Ausgestoßener der Woche: Kay Ray

Das private Schmidt Theater auf Hamburg St. Pauli hat seine Zusammenarbeit mit Kay Ray beendet. Der Kabarettist und Entertainer erhielt vergangene Woche eine Mitteilung des Theaterleiters Corny Littmann, in der es unter anderem heißt:

„Hallo Kay,

uns verbindet eine gemeinsame Geschichte, daher haben wir uns intensiv mit der Frage beschäftigt, wie wir uns als Theater verhalten, wenn wir – wie bei deiner letzten Show – inhaltlich nicht hinter dem stehen, was du auf der Bühne darbietest.

Nach Deiner letzten Late-Night hat es eine Vielzahl von Beschwerden unserer Mitarbeiter*innen gehagelt, sodass wir sie kein weiteres Mal in eine Situation bringen möchten, in welcher sie sich während der Arbeitszeit belästigt und beleidigt fühlen.“

Ray ist für seine wilden Bühnenshows bekannt, in denen er alle möglichen Tabubrüche begeht (in früheren Jahren zog er sich manchmal sogar nackt aus und formte Tierfiguren mit seinem Penis). Trotzdem wurde sein Gastspielvertrag vom Schmidt Theater bislang immer wieder verlängert. Bei seinem vorerst letzten Auftritt dort sagte der Kabarettist allerdings Folgendes:

„Wir leben in einem Land, in dem Böhmermann beinahe in den Knast sollte und Helene Fischer mit Preisen überhäuft wird. Das gehört doch umgekehrt. Nein, eigentlich gehören beide in den Knast.

Gut, wie kann Herr Böhmermann auch schreiben, dass Erdogan eine Ziege fickt. Das geht natürlich nicht, vor allem nicht, wo wir genau wissen, dass alle Türken meine Mutter ficken. Was denn? Machen sie mal einen Türken wütend, dann sagt der: „Ich ficke Deine Mutter!“ Die große Frage lautet: Warum wollen die eigentlich alle meine Mutter ficken? Die ist noch gut in Schuss. Sie ist aber 84.

Nun ist meine Mutter ja meine Mutter. Ich bin wie sie. Deshalb hätte sie große Lust, sich von einer Horde Türken durchraspeln zu lassen. Sie hat aber keine Zeit. Sie sitzt auf dem Fernseher und guckt Sofa.

Ich hoffe, wir haben Muslime hier im Publikum. Das beweist: Ihr habt Humor und das ist mir eine große Freude. Bedenkt bitte: Wir dürfen in diesem Land über Euch, Euren Gott und Eure Religion lachen. Dafür bekommt Ihr auch unser Weihnachtsgeld.

Ich mache Witze über alle Religionen. Wie nennt man die Vagina eine Nonne? Christstollen!“

„Ein Schlag ins Gesicht der freien Kunst in diesem Land“

Kay Ray meint, ihm sei zugetragen worden, dass sich speziell muslimische Kellnerinnen und Kellner von dieser Passage beleidigt gefühlt und sich beschwert hätten. In einem Statement auf Facebook bezeichnet das Theater diese Darstellung als „haltloses Gerücht“: „Es gibt keine Beschwerde eines muslimischen Mitarbeiters, der sich wegen seines Glaubens angegriffen gefühlt hat!“

Wie dem auch sei. Bei den Themen Türken und Islam scheint für die Betreiber des Schmidt Theaters eine Art unsichtbarer Grenze erreicht zu sein. Aber Kabarettisten müssen provozieren, Gefühle verletzen und alles verspotten dürfen. Wer damit nicht umgehen kann (egal ob muslimisch oder nicht), sollte nicht an einem Kabarett-Theater arbeiten. Die Entscheidung des Schmidt, Kay Ray rauszuschmeißen, ist „ein Schlag ins Gesicht der freien Kunst in diesem Land“, wie er selbst sehr richtig bemerkt.

In einer eigenen Stellungnahme erinnert der Entertainer daran, wie die „legendäre“ Schmidt Mitternachtsshow des „unangepassten“ schwulen Theaterleiters Corny Littmann einst vom Bayrischen Rundfunk nur zeitversetzt ausgestrahlt wurde, damit der Sender unerwünschte Passagen herausschneiden konnte. „Adieu, liebes Schmidt Theater“, verabschiedet sich Ray von seinem langjährigen Auftraggeber. „Heute, ja heute bist Du der Bayerische Rundfunk.“

Der Staat päppelt die Cancel Culture

Wichtig ist diese Woche auch eine Stellungnahme zur Wissenschaftsfreiheit der Forschungsstelle für Interkulturelle Studien der Universität zu Köln. Mit diesem bemerkenswerten Dokument, welches unter dem Orwellschen Titel „Für Freiheit in Forschung und Lehre“ jedwede Form der Islamkritik nicht nur zu Diskriminierung, sondern faktisch zu einer Menschen- und Grundrechtsverletzung erklärt, haben sich bereits Achgut.com-Autor Peter Grimm und Sandra Kostner in der F.A.Z. beschäftigt.

