Die EU-Kommission möchte gern wissen, was Sie von einem der Projekte der Brüsseler Kommissare halten. Jetzt werden Sie bitte nicht übermütig und hoffen, Ihnen würde irgendeine Form der Mitbestimmung angeboten. Aber immerhin einen Fragebogen dürfen die Bürger der EU-Mitgliedsstaaten noch bis zum 31. Mai 2017 ausfüllen, damit die Brüsseler Obrigkeit erfährt, was die Bürger so denken.
Es geht um nichts Geringeres, als um unser Geld. Die Kommissare stört es, dass viele Europäer immer noch in uneingeschränkter Höhe mit Bargeld hantieren dürfen. Damit entziehen sie sich jedweder Kontrolle, etwaigen Strafzinsen und dem Zugriff der Banken. Wer so frei sein will, der ist verdächtig, denn er hat doch etwas zu verbergen, oder? Bargeld ist schließlich gefährlich und das erklären Ihnen die Beamten der EU-Kommission auch ganz neutral, bevor Sie die erste Frage beantworten dürfen:
Am 2. Februar 2016 veröffentlichte die Kommission eine Mitteilung an den Rat und das Europäische Parlament über einen Aktionsplan für ein intensiveres Vorgehen gegen Terrorismusfinanzierung. Der Aktionsplan baut auf bestehenden EU-Vorschriften auf, trägt neuen Bedrohungen Rechnung und zielt darauf ab, die politischen Strategien der EU entsprechend den internationalen Standards zu aktualisieren. In diesem Zusammenhang wird auf die Möglichkeit verwiesen, die Auswirkungen potenzieller Obergrenzen für Barzahlungen zu untersuchen. Im Aktionsplan wird Folgendes festgestellt: „Zur Finanzierung terroristischer Machenschaften wird weitgehend auf Barzahlungen zurückgegriffen.“ (…) „Auch eine Obergrenze für Barzahlungen käme in Betracht“. In seinen Schlussfolgerungen zur Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung kam der Rat „Wirtschaft und Finanzen“ vom 12. Februar 2016 darin überein, dass die Kommission die Notwendigkeit geeigneter Beschränkungen für Barzahlungen, die bestimmte Obergrenzen überschreiten, untersuchen sollte.
Geldverkehr, der andere einfach nichts angeht
Es geht natürlich nicht nur um die Terrorfinanzierung, denn mit dem Bargeld nimmt man den Bürgern die einzige Möglichkeit, legale Geschäfte unabhängig von Banken und Finanzdienstleistern zu tätigen. Es gibt außerdem auch einen schützenswerten, ganz persönlichen Geldverkehr, der andere einfach nichts angeht. Da möchte man dann auch keine Daten hinterlassen.
Es geht beim Bargeld auch um die ganz persönliche Freiheit und um die zu beschneiden, reicht natürlich das feine politische Besteck nicht, da muss schon die Terrorkeule her:
Bargeld ist noch immer das am besten funktionierende und am leichtesten zugängliche Zahlungsmittel und bietet darüber hinaus Anonymität. Diese Anonymität mag zwar aus legitimen Gründen wünschenswert sein (z. B. zum Schutz der Privatsphäre), kann jedoch für die Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung missbraucht werden. Die Möglichkeit, hohe Barzahlungen vorzunehmen, erleichtert die Geldwäsche und die Terrorismusfinanzierung, da es schwierig ist, Bargeschäfte zu überwachen und rückzuverfolgen. Während in einer Reihe von Mitgliedstaaten bereits Beschränkungen für Barzahlungen als Mittel der Verbrechensbekämpfung bestehen (oder bestanden haben), hat man sich auf der Ebene der Europäischen Union noch nicht mit dieser Möglichkeit befasst. Die einschlägigen ergriffenen Maßnahmen verfügen wegen ihres uneinheitlichen und unterschiedlichen Charakters eventuell über das Potenzial, das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes zu beeinträchtigen, was unter Umständen ein Eingreifen auf Unionsebene rechtfertigen könnte.
Grundrechte behindern die Strafverfolgung?
