Ausgestoßene der Woche: Professor, Pantera, Petition

Professor Günter Roth wurde von der Hochschule München abgemahnt, weil er seinen Studenten coronakritische Beiträge unter anderem von Achgut gezeigt hatte. Dem Arbeitsgericht München fiel daraufhin die Kinnlade herunter.

Wurde ein Professor abgemahnt, weil er „unwissenschaftliche“ Quellen wie Achgut.com benutzt hatte? Nein, das wäre eine unzulässige Zuspitzung des Sachverhalts. Prof. Günter Roth (oben im Bild) lehrt an der Hochschule (ehemals: FH) München im Bereich Soziale Arbeit. Nachdem er Ende 2021 die Corona-Politik in zwei Lehrveranstaltungen kritisch thematisiert hatte, folgte eine Denunziation seitens einzelner Studenten. Im Januar 2022 erteilte der Hochschulpräsident dem angestellten Hochschullehrer dann eine Rüge, die als „Ermahnung“ formuliert wurde. Nach Roths Aussage wurde ihm mit Kündigung gedroht.

Der Sozialwissenschaftler hatte seine Studenten auf einer Online-Lehrplattform dringend zu einer Diskussion über den damals geplanten allgemeinen Impfzwang angeregt und dabei auf einen Artikel aus seiner Feder im Rubikon hingewiesen sowie auf den bei Achgut.com publizierten, von ihm mitunterzeichneten Wissenschaftler-Aufruf zum Thema. Außerdem wurde dem Dozenten vorgeworfen, zu sehr seine eigene Meinung zu verbreiten und die Studenten entsprechend „instrumentalisieren“ zu wollen. Ein Vorwurf, der Roth wohl kaum ereilt hätte, wäre er mit Appellen für die Corona-Spritze hervorgetreten. Mehr Details aus Sicht des Betroffenen finden sich in seiner Stellungnahme von Ende November letzten Jahres. Für den Historiker Prof. Stephan Sander-Faes gehört der Fall zu einem von den US-Colleges nach Europa geschwappten Trend: „anonyme Denunziation, das Beanspruchen der eigenen moralischen Überlegenheit und die Forderung nach Zensur.“

Abmahnung vor Gericht

Letzte Woche hat das Arbeitsgericht ein München sein Urteil verkündet – eine lesenswerte Darstellung des Sachverhalts in seinen Einzelheiten und eine überzeugende rechtliche Einordnung. Bei der „Ermahnung“ handelt es sich um eine unrechtmäßige Abmahnung, die aus Roths Personalakte entfernt werden muss. Zu letzterem Schluss gelangt die erste Instanz, da die Abmahnung „unrichtige (nicht hinreichend recherchierte, nicht beweisbare, zu pauschale) Tatsachenbehauptungen enthält und zudem das Verhalten des Arbeitnehmers in Teilen unrichtig rechtlich gewürdigt ist bzw. reine Behauptungen oder subjektive Wertungen vorliegen und die Abmahnung teilweise auch in der Form der Äußerungen nicht verhältnismäßig ist.

So hatte die Hochschule sich einfach dem Urteil der Denunzianten angeschlossen, ohne zu überprüfen, wie Roths Studenten insgesamt die Vorgänge bewerten. Dass die Abmahnung den Professor mal eben in die Nähe verfassungsfeindlicher Agitation gerückt hatte, ließ dem Gericht die Kinnlade herunterfallen. Nach Auffassung des beklagten Freistaates Bayern habe Roth „seinen geschützten Bereich der Lehrfreiheit überschritten“, und zwar durch Rekurs auf Medien wie Achgut.com und Reitschuster.de, weil „es sich bei diesen Veröffentlichungen nicht um wissenschaftliche Quellen handele, da sie nicht der Vermittlung wissenschaftlichen Wissens dienen“. Dazu das Gericht: „Ein Verweis auf ‚kritische‘ Quellen [ist] nicht automatisch ein Verweis auf ‚unwissenschaftliche‘ Quellen“. Sieh an. Ob aber Roth die von ihm gewünschte Entschuldigung und Aufarbeitung seitens der Hochschule München erhält, muss bezweifelt werden.

