend üblich, wird aber, so belehrt uns der Leitende Redakteur im Ressort Wissen der SZ, Werner Bartens, "bald" in den USA zur Regel werden. Ein weiterer Beleg dafür, wozu Trump und seine Truppe imstande sind. Und nur Dank der SZ erfährt die Welt, dass diese Praxis, zwischen Männern und Frauen zu unterscheiden, unwissenschaftlich, rückwärtsgewandt und vor allem unsinnig ist. 

Nun ist der Rekurs auf die "Wissenschaftlichkeit" bzw. deren Fehlen mindestens so alt wie das Dualsystem von Stecker und Steckdose. Es ist noch nicht sehr lange her, da galt der physiologische Schwachsinn des Weibes als gesicherte wissenschaftiche Erkenntnis, ebenso wie die Ansichten von Arthur de Gobineau und Houston Stewart Chamberlain. Und nicht vergessen: Auch der Marxismus-Leninismus war eine Wissenschaft. Heute firmieren Gender-Studies unter diesem Label. 

Wissenschaftlich gesehen, kann man geteilter Meinung darüber sein, ob die SZ eine Zeitung oder eine Produkt ist, das sich hervorragend zum Auslegen von Katzenklos eignet. Das letzte Wort sollte die Ethikkommission der Bundesregierung haben.

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Marc Stark / 16.11.2018

War ja klar Herr Broder, das Sie der reaktionären, sogenannten Empirie separater Einzeldisziplinen und ihre populistischen Isolations-Ergebnissen mehr vertrauen, als der progressiv-faktischen Wissenschaft multipler Erklärungsmodelle die erst in ihrer Gesamtheit einen Rückschluss auf autarke Entitäten zulässt. Komplexe Zusammenhänge überschreiten ganz offensichtlich das neuronale Fassungsvermögen des alten, weissen Mannes!

Helmut Bühler / 16.11.2018

Warum müsst Ihr nur immer auf der SZ rumhacken? Die wollen doch bloß helfen! Nachdem jetzt erwiesen und wissenschaftlich akzeptiert ist, dass es sich beim Geschlecht nur um ein soziales Konstrukt handelt, könnten wir endlich die gewaltigen gesellschaftlichen Potentiale dieser Erkenntnis heben. Beispielsweise wird von den Ewiggestrigen doch immer gejammert, unter den Geflüchteten seien zu viele Männer und das führe zu Verwerfungen. Wie einfach ließe sich hier wieder eine Balance finden, nutzte man nur die Erkenntnisse der modernen Wissenschaft. Und ehe wir noch die Früchte ernten können, grätscht da wieder ein Trump hinein im verzweifelten Versuch, den Fortschritt aufzuhalten. Es ist selbstverständlich, dass die SZ da Haltung zeigen muss. Vorwärts immer, rückwärts nimmer!

Volker Kleinophorst / 16.11.2018

Also das mit dem physiologischen Schwachsinn des Weibes? Wenn ich nur an unsere Politikerinnen denke. ;) Namen braucht man doch da nicht zu nennen. Da hat wohl jeder seine “Lieblinge”.

Nadja Schomo / 16.11.2018

Es kostet immer einige Überzeugungsarbeit, bis so mancher Mann einsieht, dass er eigentlich eine Frau ist. Und hat er es endlich eingesehen - welche Umstände, bis es auch amtlich ist! Vor allem letzteres hält viele Männer ab, ganz konsequent zu sein. Und umgekehrt - auch der renommierteste Psychologe wird Herrn Merkel nicht dazu bringen, sich endlich als Mann zu outen.

Jörg Themlitz / 16.11.2018

Ooch, da bin ich dann doch eher bei Otto Weininger. Also nicht falsch verstehen. Ich bin jetzt nicht darauf erpicht, die primären Geschlechtsmerkmale von Frau Toni Hofreiter zu sehen. Die sekundären, tertiären usw. Geschlechtsmerkmale z. B. die ständige Keiferei, reichen mir für die Zuordnung schon. Ich habe mir sagen lassen, in dieser Fraktion wird nur deshalb nichts in Porzellangeschirr serviert, weil weibliche Personen zu Gewalt gegen Sachen neigen.

Helge-Rainer Decke / 16.11.2018

„Bei circa 0,3 Prozent aller Neugeborenen tritt eine Fehlverteilung der Geschlechts-Chromosomen auf. Das Muster der Geschlechtschromosomen weicht dann vom normalen XX für “weiblich” und XY für “männlich” ab. Fehlt ein X-Chromosom, spricht man von der X0-Monosomie oder vom Turner-Syndrom. Die Betroffenen haben ein weibliches Erscheinungsbild, bilden jedoch keine funktionstüchtigen Eierstöcke und sekundäre Geschlechtsmerkmale aus. Ein weiteres Beispiel ist das sogenannte Triple-X-Syndrom. Hier kommt das X-Chromosom dreimal vor. XXX-Frauen sind in der Regel aber körperlich unauffällig und fruchtbar. Kommt bei vorhandenem Y-Chromosom das X-Chromosom zweimal vor, spricht man vom XXY-Zustand beziehungsweise vom Klinefelter-Syndrom. Durch das Y-Chromosom entwickeln sich Betroffene zu Männern. Ihre sekundären Geschlechtsmerkmale können normal entwickelt sein, jedoch können Klinefelter-Männer keine Spermien produzieren. Auch das Y-Chromosom kann zweifach vorliegen. Die Diplo-Y-Männer sind überdurchschnittlich groß, ansonsten aber körperlich unauffällig. Ihre Zeugungsfähigkeit ist in den meisten Fällen uneingeschränkt“. (Quelle, Wikipedia) Insoweit wäre es aus meinem Horizont geschlossen nicht fair, allein die äußeren Merkmale für die Bestimmungen des Geschlechts heranzuziehen, obwohl eine Fehverteilung der Chromosomen bereits in statu nascendi, also im perinatalen Bereich festgestellt werden kann. Warum sollten sich wohl Menschen, bei denen eine Fehlverteilung der Chromosomen vorliegt und die darunter leiden, einer operativen „Geschlechtsumwandlung“ unterziehen?

Ellen Widmaier / 16.11.2018

Ach Broder, köstlich! Hab so gelacht über den letzten Absatz mit SZ, Katzenklo und Ethikkommission - kritischer Journalismus in der Tradition von Karl Kraus. Danke!!

Wiebke Lenz / 16.11.2018

Ich bin eben noch einmal sicherheitshalber in das Bad gegangen, um meine äußeren Geschlechtsmerkmale (nach der altmodischen, rückwärtsgewandten Methode) zu überprüfen: Weiblich. Hätte ja purer Zufall sein können, dass ich bereits Kinder gebar. Kurzes In-mich-Gehen, welchem Geschlecht ich mich zugehörig fühle, um den “wissenschaftlichen” Gender-Studies eine Daseinsberechtigung zu geben: Dem Weiblichen. Ok, soweit schon mal geklärt. Jetzt noch ein Blick auf die Geburtsurkunde, die ich ja nicht als Ritual jeden Abend durchlese: Ebenso weiblich. Da habe ich wohl einfach - wie die absolute Mehrheit der Menschen - Glück gehabt, dass man das Geschlecht doch tatsächlich anhand der biologischen Geschlechtsmerkmale feststellen kann …

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