Wolfram Weimer / 01.06.2018 / 06:20 / Foto: Bildarchiv Pieterman / 50 / Seite ausdrucken

Bayern: Schwarz-grün auf leisen Sohlen

Neue Umfragen zur Landtagswahl in Bayern künden für die SPD ein Desaster an. Die Sozialdemokraten liegen bei nur noch 12 bis 14 Prozent und würden damit ihr historisches Debakel der vergangenen Wahl im Freistaat (20,6 Prozent) noch einmal dramatisch unterbieten. In der bayerischen SPD macht sich mit Blick auf den 14. Oktober Endzeitstimmung breit. Da man in Baden-Württemberg bereits 2016 auf 12,7 Prozent abgestürzt war, droht der SPD in ganz Süddeutschland nun das Ende als Volkspartei. Fast spiegelbildlich steigt dagegen die Stimmung bei den Grünen.

In den Umfragen haben die Grünen – ebenso wie die AfD – die SPD bereits eingeholt. Und das Momentum spricht dafür, dass die Grünen als zweitgrößte Partei die Wahl abschließen könnten. Vor allem ihre Spitzenkandidatin lockt immer mehr SPD-Wähler zu den Grünen. Katharina Schulze ist erst 32 Jahre alt und so etwas wie die junge Barbara Schöneberger der Grünen.

Mit entwaffnendem Charme führt sie einen Wahlkampf der guten Laune, obwohl sie in der Sache knallharte Positionen vertritt. Sie ist kampagnenfähig wie kaum eine andere – als Münchner Parteivorsitzende machte sie erst erfolgreich gegen eine Olympiabewerbung mobil. Dann wurde sie Sprecherin des Bündnisses gegen den Bau einer dritten Start- und Landebahn am Münchner Flughafen. Mit diesen Themen gelang ihr der politische Durchbruch: Auf dem Bundesparteitag der Grünen in Freiburg überzeugte sie mit einer kämpferischen Rede die Mehrheit der Delegierten von ihrer Position. Und demontierte damit ganz nebenbei die Grünen-Chefin Claudia Roth, die bis dahin im Bewerbungskuratorium gesessen hatte.

Katharina Schulze wurde hernach aufgefordert, nicht mehr als Grünen-Vorsitzende in München anzutreten. Sie aber ließ sich nicht einschüchtern, kandidierte erneut und gewann. Inzwischen ist sie Fraktionführerin der Grünen im Landtag und verkörpert die neue Erfolgsgeneration der Grünen wie kaum eine andere. Bei der Urwahl zur Spitzenkandidatin der Grünen stimmte die Basis mit fast 90 Prozent für sie.

Leidenschaftlich gegen das neue Polizeigesetz

Schulze schreckt auch vor Provokationen nicht zurück. Einmal steht sie mit ausgestrecktem Mittelfinger vor einer Demonstration gegen Neonazis, ein anderes Mal stülpt sie einen braunen Sack über das Münchner Trümmerfrauen-Denkmal. Derzeit führt sie leidenschaftlich die Bürgerbewegung gegen das neue Polizeigesetz an.

An Katharina Schulze kann man ebenso wie an Robert Habeck oder Annalena Baerbock beobachten, um wie vieles besser den Grünen der Generationenwechsel zu einer kraftvollen Neubesetzung gelingt als der SPD. Die Grünen waren mehr noch als die SPD von alternden Ideologen, zeigefingernden Moralisierern und linken Bevormundern geprägt und geplagt. Die Generation Trittin, Hofreiter, Roth, Ströbele und Künast drohten die Grünen noch vor kurzem ins Geiferer-Altenheim zu führen.

Nun aber sitzt eine Generation von liberaleren, konstruktiven, bürgerlichen Sympathen an den Schalthebeln der grünen Macht, so dass die Partei schlichtweg jünger, entschiedener und moderner wirkt als die siechende SPD. Und die jugendliche Schulze ist der neue Superstar dieses Generationenwechsels.

Sie redet so unideologisch-frisch-froh, als moderiere sie die RTL-Show „Let’s dance”, doch keine Gegnerin nimmt Markus Söder inzwischen ernster als sie. Mit dem Flughafen- und Olympiaentscheid konnte sie sich schon zweimal gegen die CSU und ihn persönlich durchsetzen. Und sie lässt keine Gelegenheit aus, um den bayerischen Ministerpräsidenten zu ärgern. Ihr Ziel posaunt sie täglich über Bayern – Söder müsse die absolute Mehrheit entrissen werden.

„Eine absolute Mehrheit kriegt die CSU nicht mehr”

Dabei wandelt Schulz auf einem schmalen Grat. Einerseits ist die CSU seit den Tagen von Wackersdorf der Ur- und Lieblingsfeind der Grünen. Andererseits kommt man an dieser CSU nicht vorbei, wenn man in Bayern etwas bewegen will. „Eine absolute Mehrheit kriegt die CSU nicht mehr”, sagt sie und liebäugelt offen mit schwarz-grünen Koalitionsgedanken. „Wir Grüne haben in den Jamaika-Verhandlungen bewiesen, dass wir seriös sind. Wir sind gesprächsoffen für alle demokratischen Parteien.”

