Niederländischen Fußballfans wird missgönnt, sich wie ihr Idol Ruud Gullit zu kostümieren, Israelfeinde bleiben vom Canceln verschont und eine Hunde-Influencerin bekommt wegen des ‚falschen‘ Lebensgefährten Ärger.
Aufpassen, es ist Fußball-EM. Bei manchen Public Viewings und in offiziellen Fan-Zonen herrschen Benimmregeln. „Sei sensibel bezüglich kultureller Aneignung, wenn du Elemente aus einer anderen Kultur übernimmst, die in Deutschland Vorurteilen und Diskriminierung ausgesetzt ist (z.B. traditionelle Kleidung, Afroperücken, kultureller Schmuck und Symbole etc.)“, heißt es z.B. in Düsseldorf und in Leipzig. Sind eigentlich auch niederländische Fußballer hierzulande „Vorurteilen und Diskriminierung ausgesetzt“? Im Hamburger Volksparkstadion sah man jedenfalls niederländische Fans mit Afroperücken. Drei Anhänger der Nationalelf des Nachbarlandes hatten sich nämlich als Ruud Gullit verkleidet. Und zwar mit Rastalocken und Schnäuzer, wie sie der legendäre frühere Oranje-Nationalspieler zu seinen Hochzeiten trug. Außerdem mit Schminke im Gesicht, um die Hautfarbe des teils surinamischstämmigen Gullit abzubilden.
Sie ahnen es schon: Das fällt bei einigen natürlich unter „Blackfacing“ – eine Todsünde im woken Weltbild, da vermeintlich rassistisch. Gegen den „Schwarzen Peter“ in der niederländischen Nikolaustradition tobt seit Jahren ein Kulturkampf. So kam es aus einschlägiger Ecke sowie verschiedentlich in den Social Media zu negativen Reaktionen an der kleinen Fangruppe, die den Europameister von 1988 auf diese Weise würdigen. Und auf Kritik folgte sogleich Selbstkritik: Einer der beteiligten Fans möchte wegen des Aufhebens, das nun um diese Kostümierung gemacht wird, sie künftig nicht mehr tragen – obwohl er in der Vergangenheit nur positive Rückmeldungen erhalten hatte; ein Gullit-Imitator namens Bart van de Ven erklärte, er wolle niemanden „verletzen“ und daher nicht mehr so auftreten. Der inzwischen 61-jährige Gullit selbst fühle sich durch die Verkleidung der Fans übrigens „geehrt“.
Parlamentspräsident unerwünscht
Wo wir eben schon bei Gullits Herkunft waren: In der damaligen niederländischen Kolonie Surinam (Südamerika) sowie auf den Niederländischen Antillen wurde 1863 die Sklaverei abgeschafft. Dieses Ereignisses wird inzwischen auch im Mutterland gedacht, an jedem 1. Juli begeht man den sogenannten Ketikoti. In den letzten Jahren haben sich die niederländische Regierung und der König für die Sklaverei-Vergangenheit des Landes entschuldigt. Bei der diesjährigen Gedenkveranstaltung in Amsterdam sollen wieder die Vorsitzenden der beiden Parlamentskammern, der Präsident des Senats (Erste Kammer) und der des Abgeordnetenhauses (Zweite Kammer), einen Kranz niederlegen. Seit Dezember steht allerdings Martin Bosma der Zweiten Kammer vor. Der Politiker der Partei für die Freiheit (PVV) von Geert Wilders gilt nicht gerade als Freund des woken Postkolonialismus.
