Bodo Ramelow ist der erste Minipräsident der Bundesrepublik, der aus den Reihen der gewandelten SED kommt. Seit Ende 2014 regiert er Thüringen, wobei er sich diesen Job hart erarbeitet hat. Für ihn spricht, dass er Niederlagen einstecken kann, gegen ihn, dass er in den bald vier Jahren seiner Regierungszeit keinen originären und zitierfähigen Gedanken produziert hat, bis auf diesen: "Die Kunst des Regierens besteht darin, die Schritte so zu proportionieren, damit man den Weg auch geht." Bei Wikipedia heißt es, in den Augen von Bodo Ramelow sei die DDR "weder ein Rechtsstaat noch ein Unrechtsstaat" gewesen, also irgend etwas Drittes, vielleicht ein Rechtsstaat, in dem Unrecht praktiziert wurde, oder ein Unrechtsstaat, in dem streng nach Recht und Gesetz verfahren wurde. Hat es ja schon mal gegeben in der deutschen Geschichte.
Zudem sei "nicht belegt", dass es an der innerdeutschen Grenze einen Schießbefehl gegeben habe. Kann sein, dass er die Selbstschussanlagen meint, die von alleine losgeballert haben, ohne jeden Befehl. Ramelow sei auch der Meinung, eine „ehrliche Aufarbeitung" der deutschen Geschichte müsse "beide Seiten in den Blick nehmen, weil sich die beiden politischen Systeme in Ost und West stets gegenseitig bekämpft und letztlich doch auch beeinflusst haben". Man könne "nicht die eine Seite ohne den Blick auf die andere Seite verurteilen oder loben“.
Ja, da ist was dran. Wer sich mit der Geschichte der Wehrmacht beschäftigt, darf die Heilsarmee nicht aus dem Blick verlieren, Armee ist Armee und "Soldaten sehen alle gleich, lebendig und als Leich", das hat schom Biermann gewusst.
Nun hat sich Ramelow auch zum Antisemitismus geäußert und es damit geschafft, in die Hall of Fame der bedeutenden Denkerinnen und Denker aufgenommen zu werden. Er hat davor gewarnt, "Antisemitismus nur Flüchtlingen aus muslimisch geprägten Ländern zuzuschieben", denn: "Antisemitismus sei schon immer präsent gewesen und mittlerweile in der Mitte angekommen".
Ramelows Abwehrphantasien
Es riecht immer nach Baldrian, wenn Behauptungen dementiert werden, die niemand aufgestellt hat. Niemand hat behauptet, am aktuellen Antisemitismus seien nur Flüchtlinge aus muslimisch geprägten Ländern schuld. Das sind Ramelows Abwehrphantasien. Es geht vielmehr darum, welchen Anteil Flüchtlinge aus muslimisch geprägten Ländern am Revival eines Antisemitismus haben, der eine Weile überwunden schien. Es sind ja nicht christliche Pfadfinder aus dem östlichen Westfalen oder die Fans der Biermösl Blosn, die auf deutschen Straßen "Hamas, Hamas, Juden ins Gas" gerufen und israelische Fahnen verbrannt haben.
Dass der Antisemitismus inzwischen "in der Mitte" der Gesellschaft angekommen ist, ist eine der Phrasen, die ich höre, seit ich mich mit diesem Thema beschäftige, seit über 30 Jahren. In der Mitte der Gesellschaft! Aber bitte nicht bei der CDU, nicht bei der SPD, nicht bei den Grünen, nicht bei den Linken, nicht in Bad Boll und nicht bei pax christi! Wenn man aber jemand aus dieser ehrenwerten Mitte einen Antisemiten nennt, weil er oder sie antisemitischen Unsinn abgelassen hat, sagen wir: Jakob Augstein, Annette Groth, Inge Höger oder einen depperten Karikaturisten der Süddeutschen Zeitung, dann heult "die Mitte" auf und schreit: Wir sind es nicht, es sind die Rechten! Mit dem Antisemitismus verhält es sich wie mit dem Körpergeruch. Stinken tun immer die anderen.
In diesem Zusammenhang wollen wir darauf hinweisen, dass es Bodo Ramelow war, der einen Zug voller Flüchtlinge in Saalfeld in Empfang genommen und versichert hat: „Ihr seid in Thüringen herzlich Willkommen, wir freuen uns, dass ihr hier lebend angekommen seid!“ Das war Anfang September 2015. Aber damals kamen nur Facharbeiter in Deutschland an. Und Bodo Ramelow übte noch seine Rolle als Landesvater. Inzwischen hat er sich weiterentwickelt. Jedenfalls hat man ihn lange nicht mehr am Saalfelder Bahnhof beim Blumenverteilen und Tränenvergießen auf Arabisch gesehen.