Ohne Maaßen und Ziel

Nun also doch: Der juristische Fachverlag C.H. Beck trennt sich von Grundgesetz-Kommentator Hans-Georg Maaßen. In den letzte Woche ausführlichen geschilderten Fall ist weitere Bewegung gekommen. Die taz konstatierte anhand interner Mails „Bauchschmerzen“ beim Verlag, am Mittwoch verkündete dieser die Trennung vom früheren Verfassungsschutzpräsidenten. Man wolle sich „nicht in die Auseinandersetzungen der Tagespolitik verstricken“, zitiert die LTO. Aufgrund entsprechender Signale habe Maaßen seinen Vertrag am Dienstag selbst gekündigt, so der Verlag. Der Medienkampagne von Prof. Stefan Huster und Co. war also letztlich doch Erfolg beschieden. Nähme der Beck-Verlag Huster, der sich verabschiedet hatte, wieder als Kommentator auf, hätte er seine Selbstachtung endgültig verloren.

Safe Space in der Führerstadt?

Vom Ärger um ein Konzert der Band Frei.Wild in München konnte ich vergangenen Monat berichten. Nun gibt es Protest gegen den Auftritt der amerikanischen Metal-Band Pantera bei Rock im Park in Nürnberg. Monate vor dem für Anfang Juni angesetzten Festival erregt der Frontmann der Gruppe Anstoß, Phil Anselmo. Anselmo hatte nämlich 2016 bei einer Show in Hollywood dem Publikum den Hitlergruß entboten und „White Power“ gerufen. Er berief sich später darauf, das unter Substanzeinfluss nicht so gemeint zu haben und habe kurz danach eine Spende an das Simon Wiesenthal Center in Los Angeles entrichtet. Bestätigt ist, dass Anselmo kurz zuvor den schwulen Bassisten der Band King's X, den etwas dunkelhäutigen Afroamerikaner Doug Pinnick, auf den Mund geküsst hatte. Pinnick erklärt das Verhalten seines Musikerkollegen damit, dass Anselmo ein Typ sei, der sich öfters etwas übertrieben aufführe.

Kritiker weisen darauf hin, dass er sich schon 1995 auf einem Pantera-Konzert – der 2016er Vorfall ereignete sich unabhängig von der Gruppe – in einer Weise geäußert hatte, die einigen als rassistisch aufstieß. Was das Nürnberger Festival angeht, so gab es auf Instagram ablehnende Stimmen, und die Stadtratsfraktion der Grünen fordert eine Ausladung der Band, auch mit Bezug auf den Ort. Rock im Park, an dem über 70.000 Besucher teilnehmen, findet auf dem Zeppelinfeld statt, einem Teil des früheren Reichsparteitagsgeländes. Für Réka Lőrincz, Sprecherin der Fraktion „für Vielfaltsgestaltung“, „gegen Rechtsextremismus“ und so weiter „ein Ort der Täter und damit ein Ort der Mahnung“, der Auftritt von Pantera „überschreitet deutlich die Grenze des Tragbaren“.

Der Veranstalter hält daran fest und geht davon aus, „dass Phil Anselmos Verhalten von 2016 in keinem Fall die Ansichten der Band widerspiegelt und er sein Auftreten aufrichtig und tief bereut“. Außerdem sei „vertraglich gesichert, dass es zu keinerlei rassistischen oder anderen Diskriminierung vor oder hinter der Bühne kommen darf“. Die regionale DGB-Jugend zeigt sich damit unzufrieden – und woke: „Der Veranstalter muss sich fragen, auf welcher Seite er steht. Möchte er sich tatsächlich gegen jede Form von Diskriminierung positionieren, dann sollte es in seinem Interesse sein, People of Color und queeren Menschen einen sicheren Ort vor den Bühnen zu bieten und nicht ausschließlich profitorientierte Zielgruppenerschließung zu betreiben.“ Zur Zielgruppe dürften auch die Pantera-Fans unter den Gewerkschaftsmitgliedern gehören.

Eine Zensur findet statt

Eine Online-Petition gegen das sogenannte Selbstbestimmungsgesetz muss umformuliert werden, so die Plattform openPetition. Der Text zur Petition enthalte „Falschaussagen“ und eine „in die Irre führende Suggestion“. Der Petentin wurde dazu eine mehrtägige Frist eingeräumt. Das stößt bei Twitterern auf Kritik. „Ihr seid nicht die Inquisition, haltet euch aus der Urteilsbildung heraus und plappert nicht transaktivistische Meinung wieder“, heißt es dort beispielsweise.

