Der erste Ausgestoßene der Woche ist Amed Sherwan. Der aus dem kurdischen Teil des Irak stammende Aktivist und Blogger äußerste bereits im Alter von 15 Jahren öffentlich Islamkritik. Aufgrund von „gotteslästernden“ Facebook-Posts wurde er als Jugendlicher von der irakischen Polizei festgenommen und nach eigenen Angaben gefoltert. Verwandte organisierten und finanzierten anschließend die Flucht nach Deutschland mit Hilfe von Schleusern. Der heute 22-Jährige lebt seit 2014 in Flensburg.
Wer denkt, hier im sogenannten „freien Westen“ könne Sherwan nun ungehindert seine Anliegen vorantreiben, irrt. Das „Institut für Weltanschauungsrecht“ (ifw) berichtet auf seiner Webseite darüber, wie die Repressionen gegen den jungen Religionskritiker in Deutschland weitergehen. Am 17. Dezember 2020 postete Sherwan eine Fotomontage auf Facebook und Instagram. Sie stellt einen Kuss mit dem ägyptischen Atheisten Mohamed Hisham vor dem zentralen Heiligtum des Islam, der Kaaba in Mekka, dar. Der selbst heterosexuelle Sherwan wollten nach eigenen Angaben mit diesem Bild „ein Zeichen der Solidarität mit LGBTIQ*-Personen in muslimischen Communitys“ setzen.
Die Fotomontage ist Teil einer Serie Sherwans, die homosexuelle Küsse vor verschiedenen Motiven (u.a. dem Petersplatz in Rom oder dem CDU-Nachwuchspolitiker und Bundestagsabgeordneten Philipp Amthor) andeutet. Doch nur das Mekka-Motiv führte laut der humanistischen Giordano-Bruno-Stiftung zu einer Welle an Beleidigungen und Gewaltandrohungen gegen den Aktivisten – bis hin zu offenen Morddrohungen.
Religiöse Fundamentalisten treffen auf kulturelle Korrektheit
Muslimische Nutzer, viele davon in Pakistan lebend, riefen in Kommentaren dazu auf, Sherwans Beiträge bei den Plattformbetreibern zu melden. Laut ifw wurden die Facebook- und Instagram-Accounts des jungen Irakers kurz nach der Veröffentlichung des Mekka-Beitrags gesperrt. Sherwan habe dagegen Einspruch eingelegt. Daraufhin sei sein Instagram-Account wiederhergestellt, kurze Zeit später jedoch ohne Meldung erneut gesperrt worden. Auf der Profilseite steht bis zum heutigen Tag (Stand: 13.01.2021): „Diese Seite ist leider nicht verfügbar. Entweder funktioniert der von dir angeklickte Link nicht oder die Seite wurde entfernt.“
Bei Facebook postete Sherwan am 18. Dezember einen weiteren Beitrag, in dem er die zahlreichen Meldeversuche kommentierte: „Kurze Nachricht an meine pakistanischen Brüder. Ich sehe, dass ihr versucht, mein Konto zu hacken. Es ist nur Zeitverschwendung. Viele andere haben es schon versucht. Mein Konto ist ziemlich sicher. Nicht einmal euer Allah wird es hacken können! Nebenbei bemerkt: Ich werde das Bild nicht löschen! Ihr müsst lernen, mit der Liebe in all ihren bunten Varianten umzugehen.“
Laut ifw wurde dieser Beitrag nach nur einem Tag gelöscht, da er angeblich gegen die Gemeinschaftsstandards im Hinblick auf „Hassrede und Minderwertigkeit“ verstoße. Sherwan habe sieben Tage lang nichts Neues auf Facebook posten können. Nach Ablauf dieser Sperre habe der Aktivist erneut seine Fotomontage des Kusses vor der Kaaba veröffentlicht. Dieser Repost sei binnen kurzer Zeit ohne Benachrichtigung gelöscht worden. Sherwan habe eine Warnung erhalten, dass sein Facebook-Account erneut gesperrt beziehungsweise eingeschränkt werden könnte, falls er wieder gegen die Gemeinschaftsstandards verstößt.
Natürlich verfolgen kalifornische Tech-Konzerne wie Facebook von sich aus eine ultra-„progressive“, identitätspolitische Agenda, die sie zunehmend unverhohlen der Gesellschaft aufzwingen (mehr dazu weiter unten in diesem Beitrag). Doch aufgrund des 2017 in Kraft getretenen Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) stehen die Plattformbetreiber in Deutschland unter zusätzlichem Druck von außen und sind gegenüber hier lebenden Nutzern besonders lösch- und sperrfreudig. Dank Union und SPD kann man heute also von einem Land, in dem der militante Islam das Sagen hat, in ein Land flüchten, in dem religiöse Fundamentalisten und die staatlich institutionalisierte kulturelle Korrektheit eine für die Meinungsfreiheit nicht weniger bedrohliche Symbiose eingehen. Sherwan geht nun mit Hilfe des Hamburger Rechtsanwalts und Achgut.com-Autors Joachim Nikolaus Steinhöfel gegen Facebook und Instagram vor. Das Verfahren dauert an.
