Kolja Zydatiss / 30.10.2020 / 11:00 / Foto: Louis Feuillade / 24 / Seite ausdrucken

Ausgestoßene der Woche: Polizisten, Eric Schweitzer, Klaus Reinhardt, Rowling-Plakat

Neun Polizisten in Nordrhein-Westfalen (NRW) haben sich erfolgreich gegen absurde Rechtsextremismusvorwurfe gewehrt. Wie die Süddeutsche Zeitung (SZ) berichtet, hat das Verwaltungsgericht Düsseldorf vergangene Woche mit sofortiger Wirkung die Suspendierung einer Beamtin aufgehoben. Auf dem privaten Handy der Polizistin hatten interne Ermittler angeblich eine Datei mit „Hitlerbildern“ gefunden, und das als „schwerwiegendes Dienstvergehen“ gewertet. Später stellte sich heraus, dass es sich bei dem inkriminierenden Material wohl um ein Standbild aus einem Youtube-Video handelte, in dem ein als Hitler kostümierter Mann mit Weihnachtsmütze und Rentiergeweih vor dem Foto eines deutschen Schäferhundes parodistisch abgeänderte Weihnachtslieder singt.

Das Gericht habe die Suspendierung aufgehoben, weil Hitler in dem Video „der Lächerlichkeit preisgegeben“ wird und es „äußerst fernliegend“ sei, dass die Beamtin allein durch die Kenntnisnahme des Bildes in einem WhatsApp-Chat bereits „den Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung verlassen haben könnte.“ Obendrein sei die Bilddatei bereits vor sieben Jahren versandt worden, und es bleibe unklar, ob die Polizistin das Bild aus dem Chat je betrachtet habe.

Anfang dieser Woche wurden vom selben Verwaltungsgericht aus ähnlichen Gründen acht weitere Suspendierungen von Polizisten aufgehoben. Alle diese Beamten gehören zu einer Gruppe von 31 Polizisten aus Essen und Mülheim/Ruhr, gegen die aktuell polizeiintern wegen mutmaßlich rechtsextremistischer Inhalte in Chats ermittelt wird. Im September wurden laut SZ auf dem Handy eines Teilnehmers der sogenannten Chatgruppe „Anton“ „wenigstens 126 Bilddateien mit strafrechtlich relevanten Inhalten“ gefunden, daraufhin habe man die Dienststellen und Privatwohnungen auch der anderen an dem Chat beteiligten Beamten durchsucht und dabei 43 Handys, 20 Laptops und neun Tablets sichergestellt. Den Polizisten wurde ihre Suspendierung offenbar mittels gleichlautender Bescheide mitgeteilt. Laut SZ wurde auch dieses „formularmäßige“ Vorgehen vom Verwaltungsgericht Düsseldorf bemängelt, da es nicht den Erfordernissen einer Einzelfallprüfung genüge.

Aufgrund „Kontaktschuld“ berufliche und andere Konsequenzen

Es mag den Leser überraschen, aber die Eilentscheidungen des Verwaltungsgerichts, mit denen die betreffenden Beamten nun wieder zum Dienst zugelassen sind, sind für sie wohl nicht das Ende der Geschichte. Wie die SZ berichtet, laufen die Disziplinarverfahren in allen 31 Fällen weiter. Offenbar versucht das Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten (LAFP), das für die Verfahren zuständig ist, im Fall der Polizistin, die zuerst geklagt hatte, die Geschichte so zu drehen, dass ihre Ermittler das Hitler-Video zwar durchaus als Parodie erkannt hätten, es bei den laufenden Ermittlungen aber auch um die Bewertung des Chatverlaufs im Umfeld der inkriminierenden Bilddatei gehe.

Auch der Innenminister von NRW, Herbert Reul, hat sich laut SZ für die Weiterführung der Ermittlungen ausgesprochen. „In allen Verfahren gilt die Unschuldsvermutung. Trotzdem sollte niemand Zweifel an meiner grundsätzlichen Entschlossenheit haben: Ich werde meine Null-Toleranz-Linie im Kampf gegen Rechtsextremismus in den eigenen Reihen weiter konsequent fortführen“, zitiert die Zeitung den Minister.

Nun kann es natürlich sehr gut sein, dass in dem untersuchten Chatverlauf tatsächlich straf- oder dienstrechtlich relevante Inhalte gepostet wurden. In diesem Fall müssen die betreffenden Beamten entlassen und gegebenenfalls angeklagt werden. Die Geschichte der Polizisten verdeutlicht aber auch einen sehr problematischen Aspekt des aktuellen Reinemachens „gegen Rechts“. Zunehmend müssen Menschen nicht wegen eigener problematischer Äußerungen oder Verhaltens, sondern aufgrund ihrer „Kontaktschuld“ berufliche und andere Konsequenzen fürchten.