Eine schwarz-grüne Koalition zwischen Söder und Schulze fasziniert und schockiert seither die Gemüter in Bayern. Es wäre die wildeste Ehe der deutschen Politik. Alleine über den Flughafenausbau würden sich die beiden vom ersten Tag an streiten wie Barrikadenkämpfer. Söder wird das Projekt weiter vorantreiben, doch Schulze droht schon jetzt mit Wut und Widerstand. Und dennoch verschickte die Strahlefrau vom Ammersee zum Jahreswechsel eine bemerkenswerte Postkarte: Darauf sie selbst mit Sonnenblumenflagge in der Hand und dem Schriftzug: “1918, 1968, 2018: Wie wird die nächste Revolution in Bayern?” Schwarz-grün vielleicht.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf The European

Foto: Bildarchiv Pieterman

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Rainer Küper / 01.06.2018

Sollte die Söder-CSU aus Machtgründen mit den Grünen koalieren wollen, dann wird es keine wildeste Sache für die CSU sein. Die Koalition würde öffentlich erst nach der Landtagswahl eingefädelt werden, zu einem Zeitpunkt, in dem der Wähler in der bundesdeutschen Form der Demokratie machtlos gestellt ist. Söder würde öffentlich für CSU-Positionen kämpfen, tatsächlich jedoch alle schwarzen den Grünen opfern, die im Gegenzug seinen Posten als Ministerpräsident sichern würden. Bayern würde genau so grün werden, wie der Bund es unter Merkel schon geworden ist. Die Bundesrepublik Deutschland ist wie ein Hund, dessen Schwanz den Rumpf wedelt.

Fritz Kolb / 01.06.2018

Bei der letzten BTW plakatierte die AfD wirkunsstark: „wer CSU wählt, bekommt Merkel“. Eine schwarzgrüne Regierung als weitere, mögliche Option wird den konservativen Wählern genauso wenig gefallen.  Jetzt ist es an MP Söder, hier eindeutig Position zu beziehen. Natürlich muss er in der Öffentlichkeit weiter für die absolute Mehrheit werben, gleichzeitig aber auch nach außen das Hintertürchen einer möglichen Koalition entweder mit der FDP oder den FW offenhalten. Alles andere würde für die CSU unweigerlich in ein Desaster führen. Denn die Mehrheit der bayerischen Wähler wohnt nicht imgrünroten München.

Peter Pertz / 01.06.2018

Die wildeste Ehe der deutschen Politik???? Es würde die CSU in den Abgrund führen und Bayern ebenfalls. Siehe Grün/Schwarz in Baden-Württemberg. Innerhalb von ein paar Jährchen das Bildungssystem zu Grunde gerichtet. Die anderen 2 Gestallten, auf welche in diesem Artikel ein Hohelied geschrieben wird, sind nur noch gruselig. Kraftvoll das Land in den Abgrund führen. Wir brauchen keine GRÜNEN Träumer aus einer Schneeflocken Generation mit einem Lebenslauf des immer besser Wissens. Was wir brauchen ist ein Kurz wie in Österreich.

Peter Meier / 01.06.2018

In Bayern ist die Welt noch in Ordnung. Das einzige was in Unordnung geraten ist, ist die CSU. Die Freien Wähler sind noch etwas bayrischer, die AfD noch etwas radikaler als die CSU. Alle drei zusammen vereinen jene 60% auf sich, welche die bayrische “Staatspartei” unter FJS einst für sich reklamierte. Über die SPD als Volkspartei muss man sich keine Gedanken mehr machen. Sie ist genau wie die CSU nicht mehr in der Lage verschiedene Millieus zu integrieren, wickelt sich derzeit aber ab. Ein Teil der Wähler geht zu den Grünen, eine Teil zur AfD usw. Das bedeutet aber nicht, dass Grüne, AfD oder eine andere Partei den Platz als Volkspartei einnimmt. Dazu bedarf es, wie weiland bei der SPD, eines Godesberger Programmes, wo ideologischer Balast über Bord geworfen wird. Ich bin gespannt, welche der kleinen Parteien dies gelingt

Dolores Winter / 01.06.2018

Als Berlinerin erlaube ich mir die Gedanken des Autors mal so zu kommentieren: Hat der ‘nen Flitz?

Bernhard Freiling / 01.06.2018

Aaaah, ja - der Stinkefinger gegen Andersdenkende (so lange “Neonazi” nicht definiert ist, unterstelle ich mal, es ging entweder gegen “Mügida” oder die AfD) und die Nazifizierung des Gedenkens derjenigen, die Deutschland mit aufgebaut haben, ist also ein Zeichen von erwähnenswerter Liberalität? Wenn Sie mich fragen würden: So gebärdet sich ein Kommunist der als Biedermann daher kommt.  Aberr was soll’s? Ich kann mich nur immer wiederholen: hier treffen in unseren Bildungseinrichtungen linksgrün Indoktrinierte, die den Weg in die Politik gefunden haben,  auf junge, in gleicher Weise indoktrinierte Wähler. Die Frage: “Wer soll in 10 Jahren den Länderfinanzausgleich hochhalten, NRW und Berlin finanzieren?” mag ich gar nicht stellen.

Monique Basson / 01.06.2018

Beim Lesen dieser pubertären Jubelarie konnte ich nur den Kopf schütteln. Das Glorifizieren von so viel Inkompetenz, Selbstgerechtigkeit und fehlender Kinderstube kann ich mir nur damit erklären, dass der Verfasser mit Frau Schulze verwandt ist und typische liebevolle männliche Fürsorge aus ihm spricht.

C. Honigmann / 01.06.2018

Sollte die CSU tatsächlich mit den Grünen koalieren und zulassen, dass diese das Land ähnlich umkrempeln wie Baden-Württemberg, dann wird die CSU nie wieder eine absolute Mehrheit kriegen

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