Twitters Doppelstandards im Fall Trump
Das Vorgehen der Medientechnologiekonzerne gegen im weitesten Sinne „konservative“ Stimmen und Foren hat in dieser Woche indessen einen neuen Höhepunkt erreicht. Ein Mob von Rechtsextremen und Verwirrten ist in das amerikanische Parlamentsgebäude eingedrungen. Dabei wurde Eigentum beschädigt und ein Polizist tödlich verletzt. Die Tech-Konzerne haben nun die zweifellose Mitverantwortung des scheidenden US-Präsidenten Donald Trump an diesen traurigen und unwürdigen Ereignissen zum Anlass genommen, diesen komplett von der Bildfläche verschwinden zu lassen.
Facebook und das zum Facebook-Konzern gehörende Instagram haben Trumps persönliche Seiten blockiert und wollen diese frühestens wieder entsperren, wenn sein Nachfolger Joe Biden das Präsidentenamt übernommen hat. Trumps Twitter-Account ist dauerhaft gelöscht worden. Der Social-News-Aggregator Reddit entfernte seinen Donald-Trump-Thread. Am Mittwoch den 13. Januar 2021 ist mit Trumps YouTube-Kanal die letzte große Plattform des Immobilienunternehmers und Politikers gesperrt worden, zunächst für eine Woche (bleiben dürfen allerdings die sozialen Präsenzen aller möglicher anderer Antidemokraten und Scharfmacher, etwa der offizielle Twitter-Account des stalinistischen Schlächters von Venezuela, Nicolás Maduro, oder die mehrfachen Twitter-Kanäle des „obersten Führers“ des Iran, Ayatollah Ali Chamenei).
Doch Trumps vorübergehende oder dauerhafte Sperrung auf fast allen bedeutenden sozialen Netzwerken ist nur die Spitze einer beispiellosen digitalen Säuberungswelle. Bereits im Oktober 2020 hatten unter anderem Twitter und Reddit in den US-Wahlkampf eingegriffen, indem sie Berichte über die mögliche Verstrickung des Sohnes von Joe Biden in Korruption unterdrückten. Seit einigen Wochen blockiert YouTube systematisch Videos und Accounts, die mögliche Manipulationen und Fälschungen im Zusammenhang mit der US-Wahl thematisieren.
Vor Trump war bereits dessen ehemaliger Nationaler Sicherheitsberater Michael T. Flynn von Twitter verbannt worden. Vor einigen Tagen wurde die Facebook-Seite von „Walkaway“, einer großen Plattform von mehr als einer halben Million Menschen, die sich von den Linken und den Demokraten abgewandt haben, von Facebook geschlossen. Auch dem populären ehemaligen republikanischen Abgeordneten Ron Paul – kein Trumpist sondern ein libertärer Minimalstaatler – ist kürzlich ohne nähere Angabe von Gründen das Recht entzogen worden, seine eigene Facebook-Seite zu managen.
Digitale Säuberung des Präsidenten
„Die sozialen Medien verbannen Stimmen, die nicht in den politisch korrekten Kosmos der Tech-Oligarchen des Silicon Valley passen“, kommentiert der niederländische Journalist und Autor Leon de Winter diese Entwicklungen. „Die amerikanischen Oligarchen dominieren jetzt den politischen Diskurs in Amerika und sehr bald auch im Rest der Welt. Sie sind niemandem Rechenschaft schuldig, sie verwandeln ihre sozialen Medien in Meinungsmonopole.“
Viele Konservative, klassisch Liberale und Libertäre waren in den letzten Monaten zu der Plattform Parler ausgewichen, die damit wirbt, keine Zensur zu betreiben. Doch vor einigen Tagen entfernten Apple und Google den Twitter-Nachahmer aus ihren Appstores, damit sich Trump und dessen Anhänger auch dort nicht äußern können. Am 11. Januar 2021 kündigte dann der größte Cloudspeicheranbieter der Welt, Amazon Web Services (offenbar vertragswidrig) die Geschäftsbeziehung mit Parler. Die Plattform ist nun vorerst im Netz überhaupt nicht mehr erreichbar. „Erst werden die Konservativen aus den sozialen Medien vertrieben, und dann wird ihr Rückzugsort technisch zerstört“, fasst De Winter die Situation zusammen.
