In Zeiten, in denen die Grundrechte nur eingeschränkt gelten, bräuchte dieses Land dringend eine entschlossene liberale Partei, die die Gewöhnung an einen solchen Zustand nicht hinnimmt. Sicher, der Ausnahmezustand ist – verglichen mit den vergangenen Wochen – erträglicher geworden. Die Obrigkeit hat uns ja mittels „Lockerungen“ gnädig ein paar frühere Selbstverständlichkeiten genehmigt. Dennoch sollte es für einen richtigen Liberalen eigentlich nicht hinnehmbar sein, dass sich eine Gesellschaft daran gewöhnt, das Leben nicht mehr selbst im Sinne eines auf den eigenen Rechten beruhenden bürgerlichen Selbstbewusstseins zu gestalten. Eine solche Gewöhnung daran, in immer mehr Lebensbereichen einem staatlichen Erlaubniswesen ausgeliefert zu sein, geht leider schnell.
Also, wo bleibt der liberale Aufschrei als Korrektiv zu der sich im Corona-Schatten ausbreitenden Obrigkeitsstaats-Unkultur? Ja, ich weiß, es klingt natürlich viel zu naiv, auf diese Weise irgendeine Nachricht von der FDP anmoderieren zu wollen. Aber wenn der Informationsdienst „Heute im Bundestag“ seinen Hinweis auf eine Initiative der FDP-Fraktion mit „Kampagne zu Grundrechtsbeschränkung“ überschreibt, dann darf doch kurzzeitig ein kleines Hoffnungsfünkchen aufglimmen, oder?
Egal, ob sie jetzt „ja“ oder „nein“ sagen, die Hoffnung ist bei der weiteren Lektüre ganz schnell wieder verloschen. Die FDP-Fraktion fordert nämlich nicht etwa die vollständige Wiederherstellung der Grundrechte oder wenigstens Klarheit darüber, wie, in welcher Frist und nach welchen Regeln dies geschehen wird. Sie wünscht sich nur, die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) möge den Bürgern mit beschränkten Rechten besser als bisher erklären, warum alles so ist, wie es ist, also irgendwie alternativlos. In ihrem Antrag 19/19880 heißt es:
„Eine Aufklärungs- und Informationskampagne unter inhaltlicher Federführung der bpb zu den derzeitigen Grundrechtseinschränkungen sowie eine Darstellung, welche „Normalität“ vom Grundgesetz eigentlich garantiert wird, ist ein probates Mittel, um auch in Zeiten der Kontaktbeschränkungen ein Bewusstsein für die Außergewöhnlichkeit der jetzigen Situation zu kommunizieren. Die „Kampagne für den Rechtsstaat“ des Koalitionsvertrages bildet hierbei einen geeigneten Anknüpfungspunkt. Dabei muss die Kampagne medienbruch- und barrierefrei gestaltet sein, sowie in ihrer Kommunikation alle Altersgruppen im Blick behalten.
II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
1. eine Aufklärung- und Informationskampagne zu den Grundrechtsbeschränkungen im Zuge der Corona-Pandemie sowie deren Hintergrund im Rahmen der „Kampagne für den Rechtsstaat“ bei der bpb in Auftrag zu geben, und die inhaltliche Federführung der bpb in der Außenwirkung zu kommunizieren;
2. die Kampagne aus bestehenden Haushaltstiteln mit Bezug zu politischer Bildung des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat sowie des Bundesministeriums für Bildung und Forschung zu finanzieren;
3. die Kampagne altersgerecht, mehrsprachig sowie medienbruch- und barrierefrei auszugestalten."
Man muss demnach also nur das „Bewusstsein für die Außergewöhnlichkeit der jetzigen Situation“ kommunizieren, um die Grundrechte in guter Erinnerung zu behalten. Im Deutschen Bundestag ist das bestimmt mehrheitsfähig. Aber wer kümmert sich derweil um die Grundrechte?