Michael Mack, Geschäftsführer des Europaparks, teilte eine indubio-Folge, wurde dafür von Twitter-Nutzern, linken Fußball-Ultras und der badischen Lokalpresse angegriffen und musste reuig widerrufen.
Der wichtigste Ausgestoßene dieser Woche ist Michael Mack, Geschäftsführer des Europaparks im baden-württembergischen Rust. Er teilte eine Folge der Achgut.com-Podcastreihe indubio, wurde dafür von Twitter-Nutzern, linken Fußball-Ultras und der badischen Lokalpresse angegriffen, und vollführte nach anfänglichem Zögern eine Kritik und Selbstkritik, die Stalin stolz machen würde.
Am vergangenen Montag postete Mack auf Twitter die indubio-Folge Nr. 203 „Zornbürger spaziert!“ mit den Gästen Matthias Burchardt (Philosoph), Alexander Christ (Rechtsanwalt) und Gunter Weißgerber (Publizist und ehemaliger SPD-Politiker). „Mal einfach wieder mal was anderes hören…“ , schrieb Mack dazu. Als ihm daraufhin ein Nutzer vorwarf: „Herr Mack, Betreiber des größten Freizeitparks Deutschlands, teilt einen rechten Querdenker Podcast“, antwortete der 43-jährige Geschäftsführer: „Ist das so? Dann hätten Sie ihn mal anhören sollen … Wer sagt, dass es Querdenker sind? Mhh, was Sie alles wissen …“ Einem anderen aufgebrachten Nutzer antwortete Mack: „Verstehe ich nicht. Jede Meinung ist bei uns willkommen.“
So weit, so Twitter. Doch dann schalteten sich auch die Corillo Ultras in die Debatte ein, eine (einflussreiche?) Fan-Gruppierung des Fußballvereins SC Freiburg, der über Sponsoring eng mit dem Europapark, ein seit 1972 von der Familie Mack geführtes Unternehmen, verbunden ist. „Die Meinungen und Werte, die in diesem Podcast geäußert werden, stehen in krassem Gegensatz zu den Werten unseres Sport-Club Freiburg e.V.“, stellten die Experten von Corillo Ultras fest.
Im Ländle wieder alles im Lot
In der Lokalpresse wurde eifrig geframed. Es ist von einem „rechten Blog“ zu lesen, wahlweise von einem „Blog aus dem rechten Spektrum“ oder einem „Podcast, der der rechten Szene zugeordnet wird“. Auf die Vokabel „rechts“ wird standardmäßig zurückgegriffen, wenn es an Argumenten gegen eine andere Meinung mangelt.
Besonders entsetzt war man bei der Presse darüber, dass die indubio-Diskutanten doch tatsächlich Sympathie für die Corona-Spaziergänger äußerten, den öffentlich-rechtlichen Medien Einseitigkeit und Regierungsnähe vorwarfen und Maskentragen „virologischen Nonsens“ nannten. (Auch der SWR griff den Fall auf seiner Webseite auf, freilich ohne „Achgut“ in seinem Bericht zu erwähnen – es könnte sich ja jemand auf Achgut.com umsehen und es möglicherweise für deutlich unabhängiger befinden als den SWR).
Bei Michael Mack stellte sich dann ein Sinneswandel ein. Wurde er für ein paar Stiunden im "blue fire Megacoaster poweres by Nord Stream 2" festgeschnallt? Oder gar in der Euro-Mir (vorwärts und rückwärts hinab) gemartert? Er knickte ein und löschte seinen ursprünglichen Tweet. Auf seinem Twitter-Profi postete er: „Aufgrund neuer Erkenntnisse zu den Hintergründen des von mir geteilten ‚indubio‘ Podcasts habe ich diesen Tweet gelöscht. Ich bedauere, dies nicht gründlicher geprüft & schneller getan zu haben, da die zugrunde liegenden Werte in keinster Weise mit den meinigen übereinstimmen.“ Der Sprecher der Geschäftsleitung des Europaparks, Engelbert Gabriel, begrüßte dieses „Dementi“ und sprach von einem „Versehen“ Macks.