Eine Online-Petition mit 15.000 Unterzeichnern fordert jetzt die Zweite Kammer auf, statt Bosma einen Vizepräsidenten zu der Veranstaltung zu schicken. Bosma vertrete eine „rassistische Ideologie“ und habe sich negativ über „Afrokaribische [Großschreibung i.O.] Niederländer“ geäußert. Dass der PVV-Politiker „antiweißen Rassismus“ anprangert, sich gegen „Propaganda“ und „Indoktration“ in der einschlägigen Erinnerungskultur ausspricht, kommt bei den Petenten schlecht an. Die kommunale Bezirksvertretung Amsterdam-Südost hat eine Resolution verabschiedet, der zufolge der Parlamentspräsident beim Gedenken nicht willkommen sei. Gestellt hatten den Antrag eine woke Kleinpartei und eine weitere namens DENK, die nicht auf kognitive Fähigkeiten schließen lassen sollte, sondern als „verlängerter Arm Erdoğans“ in den Niederlanden agiert. Selbst die grüne Oberbürgermeisterin Amsterdams hält das Ansinnen allerdings für unangebracht. Bosma beabsichtigt, der Einladung als Teil seiner Amtsverpflichtungen selbstverständlich nachzukommen.
Forschungsgeld muss fließen
Bosma gehört zu den Gegnern antiisraelischer Demonstrationen, und das bringt uns zum einschlägigen Fallkomplex. Die beamtete Staatssekretärin im Bundesforschungsministerium, Sabine Döring, wird in den Ruhestand versetzt, weil sie ministeriumsintern prüfen lassen wollte, ob Wissenschaftlern, die einen Aufruf unterzeichnet hatten, Forschungsgelder entzogen werden könnten. Der Aufruf stammt ursprünglich von vor allem Berliner Universitätsdozenten und beklagt die Räumung einer antiisraelischen Besetzung der FU Berlin durch die Polizei. Die Unis müssten den antisemitischen Mob soweit wie möglich gewähren lassen, anders lässt sich das Ansinnen nicht interpretieren. Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) hatte sich darüber „fassungslos“ gezeigt. „Statt sich klar gegen Israel- und Judenhass zu stellen, werden Uni-Besetzer zu Opfern gemacht und Gewalt verharmlost."
Die Politikerin wurde wegen des Vorgangs um die zu prüfende Fördergelder-Sperrung mit Kritik aus verschiedenen Parteien und Medien konfrontiert, sie würde die Wissenschaftsfreiheit missachten. Es hagelte Rücktrittsforderungen. An ihrer Stelle muss nun ihre Staatssekretärin gehen. Dazu Journalist Christian Ankowitsch: „Vorwiegend Uni-Fremde besetzten Uni, bringen damit das Gros der Studenten in Verruf, ein Haufen Professoren und Dozenten solidarisieren sich mit den Schmocks und reden was von verteidigter Wissenschaftsfreiheit – my ass“. Aus Sicht des SPD-Bundestagsabgeordneten Oliver Kaczmarek muss „sichergestellt werden, dass […] Förderentscheidungen so wie bisher ausschließlich wissenschaftsgeleitet sind.“ Aha, „wissenschaftsgeleitet“. Größter Drittmittelgeber der Forschung ist der Staat, insbesondere über die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG). „Der erfolgreichste Wissenschaftler ist deshalb derjenige, der sich am besten an die aktuelle Agenda und die Anforderungen des Staates anpasst, der zu einem Handlanger der Staatspolitik wird, zu einem Ausführer eines politischen Programms“, stellt Achgut-Gastautor Prof. Boris Kotchoubey fest.
Wo Rauch ist, ist auch Feuer
Während die Staatssekretärin wegen eines Cancel-Versuchs ihren Hut nehmen muss (davon können hamasfernere Cancel-Betroffene nur träumen), darf die Präsidentin der TU Berlin, Geraldine Rauch, im Amt bleiben. Sie hatte mehrere antiisraelische Tweets mit einem Like versehen (Achgut berichtete), von denen selbst nach Einschätzung des kritisch beäugten TU-Antisemitismusbeauftragten Uffa Jensen mindestens einer als antisemitisch zu werten ist. Rauch entschuldigte sich für den „Fehler“, nicht genau genug hingeschaut zu haben. Das TU-Kuratorium sprach relativierend von einer „Nachlässigkeit“ Rauchs, im Freitag liest man von einem „Fauxpas“. „Ihre Reue kommt zu spät und ist unglaubwürdig“, entgegnet der Deutschlandfunk. Der Senat der TU konnte sich nicht zu einem Abwahlantrag durchringen, sprach sich aber immerhin mit knapper Mehrheit für einen Rücktritt Rauchs aus. Das Kuratorium stellte sich sogar hinter die Hochschulchefin. Ihre Zugehörigkeit zum „Zukunftsrat des Bundeskanzlers“ wird von Olaf Scholz (SPD) allerdings nicht verlängert.
