Thilo Schneider / 25.08.2019 / 10:00 / Foto: Jenavieve / 51 / Seite ausdrucken

Bananen aus Thüringen

Ich mache es nicht mehr. Ich nehme die Älteste mit ihren knapp 18 Lenzen nicht mehr mit zum Einkauf. 

Da stehen wir vor dem Kühlregal des Discounters unserer Wahl und ich will gerade „Bergbauern-Aufschnitt aus garantiert tierischem Anbau“ in den Wagen laden, als sie mich in den Arm kneift. „Die kannst Du nicht nehmen, die ist total billig“, sagt sie. „Es ist Fleisch und es ist günstig, das stimmt“, gebe ich zu, „da es aber hier so hübsch liegt und ein lächelnder Bauer und eine grinsende Kuh auf der Packung ist, vertraue ich darauf, dass ich nicht daran sterben werde.“ „Das kommt bestimmt aus irgendeinem osteuropäischen Land“ beharrt sie, „die gehen mit Tieren nicht so gut um!“ Ich drehe die Plastikverpackung. „Stimmt. Thüringen!“, bestätige ich ihr. „Dann geht es den Tieren in Thüringen eben nicht so gut“, stellt sie fest und greift zu einer anderen Aufschnittpackung, die doppelt so teuer ist, dafür aber weniger Inhalt hat. „Das ist besser“, belehrt sie mich. „Aber nicht für meinen Geldbeutel“, belehre ich zurück. „Entweder die – oder gar keine Wurst“, schlägt sie vor. „Wurst müsste eh teurer sein, so klimaschädlich wie die Tierhaltung ist“, erklärt sie mir, in dem vollen Bewusstsein, dass nicht sie es ist, die in dreißig Metern den Einkauf bezahlen wird. „Dann keine Wurst“, nehme ich ihren Vorschlag an, „geht Käse?“ 

Sie sieht mich an: „Das Gleiche. Milchprodukte sind viel zu günstig und ebenso klimaschädlich, besser wäre es, die direkt beim Erzeuger zu kaufen“, doziert sie weiter und ich verkneife mir die Erklärung, dass Kühe in unserer Stadt sehr dünn gesät sind und ich aufs Land fahren müsste und mir einen Milchbauern suchen müsste, der noch ein paar Gläser und Kannen und Flaschen Milch, Butter, Käse und Joghurt für mich übrig hat, die er mir zu einem aberwitzigen Preis verkauft, weil die Eltern ebenso umweltbewusster Töchter, die in der Schule einmal weniger aus dem Fenster gesehen haben und deswegen höhere Bildungsabschlüsse und hochbezahltere Jobs als ich haben, vor mir da waren und den verdammten Bauernhof bereits leergekauft haben. Und da habe ich die Spritkosten für den Diesel noch nicht einmal eingerechnet. Dann eben keine Milchprodukte. „Okay, kein Käse“, sage ich und schaue in den Wagen.

„Kakao wächst nicht in unseren Breiten“

„Da liegt Tee für Dich“, stelle ich fest, „das geht aber auch nicht!“ Sie sieht mich irritiert an. „Weil?“ „Weil“, erkläre ich, „in unseren Breiten kein anständiger Tee wächst. Du hast hier einen Assam-Tee. Der heißt deswegen so, weil er in Assam angebaut wird, das, entgegen landläufiger Meinungen, nicht in Thüringen, sondern in Indien liegt. CO2-Verbrauch durch Anbau und Transport? Hmm? Kein schlechtes Gewissen?“ Madame legt die Stirne in Falten. „Doch. Habe ich. Ich bringe ihn zurück ins Regal“, sagt sie und fügt hinzu: „Dann trinke ich eben Kaff…“ und dann verstummt sie. „Genau“, bemerke ich fröhlich, „Kaffee ist noch vor Rohöl der am meisten gehandelte Rohstoff auf der Welt. Wenn wir uns klimaneutral und umweltfreundlich ernähren wollen, dann kannst Du Tee und Kaffee von der Karte streichen. Außer, Du willst Brennnesseltee. Den gibt’s bei uns. Schmeckt aber grauenhaft!“ Sie sieht mich mit einer Mischung aus Wut und Verblüffung an.

„Und weil wir gerade dabei sind – hier ist die Schokolade. Kakao wächst nicht in unseren Breiten“, ergänze ich gutgelaunt und drücke ihr ihre beiden Schokoladentafeln in die Hand. Ihre Lippen bilden einen Strich. Ich greife zu dem Schokobrotaufstrich: „Und weil wir gerade dabei sind: Palmöl und Kakao. Noch Fragen?“ Sie schnappt sich auch noch den Schokobrotaufstrich und stapft ärgerlich davon. 

Als sie wiederkommt, hat sie Brombeermarmelade und Bananen in der Hand und will beides in den Wagen legen. „Brombeermarmelade ist in Ordnung, auch wenn ich Dir jetzt die Zuckerdiskussion erspare, aber Bananen? Hmm? Wo wachsen die denn?“, will ich von ihr wissen. „In Thüringen“, gibt sie patzig zurück, „irgendetwas muss ich ja essen!“ „In Ordnung“, zeige ich mich großzügig, „einigen wir uns darauf, dass Bananen in Thüringen wachsen.“ Denn ich mag sie und will keinen Streit, und hier geht es ja um eine grundsätzliche Diskussion und dass wir uns umwelt- und klimabewusster ernähren wollen. Mein kalifornischer Wein wandert aber ebenso zurück ins Regal wie die deutschen Krabben, die in Marokko gepult und wieder zurückverschifft werden. Als sie das bisher präferierte vierlagige Toilettenpapier einpacken will, zeige ich kurz zu dem sehr viel günstigeren Recycling-Papier und hänge ein „kann man auch falten, dann ist es zweilagig“ hintendran, ernte aber nur einen Blick, wie ihn wohl Hitler Ribbentrop zugeworfen haben mag, als dieser die englische Kriegserklärung verlas und gebe meinen Widerstand sofort auf. Ich begnüge mich damit, moralischer Sieger zu sein und sie weiß es. Das genügt mir für den Augenblick.