„Menschenverachtende Aussage“
Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK), Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien (CDU), löste letzte Woche einen Shitstorm aus, indem sie neutral einen Sachverhalt wiedergab. Die Politikerin steht aktuell unter besonderer Beobachtung von Zero-Covid-Fundamentalisten, weil sie Lockerungen der Corona-Maßnahmen an Schulen fordert („Wir müssen raus aus einer Kultur der Angst an den Schulen“). Öl ins Feuer goss sie mit folgendem Twitter-Kommentar: „Bitte differenzieren: Kinder sterben. Das ist extrem tragisch. Aber sie sterben mit Covid_19 und nur extrem selten wegen Covid_19.“
Wütende Zero-Covid-Aktivisten traten daraufhin auf Twitter die Kampagne #Prienruecktritt los. Der Arzt und selbsterklärte „Impfluencer“ Christian Kröner appellierte an den Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein, Daniel Günther (CDU), Prien wegen ihrer „menschenverachtenden Aussage“ zu entlassen. „Man darf Dissens haben, aber man darf nicht als KM tote Kinder verhöhnen.“ Die Ministerin hat ihren Twitter-Account nun nach eigener Aussage „vorläufig deaktiviert“. „Ich nehme mir einige Wochen Zeit, um darüber nachzudenken, ob und wie ich Twitter als Medium weiter zur Kommunikation nutze.“
Rückwirkend aus dem Netz gelöscht
Der Berliner Tagesspiegel hat letzte Woche einen Text seines Star-Kolumnisten Harald Martenstein rückwirkend aus dem Netz gelöscht. In dem Artikel mit der Überschrift „Nazi-Vergleiche“ hatte der Autor argumentiert, das Tragen von „Judensternen“ auf Corona-Demonstrationen mit der Aufschrift „Ungeimpft“ sei zwar „eine Anmaßung, auch eine Verharmlosung“ und „für die Überlebenden schwer auszuhalten“, aber „sicher nicht antisemitisch“, weil die Träger sich mit verfolgten Juden identifizierten.
Diese Sichtweise wurde in den sozialen Netzwerken, aber auch innerhalb der Tagesspiegel-Redaktion, stark kritisiert, sodass die Chefredaktion sich bemüßigt sah, ihren Autor fallenzulassen. In einer Stellungnahme haben die Chefredakteure ihre Position dargelegt: „Wir verteidigen die Meinungsfreiheit, sind uns aber deren Grenzen bewusst.“ Nach eingehenden Gesprächen, auch mit Wissenschaftlern und Betroffenen, sei man zu dem Schluss gelangt, dass man die betreffende Kolumne so nicht hätte veröffentlichen sollen. (Quelle: Süddeutsche Zeitung)
Geimpfte Feuerwehrmänner
„Es brennt? Sorry, Ungeimpfte dürfen nicht löschen!“, titelte ich am 10. Dezember 2021. Anlass war eine neue Verordnung des Landkreises Lüneburg, wonach ungeimpfte Angehörige der Freiwilligen Feuerwehren von Einsätzen und Fortbildungen ausgeschlossen sind. In Berlin soll nun ab dem 15. März die Impfpflicht bei der Feuerwehr kommen („einrichtungsbezogene Impfpflicht“). Eine Folge für die ungeimpften Betroffenen können arbeitsrechtliche Konsequenzen sein. In einem offenen Brief warnen 450 Feuerwehrmänner – einige von ihnen geimpft, andere ungeimpft – vor den Folgen: „Wie bereits in unserer Aktion #BerlinBrennt bekannt gemacht wurde, war die Personalsituation schon weit vor der aktuellen Krise bis zum Reißen angespannt gewesen und würde nach unserer Einschätzung durch unseren Wegfall ab dem 16. März 2022 zu einer dramatischen und nicht beherrschbaren Sicherheitslage führen.“
„Keinerlei Sensibilität für bestimmte Themen“
Ebenfalls in Berlin will die Landes-Asten-Konferenz „Rechte Ideologien exmatrikulieren!“. Was sie darunter versteht, geht aus einem Statement von Ende Januar hervor: Unter anderem Kritik an der Flüchtlingspolitik der letzten Regierung oder Lehrende, die „keinerlei Sensibilität für bestimmte Themen mitbringen.“ In einer aktuellen Pressemitteilung bemerkt das Netzwerk Wissenschaftsfreiheit zur Causa:
„[Die Landes-Asten-Konferenz Berlin] vertritt eine intolerante und ideologische Betrachtungsweise, welche keine Position außer der eigenen gelten lassen will und Berufsverbote fordert. […] Damit verletzt die Konferenz offenkundig und elementar die Grundwerte des Grundgesetzes, insbesondere die Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit.“
„Da erreicht man niemanden.“
Der christliche Musiker Siegfried Fietz hält es für einen „Missbrauch“, dass seine Vertonung des Dietrich-Bonhoeffer-Textes „Von guten Mächten wunderbar geborgen“ auf Querdenken-Veranstaltungen gesungen wird. Bonhoeffer verfasste den Text im Dezember 1944, als er in Berlin in Gestapo-Haft saß. Es ist der letzte theologische Text von ihm, bevor er am 9. April 1945 im KZ Flossenbürg hingerichtet wurde.
