Zum AfD-Bundesparteitag konnten viele Delegierte nur unter Polizeischutz anreisen, die Uni Lüneburg lässt ein Fest ganz ausfallen und Japan will ein südkoreanisches Denkmal in Berlin entfernt sehen.
Am vergangenen Samstagmorgen in Essen „blieb es zuerst einmal sehr friedlich“, wie Polizeisprecherin Sylvia Czapiewski betonte. Erst um 5:45 Uhr – die Uhrzeit kennen wir irgendwoher – „kam es dann zu ersten gewalttätigen Störungen“. Denn der AfD-Bundesparteitag fand trotz aller Versuche, ihn zu verhindern, am Wochenende in der Ruhrgebietsmetropole statt. Vor der Grugahalle selbst wehten EU- und Regenbogenflaggen. Die U-Bahn-Haltestelle „Grugahalle/Messe Ost“ erfuhr eine temporäre Umbenennung in „#Vielfalt“, wurde aber aus Sicherheitsgründen am Wochenende gar nicht angefahren. Egal, der Wille zählt. In der Halle selbst lief auch alles glatt, obwohl es einen Aufruf an das Personal gegeben haben soll, der Arbeit fernzubleiben oder den Feueralarm zu betätigen, während die Delegierten tagten.
Mit wenig Verspätung begann der Parteitag, da AfD-Gegner kaum Teilnehmer lange an der Ankunft hatten hindern können. Das war allerdings nur einem gigantischen Polizeieinsatz mit langer Vorbereitung zu verdanken. Ohne weiträumige Absperrungen, Schlagstöcke, Pfefferspray und Eskortieren vieler Delegierter zur Grugahalle hätte es ganz anders aussehen können. In mindestens einem Fall standen schon in der Nähe des Hotels Gruppen, die die Delegierten auf dem Weg zum Tagungsort beschimpften, bedrängten und blockieren wollten. Die Vizevorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion, Beatrix von Storch, wurde mit einigem Polizeiaufwand zu ihrem Auto gebracht. Aggressive umstellten eine Bäckerei, in der sich drei Delegierte aufhielten, Maskierte wollten andere umzingeln und am Weitergehen hindern. „Polizeilich beaufsichtigter Spießrutenlauf für Menschen mit der ‚falschen‘ Meinung“ nennt dies der kritische Journalist Boris Reitschuster.
Zwei Parteitagsteilnehmer aus Rheinland-Pfalz mussten nach eigenen Angaben zwei Stunden in ihrem Auto ausharren, in einer Seitenstraße „eingekesselt vorne und hinten von diesen Linksradikalen“, weil die Polizei Zeit brauchte, um genügend Verstärkung zu organisieren, die die Damen sicher zum Parteitag geleiten konnte. NRW-Landtagsabgeordneter Sven Tritschler beschwerte sich, von der Polizei direkt in einen Antifa-Blockadeversuch dirigiert worden zu sein. Auch verschiedene Medienvertreter wurden vor Ort gewaltsam angegangen, so Sebastian Weber alias Weichreite, ein YouTube-Streamer mit AfD-Parteibuch (hier und hier), oder nach Darstellung der Jungen Freiheit einer ihrer Reporter vor der Halle. Sogar den Mainstream erwischte es, eine Tagesspiegel-Redakteurin wurde als „Fascho beschimpft“ und „fünf Mann stürzten sich auf eine 1,60 Meter große Kollegin vom Deutschlandfunk“, berichtet die Zeit.
Dass es nicht zu Verletzten unter den Delegierten kam, dürfe nur dem massiven Polizeiaufgebot geschuldet sein. Allerdings wurden 28 Polizisten in der Auseinandersetzung mit brutalen AfD-Hassern verletzt, einer davon schwer. Gegen einen Mann, der auf am Boden liegende Beamte eintrat, wird öffentlich gefahndet. „Ich danke den Einsatzkräften, die wortwörtlich ihren Kopf hinhalten, um unsere Demokratie zu schützen“, erklärte NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst. „Die Einsatzkräfte müssen ihren Kopf zum Schutz der demokratischen Opposition gegen gewalttätige Linksextremisten hinhalten, die von Politikern wie Ihnen und Medien jahrelang ‚gegen Rechts‘ aufgeputscht wurden“, antwortete Sylvia Kaufhold von der Werteunion. Wüst hatte die Demos an sich aber gelobt, die örtliche CDU vorher mit dazu aufgerufen. Wer Hass gegen die AfD sät, „erntet Gewalt“?
