Dass Kinder immer und überall mit hingeschleppt werden, ist in der Tat ein relativ neues Phänomen. Vor einigen Jahren war es noch undenkbar, dass man mit einem Säugling größere Reisen unternahm - allein schon, weil so ein Kleines sehr viel Ruhe und Schlaf braucht. Eine 11-stündige Flugreise und Durchgeschreie ist in erster Linie eine Qual für das Baby. Auch ins Restaurant oder auf Stadtfeste, wo es laut ist, ging man eher nicht mit einem so kleinen Kind. Heute ist das anders, und die Eltern erwarten Verständnis von ihrer Umgebung, die ihr Verhalten kritisch betrachtet. Als Begründung wird dann immer genannt, die Kinder sollten alles mitmachen dürfen, die Welt entdecken und schon in ganz jungem Alter viele Eindrücke sammeln - dies sei so wichtig für eine gute und gesunde Entwicklung. Die Wahrheit, die dahinter steckt, ist - davon bin ich überzeugt - eine andere: die nämlich, dass die modernen Eltern von heute nicht mehr dazu bereit sind, sich ihrer Kinder wegen in ihrem sonst gewohnten Lebensalltag allzu sehr einzuschränken und für sie zurückzustecken. Und wenn nicht ein einziges Mal die obligatorische Jahresfernreise ausfallen darf, weil man sich das doch jedes Jahr gönnt, muss der Säugling halt mit. Und zur Not durchschreien. Ich frage mich, was in den Köpfen solcher Eltern vorgeht. Manche sind anscheinend selbst im Stadium des trotzigen Will-alles-haben-Kleinkindes stecken geblieben und haben weder Verzicht noch Rücksichtnahme gelernt. Wie wohl deren Kinder einmal werden? Die Zeit wird es zeigen.
Ich habe zwei Töchter und zwei Enkel. Was wir als Eltern damals (naja, 29 Jahre her…) noch verstanden haben: Elternsein bedeutet viel Freude. Aber auch das Verschieben-Müssen und, Trommelwirbel, der Verzicht auf das eine oder andere - zum Beispiel lange Reisen. Besonders der letzte Punkt wird heute anscheinend nicht mehr akzeptiert. Urlaubsreisen müssen sein, auch wenn sie für Kleinstkinder, Eltern und Mitreisende strapaziös bis unerträglich sind. Kino, Theater, Essen? Früh genug einen Kindersitter einplanen? Oder gar verzichten, wenn man keinen findet? Aber nicht doch. Immer einfach die Kinder überall mit hinnehmen. Und wenn die kleine Prinzessin bei Brahms um 20.00 Uhr Durchfall kriegt, müssen alle anderen Brahmslauscher nicht nur den Mund halten, sondern die Heldeneltern gefälligst loben. Kinder sollen nie die “Verwirklichung” der Eltern behindern. Diesen Egozentrismus kann man überall beobachten.
Natürlich ist es eine dumme modeerscheinung, dass viele meinen, die Kinder müssten überall mit dabei sein. Das ist weder sinnvoll noch notwendig. Dazu aber zwei Dinge: 1. Viele Hundebesitzer verhalten sich mühsamer als Eltern, denn Hunde müssen ebenfalls nicht überall dabei sein und mögen muss man diese auch nicht (ich unterstelle Frau Wernli, dass sie es anders handhabt). 2. Der Vergleich Kind/Hund ist symptomatisch für unsere verfallende Gesellschaft. Eine junge, gesunde, intelligente und attraktive Frau hält sich lieber einen Hund, ein niederes Tier, anstelle des Mutterseins. Eine fatale Entwicklung, die wir in einigen Jahren bedauern werden.
Liebe Frau Wernli, wer sich so über Kindergeschrei aufregt, hat seine innere Ruhe wohl noch nicht gefunden. Die Gründe für eigene Unzufriedenheit in der Umgebung und bei anderen zu suchen ist in meiner Welt nicht gerade ein Erfolgsrezept. Und ja, Hunde sind nun einmal viel primitivere Geschöpfe und sie zu halten erfordert viel weniger Einsatz. Aber das können Sie ohne eigene Kinder einfach nicht in dem Maße nachvollziehen, wie es nötig wäre. Schade. In dieser globalisierten Welt sind Eltern wie alle anderen auch viel mehr unterwegs und müssen dies vielleicht sogar - anders als in der guten alten Zeit.
