Beda M. Stadler, Gastautor / 11.02.2008 / 16:48 / 0 / Seite ausdrucken

Bald entsteht künstliches Leben

Die geistige Evolution darf nicht mit theologischen Mitteln ausgebremst werden

Soll noch einer sagen Naturwissenschaftler hätten keinen Humor. Da erhält schon mal ein Gen den Namen „Spätzle“, oder eine Gruppe von Rezeptor-Molekülen wird „toll“ genannt, weil es die Entdeckerin toll fand, das Eiweiss endlich charakterisiert zu haben. Ganz toll wird es, wenn der versteckte Humor ins Ironische kippt. Bei Craig Venter, Unternehmer und Genforscher, ist man allerdings nie sicher, ob der Humor beabsichtigt ist. Nachdem er an der Sequenzierung des menschlichen Genoms massgeblich beteiligt war, will er nun der Erste sein, der künstliches Leben schafft.

Das Humorige an diesem Projekt ist, dass man dazu ein Bakterium, Mycoplasma genitalium, gewählt hat, das sinnigerweise eine Geschlechtskrankheit verursacht: Eine wissenschaftliche Parodie auf „Safer Sex“? Viren kann man bereits erschaffen. Die Sequenzen findet man auf dem Internet. Laborautomaten bauten die genetische Information nach, und die künstlichen Viren sind wieder infektiös. Auferstanden wie Lazarus, aber aus dem Geist im Silikonchip. Nur, Viren sind bloss das halbe Leben. Wer hingegen ein Bakterium synthetisch herstellt, hätte effektiv Leben erschaffen.

Kollegen von Craig Venter haben einen wichtigen Schritt in Richtung künstliches Leben getan. Aus synthetischen DNA Schnipseln wurde das Mycoplasma-Chromosom wieder zusammengesetzt. Gespannt warten wir, ob der nächste Schritt auch gelingt. Man will dieses Bakterien-Genom in eine Hülle geben, damit das synthetische Konstrukt zu leben beginnt. Dieser Rückwärtssalto vom Computer ins leben wäre bloss ein Lazarus-Wunder. Geträumt wird bereits davon, neue Wesen mit neuartigen Genen zu erschaffen. Wer hierbei eine Analogie zu Adams Rippe sichtet, hat Humor. Es gibt aber Theologen, die bremsen: Darf der Mensch Gott spielen?

Einigen Kollegen ist dabei etwas mulmig. Die einen versprechen daher, mit solchen Bakterien energiereicheren Biosprit zu produzieren. Man hofft, die Dummheit auszuwetzen, dass Nahrungsmittel verwendet werden, um Biodiesel herzustellen. Diese Scharte muss weg, schliesslich ist Biodiesel, produziert aus unserem Abfall, keine dumme Idee. Craig Venter übertreibt allerdings, weil er Bakterien entwickeln will, die Kohlendioxid aus der Atmosphäre aufnehmen, um damit den Klimawandel zu stoppen. Jetzt wird es Kabarett-mässig.

Erstens, kann dies jeder Grashalm. Zweitens, hat bereits Barack Obama versprochen, dieses Problem für Amerika zu lösen. Wenn ein sonst vernünftiger und sympathischer Politiker ein Naturphänomen in den Griff bekommen will, aber mit Sicherheit die „einfachen“ Probleme wie das Gesundheitssystem, das Steuersystem oder den Verkehr nicht lösen wird, werden die professionellen Welt-Retter zu Don Quijotes. Al Gore hat in Davos gar verkündet, dass die Nordpol Kappe bereits in fünf Jahren im Sommer gänzlich verschwunden sein könnte. Das Klimawandel Theater wird also spätestens in fünf Jahren zum globalen Witz; es sei denn, Obama, al Gore und Venter haben bis dann ein paar mächtige Teiche voller Bakterien geschaffen, in denen alles vom Menschen produzierte CO2 aufgefressen wird. Dieses Wasser wird allerdings nicht mehr zum Trinken, wohl aber zum Tanken sein.

Gelingt es hingegen, künstliches, neues Leben zu schaffen, wäre dies mehr als lustig. Die Welt würde nicht gerettet, aber positiv verändert. Es ist zu hoffen, dass die Verarbeitung eines solchen Meilensteins der geistigen Evolution des Menschen nicht mit theologischen Mitteln ausgebremst wird. Unsere Probleme haben sich bislang erwiesenermassen mit Wissenschaft und Philosophie lösen lassen, nicht mit Beten. Können wir uns eine neue Debatte zu diesen Lebens-Fragen leisten, etwa in der Art wie sie im Zusammenhang mit der grünen Gentechnologie geführt wurde? In zwei Jahren läuft unser Gentech-Moratorium ab. Die Wissenschaftsfeindlichen in diesem Land haben drei Jahre Zeit gehabt zum Nachdenken. Wurde seither irgendein Apostel bekehrt?

Erschienen am 10. Februar 2008 in NZZ am Sonntag

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