Selbstverständlich darf man friedlich gegen einen Parteitag demonstrieren (habe ich selbst schon getan). Ihn zu verhindern suchen, Oppositionelle zu belagern und einschüchtern zu wollen, zeugt jedoch von undemokratischem Geist. „Diejenigen, die angeblich die Demokratie retten wollen, jagen nun Menschen durch die Straßen“, kommentiert Ali Utlu. Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU) hat gewiss keinem Polizisten gegen den Kopf getreten oder in diesem Kontext „ein Baum, ein Strick, ein Nazigenick“ gebrüllt. Mit seiner versuchten Kündigung des Parteitags handelte er selbst allerdings auch nicht gerade rechtskonform. Und die AfD dämonisiert, ihr ein „undemokratisches und menschenfeindliches Weltbild“ unterstellt, hat er auf einer Gegendemo am vergangenen Samstag. Diesen vorläufigen Höhepunkt der deutschen Anti-Rechts-Bewegung konnte letztlich nur ein Bündnis zwischen Mob und Elite erreichen.
Carpe diem
Dazu passt, dass die Universität Lüneburg ihren Dies Academicus abgesagt hat, der am Mittwoch hätte stattfinden sollen. Zu diesem großen Festakt waren neben anderen Politikern auch zwei AfD-Parlamentarier eingeladen, der Bundestagsabgeordnete Frank Rinck und die Vorsitzende des Wissenschaftsausschusses im niedersächsischen Landtag, Jessica Schülke. Daraufhin wurde eine Protestdemo angemeldet, zu der auch der AStA aufrief. Aufgrund von Sicherheitsbedenken und wegen internen Diskussionsbedarfs hat die Uni ganz kurzfristig die Veranstaltung komplett gecancelt. Künftig werde man möglicherweise nicht mehr Vertreter aller relevanten Parteien einladen, sondern erwägt anscheinend, gewählte AfDler außen vor zu lassen.
Zu Tode zensiert
Gleich zwei Fälle führen uns in eine andere Universitätsstadt, und zwar nach Heidelberg. Der YouTube-Kanal der dortigen Initiative für Demokratie und Aufklärung (IDA) war einige Tage lang gesperrt. In einem Video des auch bei Achgut erscheinenden Formats Sprechstunde mit dem Mediziner Dr. Gunter Frank und dem Biologen Dr. Kay Klapproth seien laut Googles Video-Plattform nämlich „medizinische Falschinformationen“ verbreitet worden. Welche das sein sollen, verrät YouTube natürlich nicht. Es ging um die Folge „Zu Tode beatmet“. Die IDA betont, „dass wir zu allen unseren Beiträgen wissenschaftliche Quellen angeben“. Ironischerweise bedeutet die derzeitige Funktionseinschränkung des Kanals, dass in den Videobeschreibungen keine Links mehr gepostet werden können, also auch keine zu den jeweiligen Quellen. Die neue Folge der Sprechstunde ist wegen der Sperre erst mit mehreren Tagen Verspätung auf dem IDA-YouTube-Kanal erschienen, auf der Plattform Odysee z.B. kam sie pünktlich. Klapproth spricht von „Zensur“: „Es ist unwürdig in einer Demokratie, dass Menschen davon abgehalten werden, sich selber zu informieren.“
Wieder vereint?
Achgut-Autor Gunter Frank besetzt übrigens das Mandat im Heidelberger Gemeinderat, das die IDA bei den Kommunalwahlen letzten Monat erringen konnte. Dort zieht auch Albert Maul von der AfD ein, anstelle eines anderen Kandidaten seiner Partei. Im vergangenen Jahr hatte ich Ihnen berichtet, dass Maul aus dem Stadtteilverein Neuenheim geworfen wurde – mit fragwürdiger Begründung und nach einem zweifelhaften Verfahren. Es ging gleich vors Landgericht Heidelberg, dort konnte Maul nun einen Sieg erzielen. Dem Urteil zufolge war sein Rausschmiss durch den Vorstand rechtswidrig, weil ein Funktionsträger nur von der Mitgliederversammlung, die ihn gewählt hat, aus dem Verein ausgeschlossen werden darf. Sein anschließender Rausschmiss durch eben dieses Organ war ebenfalls rechtswidrig, weil die Vorwürfe nicht ausreichend begründet und belegt worden waren, was dem Betroffenen eine angemessene Verteidigung verunmöglichte. Von einem fairen Verfahren, so der Richter, konnte keine Rede sein.