Alles kann missbraucht werden. Terrorfinanzierer, wie auch kriminelle Organisationen bedienen sich zwar auch des Bargeldes, doch immer stärker nutzen sie alle anderen Möglichkeiten, so wie die restliche Gesellschaft auch. Nur im Gegensatz zur restlichen Gesellschaft gelingt es den Polit- wie Wirtschaftskriminellen zumeist, ihre Finanzströme gegenüber potentiellen Überwachern effektiv zu verschleiern. Es riecht deshalb streng nach billigem Vorwand, wenn man liest:
Beschränkungen für Barzahlungen wären ein potenzielles Mittel zur Bekämpfung krimineller Aktivitäten, die hohe Bargeldtransaktionen von kriminellen Organisationen beinhalten. Neben der Anmeldung von Barmitteln und anderen Pflichten zur Bekämpfung der Geldwäsche würde die Begrenzung großer Barzahlungen die Aktivitäten terroristischer Netze und andere kriminelle Handlungen erschweren und somit eine präventive Wirkung entfalten. Ferner würden strafrechtliche Ermittlungen erleichtert werden, wenn die Anonymität aufgehoben und der mangelnden Rückverfolgbarkeit von Barzahlungen entgegengewirkt wird. Da die Wirksamkeit von Ermittlungen durch die Anonymität bei Bargeschäften beeinträchtigt wird, würden Beschränkungen für Barzahlungen die strafrechtlichen Ermittlungen erleichtern.
Nach dieser Logik könnte man zur besseren Kriminalitätsbekämpfung gleich einen Polizeistaat einrichten, denn die garantierten Grundrechte und -freiheiten stehen der Strafverfolgung so manches Mal im Wege. Es ist in einer freien Gesellschaft unabdingbar, dass niemand willkürlich verhaftet werden darf, niemandes Wohnung nach Gutdünken durchsucht werden kann und dem legalen Abhören und Ausspionieren enge Grenzen gesetzt sind, auch wenn all das bei der Kriminalitätsbekämpfung bekanntlich sehr hinderlich sein kann.
Das "Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit"
Aber es geht ja auch nicht unbedingt um Terror, wenn Politiker von der Zurückdrängung des Bargeldes träumen. Es geht um Kontrolle. Zum einen können bargeldbeschränkte Bürger nicht mehr agieren, ohne Datenspuren zu hinterlassen, die wiederum von den Steuerbehörden (aber auch weiteren Dienststellen) genutzt werden können. Ohne Bargeldgrenzen können die Menschen zudem ihr Misstrauen gegenüber den Banken mittels massenhafter Bargeldabhebungen zum Ausdruck bringen und damit das ganze System ins Wanken bringen. In Griechenland mussten die Kreditinstitute schließen, weil sie den Griechen ihr Geld nicht mehr auszahlen konnten, als diese vor den Geldautomaten Schlange standen. Seither gelten in Griechenland Obergrenzen, wieviel Geld sich jeder maximal pro Tag bzw. pro Woche vom eigenen Konto abheben darf.
In Deutschland sollten wir uns daran erinnern, dass mit dem Argument der Terrorbekämpfung dem Staat Instrumente in die Hand gegeben wurden, die er am Ende vor allem zum leichteren Eintreiben von Steuern nutzt. Nach dem 11. September 2001 beschloss die damalige rot-grüne Bundesregierung in aller Eile eine Reihe von neuen Sicherheitsgesetzen. Um die Terrorfinanzierung zu bekämpfen, sollten die Sicherheitsbehörden die Möglichkeit bekommen, alle deutschen Kontostammdaten abzufragen. Zu diesem Zwecke wurden diese zentral zusammengefasst und alle Geldinstitute verpflichtet, ihre Daten an die zentrale Erfassung zu übermitteln. Damals wurden die Bürger beruhigt, dass all das nur zur Terrorbekämpfung geschehe.
Doch schon 2003 erlaubte die rot-grüne Bundesregierung den Finanzbehörden den Zugriff auf diese zusammengeführten Kontostammdaten im „Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit“. Ein wunderschöner Titel. Warum dieser Zugriff für manche Steuerbürger verheerend sein kann, hat mit einem machtvollen Instrument zu tun, das deutschen Finanzämtern in die Hand gegeben ist: der Kontenpfändung.
