Danke schön, daß Sie uns Bärbel Bohley heute wieder ins Gedächtnis rufen. Nur eine hochsensible und kluge Person, die die Strukturen der Welt und der darin lebenden Menschen beobachtet und begriffen hat, vermag mit so hoher Präzision die Zukunft zu beschreiben. Leider wird diese Erinnerung durch die Erkenntnis getrübt, daß alle Prophezeiung obsolet ist, wenn keine Konsequenzen gezogen werden, und sogar die einstigen Drecksäcke ständig an politischem Einfluss gewinnen!
Nicht nur Bohley war so naiv, der ganze Osten hat so gedacht. Man hat hier einfach die geballte Macht von Gier und Geld in einer freien westlichen Gesellschaft unterschätzt. Aber all das hat doch bisher keine größere Katastrophe verursacht. Die Geschäftsleute aus dem Westen waren hier und haben den Ossis ihre Grundstücke abgekauft, für 10% von dem, was sie wert waren. Die Kinder der reichen Verwandten waren mit ihren Anwälten hier, um ihren verarmten Ost-Verwandten die letzten Ersparnisse abzunehmen. Die Politiker waren hier und haben uns ermahnt, nicht auf so hohem Niveau zu jammern, stattdessen etwas zu tun. Als ob wir die letzten 40 Jahre verschlafen hätten. Und unsere SED-Leute und sonstigen Funktionäre haben sich im Handumdrehen in die neue Ordnung eingefunden und erst mal richtig Geld verdient. In allen Gesellschaften greifen die Erfolgreichen irgendwann nach der vollständigen Macht. Das ist im früheren Westen so gewesen und auch jetzt. Und alle haben es letztlich so gewollt. War wirklich jemand so naiv, zu glauben, es gäbe nach 1989 in Deutschland keine Spitzel mehr? (Es gibt heute effizientere Methoden. Der Staat muss gar nicht wissen, was Du denkst, er schaut nur noch, ob Du funktionierst.) Niemand wagt sich vorzustellen, welches Armenhaus die DDR heute wäre, wenn die Wende irgendwie um 30 Jahre verlängert worden wäre. Das wird verdrängt. Genauso, wie die Einsicht, dass Kohl und Schäuble und wie sie alle hießen dafür gesorgt haben, dass die Linke heute so viel Potential hat. Es ist der Erfolg, der dem Individuum genau wie der Bewegung recht gibt. Darüber kann man murren, Bohley zitieren oder wütend schweigen. Die Geschichte macht manchmal grobe Fehler, aber es ist nicht zweckmäßig, jahrzehntelang auf eine bessere Gelegenheit warten zu wollen. Keine große Erkenntnis, aber immerhin. Hat ja auch Putin kürzlich gesagt: “Wir warten hier nicht auf irgend einen Kommunismus…” Phantastisch - wenn das doch nur zu DDR-Zeiten mal einer so gesagt hätte!
Was sie nicht voraussah, war dass über 90% der Wahlberechtigten (inkl. Nichtwähler) diese Politik mit ihrem Wahlverhalten unterstützen. Damit sind locker die “Wahlergebnisse” im SED-Staat erreicht. Nur jetzt sind sie echt. Das kann jeder bestätigen, der mal auf einem Infostand der einzigen echten Oppositionspartei Flyer verteilt hat.
Frau Bohley hat mich damals auch genervt, fast täglich Interview im DLF. Die hier zitierten Sätze von ihr zeigen jedoch ein ganz anderes Bild von ihr, das mir heute großen Respekt vor dieser beeindruckenden Person einflösst. Ja, Kohl’s Mädchen wäre die nie geworden. Das ist mir jetzt klar.
Ja Herr Noll, das System ist schon so geschickt installiert, dass es selbst ehemalige DDR-BÜRGER, die für ein freies Deutschland gekämpft haben, nicht erkennen können bzw. nicht wahrhaben wollen. Frau Bohley hatte Recht. Vielen Dank für Ihre Erinnerungen Herr Noll.
Ja, eine tolle Frau. Sie ist immer ihren Wertvorstellungen und Grundsätzen gefolgt. Leider viel zu früh verstorben. Und, obwohl viele sie damals für naiv hielten, ob ihrer Ansichten, sie hatte doch recht! Es gibt nur noch sehr wenige Leute ihres Formates, Vera Lengsfeld fällt mir noch ein, die bis heute mutig und unbeirrt ihren Weg geht…
Es besteht eine beeindruckende und zugleich beängstigende Übereinstimmung dessen, was Frau Bohley gesagt hat mit der heutigen Situation. Danke Herr Noll für die Einblicke, die offenbaren was man sich als Westdeutscher nicht wirklich vorstellen kann und es dennoch subtil spürt: die Stasi wurde zum Vorbild heutigen politischen Agierens. Grauenhaft.
Bärbel Bohley war schon eine kluge Frau und ich hätte mir auch gewünscht dass die Ossis dem Neuen Forum eine Chance gegeben hätten, damit es nicht zu dieser Katastrophe wie jetzt, die Wiederbelebung des totalitären Staates kommen konnte.
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