Kolja Zydatiss / 13.09.2019 / 10:00 / Foto: pixabay / 21 / Seite ausdrucken

Automesse: Ein Staat, der gegen sich selbst demonstriert

Am Sonntag will ein Bündnis namens „Sand im Getriebe“ den Zugang zur Messe Frankfurt versperren, wo derzeit die 68. Internationale Automobil-Ausstellung (IAA) stattfindet. Dieser angekündigte Hausfriedensbruch sei zwar nicht legal, aber angesichts der Dringlichkeit der Klimakrise, die das Überleben der Menschheit in Frage stelle, legitim, erklären die Aktivisten nicht ohne Pathos auf ihrer Webseite.

Viel Aufhebens wird um die angebliche Tatsache gemacht, dass der Staat die Wende zu einer nachhaltigen Verkehrspolitik behindert und die Interessen der Automobilindustrie schützt. Das Aktionsbündnis wettert gegen die „untätige Politik“, die „die Autoindustrie deckt und stützt“, den „politisch-industriellen Komplex Auto“, das „deutsche Autoverkaufsministerium“ und die Unterstützung der Bundesregierung für das „klima- und umwelt-zerstörerische Verkehrssystem von Gestern“.

Tatsächlich wurde die IAA von Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier (beide CDU) eröffnet, und das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) ist Aussteller auf der Messe. Andererseits finden sich unter den Gruppen, die für Sonntag „zivilen Ungehorsam“ angekündigt haben, auch zwei Öko-Initiativen, die Staatsgelder erhalten.

Der Blog „ScienceFiles“ weist in einem aktuellen Beitrag darauf hin, dass „Transition Town Frankfurt“, ein Verein, der im Frankfurter Raum einen „positiven und nachhaltigen Wandel“ nach den „Prinzipien der Permakultur“ vorantreiben will, sowie „Tortuga Eschersheim“, eine Arbeitsgruppe von „Transition Town Frankfurt“, die sich mit „Urban Gardening“ beschäftigt, in Teilen vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) finanziert werden.

Entgegen ihrer Selbstdarstellung als oppositionelle Protestbewegung ist „Sand im Getriebe“ wohl eher ein Beispiel für das, was der britische Journalist Brendan O’Neill „staatlich geprüften Radikalismus“ getauft hat. „Grüne Protestierer stellen sich gerne als radikale Außenseiter dar, die sich im Krieg gegen gleichgültige Regierungen und Gesellschaften wähnen. In Wirklichkeit sollte man sie besser als militanten Flügel der Eliten selbst sehen, als eine Art trommelndes Komitee, das die Behörden durch zuweilen spektakuläre Aktionen daran erinnert, dass sie ihr Versprechen zur Drosselung der CO2-Emissionen halten, den Straßenbau und andere Formen der Entwicklung einschränken und die Bevölkerung hinsichtlich ihrer schlechten Angewohnheit übermäßigen Konsums umschulen sollen“, schrieb O’Neill 2009, nachdem sechs Greenpeace-Aktivisten, die einen Industrieschornstein erklommen hatten, um eine Beschriftung anzubringen, von einem britischen Gericht freigesprochen worden waren. Sie hätten das Eigentum nur beschädigt, um den Planeten vor Schaden zu bewahren, so die Argumentation der Jury.

So sind dann alle in trauter Einigkeit verbunden: Die Bundesregierung, deren Chefin meint, wir bräuchten eine Verkehrswende („das ist ja ganz klar“), die grünen Aktivisten von „Sand im Getriebe“ und die Autoindustrie, die sich auf eine Art ökologischen Überbietungswettbewerb eingelassen hat. Was hält die Bevölkerung von alldem? Nun, sie scheint offenbar Wert auf bezahlbare motorisierte Individualmobilität zu legen, wie etwa die Entwicklung der PKW-Neuzulassungen in Deutschland oder die Massendemonstrationen der französischen „Gelbwesten“ im Winter 2018 nahelegen. Das es sich bei Letzteren um eine „echte“ (also nicht „staatlich geprüfte“) Protestbewegung handelt, zeigen die Reaktionen des französischen Staates: Für die Gelbwesten gab es keine Fördergelder, sondern Gummigeschosse und wüste Beschimpfungen.