Sollte das Urteil rechtskräftig werden, gehört der Heidelberger weiterhin dem Verein an, was dieser dann auch öffentlich bekanntgeben muss. Der Stadtteilverein kann freilich versuchen, Maul erneut auszuschließen – diesmal formal korrekt. Das könnte aber wiederum scheitern. Denn das Gericht deutet unmissverständlich an, dass der Rausschmiss – materiell betrachtet – zumindest überzogen sein dürfte. Als Kern der im Raume stehenden Vorwürfe sieht es ein Gespräch an, bei dem Maul sich angeblich als Vorstands- statt als Beiratsmitglied des Vereins ausgegeben habe – wobei sein Gegenüber wusste, dass er damals dem Beirat angehörte. Diese Provinzposse ausgelöst hatte „eine Kampagne einzelner Stadträte und der Rhein-Neckar-Zeitung“, so der erwähnte Gunter Frank. Man stieß sich offenbar daran, dass sich ein AfDler ehrenamtlich seit Jahren in einem Stadtteilverein engagierte.
Keine Kündigung für Potsdam
Einen Erfolg vor Gericht erzielte auch Simone Baum. Die Teilnehmerin des geheimsten aller Potsdamer Remigrationsgipfel im letzten Jahr hat vor dem Kölner Arbeitsgericht Recht bekommen: Die außerordentliche Kündigung durch die Stadt Köln ist unwirksam (Achgut berichtete). Wie schon thematisiert, sollte die 64-jährige Baum alleine deshalb ihren Job im Kölner Umwelt- und Verbraucherschutzamt verlieren, weil sie auf der Konferenz war. Die bloße Anwesenheit bedeutet allerdings noch kein „Eintreten für verfassungsfeindliche Ziele“, führt das Gericht aus. Baum war jedenfalls damals Mitglied der CDU, die ein Ausschlussverfahren gegen sie eröffnete, sowie der Werteunion als Verein, und bekundete zwischenzeitlich, auch der Partei Werteunion beitreten zu wollen. Seit 2000 ist sie bei der Kölner Stadtverwaltung angestellt.
Wie politisch darf’s denn sein?
Erst nach gerichtlicher Klärung durfte – wie hier behandelt – Florian Warweg wieder zur Bundespressekonferenz. Gestern hätte der Hauptstadtkorrespondent der Nachdenkseiten in Mannheim einen Vortrag unter dem Titel „Medien, Macht und Manipulation. Ein Blick hinter die Kulissen der Bundespressekonferenz“ halten sollen. Als Veranstalter trat der örtliche Gesprächskreis dieses Alternativmediums auf. Sechs Tage vorher sagte das als Örtlichkeit vorgesehene Wirtshaus Uhland plötzlich ab. Zur Begründung habe es geheißen, die Sache sei auf einmal „‚zu politisch‘“. „Jetzt lässt sich trefflich spekulieren, wer hier konkret Druck ausgeübt hat“, so Warweg.
Achsenmacht mischt sich ein
Ende letzten Jahren hatte ich Ihnen von einem Mahnmal im Schwebezustand berichtet, das in Köln für die Opfer des Genozids an den Armeniern aufgestellt wurde, und „vielfältigen Interessen“ zum Opfer fallen sollte, wie denen türkischer Nationalisten. Gewisse Ähnlichkeiten weist das Schicksal der Friedensstatue in Berlin-Moabit auf. Das Kunstwerk erinnert dort seit 2020 an die sogenannten Trostfrauen, von der japanischen Armee in Pazifik- bzw. Zweitem Weltkrieg zur Prostitution rekrutierte Frauen und Mädchen. Offenbar waren dabei Zwangsprostitution und Missbrauch an der Tagesordnung. Die Trostfrauen stammten aus einer Reihe von Ländern dieser Weltregion, vor allem in einem spielt das Thema seit Jahrzehnten eine Rolle: Südkorea. Die Bewältigung dieser sensiblen Vergangenheit stellt beide Länder vor gewisse politische und rechtliche Herausforderungen.
So betreut denn auch der Korea-Verband das Denkmal in Berlin, dessen Dauerhaftigkeit nicht gesichert ist. Die japanische Regierung, die 2016 schon eine entsprechende Statue in Freiburg verhindert hatte, intervenierte 2020 beim damaligen Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD), woraufhin das Bezirksamt Berlin-Mitte das Kunstwerk entfernen wollte. Aufgrund von Protesten konnte es einstweilen bleiben, die Frist wurde 2022 verlängert, aber nun wird ein neuer Versuch unternommen, es loszuwerden. Zuständig ist Bezirksbürgermeisterin Stephanie Remlinger – eine in dieser Kolumne schon mehrfach erwähnte schwäbische Grüne.