Ein Rücktritt oder eine Abwahl Rauchs wäre nicht Thema dieser Kolumne geworden, denn bei Weitem nicht jede Konsequenz aus einem Verhalten gehört zur Cancel Culture. Interessant ist vielmehr, dass Israelfeinde zuweilen eine erfolgreiche Lobby bilden, wenn es gegen einen der ihren geht. Beispielsweise hat ein Vorstandsmitglied der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz, Andrea Jahn, die Ausladung einer BDS-nahen Künstlerin Ende letzten Jahres offenbar mit der vorzeitigen Beendigung ihres Vertrags büßen müssen, verantwortlich war Landesministerin Christine Streichert-Clivot (SPD).
Geraldine Rauch wiederum, die TU-Präsidentin und Nasenringträgerin, ist noch aus einem anderen Blickwinkel von Interesse. Sie ging im Februar das „Netzwerk Wissenschaftsfreiheit“ mehrfach an. Den Verein, der sich gegen das Canceln an Hochschulen einsetzt, stärke „das Narrativ der Neuen Rechten, Rechtsextremist*innen und anderer verfassungsfeindlicher Organisationen“. Sie bedauert, dass auch Wissenschaftler ihrer Hochschule dem Verein angehören. (Mit Israelfeinden an der TU dürfte sie hingegen keine Probleme haben.) Rauch nannte beispielhaft Prof. Gisela Müller-Plath, die daraufhin eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Rektorin einreichte. Das „Netzwerk Wissenschaftsfreiheit“ sieht in Rauchs Anwürfen eine „Täter-Opfer-Umkehr“.
Göttingen gegen rechts
Mit der Freiheit an Unis ist das so eine Sache. CDU-Bundestagsabgeordnete Mareike Wulf konnte am Mittwoch ihren Vortrag „Identität auf dem Prüfstand: Selbstbestimmung ohne Grenzen?“ an der Universität Göttingen nicht halten. In der südniedersächsischen Antifa-Hochburg hält man Wulfs Standpunkte für „transfeindlich“, Störer ließen die Politikerin nicht zu Wort kommen. Schließlich wurde die Veranstaltung abgebrochen. Laut dem örtlichen Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) als Organisator „durchbrachen ca. 50 bis 100 Randalierer die Einlasskontrolle und stürmten den Hörsaal!“, „Trillerpfeifen, laute Musik und Gebrüll“ hätten die Diskussion verunmöglicht.
ABIhu akbar
Noch mal zurück zu israelfeindlichen Aktionen: Das Berliner Gymnasium Tiergarten hat seine Abiturfeier abgesagt, weil 50 der 120 Schüler sich in einer WhatsApp-Gruppe verabredet hätten, die Gelegenheit für einen „Protest“ mit Palästinensertüchern zu missbrauchen. Deshalb war auch die Abi-Mottowoche bereits untersagt worden. Wie Bild berichtet, hätten Eltern angeboten, „aus eigener Tasche Sicherheitsleute für die Zeremonie zu bezahlen“, was der Schule aber offenbar auch zu heikel wäre. Nach einem angemessenen Rahmen für die Übergabe der Abi-Zeugnisse wird noch gesucht. Vielleicht böte sich an, vom Tiergarten nach Neukölln in die Sonnenallee auszuweichen.
