Das Grundvertrauen vieler schon länger hier lebender Bundesbürger in ihren Rechtsstaat ist im Eimer. Ein Untersuchungsausschuss zum BAMF könnte zumindest etwas Vertrauen wiederherstellen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (bereits im Namen ist eine forsche Einladung an die Welt enthalten) ist derzeit Deutschlands gefährlichste Behörde. So titelt jedenfalls die NZZ aus der neutralen Schweiz. Der Einschätzung ist schwer zu widersprechen: „Ermittlungen wegen bandenmässigen Asylbetrugs, rätselhafte Versetzungen und kein Ende: Der Bundestag muss jetzt einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss (UA) einsetzen.“
Die FDP hat inzwischen ihren Willen zu einem entsprechendem Untersuchungsausschuss deutlich gemacht. Allein es fehlen die Partner. 709 Abgeordnete sind aktuell im Parlament. Ein Viertel davon, das sind mindestens 178, müssten dem Antrag in das parlamentarische Verfahren helfen. Das geht nur über einen gemeinsamen Antrag mehrerer Fraktionen. Es muss nicht die AfD sein, die Christian Linder ins Boot holen könnte. Das liegt allein in den Händen von Grünen und Linken. Entscheiden die sich gegen einen Ausschuss und damit für den weiteren Vertrauensverlust in den Bundestag und damit in das parlamentarische System der Bundesrepublik, dann wird die FDP wohl oder übel zweckgebunden auf die AfD zugehen müssen. Nicht die punktuelle Notlösung FDP und AfD ist dann der Skandal, sondern das Wegducken der Grünen und Linken.
Die offiziellen Zahlenangaben: „Im 19. Deutschen Bundestag gibt es sechs Fraktionen. Die CDU/CSU-Fraktion ist mit 246 Sitzen die stärkste Fraktion, gefolgt von der SPD-Fraktion mit 153 Sitzen, der AfD-Fraktion mit 92 Sitzen, der FDP-Fraktion mit 80 Sitzen, der Fraktion Die Linke mit 69 Sitzen und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit 67 Sitzen. Die Anzahl der Sitze bestimmt die Stärke einer Fraktion und ist für die Besetzung des Ältestenrates und der Ausschüsse entscheidend. Insgesamt sitzen im 19. Deutschen Bundestag 709 Abgeordnete. Es gibt zwei fraktionslose Abgeordnete.“
Daraus folgt: Würden die Bundestagsabgeordneten mit den aktuellen Linien ihrer Fraktionen abstimmen, das heißt Union, SPD, Grüne und Linke gegen den FDP-Antrag, so würden FDP und die verbleibende AfD-Fraktion das Quorum von 178 um sechs Abgeordnete verpassen. Stimmen die zwei Fraktionslosen mit, fehlen immer noch vier Abgeordnete aus anderen Fraktionen. Ob die jetzige Diskussion dahin führen wird, dass vier Abgeordnete aus Union, SPD, Grünen oder Linksaußen umschwenken, ist momentan ziemlich ausgeschlossen. Am ehesten franst es noch bei der CSU aus. Aber das werden wir sehen. Vielleicht überlegen sich Grüne und Linke das Ganze noch einmal. Es wäre ihr Dienst an der Sache. Opposition ist überhaupt kein Mist, wenn sie ernst genommen wird.
„Nachtigall, ick hör dir trapsen.“
Ein Untersuchungsausschuss kann ein sehr scharfes Mittel sein. Jede Fraktion entsendet eigene Abgeordnete im Spiegel der Bundestagszusammensetzung in den Ausschuss. Vor dem Ausschuss ist Schwindeln eine schwierige Sache. Eine Flucht in eidliche Falschaussagen birgt hohe juristische Risiken für den Aussagenden.
Der Ausschuss muss sämtliches Material zur Verfügung gestellt bekommen. Jedes seiner Mitglieder hat immer denselben Sachstand und kann damit politisch umgehen. Allein die öffentliche Begleitung würde große Wirkung erzielen. Jede Fraktion geht nach den einzelnen Sitzungen für sich an die Presse. Der Skandal würde viel stärker geröntgt werden als alles, was ohne einen Ausschuss angeblich auch oder eben nicht passieren wird. Besonders des Versagen in der Flüchtlingskrise 2015 würde ein dauerhaftes, öffentliches und damit gründliches Podium bekommen – was wohl der tiefere Grund für die oppositionellen Hemmungen bei Grünen und Linksaußen ist. „Nachtigall, ick hör dir trapsen.“
Wenn jetzt die Union und die SPD den Ausschuss nicht wollen, liegt die Intention des Verschweigens auf der Hand. Grüne und Linke begrüßen bekanntlich das Versagen von 2015. Sie haben auch kein Interesse, das heroische Merkelverhalten nachträglich zu kritisieren. Die Kräfte, die aus 2015 nichts oder nur wenig lernen wollen und die vor allem das Gelernte nicht umsetzen wollen, sind im Bundestag in der Mehrheit.
In 19 Jahren, die ich im Bundestag saß, ist mir kein Fall bekannt, in dem Oppositionsfraktionen im Falle solchen Institutionenversagens mitsamt Korruption auf einen Untersuchungsausschuss hätten verzichten wollen. Am Beispiel Bremen und Bundesamt fokussiert sich die Überheblichkeit eines Mainstreams, der gänzlich auf die demokratische Zustimmung der eigenen Bevölkerung verzichten will... ein Patentrezept zur Förderung von Demokratieablehnung. In „Weltoffenes Deutschland?“ schrieben wir einen Satz, der sich immer mehr bewahrheitet:
„Im Herbst 2015 offenbarte sich etwas, womit niemals vorher für die Bundesrepublik zu rechnen gewesen wäre: ein flächendeckendes Institutionenversagen. In der Folge riss sich eine Lawine aus dem Grundvertrauen der Bevölkerung los, die sich noch immer unberechenbar talwärts bewegt und die Parteienlandschaft der Bundesrepublik gewaltig zerzaust.“