Ulrike Stockmann / 28.12.2022 / 11:00 / Foto: Tibor Végh / 90 / Seite ausdrucken

Babyboomer schuld am Wohnungs-Notstand!

Jetzt werden die Babyboomer als treibende Kraft für den angespannten Wohnungsmarkt entlarvt. Diese sitzen nämlich in Eigenheimen und großen günstigen Wohnungen und denken nicht im Traum daran, für die Jüngeren auszuziehen.

Der angespannte Wohnungsmarkt bereitet vor allem den Großstädtern vermehrtes Kopfzerbrechen. In meiner Heimatstadt Berlin werden die Unglücklichen, die sich in der Zwangslage befinden, auf Wohnungssuche gehen zu müssen, mittlerweile bedauert, als hätten sie einen Todesfall zu beklagen. Eine gute Freundin brauchte kürzlich ein ganzes Jahr, um eine bezahlbare Zweiraumwohnung in einer einigermaßen zentralen Lage zu finden.

Wenn ich mal mit dem Gedanken spiele, umzuziehen und aus Spaß auf Immobilienplattformen nach Wohnungen suche, trifft mich fast der Schlag. In der Innenstadt zahlt man bei einer Neuanmietung für 50 oder 60 Quadratmeter mittlerweile gerne 1.500 Euro. Kalt. Und wenn man sich um eine Wohnung bewirbt, für die man theoretisch infrage käme, hat man angesichts von hunderten Mitbewerbern die statistische Wahrscheinlichkeit auch nicht gerade auf seiner Seite. Wenn überhaupt, wirkt Vitamin B, ein verständnisvoller Makler oder ein Wohnungstausch am Rande der Illegalität.

Aber vom Echauffieren wird es ja nicht besser. Auch beim Thema Wohnungsmarkt ist es wichtig, Ross und Reiter zu benennen und die Gründe für die Mietmisere auszumachen. WELT-Online veröffentlichte soeben einen sehr erhellenden Beitrag zum Thema.

Die wahren Schuldigen für den desolaten Wohnungsmarkt sind demnach weder die Miethaie noch die Mietnomaden, sondern – die Babyboomer. Die sitzen nämlich, so heißt es, in ihren Eigenheimen oder Mietwohnungen mit Verträgen von anno dunnemals, die Kinder sind aus dem Haus – und die Älteren haben somit viel Raum zu günstigen Preisen. Und denken im Traum nicht daran, auszuziehen und Platz für die Bedürftigen zu machen. Junge Familien zum Beispiel, die sich händeringend vergrößern wollen.

„Eine wahre Zeitbombe für den Wohnungsmarkt“

Jaja, diese Babyboomer-Generation. Man hat nur Probleme mit ihnen. Eine einzige Belastung. „Nicht nur für die Rentenkassen, sondern auch für den Wohnungsmarkt – mit ihrem Hang zum Verbleib auf der Scholle“, schreibt die WELT-Autorin. Offenbar selbstkritisch, denn die 1969 geborene Journalistin gehört laut landläufiger Definition gerade noch selbst zu dieser vielgescholtenen Generation (Jahrgänge 1955 bis 1970). Als Experten hat sie einen ebenfalls bußfertigen Altersgenossen herangezogen, Baujahr 1965 und Gründer und Geschäftsführer einer Vermögensverwaltung am Ammersee. Ein Mann vom Fach also. Seine Wohnsiedlung im Münchner Süden strotzt nur so vor halbleeren Einfamilienhäusern mit rüstigen Bald-Rentnern, die es sich dort jetzt richtig gemütlich machen wollen.

Laut WELT-Online stellen die Babyboomer aktuell fast ein Drittel der deutschen Bevölkerung, und nachdem sie „seit Jahren tonangebend in Wirtschaft, Politik, Kultur, Medien“ waren – man möchte fast sagen, ihre Unwesen trieben –, hält die künftigen Senioren ihre „Beharrungstendenz“ davon ab, zu höheren Preisen in kleinere Wohnungen zu ziehen. Aber keine Sorge, die Politik ist schon unterwegs und dabei, Programme zur Rettung auf den Weg zu bringen.

Die Justizminister der Länder tüftelten auf ihrer Konferenz im Herbst den Punkt „Bestandsschutz für günstige Mieten bei Umzug in kleinere Wohnung“ aus. Dort heißt es: „Vor diesem Hintergrund bitten (die Justizminister der Länder) den Bundesminister der Justiz um Prüfung von Regelungsmöglichkeiten, die es für Mieterinnen und Mieter attraktiv machen, im Einvernehmen mit ihrem bisherigen Vermieter einen Umzug in eine kleinere Wohnung zu verwirklichen.“ Unter anderem durch Bestandsschutz bei der Miethöhe.

Die WELT-Autorin spricht in diesem Zusammenhang von „einer wahren Zeitbombe für den ohnehin angespannten Wohnungsmarkt“. Zu allem Überfluss lebten zwei Drittel ihrer Generation ohnehin in selbst genutztem Wohneigentum. Womöglich sogar schon abbezahlt, führe ich den ungeheuerlichen Gedanken weiter. Man sagt den Babyboomern ja ein gewisses Planungstalent sowie Zuverlässigkeit nach. 