Anlass dafür: Der Berliner Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) war im Mai in Tokio, wo er auch mit der japanischen Außenministerin sprach. Wenn die sich herablässt, mit dem Vertreter einer berüchtigten Schmuddelstadt vom anderen Ende der Welt zu reden, dann natürlich nur wegen eines wichtigen Anliegens: der überschaubar großen Trostfrauen-Friedensstatue an einer eher unspektakulären von Berlins 1000 Ecken. Wegner lässt mitteilen, „er setze sich dafür ein, dass es ein Denkmal gegen Gewalt an Frauen gebe, aber eine einseitige Darstellung dürfe nicht mehr stattfinden“. Einseitig? Na, das ist wohl wie bei der Corona-Aufarbeitung: „Es wurden Fehler auf beiden Seiten gemacht.“ Und die „Unterdrückung aller antijapanischen Aktivitäten“ hatte das Land des Lächelns schließlich schon 1937 von China gefordert. Der Korea-Verband wünscht sich jetzt in einer Online-Petition den Erhalt des Denkmals.
Gedenktag ohne Parlamentspräsident
Apropos Gedenken: Am Montag wurde in Amsterdam der Sklavereigedenktag Ketikoti begangen, und zwar ohne den Präsidenten der Abgeordnetenkammer (Zweiten Kammer), Martin Bosma. Wie vor zwei Wochen berichtet, hatte es Proteste gegen die Anwesenheit des PVV-Parlamentariers gegeben, weil er wenig woke Positionen zur Geschichtspolitik und Erinnerungskultur vertritt. Bosma, laut Alpen-Prawda „ein Kulturkampfsoldat […], getreuer Helfer von Geert Wilders und identitärer Hardcore-Ideologe“ wurde nämlich von der gedenkveranstaltenden Organisation ausgeladen, dem Nationalen Institut Niederländische Sklavereigeschichte und -erbe (NiNsee). Dessen Chefin Linda Nooitmeer hatte von Bosma zunächst verlangt, seine Ansichten zu „reflektieren“ und sich für frühere Aussagen zu entschuldigen. Bosma hingegen vertritt den Standpunkt, sich als neutraler Parlamentspräsident nicht zu Aussagen einzelner Abgeordneter äußern zu dürfen, auch nicht zu seinen eigenen. Außerdem verriet der meist souveräne und zuweilen geistreiche Sitzungsleiter der Zweiten Kammer einem Reporter schmunzelnd, nur wenig zur Selbstreflexion zu neigen.
So lud ihn das NiNSee vom Gedenktag aus, wo er mit dem Senatspräsidenten zusammen einen Kranz hätte niederlegen sollen. Bosma entsandte auch keinen Vizepräsidenten, so dass eine der Parlamentskammern ohne offizielle Repräsentation blieb. Reichlich vertreten war hingegen das Rutte-Kabinett an seinem letzten vollen Amtstag. Eine Resolution, dass die Regierungsmitglieder aus Protest gegen die Bosma-Ausladung der Veranstaltung ebenfalls fern bleiben sollten, fand in der Zweiten Kammer keine Mehrheit. Diese bedauerte lediglich per Beschluss den Gang der Dinge. Am Dienstag trat dann die neue Regierung an, in der die PVV den größten Koalitionspartner stellt. Deren Chef Wilders hatte zuvor noch getweetet, dass er zum Ketikoti gehen und eine Rede halten könnte, dann würde man sich Bosma zurückwünschen.
Lesbischer Onkel am Weihnachtstisch
Die Kriminologieprofessorin Jo Phoenix von der Universität Reading in Großbritannien wurde auf einer Mailing-Liste für feministische Wissenschaftler stummgeschaltet. Phoenix hatte dort nach ihrer Darstellung Vorwürfen gegenüber einer lesbischen Organisation widersprochen, diese sei „anti-trans“. Daraufhin wurde die Mailingliste auf moderiert gestellt und Phoenix‘ Posts werden nicht mehr freigeschaltet. Die aus den USA stammende Wissenschaftlerin steht dem Genderismus kritisch gegenüber und gilt daher in woken Kreisen seit Jahren als „transphob“ – wie es so mancher lesbischer Feministin widerfährt. Aufgrund einer Kampagne gegen sie an ihrer früheren Hochschule, der Open University, gab sie ihre dortige Professur auf und wechselte nach Reading. Phoenix verklagte die Open University daraufhin erfolgreich wegen Mobbings. So hatte eine Verantwortliche dort sie mit dem „rassistischen Onkel am Weihnachtstisch“ verglichen. Im März schlossen die Prozessparteien einen Vergleich.