Letztere – von Beruf Migrationsforscherin an der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd – meint, es stehe nicht zu befürchten, dass die Universitäten auf die freiheits- und erkenntnisfeindlichen Forderungen der Autoren eingehen werden. Dennoch sollte man diese Stellungnahme „nicht allzu leichtfertig abtun, weil sie ‚nur‘ von fünfzehn Personen verfasst wurde: Erstens, weil sie für einen gerade in den Sozial-, Kultur- und Geisteswissenschaften einflussreicher werdenden Trend steht. Und zweitens, weil es für das freiheitliche Klima an einzelnen Instituten, in einzelnen Lehrveranstaltungen nicht unerheblich ist, wenn dort Personen forschen und lehren, die ein derart weltanschaulich motiviertes Verständnis von Forschung und Lehre hochhalten.“

Kostner fragt: „Wie viel Freiheit haben Studenten im Seminar solcher Dozenten, Positionen zu erkunden und Argumente vorzutragen? Wie agieren solche Wissenschaftler, wenn sie als Gutachter für Forschungsanträge oder Publikationen tätig sind? Und wie agieren sie als Mitglieder von Besetzungskommissionen?“ Für mich ist klar: Mit der Einrichtung und Finanzierung von Instituten wie der Forschungsstelle für Interkulturelle Studien, denen es kaum noch um „echte“ Wissenschaft geht, sondern um die Durchsetzung einer radikalen identitätspolitischen Agenda, päppelt der deutsche Staat auch die zensorische Intoleranz, die wir heute Cancel Culture nennen.

„Umfassendes Schulungsprogramm zu Diversität und Inklusion“

Der britische Hersteller von Radsportbekleidung Rapha hat sich derweil von Social-Media-Aktivitäten der amerikanischen Radsportlerin Chloé Dygert distanziert. Die 23-Jährige gehört zum Team Canyon SRAM Racing, welches von Rapha gesponsert wird. In einer Rundmail an seine deutschsprachigen Kunden, welche der Achse des Guten vorliegt, schreibt das Unternehmen, Dygert habe im Juni „transfeindliche und rassistische Ansichten in den sozialen Medien“ gebilligt, die „weder im Radsport noch in der Gesellschaft einen Platz haben“. Nachdem dies bekannt geworden sei, habe sich die Sportlerin zunächst „unzureichend“ entschuldigt.

Nach „ausführlichen“ Gesprächen mit Dygert (laut Rapha dauerten sie zehn Tage!) habe das Unternehmen dennoch entschieden, dass letztere „das Potenzial und den Willen hat, zuzuhören, zu lernen und sich zu ändern“. Man werde Canyon SRAM Racing weiterhin sponsern, müsse allerdings Schritte ergreifen, damit „so etwas nie wieder geschieht“. In seiner Stellungnahme weist Rapha darauf hin, dass es bereits einen „externen Berater für Diversität und Inklusion“ angeheuert habe, „um mit Chloé zu arbeiten“. Als nächsten Schritt wolle man für das gesamte Rennteam ein „umfassendes Schulungsprogramm zu Diversität und Inklusion“ entwickeln.

Zu den Social-Media-Aktivitäten, die Rapha für unangemessen hält, steht in der Rundmail leider nichts Konkretes. Das Radsport-Portal „cyclingnews“ erklärt allerdings, Dygert habe auf Twitter den Post „White Privilege gibt es nicht“ geliked. Außerdem habe sie einen Post mit einem Herzchen versehen, in dem ein Nutzer über den afroamerikanischen Football-Spieler Colin Kaepernick schreibt: „er merkte, dass wenn er sich einen Afro wachsen lässt und das Opfer spielt, er die schwarze Community um Millionen bringen könnte“. Kaepernick ist bekannt für die von ihm initiierten Proteste gegen Rassismus in der National Football League (NFL). 2016 fing er damit an, während des Abspielens der Nationalhymne der Vereinigten Staaten zu knien, ein Verhalten, das seither von einigen anderen Spielern kopiert worden ist, aber von vielen Amerikanern als respektlos wahrgenommen wird.