Hey Kölle

Auch die Integration von innerdeutsch Zugezogenen kann stocken. Und damit sind ausnahmsweise mal nicht die Schwaben in Berlin gemeint. Sondern in diesem Fall eine „Imi“ in Köln, also eine „imitierte“ Kölnerin, wie man in der Domstadt die Nicht-Indigenen bezeichnet. Die Dame hat sich beim Lindner Hotel City Plaza, einem Vier-Sterne-Haus, über die „sexistische Außenwerbung“ der Hotelbar beschwert. Draußen ist nämlich ein Liedtitel einer der größten Karnevalsbands der Rheinmetropole zu lesen, „Blootwoosch, Kölsch un e lecker Mädche“ von den Höhnern. Die inzwischen 50 Jahre alte Band, die 2021 ihren Gitarristen wegen Teilen eines Facebook-Posts cancelte, veröffentlichte diesen Song bereits Ende der 1970er. Übersetzt lautet er: „Blutwurst, Kölsch und ein“, sagen wir mal, „schönes Mädchen“.

„Das Zitat […] suggeriert, Männer könnten neben Essen und Trinken bei Ihnen auch Mädchen ‚genießen‘“, empört sich jedoch die Zugezogene. „Ganz abgesehen davon, dass Mädchen eine Bezeichnung für minderjährige Frauen ist, empfinde ich das Zitat in seiner Message als nicht zeitgemäß und diskriminierend.“ Ein „lecker Mädche“ ist meist kein leichtes Mädchen. Ganz abgesehen davon, dass ein „Mädche“ im kölschen Sprachgebrauch kaum eine Altersgrenze nach oben kennt. Erst im sehr fortgeschrittenen Alter, so ein Experte, sei die Anrede „junge Frau“ üblicher. Vielleicht sollte sie sich ein wenig mit der kölschen Sprache beschäftigen. Das ist halt ein Dialekt“, rät ein Band-Mitglied der Dame. Wir bringen ihr gerne bei, wie wir in Köln feiern und wie die Worte zu verstehen sind“, erklärt ein Vertreter des Hotels. Bei der örtlichen Boulevard-Zeitung Express schüttelt man ebenso den Kopf. Das Lied „Immer freundlich lächeln“ wollen die Höhner jedoch nicht mehr spielen, wohl weil weniger Wohlmeinende es als Chinesen-Veralberung interpretieren könnten.

Karneval der Cancel-Kulturen

Damit sind wir nah beim Karneval. Dass es von den 600 Gästen einer Düsseldorfer Prunksitzung kein einziger gewagt hatte, sich als Indianer zu verkleiden, stößt der Bild-Zeitung sauer auf. Sie vermutet eine Folge der Debatten um „kulturelle Aneignung“. Das Blatt weiter: „Die Angst, mit frechen Witzen anzuecken, war bei vielen Künstlern zu spüren.“ Einer der Büttenredner, Willibert Pauels (Ne Bergische Jung) positionierte sich allerdings: „Man muss mit der Sprache vorsichtig sein, aber wenn man es übertreibt, dann wird’s Zensur. Der Witz steht über den Dingen. Nur Ideologen lachen nicht über sich selbst.“ So geschehen etwa vor sechs Jahren im Kölner Karneval, als ein namhafter Büttenredner gecancelt wurde und sich dann von der Bühne verabschiedete.

Bühne für Ganser?

Am vergangenen Montag und Dienstag hielt Daniele Ganser insgesamt vier Mal einen Vortrag im hessischen Bensheim. Dass der Schweizer Historiker, der durch antiamerikanische Thesen, insbesondere zu 9/11, bekannt wurde, im dortigen Bürgerhaus auftrat, wollten Gegner im Vorfeld verhindern. Ganser, Energiewendler und früherer Waldorfschüler, gilt in gewissen Kreisen als Guru und kann Säle füllen, in Deutschland nimmt er meist 30 Euro Eintritt. Feinde hat er sich nicht nur als „Verschwörungsideologe“, sondern auch durch kritische Kommentare zur Corona-Politik gemacht.

