Henryk M. Broder / 08.02.2020 / 11:00 / Foto: Sandro Halank / 156 / Seite ausdrucken

Bedeutende Denkerinnen und Denker des 21. Jahrhunderts: S. H.-W.

Susanne Hennig-Wellsow hat eine Vita, die so aufregend ist wie die Biografie eines Chamäleons. Aufgewachsen in einer Nomenklatura-Familie – Vater war Hauptmann, Mutter arbeitete im Innenministerium der DDR, vermutlich nicht als Putzkraft – hat sie noch keinen Tag in ihrem Leben wirklich gearbeitet. Die Diplom-Pädagogin heuerte bei der PDS-Landtagsfraktion als "wissenschaftliche Mitarbeiterin" an, seit 2004 sitzt sie als Abgeordnete im Thüringer Landtag. Ein No Name unter vielen. Bundesweit bekannt wurde sie vor ein paar Tagen, als die dem eben gewählten MP von Thüringen einen Blumenstrauß vor die Füße warf, natürlich um ein Zeichen zu setzen und anderen Menschen Mut zu machen. 

Früher hätte man ihr dafür den Vaterländischen Verdienstorden in Gold verliehen, heute bekommt sie ihre fifteen seconds of fame in der Tagesschau, wo sie dann erklärt, unter welchen Bedingungen ihre Fraktion bereit wäre, einen MP-Kandidaten ins Rennen zu schicken: Wir werden Bodo Ramelow aufstellen, wenn wir wissen, wir haben eine demokratische Mehrheit, ansonsten orientieren wir auf Neuwahlen. 

So sieht nicht nur der Sozialismus der Gartenzwerge mit menschichem Antlitz aus, so hört er sich auch an. Bei der Wahl des MP muss das Ergebnis von vorneherein feststehen. Ist das nicht möglich, orientieren wir auf Neuwahlen. Das ist lupenreiner DDR-Sprech, so authentisch wie der Geschmack von Club Cola, Halloren Kugeln, Mokka-Bohnen und Tempo-Linsen. In der DDR wurde ständig "orientiert", auf den Sieg des Sozialismus, auf die deutsch-sowjetische Freundschaft, auf den Kampf gegen den Klassenfeind. 30 Jahre nach dem Ende der DDR machen die Orientierer wieder mobil.

Von Henryk M. Broder erschien am 8. November 2019 das Buch „Wer, wenn nicht ich – Henryk M. Broder“. Der Autor befasst sich darin mit „Deutschen, Deppen, Dichtern und Denkern auf dem Egotrip“. Das Buch kann im Achgut.com-Shop bestellt werden. Die dritte Auflage ist ab sofort lieferbar.

Foto: Sandro Halank CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

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Volker Kleinophorst / 08.02.2020

Nur mal so: Die DDR war doch wohl klar nationalsozialistisch. Nationaler als keiner rein, keiner raus geht ja wohl nicht. Und sozialistisch ist doch wohl wirklich keine Frage, oder? Da die nationalsozialistische DDR von einer SOZIALISTISCHEN Einheitspartei geführt wurde, wie ja das 3. Reich auch, ist in dem Falle ja nun die SED die Nachfolgepartei der NSDAP. Diese war übrigens eine Abspaltung SDAP auch Vorläufer der SPD, die die SED gegründet hat. Soviel zu welcher Schoß denn da wohl noch so fruchtbar ist. Wenn man also nichts mit Nazis koalieren möchte, fallen all deren sozialistischen Bruder-Parteien eigentlich aus. National- oder internationalssozialistische. Übrigens auch allesamt antisemitisch. Was fürn Quatsch? Schaut aber aber nun mal auf der Straße und in den Hetzmedien genau so aus. Merkel braucht für ihre Transformationen ja nicht einmal ein Ermächtigungsgesetz. Nur der gänzlich Dumme mißtraut dem äußeren Schein. Und hat hinterher nichts gewußt. Vorher aber auch nicht.