Egal wie man zu Donald Trump steht – die digitale Säuberung des Noch-Präsidenten ist ein schwerer Schlag für die Meinungsfreiheit, wie sogar seine scharfe Kritikerin Angela Merkel und diverse, auch nicht gerade für ihre Liebe zu Trump bekannte, EU-Funktionäre einräumen. Auch der russische Oppositionelle Alexej Nawalny hat in einem langen Twitter-Thread die Sperrung des mächtigsten Mannes der Welt kritisiert. „Dieser Präzedenzfall wird von den Feinden der Meinungsfreiheit weltweit ausgenutzt werden. Auch in Russland. Jedes Mal, wenn sie jemanden mundtot machen müssen, werden sie sagen: ‚Das ist übliche Praxis, sogar Trump wurde bei Twitter gesperrt‘“, schreibt der Politiker, der in den letzten Jahren Opfer zahlreicher politisch motivierter Anklagen und sogar eines fast tödlich ausgegangenen Angriffs mit dem Nervengift Novichok wurde. Der russische Staatspräsident Wladimir Putin, der beinahe sicher hinter diesen Schikanen steckt, ist übrigens nach wie vor auf Twitter.
Bierernste Kritik und Selbstkritik im Umfeld der „Titanic
Ausgerechnet der ziemlich linke Martin Sonneborn, Bundesvorsitzender der Spaßpartei Die PARTEI, die 2004 von Redakteuren der Satirezeitschrift „Titanic“ gegründet wurde, wurde diese Woche zur Zielscheibe aufgebrachter Political-Correctness-Wächter. Der Politiker, der im Europaparlament sitzt, posierte auf Twitter mit einem T-Shirt, auf dem in entstelltem Deutsch stand: „AU WIEDELSEHERN, AMLERIKA! abem Sie Guter FrLug runtel! Printed in China für Die PARTEI“. Sonneborn wollte mit diesem Motiv nach eigenen Angaben:
„die zunehmend gegenstandsloser werdende weltpolitische Überheblichkeit der USA (…) karikieren, ihre Forcierung einer wirtschaftlichen Konfrontation mit China, ihre an Widersinnigkeit schwer zu übertreffenden Ideologien & Feindbildkonstruktionen, und vor allem: die wiederholten sinophoben Ausfälle und Polemiken ihres Präsidenten (‚China-Virus!‘). (Der gleichzeitig noch einen Großteil der Merchandise-Artikel für seinen Wahlkampf in China produzieren ließ.)“
In den sozialen Medien brach eine Welle der Kritik über den Satiriker herein. Der Vorsitzende von Sonneborns eigenem Kreisverband, Nico Wehnemann, distanzierte sich von dessen „rassistischem“ Tweet. Man müsse die Frage stellen, „ob Sonneborn nicht langsam seinen Platz am Raclette-Tisch der PARTEI-Familie räumen sollte“, kommentierte das Hipster-Magazin „Vice“.
Sonneborn löschte den Tweet, hielt den Kritikern aber zunächst vor, sie verstünden seine Satire nicht. Überregional wurde berichtet, dass ein weiteres prominentes Aushängeschild von Die PARTEI, der Europa-Abgeordnete und Satiriker Nico Semsrott, aus Protest gegen diese „ignorante“ Haltung des Bundesvorsitzenden aus der Spaßpartei ausgetreten sei.
Am Mittwoch folgte dann der unvermeidliche Kotau. Sonneborn entschuldige sich in einem längeren Facebook-Post: „Wenn ein Witz aber zu rassistischer Verletzung führt, statt Reflexionsanstöße zu geben oder zumindest ein befreiendes Lachen nach sich zu ziehen, dann ist es ein misslungener Witz. Es tut mir leid, dass Menschen durch die Reproduktion dieser Stereotype verletzt wurden.“ Bierernste Kritik und Selbstkritik, nun also auch im Umfeld der „Titanic“.
Angst unter französischen Lehrern
Zum Schluss noch einmal das Thema Islam. Eine aktuelle Umfrage aus Frankreich verdeutlicht, wie stark der totalitäre, gewaltbereite Islamismus mittlerweile die Arbeit dortiger Lehrkräfte prägt. Laut einem Bericht der „Times“ gaben 49 Prozent der befragten Sekundarschullehrer an, aus Rücksichtnahme beziehungsweise Angst vor ihren muslimischen Schülern Selbstzensur zu üben. Themen, bei denen sich die Lehrerinnen und Lehrer zurückhalten, sind unter anderem Sexualität, Evolution und die Shoa.
Die Umfrage wurde vom Meinungsforschungsinstitut Ifop im Dezember 2020 durchgeführt, also zwei Monate nach der Enthauptung von Samuel Paty durch einen jungen tschetschenischstämmigen Dschihadisten. Der Lehrer hatte seinen Schülern im Pariser Vorort Conflans-Sainte-Honorine im Staatsbürgerkundeunterricht Mohammed-Karikaturen gezeigt. Auftraggeber der Studie sind die Jean-Jaurès-Stiftung und das linke Satiremagazin Charlie Hebdo, das selbst mehrfach Opfer mörderischer islamistischer Angriffe war. Vor zwei Jahren waren die Zahlen noch nicht so alarmierend. Eine ähnliche Umfrage kam damals zu dem Ergebnis, dass 36 Prozent der französischen Lehrer Themen meiden, die Muslime verärgern könnten.