Bananen in Alaska und deutsche Physik auf Feuerland

Länder haben manchmal ausgefallene Formen, etwa die eines Stiefels, der auf einen dreieckigen Fußball tritt, oder eines Koteletts namens „Down Under“. Welches Land aber sieht aus wie ein ausgestreckter Bandwurm? Es ist Chile, der Landstreifen zwischen Anden und Pazifik. Die nördlichen 1.000 Kilometer sind Wüste und Kupferminen, dann kommen 1.500 Kilometer mit Hauptstadt, Landwirtschaft und Industrie, und dann kommt 2.000 Kilometer lang nur noch Landschaft – bis ans Ende der Welt, bis zum Kap Horn.

Wegen seiner stürmischen Winde ist das Kap Herausforderung und Albtraum aller Seefahrer. Aber des einen Eule ist des anderen Nachtigall. Wo viel Wind, da viel Windenergie. Dort unten nun, in Feuerland, das vom restlichen Chile auf dem Landweg nicht zu erreichen ist, soll eine Anlage entstehen, die aus Wind Treibstoff macht. Ich schlage vor, wir schauen uns das mal an.

Vom Wind zum vollen Tank

Wie also soll die Energie des flüchtigen Windes in Treibstoff verwandelt werden? Das Konzept heißt „Power to Liquid (PtL)“.

Der Weg vom Wind zum vollen Tank ist aber nicht ganz einfach, und die Tatsache, dass wir eine coole englische Bezeichnung haben, löst noch nicht alle Probleme. Aber vielleicht lohnt sich die Sache ja dennoch. Hier die einzelnen Schritte auf dem Weg zum vollen Tank.

Eine Windturbine liefert Elektrizität. Die wird für Elektrolyse, also die elektrische Zerlegung von Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff (H2) eingesetzt. Letzterer wird dann mit CO2 chemisch verbunden und wir bekommen Methanol, eine Flüssigkeit, die auch „Holzgeist“ genannt wird. Methanol ist, aus Sicht des Chemikers, ein Alkohol. Anders als sein großer Bruder aber, das Ethanol, sollten wir ihn nicht als Genussmittel verwenden. Man kann ihn aber chemisch behandeln und bekommt dann einen Treibstoff, genannt eFuel, der dem Diesel nicht unähnlich ist.

Besser flüssig als Gas

Warum verwendet man nicht gleich den total grünen Wasserstoff, um die Energie aus der Windkraft zu speichern und dann damit Fahrzeuge anzutreiben? Warum verwandelt man ihn weiter in Holzgeist und dann eFuel?

H2 ist schwierig zu speichern, sei es als Gas unter hohem Druck oder tiefgekühlt als Flüssigkeit. Es wird immer etwas davon entweichen. Das H2-Molekül ist furchtbar klein und zwängt sich durch die Wände jeglicher Behälter ins Freie. Und das ist nicht nur ein Verlust, es ist auch eine Gefahr, denn mit Luft gemischt, bildet sich hoch-explosives Knallgas. Stellen Sie sich eine Tiefgarage vor, in der hunderte von H2-getriebenen Autos seit Wochen parken. Würden Sie sich da eine Zigarette anzünden? Deswegen ist es mehr als fraglich, ob sich H2 jemals als Energieträger durchsetzen wird (siehe auch hier).

Das Zwischenprodukt Methanol ist aber schon bei normalen Temperaturen flüssig. Auch wenn man das Zeug nicht trinken kann, so eignet es sich also wesentlich besser zum Speichern von Energie als das Gas H2. Seine Herstellung ist noch dazu „exotherm“, also wenn sich H2 und CO2 zu CH3OH (das ist die Formel für Methanol) verbinden, dann brauchen wir keine Energie zuzuführen, nur mit Druck müssen wir etwas nachhelfen.

