Kolja Zydatiss / 30.09.2022 / 12:00 / Foto: Capture Queen / 20 / Seite ausdrucken

Ausgestoßene der Woche: Vom Bezahlkumpel entfreundet

PayPal, das bedeutet auf Englisch so viel wie „Bezahlkumpel“. Aber wenn man als Organisation oder Einzelperson im Netz die „falschen“ Meinungen vertritt, kann sehr schnell Schluss sein mit der Kumpelhaftigkeit, und der führende Online-Bezahldienst schneidet einen abrupt von Transaktionen wie zum Beispiel Spendenzahlungen ab, die fürs eigene wirtschaftliche Überleben unerlässlich sein können.

Letzte Woche beschrieb ich an dieser Stelle, wie PayPal drei Konten gesperrt hatte, die geschäftlich oder privat mit dem bekannten britischen Publizisten und stets sachlich argumentierenden Kritiker der Corona-Beschränkungen Toby Young verbunden sind. Die Einsprüche des konservativen Publizisten wurden wiederholt abgewiesen, die Spendeneinnahmen des von ihm betriebenen Autorenblogs The Daily Sceptic brachen ein. Der Bezahldienst wollte die Gelder auf den Konten sogar monatelang einbehalten, während er entscheidet, ob er von Young „Schadensersatz“ fordern will oder nicht. Die ganze Geschichte löste eine mediale Debatte aus, bei der das Vorgehen PayPals fast durchgängig verurteilt wurde. Die Sperrung von Youngs PayPal-Konten wurde sogar zum Thema einer Anfrage im britischen Unterhaus sowie einer Protestnote von 42 Parlamentariern an den britischen Wirtschaftsminister Jacob Rees-Mogg (Conservative Party).

Nun, es gibt eine gute Nachricht: Von Toby Young sind die Bezahlkumpel mit Sitz in San José, Kalifornien inzwischen wieder abgerückt. Die ganze mediale und politische Aufmerksamkeit wurde PayPal wohl zu heiß. Nachdem der Bezahldienst sich tagelang nicht entscheiden konnte, ob er dem Nutzer „Hass, Gewalt oder rassistische Intoleranz“ oder „Covid-19 Desinformation“ vorwirft (Toby Young selbst wurde Ersteres mitgeteilt, den Medien seltsamerweise letztere, komplett andere Begründung), spricht PayPal nun plötzlich von einer „Überprüfung“, die im Sinne Youngs ausgegangen sei. Die Konten sind wiederhergestellt worden, das Unternehmen hat sich für „etwaige Unannehmlichkeiten“ entschuldigt. Der Publizist will PayPal nach eigener Aussage trotzdem nicht mehr nutzen.

PayPal sanktioniert Kritiker der Corona-Politik

Das beschriebene Umschwenken von PayPal in diesem einen Fall sollte allerdings nicht mit einer prinzipiellen Entdeckung von Meinungsfreiheit und Meinungsvielfalt als Werten an sich durch die PayPal-Vorstandsetage verwechselt werden. Das zeigt sich unter anderem in der Tatsache, dass das Unternehmen zeitgleich hart gegen drei weniger bekannte und wohl auch weniger gut vernetzte britische Organisationen vorgegangen ist, die wie Toby Young Kritik an den Exzessen der Coronapolitik üben. 

Gesperrt wurden in den letzten Tagen auch die PayPal-Konten von UsForThem, einer Elterninitiative, die Schulschließungen und anderen Corona-Maßnahmen entgegentritt, die besonders negative Auswirkungen für Kinder haben, der „coronakritischen“ Juristen-Gruppe Law or Fiction und der Gruppierung Left Lockdown Sceptics, ein Kollektiv von „Coronakritikern“ aus dem linksradikalen politischen Spektrum. Nach Aussage der UsForThem-Sprecherin Molly Kingsley wollte PayPal auch von ihrer Organisation monatelang Spendengelder einbehalten, während das Unternehmen entscheidet, ob ein „Schadensersatz“ abgezogen werden sollte oder nicht.

Zumindest das Konto von UsForThem wurde am vergangenen Freitag wieder freigegeben. Die beiden anderen „coronakritischen“ Gruppen bleiben Stand 29. September gesperrt. In der regierenden Conservative Party, der Toby Young als Mitglied angehört, werden die Stimmen immer lauter, die PayPal politisch motivierte Zensur in Zukunft einfach per Gesetz verbieten wollen. (Zusätzliche Quellen: The TelegraphThe TimesReaction)

In den USA wurde in den letzten Tagen Gays Against Groomers, ein Netzwerk von Schwulen und Lesben, das sich gegen die Frühsexualisierung von Kindern und bestimmte Behauptungen und Ziele des Transgender-Aktivismus stellt, nach eigenen Angaben nicht nur auf PayPal, sondern auch auf dem zu PayPal gehörenden Mobile-Payment-Dienst Venmo gesperrt. Die Organisation gibt es erst seit rund vier Monaten. In dieser Zeit wurde sie nach eigener Aussage auch mit zwei Twitter-Sperren belegt, sowie bei Google, Linktree und dem Fundraising-Dienst Donately rausgeworfen. Beim Online-Bezahldienst Stripe war das Konto von Gays Against Groomers ebenfalls zeitweise gesperrt, der PayPal-Konkurrent nennt das mittlerweile einen Fehler und hat sich entschuldigt.