„Unglaublicher Effekt, wie sich die Babyboomer verhalten“

Der Artikel führt außerdem die Studie „Ageing in Place“ vom Berlin-Institut und der Körber-Stiftung an, die herausgefunden habe, dass der „Pro-Kopf-Verbrauch an Wohnfläche mit dem Alter eklatant“ ansteige. Bei entsprechend niedrigeren Mieten. Untersucht wurden die Wohnerwartungen der Babyboomer, die laut Studienbeschreibung „nicht nur in großer Zahl, sondern auch mit neuen Ansprüchen ans Wohnen ins Ruhestandsalter“ einträten. „Der Wille, zugunsten der jüngeren Generation umzuziehen, dürfte da wenig ausgeprägt sein“, meint die WELT-Autorin.

Der Vorzeige-Babyboomer von der Vermögensverwaltung am schönen Ammersee ist angesichts dieser Verhältnisse sogar „verärgert“. Gibt es denn eine noch ineffizientere Nutzung von Wohnraum? Seinen Altersgenossen wolle er jedoch keinen Vorwurf machen, „sie handeln schließlich strikt rational“. Er selbst sei da keine Ausnahme. Wie schade. Ich hatte mir ihn schon vorbildlich in einem Einzimmer-Appartement vorgestellt. 

„Jetzt ist meine Hoffnung gebremst“

Karin Haist ist Programmleiterin Demografische Zukunftschancen bei der Körber-Stiftung, die die bereits erwähnte „Ageing in Place“-Studie mitdurchgeführt hat. Sie betrachtet das Phänomen tiefenpsychologisch. Die Generation der Babyboomer würde nicht zuletzt verdrängen, wie wenig altersgerecht ihre angestammten Bleiben seien und dass außerdem ein Umzug vom Stadtrand in die Innenstadt als Senior viel praktischer sei. „Vielleicht sogar in ein innovatives Wohnprojekt“, meint Haist. Als Vertreterin des Jahrgangs 1961 haben wir es hier ebenfalls mit einer selbstkritischen Babyboomerin zu tun: „Wir hatten auch gehofft, dass die Boomer da offener für sind. Jetzt ist meine Hoffnung gebremst“, sagt die Stiftungs-Mitarbeiterin.

Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet die tüchtigen und vernünftigen Babyboomer sich in puncto Freigabe von Lebensraum so uneinsichtig zeigen? Ich muss wohl mal ein ernstes Wort mit meinen Eltern reden. Ansonsten werden sich unsere Politiker dieses schwerwiegenden Themas sicherlich annehmen, es ist ja geradezu eine Steilvorlage für den Nanny-Staat. Wobei die Politblase in Sachen mieten, kaufen, wohnen ihre eigenen Sorgen zu haben scheint.

Warum sonst hat wohl Christian Lindner eine Zeitlang in einer Wohnung gelebt, die Jens Spahn gehört? Und weshalb kursiert die Verschwörungstheorie, dass Spahn wiederum die Dahlem-Villa vom ehemaligen US-Botschafter Richard Grenell übernommen habe? Und warum gibt es immer wieder Gerüchte über die Finanzierung der Spahn-Villa? Und wieso wirft auch Lindners Finanzierung seines neuen noblen Eigenheims „Fragen auf“? So viele Rätsel.

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Leserpost

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Marc Jemeier / 28.12.2022

Der Spruch: “Einen alten Baum verpflanzt man nicht” kommt nicht von ungefähr. Vergessen werden darf auch nicht, das gewisse Gegenden oder Gebäude heute als unbewohnbar für ältere Menschen gelten. Das kann man auf die Barrierefreiheit genauso beziehen wie auf das dort wohnende Problem Klientel.

Bertram Scharpf / 28.12.2022

Was die Babyboomer wirklich verbrochen haben: eine Generation von faulen, quengelnden Rotzgören erzogen haben sie, und dafür gehören sie abgestraft.