Frank Mora / 08.02.2020

Kleine Einführung in die DDR-Nomenklatura: Niemand arbeitete in der DDR im Innenministerium. Die Behörde nannte sich MDI (Abkürzung für Ministerium des Innern) und befand sich in Berlin. In den Bezirken hieß die Außenstelle des MDI BdVP (Abkürzung für Bezirksbehörde der Volkspolizei). Kein Mensch aus dem Apparat verwendete im Sprachgebrauch die Langversion. Nun waren mit Dienstsitz in den Bezirkshauptstädten zahlreiche Menschen tätig, die beim MDI beschäftigt waren. Zumindestens sprachen sie im öffentlichen und Privatgebrauch so. Jeder, der diese Formulierung hörte, kannte die Chiffre und verhielt sich in Folge entsprechend. "Angehörige des MDI" waren immer hauptamtliche Offiziere des MFS (Ministerium für Staatssicherheit). Da wurde selbst der röteste unter den Genossen vorsichtig. Die "Angehörigen des MDI" waren in ihrem Umfeld bekannt. Sie hatten Ehepartner, Kinder, Nachbarn... waren aber selten in Sportvereinen, genannt BSG (Betriebssportgemeinschaft), da ihr Betrieb nur die SV Dynamo als BSG unterhielt. Dynamo war immer ein Sportclub der Stasi, manchmal auch der VP (Volkspolizei). Kurz und gut: Frau Henning-Wellsows Vater war möglicherweise Offizier bei der Volkspolizei oder beim MFS, ihre Mutter war sicher Offizier beim MFS. Die dortigen "unteren Chargen" traten im Privatleben nicht als MDI- Beschäftigte auf, sondern waren bei der VP oder den "bewaffneten Organen". Für Letzteres gab es im Sprachgebrauch der Nomenklatura übrigens keine Abkürzung. Ich hatte Klassenkameraden in der Schule, deren Eltern waren beim MDI beschäftigt. In Berlin habe ich nie gewohnt.

S. v. Belino / 08.02.2020

Mit dem ihrem unangreifbar logischen Verständnis von Demokratie kann S. H.-W. als veritabler Prototyp der Linken gelten. Gerade auch ihr gelungener Blumenschmiss spricht Bände. Allmählich fällt es einem als Westdeutscher immer leichter, nachzuvollziehen, warum so viele unserer ostdeutschen Landsleute seinerzeit von ihren Politikern mitsamt ihrer Ochs- und Esel-Demokratie die Nase gestrichen voll hatten.

HaJo Wolf / 08.02.2020

Meine gute Erziehung vernietet mir, obwohl ich ein dirty old man, ein AWM übelster Kajüte bin, in Worte zu fassen, was ich von diesem Pack halte. Wie sagte Hans Kelsen so treffend: "Demokratie ist diejenige Staatsform, die sich am wenigstens gegen Ihre Gegner wehrt. Es scheint ihr politisches Schicksal zu sein, dass sie auch ihren ärgsten Feind an ihrer eigenen Brust nähren muss." Ob er ahnte, dass dies in Deutschland von der obersten Herrscherin bis zum untersten linken Parteiensumpf der Fall ist?

herbert binder / 08.02.2020

Lassen Sie mich das mal so sagen, lieber Herr Broder, die Frau Susanne ist bestimmt kein Liebling der Götter - ich vermute sogar, daß die sie einfachlinks liegengelassen haben. Insofern muß und sollte man ihr ein gewissesMaß an Frustations- und Kompensationstoleranz zukommen lassen. Durch übereifriges Übersiehinwegundübersieherfallen wird ihr Leiden bestimmt nur noch verschlimmert. Also, was hindert uns, takt- und rücksichtsvoll zu sein?

Dirk Jungnickel / 08.02.2020

Diese Susanne Hennig - Soundso hat sicher in ihrer Verbohrtheit nicht mehr alle Maschen im Zaun. -Das hier aber ist Volksverhetzung, § 130 StGB: Ein gewisser Benjamin - Immanuel Hoff, Staatskanzleichef von Ramelow, twitterte an den neu gewählten Ministerpräsidenten, dass er von Gnaden derjenigen sei, die in Buchenwald Millionen ermordet hätten. Selbstverständlich meint er das KZ der Nazis, vom Speziallager der Sowjets nach 1945 hat er vermutlich keine Ahnung. Das sind zweifellos üble linke Auswüchse, aber von den meisten unserer "Spitzenpolitiker" wird genau so dreist unterschlagen, dass - wenn die AfD in toto in eine Nazi - Ecke gestellt wird, um das Wahlergebnis quasi zu annullieren - damit Zehntausende Wähler, die von den etablierten Parteien die Nase voll haben, infam diskreditiert werden. Wie schreibt die NZZ ganz richtig: Es gibt es keinen Grund, das (Wahl- ) Ergebnis moralisch anzuzweifeln.

Alexander A. Dellwo / 08.02.2020

Exakt hierüber hatte ich gestern einen Text vorbereitet, den ich für mein Fatzebuchprofil erstellt hatte. Nachdem ich den Text nach einer kurzen Pause noch einmal überprüfte, erschien mir die message dann doch nicht mehr so verkündenswert. Broder führt mir nun jedoch wieder einmal vor Augen, dass exakt solche Randerscheinungen als Folge einer Haupthandlung die eigentlich zu beleuchtenden Aspekte dieser darstellen. Sein Vorgehen entspricht der eines forschenden Wissenschaftlers, der es schafft sich ergebnisoffen der Dinge betrachtend anzunehmen.Seid mehr Broder.

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