An der Kasse greife ich zu den Zigaretten meiner Lieblingsmarke. Meine Klimaschützerin hat aber genau darauf gewartet. „Na?“, bemerkt sie spöttisch, „Tabak aus Thüringen, hu?“ Sie grinst dabei und schwenkt die Bananen. „Nein“, gebe ich zu, „Tabak wächst in Deutschland vor allem in Baden-Württemberg und zwar bereits seit in etwa 300 Jahren. Die pflanzen da einen gar nicht mal so schlechten Virgin- und Burleytabak. Und ich wette, der Tabak dieses hübschen Päckchens Feinstauberzeuger deutscher Güte stammt zumindest zu einem Teil aus der dortigen Ernte. Ich rauche umweltfreundlich und klimaneutral!“

„Was Du alles weißt“, brummt sie schlecht gelaunt und wir tragen unsere aus Klimagründen bewusst spärlichen Einkäufe in einer freundlichen Papiertüte ans Auto. „Das kommt daher…“, erkläre ich, „…dass ich auch freitags in die Schule gegangen bin.“ „Keiner mag Klugscheißer!“, giftet sie zurück und ich überlege mir kurz, ob ich sie die zwei Kilometer nach Hause laufen lasse, wegen Klima und so. Aber ich muss den Diesel ja so oder so bewegen. Sie darf mitfahren. Diesmal. Ich mag sie. 

(Mehr klimaneutrale Artikel des Autors auf www.politticker.de)

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Rudolf George / 25.08.2019

Mein Vorschlag: kaufen Sie sich eine große Ladung Weckgläser, schicken die Tochter zum Einkaufen von regional erzeugtem Obst und Gemüse, und lassen sie dann alles einkochen. Dazu noch ein Fass für das Sauerkraut, ein Kartoffel- und Apfellager, etwas Rauch- und Trockenfleisch, und fertig ist die Winterernährung. Mal schauen wie lange die Verzichtsbegeisterung anhält.

armin wacker / 25.08.2019

Herrlich, bitte weiter so ich kann jede Hilfe gebrauchen.

HaJo Wolf / 25.08.2019

Tja, Herr Schneider, Sie haben wohl bei der Erziehung Ihrer Tochter sowie bei der Vermittlung der richtigen Werte total versagt. Solange sie (die Tochter) noch bei Ihnen wohnt, solange hätten Sie noch Einfluss und könnten korrigierend eingreifen, vorausgesetzt, die Denkfähigkeit Ihre Nachwuchses ist nicht durch Greta, durch Lehrer und Gutmenschen linksgrüner Provenienz bereits dramatisch eingeschränkt. Vielleicht sollten Sie Ihre Tochter in die örtliche Jugendgruppe der AfD schicken. Da kann sie, Willen und Einsicht vorausgesetzt, wenigstens die richtigen werte lernen.

Jürgen Behm / 25.08.2019

Ich hatte vor Kurzem telefonischen Kontakt mit einem einen Netzbetreiber vertrenden Elektroingenieur. Irgendwie kamen wir auf die aberwitzige Energiewende und auf die Frydays for Future. Er hatte dazu seiner 18,-jährigen Tochter folgendes mitgeteilt: Also, ich habe dir ja ein kleines Auto zum Abi versprochen. Die Familie wohnt auf dem Lande. Solltest auch du an der FfF teilnehmen, wird das selbstredend nichts mit dem Auto . Selbst ein E-Bike ist dann nicht mehr drin. Aber ein gutes Sportrad wäre da noch möglich. Und mal schnell mit Papas Auto, ein Diesel, auf Tour gehen, ginge überhaupt nicht. Dich mit dieser Dreckschleuder fahren zu lassen, wäre im Sinn der FfF total unverantwortlich. Das Thema FfF war damit in der Familie erledigt.

Dirk Günther / 25.08.2019

“Wenn die Mäuse satt sind, dann schmeckt das Mehl bitter”, pflegte meine Großmutter zu sagen ...

Andreas Huber / 25.08.2019

“Happy Birthday, Liebes! Heute wirst Du 18, und deswegen schenke ich Dir die Freiheit. Und die findet noch vor heute abend außerhalb unserer Wohnung statt. Endlich darfst Du Dein junges Leben so klimaneutral gestalten, wie DU es für richtig hältst. Du hältst Dich dann an Deine eigenen Vorschriften, und zwar auf Deine Kosten. Pack Deine Koffer und leg den Wohnungsschlüssel auf den Küchentisch. Wenn ich zurück bin, bist Du weg. In Liebe, Dein Papa. PS: nachdem freitags die Schule neuerdings ausfällt, hast Du drei volle Tage in der Woche Zeit, um Deinen Lebensunterhalt zu verdienen.”

Claudius Pappe / 25.08.2019

Und zu Hause bleibt das Wasser kalt, das TV, Radio, Smartphone, Heizung, Klimaanlage und Herdplatten und der Kühlschrank bleiben aus. Das Garagentor bleibt zu. Das Fahrrad wird aus dem Keller geholt und zu Essen gibt es Wasser und Brot. Aus die Maus. Schöne neue Welt (Merkelwelt)

Udo Kemmerling / 25.08.2019

KLasse! Politische Bildung im Hause Schneider. Vorbildlich! Und äußerst humorvoll, zumindest, wenn man nicht die Tochter ist. Wirklich schade, dass ich meine breites Grinsen hier nicht posten kann.

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