Kein Schutz vor Zugriff
Streitet sich ein Steuerzahler mit dem Finanzamt über die Höhe der erhobenen Forderungen und er kann oder will den von den Beamten errechneten Betrag nicht zahlen, hat das Finanzamt die Möglichkeit eine Kontenpfändung zu verfügen. Zwar kann das Finanzamt damit kein Geld abbuchen lassen, aber jeden Zahlungsverkehr über das gepfändete Konto verhindern, bis der Steuerpflichtige zahlt. Kein Gericht oder eine andere Instanz muss die Rechtmäßigkeit des Anspruchs zuvor prüfen. Manch ein Gepfändeter hatte im Nachhinein vor Gericht Recht bekommen, weil festgestellt wurde, dass die Berechnungen des Finanzamts falsch waren. Für den Schaden, den er durch die amtliche Kontosperrung erlitten hat, kommt dennoch niemand auf. Dass ein gesperrtes Konto äußerst unangenehm sein kann, weiß man schon aus dem alltäglichen Leben, doch wenn es ein Unternehmen trifft, können die Folgen existenzvernichtend sein.
Vor der Zeit des „Gesetzes zur Erhöhung der Steuerehrlichkeit“ konnte man sich allerdings vor solchen Folgen schützen. Das Finanzamt hatte nur Zugriff auf die Daten der Kontoverbindung, die im steuerlichen Zahlungsverkehr Verwendung fand. Es reichte, ein Konto zu haben, dass nicht mit den Steuerbehörden in Verbindung trat, um für den Ernstfall gewappnet zu sein.
Mit dem Zugriff auf die Kontostammdaten können die Finanzämter aber seit mehr als einem Jahrzehnt ganz leicht ermitteln, welche Konten welchem Steuerzahler zuzuordnen sind. Über nennenswerte Erfolge bei der Terrorbekämpfung durch die zentrale Kontenstammdaten-Sammlung hat man übrigens nicht viel erfahren. Doch jetzt geht’s ja ums Bargeld. Und weil das so wichtig ist, fragt die EU-Kommission vor dem endgültigen Beschluss mal unverbindlich bei den interessierten Bürgern an, was sie denn dazu sagen:
Die Nutzung von Bargeld und Bargeschäften wird häufig als Ausdruck der persönlichen Freiheit angesehen, daher ist es unerlässlich, die Meinung der Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen, Behörden, Verbände und Vereine einzuholen, bevor auf diesem Gebiet Maßnahmen ergriffen werden.
Ministerträume von europäischen Bargeldgrenzen
Das klingt treuherzig neutral. Interessant ist allerdings, dass sich die mächtige EU-Kommission kaum Mühe gibt, die Tatsache, dass sie die Meinung der Europäer hören möchte, auch an ebendiese zu kommunizieren. Oder wussten Sie bislang davon, dass die europäische Obrigkeit geneigt ist, zur Kenntnis zu nehmen, was sie von einem Brüsseler Beschluss halten?
Das muss ja vielleicht auch keiner wissen. Wenn das Ergebnis wunschgemäß ausfällt, dann kann man es zur Legitimation nutzen und wenn nicht, dann fällt das negative Votum niemandem auf. Denn so neutral, wie manche Sätze suggerieren, sind die europäischen Institutionen keinesfalls. EZB-Präsident Mario Draghi hat schon mehrfach erklärt, wie wichtig eine Zurückdrängung des Bargeldes ist und aus diesem Grunde auch die 500-Euro-Note schon abgeschafft. Verschiedene EU-Staaten haben bereits Obergrenzen eingeführt, ab denen Bargeldgeschäfte verboten sind. Und in Deutschland träumt Wolfgang Schäuble von solchen Obergrenzen, am besten auf europäischer Ebene. Da scheint die Richtung vorgezeichnet.
Vielleicht ist es aber ganz sinnvoll, wenn Sie hier der EU-Kommission mal Ihre Meinung sagen. Schaden kann es zumindest nicht.
Mehr zum Thema gibt es auch im Magazin achgut.pogo hier
Dieser Beitrag erschien zuerst in Peter Grimms Blog sichtplatz hier