Sauberer geht’s nicht

Erstaunlicherweise ist die Beschaffung von CO2, das bei der Synthese von Methanol gebraucht wird, nicht trivial. Man könnte meinen, dass das böse Gas, von dem doch viel zu viel da ist, ganz einfach aus der Atmosphäre zu gewinnen sei, aber dem ist nicht so. Es stellt ja weniger als ein Tausendstel der Luft dar, und da ist einiges an Aufwand erforderlich, um es heraus zu filtern und zu konzentrieren. Und das kostet auf jeden Fall Energie.

Dennoch hat das ganze Vorhaben den Charakter eines Perpetuum mobile. Aus nichts als Wind, Wasser und Luft entsteht letztlich, wie von Geisterhand, echter flüssiger Treibstoff, den wir zum Betrieb unserer Fabrik benutzen oder an Autofahrer verkaufen können. Porsche hat sein Interesse schon angemeldet. Vielleicht wird der neue Cayenne mit der 453 PS, 4.0-Liter V8 Maschine damit auch eine Option für Greta & Co. Wenn die dann unterwegs sind, dann blasen sie zwar auch CO2 in die Gegend, aber das ist ja genau das CO2, das man vorher aus der Luft herausgefiltert hatte. Also ist das Ganze ein ökologisch total sauberes Geschäft.

Bei all der grünen Begeisterung sollte man aber das Rechnen nicht ganz vergessen. Da haben wir ja eine lange Kette von Schritten, und bei jedem kommt hinten weniger raus, als vorne hineingesteckt wurde. Und die Energie für den allgemeinen Betrieb unserer Zauberfabrik müssen wir auch in Rechnung stellen.

Man muss also fragen, was die Effizienz dieses Verfahrens ist. Wie viele Kilowattstunden Energie müssen vom Wind geliefert werden, damit wir schließlich eine Kilowattstunde im Tank unseres Autos zur Verfügung haben?

Lassen Sie uns eine wilde Abschätzung machen, einen „wild guess“. Nehmen wir eine kapitale Windturbine, die im stürmischen Feuerland durchschnittlich 1 Megawatt = 1.000 Kilowatt elektrische Leistung liefert. Das wären dann 24.000 kWh pro Tag.

Der Umwandlung von elektrischer in chemische Energie, die im eFuel gespeichert wird, geben wir eine Effizienz von 30 Prozent. Das eFuel wird im Motor verbrannt und erzeugt mechanische Energie. Das passiert erfahrungsgemäß mit einem Wirkungsgrad von circa 33 Prozent. Der Gesamtwirkungsgrad wäre dann 33 Prozent von 30 Prozent, das sind rund 10 Prozent. 10 Prozent der Energie aus der Windturbine landen also im Motor des Autos als mechanische Energie.

Pro Tag liefert uns die Anlage also eFuel für 2.400 kWh mechanischer Energie. Der übliche Treibstoff hat circa 2,4 kWh mechanische Energie pro Liter. Mit anderen Worten, wir können von unserer Anlage mit der gigantischen Windmühle pro Tag 1.000 Liter Treibstoff erwarten. Damit könnte man schon die Autofahrer eines Dorfes in Feuerland glücklich machen. Und um Deutschlands Autofahrer voll mit eFuel zu versorgen, da bräuchte man ein paar hunderttausend solcher Anlagen.

Unsere Rechnung mag dann zwar um den Faktor zwei daneben liegen, nicht aber um den Faktor zehn oder hundert.

Und noch etwas. „Erneuerbare Energie“ drückt ja klar aus, dass die Windgeneratoren erneuert werden müssen, im stürmischen Feuerland vielleicht alle fünf oder zehn Jahre.

Grüne Effizienz

Wollen wir hoffen, dass sowohl der Wirtschaftsminister, der 8 Millionen Euro Steuergelder für das Vorhaben am Ende der Welt spendiert hat, als auch die beteiligten Firmen Siemens und Porsche diese Überlegungen etwas genauer angestellt haben.

Hier ein Blick in die Präsentation des Projektes, welches ein Element von Deutschlands nationaler Wasserstoff-Strategie darstellt. Den Blick können Sie sich auch sparen, wenn Ihnen die üblichen Textbausteine mit den obligatorischen Vokabeln wie nachhaltig, highly innovative, klima-neutral, high-potential, etc. schon geläufig sind.