Im österreichischen Innsbruck verhinderte Bürgermeister Georg Willi (Grüne) jüngst einen Auftritt Gansers im örtlichen Kongresshaus. „Es kann nicht sein, dass der Bürgermeister etwas untersagt, nur weil es ihm nicht ins eigene Weltbild passt“, erwiderte sein FPÖ-Stellvertreter Markus Lassenberger. Ein Ganser-Termin im Steyrer Stadttheater wurde ebenfalls von der Stadtspitze vereitelt. Anders in Hessen, dort sprach der Schweizer unter dem Titel „Achtsam leben in einer unfriedlichen Welt!“ nicht zuletzt über den Ukraine-Krieg. Die Vortragsreihe wird von einem evangelischen Pfarrer namens Justus Keller organisiert, der schon durch „Sympathiebekundungen für Querdenker-Positionen […] Aufsehen“ erregt habe, dem aber die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau „bei gesellschaftlichen Themen großen persönlichen Handlungsspielraum“ zubillige, wie der HR schreibt.

Nach einem „Warnhinweis“ des staatlich finanzierten Beratungsnetzwerks Hessen sprang die Sparkasse Bensheim als Sponsor ab, angeblich „ohne inhaltliche Hintergründe“, auch der Energieversorger GGEW will mit dem Vortrag nichts zu tun haben und überlegt, aus der Unterstützung von Kellers Veranstaltungen auszusteigen. Kritik kam zudem von der Initiative Vielfalt Jetzt im Landkreis Bergstraße – der es offenbar nicht um die Meinungsvielfalt geht. Die Stadt Bensheim, Gesellschafterin des Bürgerhauses erklärt hingegen: „Solange der Vortrag sich innerhalb der von Verfassung und Strafrecht definierten Grenzen bewegt, sind auch schwierige oder schmerzhafte Meinungen und Ansichten zu tolerieren.“ Man wolle jedoch künftig in Absprache mit dem Pächter „bei der Auswahl der Mieter ‚noch sensibler‘“ sein.

Vax please, we’re British

Während Ganser für eine Aussage kritisiert wird, in der er die Ausgrenzung Ungeimpfter mit der Judenvernichtung im Dritten Reich in eine Reihe stellte, geht es bei einem britischen Unterhausabgeordneten um ein Zitat. Der Konservative Andrew Bridgen hatte in einem inzwischen gelöschten Tweet behauptet, ein Kardiologe habe ihm gegenüber ausgesagt, die Corona-Massen-„Impfung“ sei „das größte Verbrechen gegen die Menschheit seit dem Holocaust“. Daraufhin wurde er vorläufig aus der Fraktion ausgeschlossen.

Dem Parlamentarischen Geschäftsführer der Tories, Simon Hart, zufolge habe man nämlich stolz zu sein auf das Impfprogramm, und „Falschinformationen über die Impfstoffe verursachen Schäden und kosten Leben“. Letzteren Satz könnten sicherlich viele unterschreiben, aber es bezieht sich in diesem Kontext auf Bridgens inzwischen kritisch gewordene Haltung zur oktroyierten Spritze. Negativ zu seinem Parteifreund Bridgen äußerte sich auch Ex-Gesundheitsminister Matt Hancock, der ebenfalls einstweilen aus der Konservativen-Fraktion ausgeschlossen worden ist, allerdings aus einem anderen Grund: Hancock nahm an einer Staffel der britischen Ausgabe des Dschungelcamp teil.

Gegen Hast und Hass

Im Dezember behandelten wir den Shitstorm, der dem britischen TV-Moderator und Kolumnisten Jeremy Clarkson ins Gesicht wehte, nachdem er sich abfällig über Prinzengattin Herzogin Meghan geäußert hatte. Jetzt könnte sich Amazon Prime Video von Clarkson trennen wollen, der auf dem Streamingdienst Shows präsentiert. Dies berichtet Variety; Quellen des Magazins zufolge sollen laufende Projekte über 2024 hinaus nicht verlängert werden. Amazon Prime Video hat dieses Gerücht bisher weder bestätigt noch dementiert. Prinz Harry (oder Bürger Sachsen-Coburg und Gotha, wie man als traditionsbewusster Republikaner sagen würde) samt Gattin ließen jüngst verlauten, Clarksons Entschuldigung nicht zu akzeptieren. Sein einschlägiger Text sei nicht – wie behauptet – aus „Hast“, sondern aus „Hass“ entstanden, die TV-Persönlichkeit steht in den Augen der Ex-Hoheiten generell für „Hassrhetorik, gefährliche Verschwörungstheorien und Frauenfeindlichkeit“.