Sehr geehrte Frau Wernli, als Mutter und Großmutter finde ich Ihren Artikel großartig . Ihr Schreibstil gefällt mir sehr gut und über dieses Thema wird in Großmütterkreisen seit Jahren oft diskutiert. In den Vorzeiten der schnelllebigen Zeit war es üblich, Babies und Kleinkindern so viel Ruhe und Schlaf angedeihen zu lassen, wie es brauchte. Und in den ersten Monaten ganz besonders. Heute ist das natürlich veraltet und spießig , aber dass es so viele konzentrationsschwache Kinder gibt, muß ja einen Grund haben. Als Eltern hat man zu meiner Zeit eben auf Restaurantbesuche am Abend verzichtet. Schlafenszeit war nach dem Sandmännchen und Flugreisen wurden gemacht, wenn das Kind größer war. Man kann Kinder mit Hunden vergleichen, denn da ist es genauso. Lassen Sie sich nicht beirren! Wir Großmütter stehen hinter Ihnen! Liebe Grüße Marion Köhler
Toll geschrieben, mir geht es auf Langstreckenflügen auch immer so. Ich scheine allerdings Babys und Kleinkinder regelrecht anzuziehen, den am Gate vorm Boarding mache ich meist ein Kind aus, und denke mir, es wird doch wohl nicht direkt in meiner unmittelbaren Nähe sitzen? Und bums, es sitzt oder liegt bei Mami oder Papi direkt vor oder hinter mir. Ist schon bemerkenswert bei 200-250 Passagieren.Und dann wird 8-10 Stunden mit minimalen Unterbrechungen wie am Spieß geschrien. Wenn ich dann die Eltern sehe, frage ich mich innerlich immer, was treibt euch an, eurem Kind (und natürlich mir) so etwas anzutun.
Ich kann Ihnen von Herzen nachfühlen und musste schmunzeln beim Lesen ihres Artikels. Ich, selber Vater von mittlerweile zwei pubertierenden Jungs, kann es selber kaum ertragen, wenn in einem Zug, Bus oder eben Flieger, aus denen es kein Entrinnen gibt, ein Kind Alarm schlägt. Aus Angst, dass unser Erstgeborener Rotz und Wasser heulen könnte, als wir mit ihm vor Jahren nach Irland (rund 3 stündiger Flug) fliegen wollten, absolvierten wir zuerst einen “Probeflug” von Bern nach Basel (20 min.). Dies aus Rücksicht auf unsere und den Mitpassagieren ihre Nerven. Erst als dies ohne Geflenne gut überstanden war, wagten wir uns ans grosse Abenteuer. Alles verlief ohne Heulkrampf. Heute lachen wir darüber.
Eigentlich sind ihre Beiträge meist erfrischend und erhellend. Diesmal bleibt leider alles oberflächlich und gehässig - sehr schade. Ich bin Vater von drei Kindern. Das sage ich nicht, weil ich mich aufspielen will. Es geht eher um die Erfahrung, die so etwas mit sich bringt. Diese Erfahrung fehlt Ihnen und auch vielen jungen Eltern heute. Kinder sind eben keine Selbstverständlichkeit mehr. Viele Leute verzichten ganz bewußt auf Kinder oder begnügen sich gar ernsthaft mit einem Hund als Alternative. Das ist Ihre Freiheit, aber ihr Hundeverleich hinkt schon gewaltig und ist ein weiterer Beweis für mangelnden Umgang mit Kindern und der damit verbundenen kümmerlichen Erfahrung. Das ist ja alles noch verschmerzbar. Ich würde auch keinen Säugling mit auf einen 11-Stunden-Flug mitnehmen. Aber jungen Eltern fehlt eben diese Grunderfahrung, dass so etwas selten gutgeht. In einer vitalen kinderreichen Gesellschaft, würde ein Verwandter oder ein Freund ganz selbstverständlich sagen “Das ist doch Quatsch. Du gehst auf keinen Fall mit einem Säugling auf so einen langen Flug.” Damit wäre die Sache vom Tisch und Sie könnten Sich ihren kleinen Rachebeitrag sparen. Aber hierzulande sind Kinder eben nur noch kuriose Störungen im Alltag. Eltern sind auf sich gestellt und müssen alles neu lernen. Und zum Abschluss: Dass der Nachwuchs überall dabei sein muss, ist kein “Erziehungstripp”. Wo soll die denn nach Ihrer Meinung hin? Sollen die Kleinkinder zu Hause die Wand anmalen und mit Messern spielen, während die Eltern im Restaurant sitzen? ... Dieser Teil hat mich ein wenig schockiert. Ich fürchte, ich muss Ihre Beiträge in Zukunft mit anderen Augen lesen.
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