Henryk M. Broder / 10.11.2019 / 14:00 / Foto: Sven Mandel / 69 / Seite ausdrucken

Bedeutende Denkerinnen und Denker des 21. Jahrhunderts: JBK

Linz ist eine wunderbare Stadt, aber nach 22 Uhr werden die Lichter langsam runtergedimmt, und wer noch was erleben will, fährt rüber nach St.Pölten. Ich blieb im Cafe Traxlmayr, bis alle Gäste gegangen waren, machte mich dann auf den Weg in mein Hotel und schaute mir die "Tagesthemen" an. Am besten gefiel mir der Beitrag über die "Halbzeit-Bilanz" der GroKo. Merkel und Scholz bestätigten sich gegenseitig, dass sie "arbeitsfähig und arbeitswillig"  sind, wenn auch "gleichzeitig sichtbar" werde, dass "von dem, was wir uns vorgenommen haben, noch was zu tun" bleibe. (Hier ab 21:57

Tief beruhigt schlief ich ein, wachte aber bald darauf wieder auf, weil jemand, dessen Stimme mir bekannt vorkam, im Fernsehen gerade den Unterschied zwischen der AfD und der Linkspartei erklärte, und zwar so:

Wenn ich noch einen halben Satz sagen darf, weil Linkspartei und AfD immer in einen Topf so geworden werden und die CDU immer gesgt hat, nicht Linkspartei und nicht AfD. Also, die Linkspartei stellt da einen beliebten und erfolgreichen Ministerpräsidenten in Thüringen, der phantastische Werte für seine Partei eingefahren hat..., und ich sage mal, die Linkspartei ist historisch auch nicht zu vergleichen mit dem Zündeln am braunen Rand. Jemand, der sagt, das Mahnmal in Berlin, das Holocaust-Denkmal, ist ein Mahnmal der Schande, katapultiert sich raus aus dem Bereich der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Und das tut die Linkspartei nicht. Das ist wirklich ein Unterschied. (Hier ab 16.56)

Gut, dass endlich mal mit aller Klarheit gesagt wurde, was die Linkspartei von der AfD unterscheidet. Die Linkspartei sagt nicht, dass das Holocaust-Denkmal ein Mahnmal der Schande ist, sie kann sich nur nicht darüber einigen, ob die DDR ein Unrechtsstaat war oder nicht. Der oberste Wendehals der SED-Nachgeburt beantwortete diese Frage bereits vor zehn Jahren mit diesen Worten:

Nein. Die DDR war zwar eine Diktatur ohne demokratische Kontrolle und kein Rechtsstaat. Es gab in ihr auch Unrecht, sie war aber kein Unrechtsstaat. Altbischof Schönherr begründete dies damit, dass von ihr niemals ein Krieg und keine Massenmorde ausgingen. Außerdem kannte sie soziale Grundrechte, die es heute nicht gibt.

Also, kein Rechtsstaat, aber auch kein Unrechtsstaat, denn sie hat niemals einen Krieg angefangen und keine Massenmorde begangen. Das sind die Voraussetzungen für die Anerkennung als Unrechtsstaat. Eine Diktatur ohne demokratische Kontrolle, dafür mit sozialen Grundrechten, die es heute nicht gibt, war etwas zwischen einem Rechtsstaat und einem Unrechtsstaat. Sagt ein Hochstapler, dem bis heute sein DDR-Doktor nicht aberkannt wurde, den er 1975 an der Gesellschaftswissenschaftlichen Fakultät des Wissenschaftlichen Rates der Humboldt-Universität zu Berlin mit einer Arbeit „Zur Vervollkommnung des sozialistischen Rechtes im Rechtsverwirklichungsprozess“ gemacht hatte.

Die Debatte darüber, was die DDR war, ein Kloster oder ein Puff, hält noch immer an. Der beliebte und erfolgreiche Ministerpräsident von Thüringen, der phantastische Werte für seine Partei eingefahren hat, indem er seine Parteizugehörigkeit im Wahlkampf verleugnete, gab vor Kurzem bekannt, die DDR sei "eindeutig kein Rechtsstaat" gewesen, aber auch kein "Unrechtsstaat", denn dieser Begriff sei „ausschließlich mit der Zeit der Nazi-Herrschaft" verbunden.

Man könnte auch sagen: Verglichen mit dem Dritten Reich war die DDR ein "Vogelschiss". Gut, dass JBK darauf bei Maischberger hingewiesen hat. Und nebenbei auch darauf, was die Linkspartei von der AfD unterscheidet. 

 

Von Henryk M. Broder erschien am 8. November 2019 das Buch „Wer, wenn nicht ich – Henryk M. Broder“. Der Autor befasst sich darin mit „Deutschen, Deppen, Dichtern und Denkern auf dem Egotrip“. Das Buch kann im Achgut.com-Shop bestellt werden.

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Sybille Schrey / 10.11.2019

2. Zu Kerner muß man nichts sagen und zur Aversion von H.M. Broder gegenüber Gysi auch nicht. Höchstens, daß jemand, der sich mit Worten genau auskennt und diese (bspw. Wendehals) falsch verwendet (wie schon von Herrn Lindner bemerkt), ein anderes Problem mit der Person haben muß. Für Wendehälse gibt’s doch nun weiß Gott andere Beispiele, bei der Kanzlerin angefangen, und für die Promotion trifft das gleichermaßen zu.