Auf den Hund gekommen
Nun zum unreinen Tier. Kennen Sie Hunde-Influencer? Auch so etwas gibt es, auch damit kann man sein Geld verdienen. Zwar sollen Vierbeiner nicht direkt beeinflusst werden, aber wenn man Internetcontent über Hundehaltung erstellt, können sich durchaus Werbepartner finden. Im Falle von Diana Oldenburg alias el.chabbo und Hundetussi, die sich u.a. auf Instagram und YouTube bewegt, wurden kürzlich Unternehmen wie ein Hundefutter-, ein Hundebettenhersteller und ein Hundekrankenversicherer kampagnenartig mit der Frage konfrontiert, ob sie weiterhin mit der jungen Frau zusammenarbeiten wollen. Denn so unterstütze man „rechte Propaganda“. Weshalb? Nennt Oldenburg etwa einen Schäferhund namens Blondi ihr Eigen? Nicht ganz. Ihr eigener Content ist dabei gar nicht das Problem. Aber ihr Lebensgefährte gilt als „rechts“, nämlich Kolja Barghoorn, der den YouTube-Kanal Aktien mit Kopf betreibt.
Barghoorn ist vom Finanzyoutuber zur tagespolitischen Information und Kommentierung übergegangen, erzielt mit mehreren täglichen Videos je sechsstellige Aufrufzahlen. Er beschreibt sich als libertär bzw. klassisch liberal, sieht in der AfD derzeit „das kleinste Übel“ in der deutschen Parteienlandschaft. Wenige Wochen vor der EU-Wahl erschien ein kurzes Video auf Barghoorns TikTok-Kanal, in dem eine Frau ihn und einen weiteren Herrn fragt, wofür sie denn votieren sollen, was er nicht klar beantwortet. Dabei öffnet er aber schmunzelnd eine Flasche mittels eines AfD-Zollstocks. Als nicht sichtbare Fragestellerin agierte dabei offenbar seine Freundin Oldenburg, mit der er auf Mallorca wohnt. Solche „Verstrickungen“ des Paares nahm man zum Anlass, gegen die in Hunde-Influencerin vorzugehen, die auf ihren eigenen Kanälen weitgehend „unpolitisch“ bleibt.
Dabei tat sich auch Ina Wingender mit ihrem Kanal mops_aktivismus hervor. Für Oldenburg eine Mitbewerberin im Hunde-Influencing, die unlauteren Wettbewerb betreibt, wenn sie ihren Sponsoren die Online-Meute auf den Hals hetzt und damit ihr Geschäft schädigt. „Mit Hilfe ihrer Posts wollte sie mich als Konkurrentin in ein schlechtes Licht setzen und offenkundig einen wirtschaftlichen Vorteil erzielen“, so Oldenburg. Auf eine Unterlassungsaufforderung Oldenburgs folgte ein Spendenaufruf zugunsten Wingenders, um „klare Kante gegen Rechts [i.O. fett] zu zeigen“ und die eigene „Meinungsfreiheit“ in Form solcher Kampagnen zu sichern. Auch der fernsehbekannte Hundetrainer Martin Rütter unterstützte den Aufruf, wie Apollo News berichtet. Nun gab ein Landgericht Barghoorn-Freundin Oldenburg recht, ihr zufolge in allen Punkten. Da sie wohl bereits Werbepartner verloren hat, stellt sich auch die Frage nach Schadenersatz.
Werte über Werte
Zwei Landesverbände der Werteunion wollten von Civey Umfragen durchführen lassen, wie die Partei mitteilt. Für das Meinungsforschungsunternehmen, das nach eigener Aussage „Werten wie Innovationsorientierung, demokratischer Teilhabe und Vielfalt folgt“, gehört sie aber zu den „Organisationen, die unseren Wertekanon nicht teilen“. „Aufgrund von Äußerungen des Parteivorsitzenden Hans-Georg Maaßen, die wir als nicht vereinbar mit unseren Werten betrachten“, lehnen die Demoskopen die Werteunion-Verbände in Sachsen und Thüringen als Kunden ab. Bei Civey ist schon eine personelle Nähe zur SPD festgestellt worden, das Unternehmen steht wissenschaftlich und wettbewerblich in der Kritik.