Immerhin wird uns aber doch eine Zahl verraten, nämlich dass die Anlage im Laufe des Jahres 2022 rund 130.000 Liter eFuel erzeugen wird (das wären übrigens rund 350 Liter pro Tag, falls die Anlage kontinuierlich liefe).

Ist das effizient? Ist das viel? Nun, falls Herr Altmaier zur Feier dieses Meilensteins die 14.000 Kilometer von Berlin nach Feuerland fliegt, dann verbraucht der Luftwaffen-Airbus A340 der Flugbereitschaft seinen vollen Tankinhalt von etwa 100 Tonnen = 125.000 Liter Kerosin. Das ist fast so viel wie die erwähnte Jahresproduktion an eFuel – nur für den Hinflug. 

Oder, anders ausgedrückt, der jährliche Beitrag zur CO2-Vermeidung durch das eFuel der Anlage würde durch besagten Besuch schon auf dem Hinflug zunichte gemacht.

Egal wie sinnvoll: Je mehr zu Beginn schon investiert wurde, desto mehr muss später draufgelegt werden. Auf die Millionen werden Milliarden folgen. Vielleicht ist das Ganze ja ein Perpetuum mobile anderer Art: Aus Wind mach Geld.

Dieser Artikel erschien zuerst auf Hans Hofmann-Reineckes Blog Think-Again. Sein Bestseller „Grün und Dumm“ ist bei Amazon erhältlich.

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Leserpost

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Peer Doerrer / 24.03.2021

Tolle Sache geht aber noch einfacher und billiger . Wir fliegen zur Sonne ,  packen dort oben das heiße Sonnenplasma in diese Thermotüten ( gibt’s in jedem Supermarkt für 0.49 € ) wenn das Raumschiff voll ist , fliegen wir wieder zurück und haben Energie ohne Ende . Vielleicht finden wir da oben auch die kleinen Kobolde die aus Heu Strom machen können , hat Annalena gesagt . Robert nickt zustimmend ,  in seinen Märchenbücher gab’s das alles schon viel früher . Geht nicht sagen Sie , in der Grünen Partei geht alles was ökologisch sinnfrei ist .

Karsten Dörre / 24.03.2021

Herr Maxeiner, in Tiefgaragen ist schon seit ewig offenes Feuer- bzw. Zigarettenverbot. Und das nicht wegen H2 sondern bekannterer Gase. Wissenschaftliche Experimente sind hingegen nicht neu. Wo diese letztlich stattfinden, ist Schnurz. Sie dienen der praktischen Erfahrung und des forschenden Erkenntnisgewinn. Man denke an die wissenschaftliche Erforschung in der Antike und die Wiederentdeckung vieler Wissenschaften und Erfindungen mit Ende der Kreuzzüge tausend Jahre später, als das antike, überlebte Wissen aus Asien nach Europa kam.

J.G.R. Benthien / 24.03.2021

Nicht nur Herr Altmaier und seine vorgesetzte FDJ-Sekretärin werden das nicht verstehen, weil sie weder das erforderliche Intellekt haben, noch für ihr Einkommen jemals arbeiten mussten. Das Geld fällt bei den Verbrechern vom Himmel, ergo kann man damit auch unsinnige Projekte fördern. Mit dem Rest zerstören sie dann hochmoderne deutsche Kraftwerke. Genial, oder?

Ben Clirseck / 24.03.2021

Sehr geehrter Herr Hofmann-Reinecke, das ist alles nachvollziehbar. Aber mir fehlt eigentlich die wichtigste Zahl: Stand heute, was würde der Liter des eFuels kosten? Ich nehme an, da wird auch ein Porsche Fahrer mindestens schlucken,

Gerald Hutter / 24.03.2021

Aber vielleicht bleibt der Wirtschaftsminister je gleich dort, dann wäre das ganze natürlich sofort eine gute Investition. ;-)

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