Sybille Schrey / 10.11.2019

1. @ Frau, Herrn oder was immer R. Mundt „Ab wann ist eine Masse eine Masse oder…  Oder muss im Zusammenhang mit dem Massenmord noch eine zeitliche Dimension beachtet werden?“ Letzteres trifft in der Kriminologie – im Unterschied zum Serienmord – zwar zu, ist hier aber nicht das Thema. Sondern es geht um die politische Verwendung der Bezeichnung Massenmord, welche die vorsätzliche Tötung einer Anzahl von Menschen bezeichnet. Vorsatz bezeichnet „das Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung im Bewusstsein der durch das Handeln indizierten Rechtswidrigkeit.“ Weder die Todesschützen noch die Befehlsgeber hatten dieses Bewußtsein. Vielmehr mußte sich jeder, der sich in Richtung Mauer bewegte, darüber im Klaren sein, daß er erschossen werden konnte. Wenn Sie, um frei zu sein, aus dem zehnten Stock springen, müssen Sie ebenfalls damit rechnen, daß Sie höchstwahrscheinlich mit dem Leben dafür bezahlen. Anderes Beispiel: Wenn Sie sich frei in einem Land bewegen und von der Polizei erschossen werden, weil Sie sich bei einer Fahrzeugkontrolle nicht schnell genug ausweisen können und evtl. noch die falsche Hautfarbe haben, dann sind Sie hingegen kein bewußtes Risiko eingegangen, sondern einem solchen ausgeliefert. Googeln Sie mal nach usa-polizei-erschießungen. Sind das auch Massenmorde (2015 - 1134 Menschen, 2017 – 987 Menschen) und sind die (auf der Achse vergötterten) USA darum auch ein Unrechtsstaat? Letzteres ist lediglich ein Kampfbegriff, denn Unrecht gibt es in jedem Staat, ob subtil oder offen. Womit ich „die Zone“ keinesfalls in Schutz nehmen will (noch heute kann ich die offizielle Bezeichnung weder in den Mund noch in die Tastatur nehmen). Aber der Unterschied der Verwendung des Begriffes Massenmord besteht zwischen selbst eingegangenem Risiko und Ausgeliefertsein.

Dr. Klaus Schmid / 10.11.2019

“Jemand, der sagt, das Mahnmal in Berlin, das Holocaust-Denkmal, ist ein Mahnmal der Schande, katapultiert sich raus aus dem Bereich der freiheitlich-demokratischen Grundordnung.” Kapier ich nicht, dieses Denkmal ist für mich doch tatsächlich ein Mahnmal das an die Schande des Holocaust erinnert, also ein Mahnmal der Schande, oder? Bin ich jetzt auch raus-katapultiert?

Gottfried Solwig / 10.11.2019

JBK ist genauso ein Hochstapler. Reinhold Beckmann hat ihn in den 90er bei SAT 1 Ran geholt. Er und Schreinemackers bleiben mir beide immer in Erinnerung mit der falle, die sie Eva Hermann beim ZDF gestellt haben.

Juliane Mertz / 10.11.2019

Man sollte eins zum Thema DDR dazusagen: Die Panzer standen 1989 bereit, und es waren schon Listen für “Lager” erstellt - schon vergessen? Um ein Haar wäre Blut geflossen wie in China. Ist China ein Unrechtsstaat?

Rupert Reiger / 10.11.2019

Es stand hier schon mal: Dann ersetzen wir eben “DDR = Unrechtsstaat” durch “DDR = die Linke Staat”. Da kann niemand etwas dagegen haben, weil ja “DDR = Unrechtsstaat” ersetzt ist. Und trotzdem weiß jeder wie er dran ist.

Patrick Altmann / 10.11.2019

Ich war als Schüler auf „Besichtigung“ in der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen. Ehem. Gefangene, Opfer, Zeitzeugen führten durch diesen grauenhaften Komplex (gerade durch den Keller) und schilderten ruhig, aber emotional ihre schrecklichen Erlebnisse, die Folter und den perfiden Psychoterror. Fast alle in der Gruppe mussten Tränen und das blanke Entsetzen herunterschlucken, bzw. rauslassen ... so etwas wusste man ja garnicht über die DDR, als gerade die „Ostalgie“-Welle losging! Wie zynisch, menschenverachtend und machtgeil heute die Relativierungen der Grausamkeiten durch diese Subjekte sind, kann ich ohne das NetzDG zu triggern gar nicht ausdrücken!

Wilfried Düring / 10.11.2019

Figuren mit dem Charakter eines Johannes B. Kerner haben in zwei deutschen Diktaturen ganz große Karrieren gemacht. Kollegen hinterfotzig vorführen und sich auf auf ihre Kosten profilieren; die Stasi prägte - auch - für ein solches Verhalten das Wort: ‘Zersetzung’! Man muß Frau Herman nicht mögen und kann sowohl ihr Agieren als auch ihre Bücher sehr kritisch sehen - Kerners Verhalten war absolut unanständig. Dort wo Männer alleine ‘unter sich’ sind und ‘Melde-Muschis’ draußen bleiben (müssen), bezeichnet man Typen wie Kerner, als: ‘KAMERADEN-SCHWEINE’! Das Kerner jetzt das Stasi-System verharmlost, paßt dazu und zu ihm.

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