Schwarzen*gger

Und noch mal Großbritannien: Fußballtrainer John Yems wurde vom englischen Fußballverband (FA) bis Anfang Juni 2024 gesperrt. Anlass sind diverse Bemerkungen, die Yems, zuletzt Coach eines Viertligisten, gegenüber Spielern getätigt hat. Dabei ging es um moslemische Fußballer, die als Selbstmordattentäter Stadien in die Luft sprengen wollten und ähnlich gelagerte Sprüche gegenüber schwarzen Spielern oder solchen mit Wurzeln im indischen Subkontinent. Yems‘ Aussprache des Namens „Schwarzenegger“ wurde im Hinblick auf den vorletzten Vokal beanstandet. Er habe zwar nicht in rassistischer Absicht gehandelt, so die FA, aber die Äußerungen seien bei den „Opfern“ eben „beleidigend, rassistisch, islamophob“ rübergekommen. Und nur das zählt in woken Zeiten.

Pharma-Gezwitscher

Twitter Deutschland wurde Ende 2020 von BioNTech kontaktiert, um etwas gegen eine Kampagne zu unternehmen, die sich für eine weltweite Patentfreigabe der Corona-Spritzstoffe eingesetzt hat. Offenbar sah man an der Goldgrube schon die Felle davonschwimmen. Das US-Magazin Intercept hat jetzt entsprechende Korrespondenz ausgewertet. Der Hinweis auf eine solche Kampagne war vom Staat, genauer gesagt vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), gekommen. „Warum sich das BSI allerdings an Twitter wandte“, fragt sich pleiteticker.de. „Denn selbst wenn der Aufruf zur Freigabe von Patenten auf Twitter viral gegangen wäre, wäre dies nicht zum sicherheitsrelevanten Problem für Twitter geworden – womöglich aber zum Problem für die Interessen von Biontech.“

Zuständig war bei Twitter Deutschland die Cheflobbyistin Nina Morschhäuser, eine ehemalige Mitarbeiterin der Grünen-Bundestagsfraktion. (Näheres zu ihr hier.) Sie sorgte dafür, dass Mitarbeiter des Kurznachrichtendienstes während der Aktion ein Auge auf einschlägige Accounts und Hashtags warfen. (Weiteres beim investigativen Journalisten Lee Fang.) Morschhäuser verließ zum Jahresende – wohl wegen der Musk-Wende – den Konzern. Die üblichen Verdächtigen reagierten: Lars Wienand von t-online jammert und David Schraven, Chef der Correctiv-„Faktenchecker“, bedankt sich bei ihr.

Ye Ye Ye

US-Rapper Kanye West, der inzwischen den Namen Ye führt, trat vor Monaten mit einem „White lives matter“-T-Shirt auf und verstieg sich anschließend zu antisemitischen Tiraden. Studentin Sarah Ma verteidigte ihn auf der Plattform College Dissident mit teils wirren Aussagen. Gerade als Schwarzer habe er das Recht, Juden pauschal abzuqualifizieren, da ihm einzelne Juden wie sein früherer Fitnesstrainer und ehemalige Anwälte übel mitgespielt hätten. Gleichzeitig dürfe Ye aus christlicher Sicht Juden und Hitler gleichermaßen lieben. Die Tulane-Universität in New Orleans, wo Ma Finanzwissenschaft und Philosophie studiert, startete daraufhin eine Untersuchung, mit der ihr „Büro für studentisches Verhalten“ betraut ist. Freie Meinungsäußerung sei zwar wichtig, aber … Statt um eine inhaltliche Auseinandersetzung mit ihrem Artikel geht es hier wohlgemerkt um ihren Status als Studentin, der damit nicht unmittelbar zusammenhängt.

Schwarzer, nicht Alice

Ein anderer Schwarzer, der frühere Handballnationalspieler Christian Schwarzer hat dieser Tage mit einer Äußerung in seinem Podcastfür Aufregung gesorgt“. Dass bei der derzeitigen Handball-WM auch Schiedsrichterinnen im Einsatz sind, hatte er mit den Worten quittiert: „Keine Ahnung, wie man da auf die Idee gekommen ist, Frauen bei den Männern pfeifen zu lassen.“ Er sei „nicht so ganz begeistert“ davon. Daraufhin hagelte es Schelte. Neben Widerspruch erntete Schwarzer – Spitzname Blacky – auch Rügen: „Die Aussagen sind aus der Zeit gefallen und deplatziert“, so DHB-Präsident Andreas Michelmann. Auf die Kritik folgte aber nicht, wie wir fast schon gewöhnt wären, Selbstkritik. Im Gegenteil: „Ob das jetzt zeitgemäß ist oder nicht: es ist einfach meine Einstellung“, lautet seine Replik, in der er sich von Frauenfeindlichkeit distanziert. Was auch immer man von Schwarzers Position hält, er handelt nach einer Devise, die anderen ebenfalls gut zu Gesicht stünde: „Bisher bin ich in meinem Leben gut damit gefahren, dass ich immer zu den Dingen, die ich gedacht oder gesagt habe, gestanden habe.“