Tagungszentrum will wegen Kontrafunk-Tagung um seinen Ruf fürchten

Facebook hat diese Woche entschieden, das Konto von Boris Reitschuster für 29 Tage einzuschränken. Grund: Der deutsche Publizist und Kritiker der Coronapolitik, der auch für Achgut.com schreibt, hatte mit Bezug auf eine aktuelle Meldung von Focus Online geschrieben: „mRNA aus Covid-Impfstoffen in Muttermilch nachgewiesen. Eine weitere ‚Verschwörungstheorie‘ wurde Realität…“ Das verstößt aus Sicht der Facebook-Zensoren gegen die nebulösen „Gemeinschaftsstandards“ der Plattform. (Quelle: Screenshot hier)

Auf Twitter wurde diese Woche der stellvertretende Vorsitzende der Bundespolizeigewerkschaft, Manuel Ostermann, gesperrt. Grund: Herr Ostermann hatte dem deutsch-israelischen Psychologen und Autor Ahmed Mansour für dessen Aufklärung über den radikalen Islam mit folgenden Worten gedankt: „Danke Ahmad Mansour für deinen Einsatz und deine Aufklärung im Kampf gegen Islamismus. Wir brauchen deine Stimme mehr denn je. Islamisten sind Feinde unserer Gesellschaft und gehören entschlossen bekämpft. Das fängt bei der Aufklärung und Demaskierung an.“ Das ist aus Sicht der Twitter-Zensoren „hasserfülltes Verhalten“. Mehr zum Thema erfahren Sie im aktuellen Achgut.com-Beitrag von Gerd Buurmann: „Twitter sanktioniert die Aufklärung“.

Nach der ganzen Zensur durch Big-Tech-Konzerne noch ein Blick ins sogenannte Real Life: In der Schweiz hat das Tagungszentrum Lilienberg trotz bestehenden Vertrags das Herbsttreffen des konservativen Internetradiosenders Kontrafunk abgesagt. Die Zusammenkunft, die am übernächsten Wochenende stattfinden sollte, könne „den reibungslosen Geschäftsbetrieb, die Sicherheit und den Ruf des Lilienberg gefährden“, so die Begründung des Tagungszentrums. Zu der Veranstaltung hatten sich rund 90 Gäste angemeldet. (Quelle: private Mitteilung des Kontrafunk-Betreibers Burkhard Müller-Ullrich)

„Safe Space für Transmuslim:innen“

In Gladbeck hat das Lesecafé der Stadtbücherei einen für den 29. September geplanten Auftritt des Comedians Ludger K. (bürgerlich: Ludger Kusenberg) im kabarettistischen Format „DreierPasch“ abgesagt. Ludger K. übt bei seinen Auftritten scharfe Kritik an den Corona-Beschränkungen und der staatlichen Impfkampagne. Einer seiner Sponsoren ist der Max-Otte-Fonds. Der polarisierende Publizist und Ökonom Max Otte war Mitglied der CDU und Bundesvorsitzender des Vereins WerteUnion. Einer breiten Öffentlichkeit wurde er 2022 bekannt, als er für die AfD als Bundespräsidentschaftskandidat antrat und deshalb aus der CDU ausgeschlossen wurde.

Die Kommunikationschefin der Stadt, Christiane Schmidt, meint, Ludger K.s Äußerungen seien von der Meinungsfreiheit gedeckt, man wolle ihnen aber auf einer städtischen Bühne „keinen Raum bieten“. Gladbeck habe sehr unter der Corona-Pandemie gelitten „und viele Opfer beklagen müssen“, so die Rathaussprecherin. Bereits im März dieses Jahres hatte sich das Bochumer Varieté et cetera von Ludger K. getrennt. Weitere Engagements des Comedians wurden gecancelt, weil er sich weigerte, unter 2G-Bedingungen aufzutreten. (Quelle: Hertener Allgemeine vom 28.09.2022)

Im Real Life gibt es auch ein Wiedersehen mit der prostitutionskritischen Gruppierung Sisters e.V.. Zur Erinnerung: Dem radikalfeministischen Verein war Anfang September nach anfänglicher Zusage untersagt worden, die Räume des Nachbarschaftshauses Urban in Berlin-Kreuzberg für eine Reihe von Filmvorführungen und Podiumsdiskussionen zum Thema Prostitution zu nutzen. Die Betreiber der Veranstaltungslocation befürchteten „Verschwörungstheorien, religiösen Fundamentalismus und Hass auf Sexarbeitende, TransMenschen, Muslime und Migrant_innen“ (ich berichtete an dieser Stelle). 