Inszenierte Indoktrination
Wieder zurück in hiesige Gefilde. Letztes Jahr war hier eine gescheiterte Klage der AfD gegen ein Schultheaterstück in Osnabrück, das die Partei negativ aussehen ließ und ihr zufolge gegen die Neutralitätsgebot verstoßen habe, Thema. Dem Gericht zufolge war das Stück von der Kunstfreiheit gedeckt und man hatte die AfD nicht eindeutig mit dem Holocaust assoziiert. In Stollberg im Erzgebirge beklagt man nun „Angriffe von rechts“ auf ein Jugendtheaterstück. Es geht um „Die Weiße Rose“, inszeniert von Falko Köpp und aufgeführt vom Theater Burattino. Das Stück, das sich auf die Geschwister Scholl bezieht, stand im vergangenen Halbjahr einige Male auf dem Spielplan; bei den Darstellern handelte es sich offenbar um Stollberger Gymnasiasten. Einige „rechtsgerichtete“ Schüler hätten sich über das Stück erregt und es als „linksradikale Indoktrination" gebrandmarkt. Eine fraktionslose Kreistagsabgeordnete (ehemals AfD) hätte sich dann des Themas angenommen.
Köpp zufolge sei dann in seine Inszenierung eingegriffen worden: Die AfD hätte nicht mehr genannt werden dürfen – welche Rolle sie im Kontext der Geschwister Scholl auch immer spielen mag –, und ein Hitler-Bild im Hintergrund durfte sich nicht mehr abwechseln mit Abbildungen von Putin, Xi und Höcke (!). Das Burattino ist übrigens aus einem DDR-Pioniertheater hervorgegangen. Die Leiterin des Kulturbetriebs des Erzgebirgskreises, Susanne Schmidt, bestreitet übrigens, dass es solche Eingriffe gegeben hat. Der Regisseur sieht sich jedenfalls als Opfer: „Nach Attacken von rechts musste der gesundheitlich angeschlagene Falko Köpp eine mehrwöchige Auszeit nehmen“, weiß der MDR. Mit „Attacke“ gemeint ist offenbar der hier dargestellte Vorgang. Als „Mitglied der Weißen Rose“ bezeichnet sich übrigens der bei einer Attacke anderer Art kürzlich schwer verletzte Michael Stürzenberger; er hatte sie nach eigener Aussage 2012 zusammen mit Scholl-Gefährtin Susanne Zeller-Hirzel wiederbelebt, diesmal zum Zwecke der Islamkritik.
Omas gegen Konto
Abschließend wieder etwas zum leidigen Thema Debanking. Die GLS-Bank kündigte dem Rechtsanwalt und Coronapolitik-Gegner Markus Haintz letzten Monat sein Konto – ohne Begründung. Es gehe darum, so Haintz, „Oppositionelle mundtot zu machen“. Die ursprünglich anthroposophisch geprägte Genossenschaftsbank hatte vor ein paar Monaten bereits das Magazin Manova vor die Tür gesetzt. Bei der Berliner Volksbank trifft es offenbar eine gewisse, heute wiederholt erwähnte Partei. Das Spendenkonto der AfD lief bisher über dieses Kreditinstitut, seit kurzem ist die Verbindung auf der Website des Bundesverbands nicht mehr zu finden. Anstoß war eine Online-Petition der Omas gegen Rechts zur Schließung dieses Kontos, die der Vorstandsvorsitzende der Bank persönlich entgegennahm. Sie lief über die Plattform inn.it unter Leitung von Gregor Hackmack, der 2010 Aufnahme im Young Global Leaders-Programm des Weltwirtschaftsforums (WEF) gefunden hatte.
Und so endet der allwöchentliche Überblick des Cancelns, Framens, Empörens, Strafens, Umerziehens, Ausstoßens, Zensierens, Denunzierens, Entlassens, Einschüchterns, Moralisierens, Politisierens, Umwälzens und Kulturkämpfens. Bis nächste Woche!
Ein Archiv der Cancel Culture in Deutschland mit Personenregister finden Sie unter www.cancelculture.de. Um auch weniger prominente Betroffene aufnehmen zu können, sind die Betreiber der Website auf Hinweise angewiesen. Schreiben Sie ihnen gerne unter cancelculture@freiblickinstitut.de.
Christoph Lövenich ist Novo-Redakteur und wohnt in Bonn. Er hat zum Sammelband „Sag, was Du denkst! Meinungsfreiheit in Zeiten der Cancel Culture“ beigetragen.
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