Anders H.P. Baxxter, Frontmann der Technoband Scooter. Er hat sich nicht getraut, Kritisches zur Corona-Politik zu äußern, wie er jetzt zugibt. Denn: „Wenn mal einer was gesagt hat, so wie Nena, warst du ja sofort im Verschwörungsbereich.“ Dafür wollte Baxxter seine Karriere nicht riskieren. Immerhin hat er sich geweigert, Konzerte mit Abstandsregeln für das Publikum zu spielen.

Und so endet der allwöchentliche Überblick des Cancelns, Framens, Empörens, Strafens, Umerziehens, Ausstoßens, Zensierens, Denunzierens, Entlassens, Einschüchterns, Moralisierens, Politisierens, Umwälzens und Kulturkämpfens. Bis nächste Woche!

Ein Archiv der Cancel Culture in Deutschland mit Personenregister finden Sie unter www.cancelculture.de. Um auch weniger prominente Betroffene aufnehmen zu können, sind die Betreiber der Webseite auf Hinweise angewiesen. Schreiben Sie ihnen gerne unter cancelculture@freiblickinstitut.de.

Foto: Bildschirmfoto/GR

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Leserpost

netiquette:

Andy Malinski / 20.01.2023

Oha - wenn die Höhner schon einen derartigen Rückzieher machen, dann ist es wohl auch bald mit Lehárs ‘Land des Lächelns’ vorbei ... Es ist erkennbar immer noch Luft nach oben!

Petra Kehr / 20.01.2023

@Marc Greiner Sie schreiben:  Ganser als Schweizer “Historiker” zu bezeichnen, also ohne Gänsefüsschen, ist schon ein bisschen gewagt was bei mir unweigerlich die Frage aufkommen lässt, wie man einen in Geschichte promovierten Absolventen einer Schweizer Universität korrekt als “Historiker” beschreiben könnte. Gewiss steht es jedem Forumsteilnehmer hier frei, seine kognitiven Limitierungen auszustellen. Nur, in dieser Jahreszeit, haben Sie nicht doch Bedenken wegen Bodenfrost? Achtung: Ironie.

T. Merkens / 20.01.2023

Gibt es eigentlich einen qualitativen Unterschied zwischen den Bezeichnungen “antiamerikanische Thesen” (Antiamerikanismus) und z. B. “antimuslimischer Rassismus” oder “Transphobie”? Ich sehe keinen.

finn waidjuk / 20.01.2023

Früher war es an der Uni München der Hausmeister, der für das Denunzieren zuständig war, heute übernehmen die Studenten diese für Deutschland so wichtige Funktion. Schon interessant, wohin sich der Wissenschaftsstandort Deutschland entwickelt hat. Da ist es doch beruhigend zu wissen, dass die Unileitung ihren Standpunkt stets beibehalten hat. Semper idem.

T. Schneegaß / 20.01.2023

@Marc Greiner: “Zu erwähnen wäre aber noch, dass er vor allem durch pro-russische Positionen auffällt…” Nein, ist es denn möglich? Dann müssen Gänsefüßchen natürlich sein. Genau wie beim “Historiker” Osthold.

Christoph Lövenich / 20.01.2023

@Marc Greiner: Ganser ist nun einmal promovierter Historiker. Und das Prorussische möglicherweise nur aus seinem Antiamerikanismus abgeleitet.

Ludwig Luhmann / 20.01.2023

@Hjalmar Kreutzer / 20.01.2023 - “Holocaustvergleiche sind immer problematisch.”—- Absolut jeder Holocaustvergleich ist immer völlig legitim. Was Sie meinen, wären Holocaustgleichstellungen.

Gerhard Schmidt / 20.01.2023

“Pantera” ist eher ein Fall für den Drogen- als für den Antisemitismusbeauftragten… Die wollen ja alle beschäftigt sein!

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