Jetzt hat die Anlaufstelle Islam & Diversity, ein Projekt der liberalen beziehungsweise reformislamischen Berliner Ibn-Rushd-Goethe-Moschee, eine für den 24. September geplante Veranstaltung von Sisters e.V. in ihren Räumlichkeiten abgesagt. Als Begründung wird „die Position der Sisters bezüglich Transpersonen“ genannt. Der Raum der Anlaufstelle Islam & Diversity sei „ausdrücklich ein safespace [sic] für Transmuslim:innen“. (Quelle)

Filmemacherin wird „Islamophobie“ vorgeworfen

In der britischen Grafschaft Sussex hat indessen die Polizei versucht, eine Twitter-Nutzerin einzuschüchtern, die einen mehrfach verurteilten Pädophilen, der sich als Trans-Frau identifiziert, einen „Mann“ genannte hatte. Gemäß einem Bericht des Online-Magazins Spiked hatte die namentlich nicht benannte Nutzerin mit Bezug auf den inhaftierten Sexualstraftäter John Stephen Dixon, der sich seit 18 Jahren Sally Ann Dixon nennt, getwittert: „Dies ist ein Mann, der sexuelle Straftaten an Kindern begeht.“

Ein offizieller Polizei-Account habe auf diese sachlich richtige Feststellung geantwortet: „Die Sussex Police duldet keine hasserfüllten Äußerungen über ihre Geschlechtsidentität, unabhängig von den begangenen Straftaten. Dies ist irrelevant für das begangene und ermittelte Verbrechen.“ Der Post enthielt laut Spiked einen Link zu einem Leitfaden der Polizei zum Thema „Hassverbrechen“. Ein Wink mit dem Zaunpfahl, Äußerungen wie die obige in Zukunft zu unterlassen.

Last but not least: In der Welt des Films kämpft die amerikanische Filmemacherin Meg Smaker seit einigen Monaten mit extremen Gegenreaktionen auf ihre Dokumentation „Jihad Rehab“. Der Film begleitet vier aus dem amerikanischen Gefangenenlager in der Guantanamo Bay entlassene saudische Staatsbürger, die zwecks weiterer Deradikalisierung und gesellschaftlicher Re-Integration im Mohammed bin Nayef Beratungs- und Betreuungszentrum in der saudischen Hauptstadt Riad untergebracht sind. 

„Mehr als 230 Filmemacher unterzeichneten einen Brief, in dem sie den Dokumentarfilm verurteilten. Die Mehrheit hatte ihn nicht gesehen“, berichtet die New York Times. Die Vorwürfe sind erwartungsgemäß „Rassismus“, einseitiges, „islamophobes“ Framing von Muslimen als Terroristen und so weiter. Das renommierte Sundance Film Festival zeigte die von Rezensenten hochgelobte Doku, allerdings nicht ohne die Filmemacherin mit hohen bürokratischen Auflagen zu belegen, die die New York Times „präzedenzlos“ in der Welt des Dokumentarfilmens nennt. Das San Francisco Documentary Festival und das Filmfestival South by Southwest schmissen die Doku nach Kritik von Muslimen abrupt aus dem Programm. Die Filmemacherin Meg Smaker ist nun fast pleite. Um die Kritiker etwas zu besänftigen, hat sie den Begriff „Jihad“ gestrichen und ihren Film in „The UnRedacted“ umbenannt.

Und damit endet der wöchentliche Überblick des Cancelns, Empörens, Strafens, Umerziehens, Ausstoßens, Zensierens, Entlassens, Einschüchterns, Moralisierens, Politisierens, Umwälzens und Kulturkämpfens. Bis nächste Woche!

 

Mehr vom Autor dieser wöchentlichen Kolumne Kolja Zydatiss zum Thema Meinungsfreiheit und Debattenkultur lesen Sie im Buch „Cancel Culture: Demokratie in Gefahr“ (Solibro Verlag, März 2021). Bestellbar hier. Ein Archiv der Cancel Culture in Deutschland mit Personenregister finden Sie unter www.cancelculture.de.

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Leserpost

netiquette:

Claudius Pappe / 30.09.2022

Ausgestoßene des Jahres : AfD Bundestagsabgeordnete.

Rolf Mainz / 30.09.2022

Erinnert alles fatal an die 1930er Jahre in Deutschland. Der gleiche, höchst illiberale Ungeist greift um sich. Dass dies den “woken” Nordamerikanern unterläuft, könnte man mit mangelnder historischer Erfahrung und fehlender geschichtlicher Bildung relativieren; dass es aber ausgerechnet in Deutschland (und Nachbarländern) geschieht, ist unverzeihlich. Was kommt als Nächstes? Bücherverbrennung? Und dann?

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