Brandgemauertes
Einen Cordon sanitaire zwecks Ausschlusses hat man bekanntlich um eine größere Partei errichtet, die sogenannte Brandmauer. Die kann auch zu Verwerfungen führen, die die AfD selbst gar nicht berühren, etwa innerhalb der CDU. Aktuell stehen in zwei Fällen aber andere Akteure im Fokus. Randolf Jobst trat jetzt als Landesvorsitzender des BSW im Saarland zurück, da seine Partei die Brandmauer nicht hoch genug gezogen habe. Die andere Landesvorsitzende aus der Doppelspitze, Astrid Schramm, soll sich Kooperationen des BSW mit der AfD auf kommunaler Ebene unterhalb von Koalitionen offen gezeigt haben, was sie bestreitet. Jobst vermisste auch eine hinreichend klare Äußerung der Bundespartei dazu. Linie des BSW scheint zu sein, zwar eine Zusammenarbeit mit der AfD zu verweigern, aber die Zustimmung zu deren Anträgen nicht grundsätzlich abzulehnen.
In Potsdam wollte man ein Abwahlverfahren gegen Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) einleiten. Die meisten Stadtverordneten möchten den OB loswerden, weil er unter Korruptionsverdacht steht. Allerdings war ein entsprechender überparteilicher Antrag auch von den AfD-Ratsmitgliedern unterzeichnet worden. Nachdem dies bekannt wurde, zogen Kommunalpolitiker anderer Fraktionen ihre Unterschriften wieder zurück. Vertreter von SPD, FDP und Grünen äußerten sich öffentlich dahingehend, dass man mit der AfD nicht gemeinsame Sache machen dürfte. Nur die CDU, berichtet der RBB, hätte das Anliegen trotzdem weiter verfolgen wollen. Damit steht hinter dem Antrag nicht mehr die erforderliche Mehrheit der Stadtverordneten. Konsequenz: Der Vorstoß ist gescheitert, Schubert muss sich vorläufig nicht einem Abwahlvotum der Wähler stellen.
Parteitag vor Gericht gerettet
Rein rechtlich darf der AfD-Bundesparteitag in der Essener Grugahalle Ende des Monats stattfinden. Die Stadt Essen holte sich mit ihrem Versuch, den Mietvertrag mit der Partei zu kündigen, vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen eine blutige Nase. Das hier schon erwähnte Gutachten des Soziologen Andreas Kemper, mit dem die Ruhrgebietsmetropole eine nachträgliche Vertragsänderung rechtfertigen wollte, bezeichnete das Gericht als „untauglich“ und „nicht wissenschaftlich“. Nachdem – wie die Zeit berichtete – mehrere Anwaltskanzleien der Stadt von ihrem Vorgehen abgeraten hatten, ließ sie von Kemper ein laut Nius „mit zahlreichen Rechtschreibfehlern gespicktes Gutachten“ anfertigen, das vor allem Material enthalte, das vorher schon auf seinem Blog zu finden war. Immerhin 3.900 Euro habe der langhaarige Linke, „der sich mit polemischer Kritik gegen die AfD einen Namen in der Antifaszene gemacht hat“ (Junge Freiheit), dafür erhalten. Davon könnte er sich hunderte Kästen Sternburg zum Verzehr in Bahnhofsnähe gönnen. Es gibt eben Leute, „die offenbar mittlerweile jeden linken Spinner für eine seriöse Quelle halten“, wie Kollegin Cora Stephan schon vor mehr als zehn Jahren in Sachen Kemper schrieb. Ob der AfD-Parteitag aber tatsächlich ordnungsgemäß durchgeführt werden kann, hängt davon ab, ob die Polizei angedrohte Blockade- und Sabotageversuche vereiteln kann.
AfD unterm Regenbogen
Auch kleinere, lokale Veranstaltungen der AfD gehen bekanntlich oft mit Ärger einher. So auch bei einem Bürgerdialog mit drei Bundestagsabgeordneten der Partei, der am Dienstag in Lehre in der niedersächsischen Provinz stattfand. Die Gemeinde Lehre hatte als Konter eigens eine „Aktionswoche für Vielfalt und Demokratie“ ins Leben gerufen. Parteienvielfalt und demokratischer Wettbewerb dürften dabei weniger eine Rolle spielen. Eine obligatorische Gegendemo wurde organisiert, die evangelische Kirchengemeinde lud Publizistin Liane Bednarz zu einem Vortrag darüber ein, „warum die AfD eine gefährliche Partei und deshalb nicht wählbar sei“. So richtig gezeigt hat die Gemeinde es der AfD aber auf andere Weise: Die kommunale Börnekenhalle, in der der Bürgerdialog stattfand, wurde kurzerhand temporär umbenannt, und zwar in „Regenbogenhalle“.