Nochmal zum Mitschreiben: Ein „Hitler“ mit Mütze und Geweih, wurde vor sieben Jahren (!) einer Polizistin in einer WhatsApp-Gruppe zugeschickt. Reagiert hat sie darauf nicht, es ist noch nicht einmal klar, ob sie das Bild oder andere mutmaßlich problematischere Inhalte in dem Chat überhaupt gesehen hat. Wie die SZ mit Bezug auf den LAFP-Sprecher Victor Ocansey berichtet, gehörte die Beamtin nicht zu den Teilnehmern der Whats-App Gruppe, die sich besonders aktiv an dem Chat beteiligten. 

Vielleicht sah die Polizistin auch einige tatsächlich rechtsextreme oder rassistische Posts, die sie vielleicht persönlich missbilligte, blieb aber in der Gruppe, weil dort andere für sie relevante Informationen ausgetauscht wurden. In diesem Fall hätte sie sich falsch verhalten, weil es durchaus ihre Pflicht gewesen wäre, solches Verhalten ihren Vorgesetzten zu melden. In jedem Fall gibt es aber keinerlei Anhaltspunkte, dass sie selbst rechtsextreme Einstellungen teilt.

Aus Berlin hörte man bis vor einigen Jahren, dass Polizisten bei Rangeleien öfters mit ihren klobigen, völlig veralteten Funkgeräten zuschlugen (zur Kommunikation nutzten die Beamten lieber ihre privaten Handys). In der Polizei-NRW wird der „Kampf gegen Rechts“ offenbar mit ebenso grobschlächtigen Mitteln geführt. Aber das sollte nicht überraschen, denn einfache Polizeibeamte sind für die meinungsbildende „progressive“ Mittelschicht eine Gruppa non grata und stehen zunehmend unter einer Art Generalverdacht (in Berlin kehrt das neue Antidiskriminierungsgesetz bei Diskriminierungsvorwürfen gegen Polizisten, Lehrer, Richter und andere Landesbedienstete sogar faktisch die Beweislast um).

Eintritt für Existenzrecht Israels als „Kompetenzverstoß“

Interessanterweise kaum vom „Kampf gegen Rechts“ betroffen ist die in Deutschland grassierende „Israelkritik“. Das Bundesverwaltungsgericht (BVG) hat letzte Woche sogar offiziell festgestellt, dass der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) nicht öffentlich für das Existenzrecht Israels eintreten darf. Der aktuelle Inhaber dieses Amtes, Eric Schweitzer, hatte im Oktober 2016 der „Ostfriesen-Zeitung“ gesagt, dass das Existenzrecht Israels „unantastbar“ sei, und die Menschenrechtslage im Iran als „nicht hinzunehmen“ bezeichnet. Daraufhin verklagte ihn der Münsteraner Windkraft-Unternehmer Thomas Siepelmeyer wegen „Kompetenzverstößen“.

Wie die BILD-Zeitung berichtet, hat das BVG nun das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster gegen Schweitzer vom April 2019 mit Verweis auf das sogenannte „IHK-Gesetz“ bestätigt. Darin heiße es, dass sich Kammern und Dachverband nur zu wirtschaftlichen Dingen äußern dürften. „Sobald sich Schweitzer nun erneut positiv zum Existenzrecht des jüdischen Staates äußert, kann schon die einzelne Klage eines Mitgliedunternehmens zum Austritt der eigenen Industrie- und Handelskammer (IHK) aus dem DIHK führen“, erklärt BILD. Die IHK Nord Westfalen, in der auch Kläger Siepelmeyer Mitglied ist, habe sich bereits zu diesem Schritt entschieden und verlasse den DIHK.

„Provokation für alle #queer|en Menschen“

Wenn man sich schon nicht zu Israel bekennen darf, darf man sich dann zumindest zu der Harry-Potter-Schöpferin J. K. Rowling bekennen? Am Kölner Hauptbahnhof offenbar nicht. Das Internetportal Queer.de machte darauf aufmerksam, dass jemand auf einem dortigen Bahnsteig eine recht große Plakatwand gemietet und mit dem Schriftzug „I ♡ J K ROWLING“ versehen hatte. Das gefiel dem SPD-Bundestagsabgeordneten Karl-Heinz Brunner überhaupt nicht. Auf Twitter bezeichnete er das Plakat als „Provokation für alle #queer|en Menschen“. Es sei „hinlänglich bekannt, dass J. K. #Rowling gegen transidente Menschen hetzt“. Brunner forderte die Deutsche Bahn und das Unternehmen Ströer, das die Plakatwand betreut, auf, den anstößigen Schriftzug „umgehend“ zu entfernen. Schon am nächsten Tag konnte er auf Twitter Erfolg vermelden: „Heute Morgen hat mir die Fa. #Stroer zugesichert, dass das Plakat auf meinen Hinweis entfernt wird. Toll!“

Die britische Autorin Joanne K. Rowling hatte wiederholt auf Twitter zum Thema Transsexualität geäußert, dass sie das biologische Geschlecht als primäres identitätsstiftendes Merkmal betrachtet. Nachdem sie dafür als „Trans-feindlich“ angegriffen wurde, veröffentlichte sie im Juni dieses Jahres auf ihrer Internetseite eine Stellungnahme, in der sie eigene Erfahrungen häuslicher sexueller Gewalt beschrieb und wie diese ihre Haltung zur Geschlechtsidentität prägten. Auch dieses Statement wurde von Queer-Aktivisten als diskriminierend gegenüber „Trans-Menschen“ bewertet, viele Feministinnen stellten sich allerdings hinter Rowlings Aussagen.