Foto: Pixabay

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

beat schaller / 13.09.2019

Das passt doch zu Mutti’s Deutschland, viel besser gehts doch gar nicht. Da hilft nur ein Zaun für diese geschlossenen Gesellschaft. b.schaller

Thomas Schade / 13.09.2019

Wenn “Sand im Getriebe” schon witzig sein soll, dann sichere ich mir hiermit schon ´mal die Urheberrechte an den Lablen für die Proteste gegen die ITB und gegen die Grüne Woche: “Heimweh” und “Hungerhaken”

Marcel Seiler / 13.09.2019

Politische Gewalt von links wird zunehmend als legitim angesehen: von den Politikern, von den von ihnen gesteuerten Behörden und von den Systemmedien. In der Weimarer Zeit haben vergleichbare Zustände Adolf Hitler an die Macht gebracht. Will das heutige Polit-Establishment das wiederholen?

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Kolja Zydatiss / 26.03.2023 / 11:00 / 23

Beklagen wir uns zu viel?

Vielen Menschen auf der Welt geht es schlechter als uns. Warum also klagen? Draußen öffnen sich die Blütenknospen. Es ist wieder Frühling. Berlin wird heute…/ mehr

Kolja Zydatiss / 28.10.2022 / 10:00 / 121

Ausgestoßene der Woche: Sahra Wagenknecht

Sahra Wagenknecht nannte die Grünen die „gefährlichste Partei Deutschlands“. Und wurde prompt von medialer und politischer Seite zerpflückt. Dabei klingt ihre Begründung sehr reflektiert. Die…/ mehr

Kolja Zydatiss / 21.10.2022 / 10:00 / 74

Ausgestoßene der Woche: Julia ist vom Skript abgewichen!

Die CDU-Bundesschatzministerin Julia Klöckner hat es gewagt, einen Beitrag von Tichys Einblick bei Twitter zu teilen. Und auch noch dazu zu stehen. Eine unverzeihliche Abweichung…/ mehr

Kolja Zydatiss / 14.10.2022 / 10:00 / 65

Ausgestoßene der Woche: „Wir haben mitgemacht“

Unter dem Pseudonym „Mic de Vries“ trug ein Kölner Unternehmer unter den Hashtags #Wirhabenmitgemacht und #Wirhabenausgegrenzt Beleidigungen gegen Ungeimpfte zusammen. Nun laufen gegen ihn Ermittlungen.…/ mehr

Kolja Zydatiss / 07.10.2022 / 12:00 / 50

Ausgestoßene der Woche: Jordan B. Peterson

Letzte Woche hat der Psychologieprofessor Jordan B. Peterson einen Vortrag in Berlin gehalten. Vor dem ausverkaufen Tempodrom demonstrierten rund 300 Personen unter dem Motto „Berlinverbot…/ mehr

Kolja Zydatiss / 30.09.2022 / 12:00 / 20

Ausgestoßene der Woche: Vom Bezahlkumpel entfreundet

PayPal, das bedeutet auf Englisch so viel wie „Bezahlkumpel“. Aber wenn man als Organisation oder Einzelperson im Netz die „falschen“ Meinungen vertritt, kann sehr schnell…/ mehr

Kolja Zydatiss / 16.09.2022 / 10:00 / 35

Ausgestoßene der Woche: Ronaldo trifft Peterson

Es war nur eine Frage der Zeit, bis wir einen Ronaldo-Shitstorm aufgetischt bekommen, der nichts mit dessen Existenz als Sportler zu tun hat. Sondern mit…/ mehr

Kolja Zydatiss / 09.09.2022 / 10:00 / 46

Ausgestoßene der Woche: Konservative Publikationen

Die Versuche, konservative Medien wirtschaftlich zu ruinieren oder ihren Vertrieb zu unterbinden, nehmen zu, jüngste Beispiele sind die „Budapester Zeitung“ in Ungarn und „The European…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com