Gudrun Meyer / 28.12.2022

Die Wohnungsnot hat also nichts mit der starken Einwanderung nach Deutschland und nicht mal etwas mit den Miethaien zu tun. Ein Boomer-Ehepaar, das eine relativ niedrige Kaltmiete für eine Wohnung zahlt, in der auch seine Kinder aufgewachsen sind, die also wahrscheinlich “zu groß” ist, soll den Umzug in eine kleinere Wohnung mit doppelt so hoher Miete attraktiv finden. Das wird es nicht freiwillig tun. Wer abbezahltes Wohneigentum hat, dürfte erst recht nicht erpicht auf den Umzug in eine Mietwohnung sein. Also wird erst mal eine neue Bemessungsgrundlage für Grundsteuern gebastelt, aber auch die absehbar sehr hohen, laufenden Grundsteuern ab 2025 werden die Mehrheit der Wohnungs- und Hauseigentümer nicht dazu bewegen, ihr Eigentum für Familien freizumachen, die sie gar nicht kennen.  Übrigens gäbe es in einem Land mit rechtlich starkem Eigentum weder Erbschafts- noch laufende Grundsteuern, sondern allenfalls eine einmalige Grunderwerbssteuer sowie Bauvorschriften und -verbote, die in einem übervölkerten Land schlicht notwendig und unvermeidbar sind. Weil aber das Eigentum im “kapitalistischen” Deutschland für kleinere, selbst mittlere, Eigentümer rechtlich schwach gestellt ist und unter brüllender Zustimmung der MSM noch mehr geschwächt werden kann, wird es in ein paar Jahren möglich sein, alte, weiße “Privilegierte” einfach zugunsten der “Benachteiligten” ´raus zu jagen. Der längst angelaufene Abbau rechtsstaatlicher Strukturen und Absicherungen braucht nur noch etwas weiter zu gehen, im Namen vor allem des Klimas, aber auch der “Gemeinschaft” im allgemeinen, und schon ist das machbar.  Die wachsende Hetze gegen die “Boomer” lässt nichts Gutes erwarten.

Kurt Kessler / 28.12.2022

Ich hab die Lösung. Erstens mal schafft man den Sozialstaat ab, so, dass diejenigen, die es sich nicht leisten können - was Rentner einschließt - endlich wieder auf der Straße erfrieren, oder an Krankheiten oder Gewalt sterben. Diesen kann man dann freien Waffen- und Drogenerwerb anbieten, damit sie über die Mittel verfügen, sich ihr Lebensende zu verkürzen. Vielleicht könnte man ihnen noch einen Puff-Besuch in Verbindung mit einem Besuch in der Einschläferungsklinik anbieten. Und schon hat man das demographische Problem gelöst. Anschließend verfrachtet man die ganzen Landfremden, die hier nichts zu suchen haben, in ein Transportflugzeug, und entläd sie irgendwo in Afrika. Meinentwegen nachdem man ihnen eine ordentliche Dosis Schlafmittel gespritzt hat, damit man die Transportkapazität der Flugzeuge effizient nutzen kann, ohne eine Gefährdung der Flugsicherheit durch randalierende Drittweltler zu riskieren. Die Aufnahme dieser Landfremden in Afrika kann man an Entwicklungshilfe koppeln, es gibt genug afrikanische Regierungen, sich auf so einen Deal einlassen würden. Und nachdem man das Überbevölkerungsproblem in Deutschland gelöst hat, kann man auch mit dem Rückbau dieser make-work fake-Wirtschaft beginnen, und Wohnsiedlungen in Naturparks umwandeln. Für mich klingt das gut. Aber die Versager von rechtskonservativ werden wieder was zu bemängeln haben. “Buuhuuhuu, i hob mei läbe long georboided, i will mei rende genießn!!!!!” oder so.

Klaus Biskaborn / 28.12.2022

Es gibt in diesem Land nun wirklich keinen Bereich mehr, der nicht von Verrückten auf irgend eine Weise dazu genutzt wird, seine abstrusen Ideen zur Veränderung , natürlich zu Lasten der Alten, vorzutragen? Dieses Land ist irre geworden, aber wirklich. Das Schlimmste, niemand hält diesen Prozess auf!

Lucy Klein / 28.12.2022

ich sah den Artikel hinter der Bezahlschranke und ich sah auch wie die Anzahl der Kommentare wuchs. Mein Mann und ich als “Babyboomer”(  ich kann dieses Wort nicht leiden und ich ziehe geburtenstarke Jahrgänge vor) haben uns schon vor Jahren Gedanken über die Wohnungsnot gemacht und überlegt wie wir unser Haus vor Enteignung oder freundlicher Mitnutzung fremder Menschen schützen können. Wir haben es verkauft und Deutschland verlassen. Wir haben auch nicht vor zurück zu kommen. Wir haben gerade heute mit einem Briten,der hier auch lebt über die Situation gesprochen. Sie lachen über uns und fragen sich warum wir das alles mitmachen. Der Artikel in der Welt, ist er vorfühlen? Wie viel Widerstand kommt von uns “Alten”? Hat jemand schon die Rechnung aufgemacht, was an Verbrauchsteuern fehlt, wenn immer mehr so handeln wie wir? Es ist empörend, dass auch nur eine Gedanke daran verschwendet wird, dass andere über unserer Arbeit Früchte bestimmen will.

Vera Meißner / 28.12.2022

Ich wette darauf, daß es nicht lange dauert, bis Euthanasie als Lösung ins Spiel kommt. Wenn jetzt noch jemand die Boomer als Pflanzen umdeklariert, wird was veganes draus. Win-win!!!

RMPetersen / 28.12.2022

In Berlin sind es ja wohl die Zweitwohnungs-Besitzer, die dann über Airbnb anbieten, bei denen noch Potential für eine Enteignung besteht. Aber das würde wohl zu sehr in die Wählerschaft der Grünen eingreifen.

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