Maoistisch-anmutende Kritik und Selbstkritik

Laut cyclingnews likte Dygert außerdem einen Twitter-Post, der sich auf die Entscheidung von US-Präsident Donald Trump bezog, sogenannten „Trans-Frauen“ (also biologischen Männern) den Zugang zu Obdachlosenunterkünften nur für Frauen zu verwehren. Der Post lautete: „Männer, die sich als Frauen identifizieren, sind nicht wirklich Frauen, genau wie Kinder, die sich als Meerjungfrauen identifizieren, nicht wirklich Fische sind.“

Drei Herzchen für drei Statements, die hyper-„progressiven“ Kulturkriegern nicht gefallen werden, die aber durchaus sagbar sind, ja, wahrscheinlich sogar im Einklang mit den Ansichten einer Mehrzahl der amerikanischen Bürger stehen – das reicht heute offenbar, um bei einem Sport-Sponsor eine wochenlange, maoistisch-anmutende Kritik und Selbstkritik auszulösen (worin genau der „Rassismus“ bestehen soll, erkenne ich auch nach mehrmaligem Lesen nicht).

Aber bevor Sie zu dem Schluss gelangen, so etwas gebe es nur in der angloamerikanischen Welt: In Deutschland gab es 2017 eine ähnliche Kontroverse um das Social-Media-Verhalten eines Sportlers. Der deutsche Eishockeytorwart Thomas Greiss likte während des US-Wahlkampfs auf Instagram ein Foto Adolf Hitlers mit der Bildunterschrift „nie verhaftet, nie verurteilt, genauso unschuldig wie Hillary“, sowie ein weiteres Posting, eine Fotomontage, in der Donald Trump mit einem Schwert in der einen und dem abgeschlagenen Kopf Hillary Clintons in der anderen Hand posierte.

Damals waren es nicht Sponsoren, sondern Sportverbände wie der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) und der Deutsche Eishockey-Bund (DEB), die Sturm liefen und Greiss unter anderem mit einem Ausschluss aus der deutschen Olympia-Mannschaft drohten. Auch das amerikanische Team des Spielers, die New York Islanders, distanzierte sich in einer offiziellen Stellungnahme von dessen Verhalten (siehe meinen ausführlichen Artikel von 2017).

Wenn der aktuelle Hang tonangebender Kreise, im Sport vor allem ein volkspädagogisches Werkzeug zur Förderung von Antirassismus, Fair-Play, Teamfähigkeit und so weiter zu sehen, anhält, wird auch der Druck auf Sportler, sich äußerst politisch konform zu verhalten, weiter steigen.

Zusammenarbeit mit der AfD verboten

Unter Druck gesetzt wurden diese Woche auch zwei Brandenburger Mitglieder der Linkspartei. Wie der „Deutschlandfunk“ berichtet, droht den Kommunalpolitikern aus Forst (Lausitz) der Parteiausschluss. Die beiden Mitglieder der Stadtverordnetenversammlung hatten gemeinsam mit der AfD und dem Bürgerbündnis „Gemeinsam für Forst“ für einen Antrag gestimmt, der den Umbau einer alten Villa als Kinder- und Jugendzentrum verhindern soll. Sie missachteten damit einen ausdrücklichen Beschluss ihrer Landespartei vom Mai 2020, welcher Zusammenarbeit mit der AfD verbietet.

Das Sanierungsvorhaben wird von den drei Fraktionen abgelehnt, weil sie stattdessen einen Neubau präferieren. Bereits im September hatten Linke und AfD in diesem Zusammenhang gemeinsam abgestimmt und sogar eine gemeinsame Pressekonferenz abgehalten. Der Forster Linken-Fraktionschef Ingo Paeschke wurde daraufhin aus seiner Partei ausgeschlossen. Laut rbb24.de hatte der Kreisvorsitzende der Linken in der Lausitz, Matthias Loehr, bereits im Vorfeld der aktuellen Abstimmung ein Parteiausschlussverfahren angekündigt, für den Fall, dass die verbleibenden zwei Linken-Abgeordneten erneut gemeinsam mit der AfD abstimmten. Ein Parteiordnungsverfahren soll nun „unverzüglich“ eingeleitet werden.

Foto: Cosmicgirl, Eigenes Werk CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons

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netiquette:

Frank Stricker / 04.12.2020

Aha, Herr Littmann stand also nicht mehr “inhaltlich” hinter Kay Ray. Ich vermute mal, wenn Kay Ray unterirdische Witze über Christen, AFD oder Querdenker gemacht hätte, wäre ihm eine kräftige Erhöhung der Gage sicher gewesen…......

Gerhard Schmidt / 04.12.2020

Tja, Islam und Humor passen nun mal zusammen wie Strick und Hals. Ich habe mich übrigens auch schon oft für die Leidenschaft der orientalischen Jungbullen für ältere Damen gewundert - Oder gehört das “Mutterficken” dort auch zur Kultur’? Man weiß ja nie, wenn man z.B. an die Sextipps Khomeinis (hier sicher einigen Lesern bekannt) denkt… Da ist wirklich alles möglich!

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