Laut Berichten von britischen und kanadischen Medien wurden in den letzten Monaten auch an öffentlichen Orten in Edinburghund Vancouver „I ♡ J K ROWLING“ Plakate angebracht und nach Protesten wieder entfernt.

Eine vollendete Selbstkritik 

Interessant ist auch der aktuelle Fall des Präsidenten der Bundesärztekammer Klaus Reinhardt. Letzterer hatte vergangene Woche in der ZDF-Talkshow „Markus Lanz“ gesagt, dass er das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes in manchen Situationen befürworte. Allerdings sei er von den Alltagsmasken nicht überzeugt, „weil es auch keine tatsächliche wissenschaftliche Evidenz darüber gibt, dass die tatsächlich hilfreich sind – schon gar nicht im Selbstschutz und wahrscheinlich auch nur ganz wenig im Schutz, andere anzustecken“. An einer Stelle in der Sendung sprach der Ärztekammer-Chef von einem „Vermummungsgebot“.

Diese Äußerungen sorgten für heftige Kritik. Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach, der sich bekanntlich selbst für die höchste Instanz in Sachen Covid-19 hält, bezeichnete sie z.B. in einem Tweet als „unentschuldbar“ für den „ranghöchsten deutschen Ärztefunktionär“. „Aus meiner Sicht ein Rücktrittsgrund, wenn er das nicht sofort zurücknimmt“, schrieb er weiter. Kritik kam auch von der Vorsitzenden der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, Susanne Johna.

Nach nur zwei Tagen ist der Mann, wie es im unvermeidlichen Journalistendeutsch heißt, „zurückgerudert“. Laut tagesschau.de teilte Reinhardt mit, dass die aktuelle Evidenz aus vielfältigen Studien für einen Nutzen des Mund-Nasen-Schutzes spreche. Aus diesen Daten resultiere die „klare Empfehlung“ zum Tragen einer Maske. Die „erheblichen Irritationen“, zu denen seine Aussagen geführt hätten, bedauere er sehr. Es sei niemals seine Absicht gewesen, die Gefahren der Pandemie zu bagatellisieren. Alle Regeln, die dazu dienten, eine Überlastung unseres Gesundheitswesens abzuwenden, unterstütze er „vorbehaltlos“.

Eine vollendete Selbstkritik, mit der Reinhardt nun hoffentlich wieder in den Kreis der Guten und korrekt Denkenden aufgenommen wird.

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Leserpost

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Hans Buschmann / 30.10.2020

Selbstkritik- Das gab es in China während der Kulturrevolution. Und zwar unter den entwürdigsten Umständen - inklusive Folterungen, bis hin zum Mord an den - meist älteren Menschen - durch fanatische junge Rotgardisten. Ganz so weit ist es bei uns noch nicht, aber das Modell ist deutlich sichtbar.

Horst Jungsbluth / 30.10.2020

In Berlin, wo alles noch viel verrückter ist, hat gerade gestern die RBB-Abendschau mit triefender Empörung über zwei Polizeibeamte berichtet, die heimlich von Denunzianten in einem Laden gefilmt wurden, wo sie einen alten Volksempfänger, an dem noch eine Hakenkreuzplakette angebracht war, erstanden. Warum berichtet der RBB, wo zu Zeiten des SFB der grüne Abgeordnete Dirk Schneider alias IM Ludwig jahrelang dafür sorgte, dass man nicht nur hinter vorgehaltener Hand von Radio Normannenstraße redete, nicht darüber, dass der 1989 mit fürsorglicher Hilfe der Stasi gestartete SPD/AL-Senat nach einem Strategiepapier mit gefälschten Vorschriften und unzutreffenden Gründen unter schlimmstem Missbrauch der Verwaltungsgesetze unbescholtene Bürger wie Verbrecher jagte, während er diese zum Entsetzen der meisten Einwohner und zum immensen Schaden der Stadt den “roten Teppich” ausrollte? Warum schweigt dieser Sender und andere auch über solche und ähnliche Ungeheuerlichkeiten? Warum nur?

Lars Bäcker / 30.10.2020

Zu seiner Meinung, die man mal geäußert hat zu stehen, scheint vielen zu mühsam. Schade.

Nico Schmidt / 30.10.2020

Sehr geehrter Herr Kolja Zydatiss, so funktioniert Deutschland 2020. Entweder die richtige Meinung oder shitstorm bis gewendet wird! Wir sind so toll und gut in Deutschland. MfG Nico Schmidt

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