“Battle of Ideas” in Berlin

„Von der Inflation bis zum Krieg in der Ukraine, von den Kulturkriegen bis hin zu zerfallenden Institutionen – dies war ein Jahr mit enormen Herausforderungen“, hieß es in der Einladung zum diesjährigen Battle of Ideas Festival in London. Es war das 17. Festival, das am 15. und 16. Oktober in Church House in Westminster ausgetragen wurde. Wer glaubte, es würden nach Covid weniger Menschen bereit sein, sich in die Debattenwelt zu stürzen lag falsch: Mit fast 3.000 Teilnehmern, 90 Podiumsdebatten und über 300 Rednern war es ein Wochenende, das der berühmten britischen Debattierkultur alle Ehre machte. Für den Besucher aus Deutschland, der immer noch – zwangsläufig – gewohnt ist, sich in der U-Bahn hinter Masken zu verstecken, wirkte es, als umwehe ihn der Wind der Freiheit (wie übrigens im Vorjahr auch schon). 

„Unsere politische Führung“, hieß es ebenfalls in der Einladung, „scheint den Herausforderungen nicht gewachsen zu sein“. Lange glaubten sie, ihre Entscheidungen seien am besten, wenn sie hinter verschlossenen Türen, möglichst fern vom Wahlvolk getroffen werden. Der Einmarsch Russlands in der Ukraine habe viele bisherigen Annahmen über die internationalen Beziehungen infrage gestellt. Es herrsche ein Gefühl der Instabilität und Veränderung: Im Iran verbrennen Frauen ihre Kopftücher, in Schweden und Italien haben die Wähler neue Parteien an die Macht gespült, die manchen suspekt sind. Als der Kalte Krieg zu Ende ging, habe man uns das Ende der Geschichte versprochen, bei dem es keinen Bedarf mehr an großen Debatten und Ideen gäbe. Die jüngsten Ereignisse aber hätten diese Selbstgefälligkeit infrage gestellt. 

Ziel der Organisatoren des Battle of Ideas Festivals ist es, eine Vielzahl von Stimmen zusammenzubringen und einen Raum zu schaffen, in dem jeder zu Wort kommen kann. Die Rednerliste ist lang und beeindruckend. Es finden sich viele berühmte Namen, aber immer liegt der Schwerpunkt auf der Diskussion mit dem Publikum. „FREE SPEECH ALLOWED“ ist das Motto des Battles, und die Teilnehmer, zu denen auch erstaunlich viele im Alter von unter 30 Jahren gehören, nutzen dieses Versprechen gerne. In keiner der Diskussionen scheint die Debatte je zu stocken. In einer Zeit, in der die Cancel Culture floriert, sich unsere Gesellschaft in ermüdenden Kulturkämpfen verstrickt und Angriffe auf die Meinungsfreiheit allgegenwärtig sind, ist dies ein wirklich großartiges Festival.

Wer es verpasst hat und für nächstes Jahr eine Einladung bekommen möchte, kann sich bei Battle of Ideas Team hier melden. In den nächsten Wochen wird es zudem in verschiedenen europäischen Städten – in Athen, Berlin, Stockholm, Warschau – sogenannte Satellite Events zum Battle of Ideas geben. 

Der Satellite in Berlin findet am

Mittwoch, dem 9. November um 19.00 Uhr, im Theaterforum Kreuzberg

statt. Titel: Ukraine: crisis or rebirth for Europe? – Battle of Ideas. Sprecher sind: Volodymyr Ishcheko (Centre for Eastern European Studies, FU Berlin), Jakub Majmurek (Krytyka Polityczna, Warsaw), Jacob Reynolds (Academy of Ideas, London), Sascha Tamm (Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, Berlin). Im Anschluss an die Veranstaltung wird der Schauspieler Grigory Kofman Auszüge aus Vladimir Sorokins Norma vortragen. 

Foto: Willem van de Poll CC0 via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Arne Ausländer / 04.11.2022

“Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit” - spätestens seit deren Beteiligung beim Abwürgen eines Versuchs, in Honduras etwas mehr Freiheit zu bekommen, kann ich diese Selbstbezeichnung nur noch als bösartigen Zynismus verstehen. Abgesehen davon, daß selten so klar wurde, daß die deutschen “parteinahen Stiftungen” bei Gelegenheit ganz wie Geheimdienste arbeiten. Jeder Mitarbeiter wird ja auch darum wissen. Aber was einst für die Stasi galt, gilt auch für andere derartige Dienste und deren Tarnorganisationen, ob Ost oder West: Wem seine Selbstachtung was wert ist, hält Abstand. Und zwar mehr als 1,50 m.

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