Fietz legte gegen die Verwendung des Liedes auf verschiedenen Facebook-Seiten Beschwerde ein. Das ist sein gutes Recht, er ist der Rechteinhaber der Melodie. Daraufhin wurde der Musiker seinerseits massenhaft von aufgebrachten Querdenken-Sympathisanten gemeldet. Nun ist seine eigene Facebook-Seite gesperrt. Das passiere automatisch, wenn sich viele Nutzer beschwerten, sagte Fietz der evangelischen Nachrichtenagentur idea. Facebook zu einer Rücknahme der Entscheidung zu drängen, sei schwierig: „Da erreicht man niemanden.“
Verbindungen zu israelischen und jüdischen Organisationen offenlegen
In den Niederlanden müssen mehr als ein Dutzend staatlich finanzierter Universitäten ihre Verbindungen zu israelischen und jüdischen Organisationen offenlegen. Rechtliche Grundlage für diese aktuelle Order der Staatsanwaltschaft ist das 1991 verabschiedete niederländische Informationsfreiheitsgesetz. Deklariert werden muss unter anderem der Umgang mit israelischen Einrichtungen wie dem Rüstungskonzern Elbit Systems, aber auch mit mainstreamigeren jüdischen Organisationen, welche keinen besonderen oder ausschließlichen Fokus auf Israel haben, etwa der Internationalen Allianz zum Holocaustgedenken.
Der Antrag unter dem Informationsfreiheitsgesetz war von The Rights Forum gestellt worden, einer pro-palästinensischen Lobbyorganisation, die von dem ehemaligen niederländischen Ministerpräsidenten und Diplomaten außer Dienst Dries van Agt gegründet wurde. Einige Universitäten sind der Aufforderung der Staatsanwaltschaft bereits nachgekommen. Der niederländische Oberrabbiner Binyomim Jacobs fühlt sich in einer Stellungnahme an die Mehrheit der Bürgermeister in seinem Land erinnert, die im Zweiten Weltkrieg bereitwillig die Namen ihrer jüdischen Einwohner an die deutschen Besatzer weitergaben. (Quelle: Jewish Telegraphic Agency)
Bankkonten der Trucker einfrieren
In Kanada bringt der amtierende Premierminister Justin Trudeau seine Befugnisse unter einem 1988 verabschiedeten Notstandsgesetz gegen die seit Wochen andauernden Trucker-Proteste in Stellung. Er will die Bankkonten der Trucker einfrieren und weitere Maßnahmen ergreifen, um die Demonstranten von den Quellen ihrer finanziellen Unterstützung abzuschneiden.
Finanzministerin Chrystia Freeland erklärte, dass sich alle Crowdfunding-Dienste und die von ihnen genutzten Zahlungsanbieter ab sofort bei der kanadischen Anti-Geldwäsche-Behörde FINTRAC registrieren und verdächtige Aktivitäten melden müssen. „Wir nehmen diese Änderungen vor, weil wir wissen, dass diese Plattformen zur Unterstützung illegaler Blockaden und illegaler Aktivitäten genutzt werden, die der kanadischen Wirtschaft schaden“, sagte Freeland. Auch Konten von Personen, die unter Verdacht stünden, die „Freedom Convoy“-Proteste zu unterstützen, könnten ohne einen Gerichtsbeschluss vorübergehend eingefroren werden. Darüber hinaus werde die Versicherung der an den Blockaden beteiligten Lastwagen ausgesetzt. Den Einsatz des Militärs schließt die Regierung vorerst aus. (Quelle: RP Online)
Amerikanischer Puritanismus als Exportschlager?
In den USA sind in kurzer Folge der Präsident des globalen Fernseh-Leitmediums CNN, Jeff Zucker, und die geschäftsführende Vizepräsidentin und Chief Marketing Officer des Senders, Allison Gollust, von ihren Posten zurückgetreten. Die beiden Erwachsenen hatten eine einvernehmliche Beziehung begonnen und das vertragswidrig nicht dem Arbeitgeber gemeldet. Das progressiv verbrämte, aber im Grunde reaktionäre und frauenbevormundende Denken hinter solchen Regeln hält auch in der deutschen Unternehmenswelt Einzug (siehe diesen Beitrag meines Achgut-Kollegen Felix Perrefort). Ist #MeToo vielleicht das erfolgreichste Exportprodukt und krönende kulturelle Vermächtnis des (mit der Zeit säkularisierten) amerikanischen Puritanismus?