Zum hunderttausendsten Male Reitschuster
Reitschuster und Facebook – eine unendliche Löschgeschichte. „Tagesschau jetzt auch in einfacher Sprache: ‚Fernsehen von Doofen für Doofe‘? Ein Versuch, das Zielpublikum für die Propaganda zu erweitern“, so hatte der kritische Journalist Boris Reitschuster einen Beitrag von reitschuster.de in den Social Media angeteasert. Einige Tage später entfernte Facebook den entsprechenden Post, und zwar mit folgender Begründung: „Anscheinend hast du versucht, auf irreführende Art und Weise ‚Gefällt mir‘-Angaben, Follower, geteilte Inhalte oder Videoaufrufe zu generieren.“ Der Betroffene dazu: „Die Zensur auf Facebook (ausgelagert an Bertelsmann und Correctiv) wird immer dummdreister.“
Die Messe ist gesungen
Noch einmal zur Nahost-Thematik. Bis gestern fand die große Rüstungsmesse Eurosatory in der Nähe von Paris statt. Das französische Verteidigungsministerium hatte im Vorfeld einen israelischen Stand untersagt. Ende letzter Woche verbot ein Gericht sogar, dass Vertreter israelischer Unternehmen zu der Veranstaltung zugelassen werden. Israelfeinde hatten Völkerrechtsbrüche unterstellt. Dieser Ausschluss wurde am Dienstag, während die mehrtätige Veranstaltung bereits lief, durch zwei weitere Gerichtsentscheidungen aufgehoben, berichtet die Jerusalem Post. Rassemblement-National-Chef Jordan Bardella kritisierte bei einem Messebesuch, dass französische Stellen dem Ansinnen Hamas-naher Organisationen überhaupt nachgegeben hatten.
Sendung im Giftschrank
Zuletzt noch der Fortgang eines Falles: Vergangenen Dezember hatte der MDR einen Fernsehbeitrag aus seiner Mediathek entfernt, der sich kritisch mit Verunreinigungen bei Corona-„Impfstoffen“ beschäftigt. Zwischenzeitlich beschloss der behördlich-ostdeutsche Sender nach eigener Aussage, „dass der Beitrag nicht alle journalistischen Qualitätsstandards einhält“. Beobachter des MDR berichten nun, dass der Programmausschuss Leipzig der Rundfunkanstalt zu einem anderen Ergebnis gekommen sei: Die Reportage „verstieß nicht gegen die journalistische Sorgfaltspflicht“, wie bei einer Sitzung des MDR-Rundfunkrats verlautete. Daraus wurde offenbar keine Konsequenz gezogen, die anderslautende Warnung steht immer noch auf der Website, der Beitrag ist immer noch offline (aber z.B. hier zu sehen). Außerdem sei – den gleichen MDR-Beobachtern zufolge – senderintern massiver Druck auf die zuständige Redaktion ausgeübt worden, mit Befragungen und einem arbeitsrechtlichen Verfahren.
Und so endet der allwöchentliche Überblick des Cancelns, Framens, Empörens, Strafens, Umerziehens, Ausstoßens, Zensierens, Denunzierens, Entlassens, Einschüchterns, Moralisierens, Politisierens, Umwälzens und Kulturkämpfens. Bis nächste Woche!
Ein Archiv der Cancel Culture in Deutschland mit Personenregister finden Sie unter www.cancelculture.de. Um auch weniger prominente Betroffene aufnehmen zu können, sind die Betreiber der Website auf Hinweise angewiesen. Schreiben Sie ihnen gerne unter cancelculture@freiblickinstitut.de.
Christoph Lövenich ist Novo-Redakteur und wohnt in Bonn. Er hat zum Sammelband „Sag, was Du denkst! Meinungsfreiheit in Zeiten der Cancel Culture“ beigetragen.
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