Auftritt beim konservativen Sender Fox News
Beim für seine Denim-Jeans bekannten Modekonzern Levi Strauss & Co. hat die Markenchefin Jennifer Sey vor wenigen Tagen das Handtuch geworfen. Sey ist eigentlich eine tadellose Linksliberale, Unterstützerin von Black Lives Matter und so weiter. Aber sie hatte sich, wie auch ihr Ehemann, in den letzten zwei Jahren immer wieder kritisch zur Schließung der öffentlichen Schulen im Zuge der Corona-Bekämpfung geäußert, was zu einem schwelenden Konflikt mit der Leitung des Unternehmens führte, dem Sey mehr als 20 Jahre lang angehörte.
Das Fass zum Überlaufen brachte offenbar ein Auftritt beim konservativen Sender Fox News. Kollegen warfen der Managerin, früheren Profi-Turnerin und Mutter zweier gemischtrassiger Söhne unter anderem Rassismus vor (sie wolle, dass schwarze Kinder an Covid sterben), und Diskriminierung Übergewichtiger (sie hatte eine Studie retweetet, die einen Zusammenhang zwischen Fettleibigkeit und schlechten Gesundheitsprognosen aufzeigte). Das Angebot des Managements, in der Firma eine „Entschuldigungstour“ mit Eingeständnis ihrer rassistischen Verfehlungen zu machen, schlug Jennifer Sey aus, eine Abfindungsvereinbarung in Höhe von einer Million US-Dollar, welche sie zur Verschwiegenheit verpflichtet hätte, ebenfalls. (Quellen: bariweiss.substack.com, Wall Street Journal)
Biologische Jungen bei den Pfadfinderinnen
Im australischen Bundesstaat Western Australia ist die Geschäftsführerin des örtlichen Pfadfinderinnenverbandes (Girl Guides), Karyn Lisignoli, gefeuert worden. Sie hatte auf Twitter gefragt, ob man die Regeln ändern könne, um wie früher nur biologischen Mädchen Zugang zu der Organisation zu geben. Das brachte sie in Konflikt mit der Vorsitzenden der Girl Guides Western Australia, Yvonne Power. Die aktuelle Satzung der Girl Guides erlaubt es „jeder Person unter 18 Jahren, die ihr Leben als Frau lebt“, der Organisation beizutreten. Gegenüber den Medien hat Lisignoli erklärt, ihre Äußerungen seien von Sorgen um jüngere Pfadfinderinnen motiviert gewesen, die vielleicht mit älteren Jungen in einem Zelt leben müssten: „Wissen die Eltern, wenn sie ihr nervöses und schüchternes 12-jähriges Mädchen zu den Girl Guides schicken, dass sie sich vielleicht mit einem biologischen Jungen von 15 Jahren ein Zelt teilen wird?“ (Quelle: Daily Mail)
Virginia Woolf nicht inklusiv genug
In London überprüft indessen der Bezirk Camden sämtliche örtliche Denkmäler auf ihre „Inklusivität“. Auf der Liste von Objekten, welche möglicherweise entfernt werden sollen, ist auch die Büste der avantgardistischen Schriftstellerin und Verlegerin Virginia Woolf gelandet, die vor ihrem ehemaligen Wohnhaus im Stadtteil Bloomsbury steht. Woolfs Verbrechen: Die 1882 geborene Autorin verwendete in ihren Tagebüchern manchmal rassistische Beleidigungen und trug einmal als Scherz Blackface. (Quelle: The Telegraph)
Und damit endet der wöchentliche Überblick des Cancelns, Empörens, Strafens, Umerziehens, Ausstoßens, Zensierens, Entlassens, Verklagens, Einschüchterns, Politisierens, Umwälzens und Kulturkämpfens. Bis nächste Woche!
Mehr vom Autor dieser wöchentlichen Kolumne Kolja Zydatiss zum Thema Meinungsfreiheit und Debattenkultur lesen Sie im Buch „Cancel Culture: Demokratie in Gefahr“ (Solibro Verlag, März 2021). Bestellbar hier.