Eine Lesung des Schriftstellers Jörg Bernig in Regensburg wird mit fadenscheiniger offizieller Begründung abgesagt, eine migrationskritische ARD-Sendung sorgt für Empörung, und die Gewerkschaft ver.di vergrault einen AfDler.
In Bayern gelten die Vertriebenen als vierter Stamm (neben Altbayern, Franken und Schwaben). Das spiegelt sich auch darin wider, dass der Staat in Regensburg ein Sudetendeutsches Musikinstitut (SMI) betreibt. Auf einer SMI-Veranstaltung sollte gestern Abend der Schriftsteller Jörg Bernig aus seinem Buch Eschenhaus lesen. Ein früherer Roman aus seiner Feder hatte sich sudetendeutschen Schicksalen gewidmet. Doch die Regensburger Lesung wurde abgesagt. Dem Autor zufolge hat man ihm telefonisch mitgeteilt, dass die Oberpfälzer Bezirksregierung, bei der das SMI angesiedelt ist, den Daumen gesenkt habe. Und zwar, weil man im Internet nach ihm gesucht und er an nicht wohlgefälligen Stellen publiziert habe.
Warum hat man erst nach öffentlicher Einladung zur Lesung näher hingeschaut? Die Junge Freiheit (JF) vermutet einen üblichen Ablauf:
„In der Regel geht die Initiative nicht von subalternen Beamten aus, sondern es treffen bei ihnen Mails, Briefe oder Anrufe sogenannter Aktivisten ein. Man habe ein bisschen im Netz gestöbert und sei zufällig auf diese Person und jenen Termin gestoßen. Zufällig wisse man, dass dieser Künstler – dessen Werke man zwar nicht kenne – in unmöglichen Zusammenhängen auftauche und zitiert werde, und die staatsbürgerliche Pflicht gebiete es, darauf die Behörde aufmerksam zu machen. Vorsorglich werde man auch die Medien informieren, und möglicherweise komme es zu öffentlichen Protesten. Und dann geht alles seinen sozialistischen Gang.“
Eine weitere Wahl rückgänig gemacht
Wodurch ist Bernig ins Visier geraten? Der Sachse war ab 2015 mit Kritik an Deutschlands Ansiedlungspolitik aufgefallen und hatte die Aufklärung dagegen in Stellung gebracht. Dann erschienen Beiträge in den Zeitschriften Sezession und Tumult, und der Schriftsteller wurde als neurechts geframed. Bei der Schnellrodaer Sezession schrieb er, wie er betont, bevor der Verfassungsschutz den diese damals herausgebenden Verein als Verdachtsfall einstufte.
2023 diagnostizierte er: „Wir leben nun schon seit geraumer Zeit in einer Jagdgesellschaft. Es wird Jagd gemacht auf Andersdenkende, auf Abweichler, auf ‚Umstrittene‘.“
Davon war Bernig selbst 2020 betroffen: Er hatte sich an seinem Wohnsitz Radebeul bei Dresden – einst Heimstatt seines Berufskollegen Karl May – als Kulturamtsleiter beworben und eine Mehrheit im Stadtrat (die mutmaßlich vor allem aus CDU und AfD bestand) auf sich vereinigen können. Nach einem Offenen Brief hunderter Kulturschaffender und anderweitigen Beschwerden wurde der Druck auf den Oberbürgermeister (parteilos, CDU-nah) offenbar so groß, dass er die Wahl rückgängig machte. Wie damals beim Thüringer Ministerpräsidenten, so auch im Kleinen. Ein Veto des OB führte zu einer erneuten Wahl, für die sich Bernig aus Protest nicht zur Verfügung stellte.
Die aktuelle Lesungsabsage nahm übrigens noch eine interessante Wendung: Auf Pressenachfrage bestritt die Bezirksregierung Oberpfalz nämlich, dem SMI eine entsprechende Weisung erteilt zu haben. Die Einrichtung habe vielmehr aus eigenem Antrieb gehandelt. Auf einer Ticket-Website heißt es daher ausdrücklich: „Die Veranstaltung wurde im Auftrag des Veranstalters Sudetendeutsches Musikinstitut ersatzlos abgesagt [Hervorhebung i.O.].“ Zweifel sind angebracht. Anlass seien auch keine inhaltlichen, sondern „organisatorische Gründe“ gewesen.
Diese werden nicht näher benannt und sind nach Recherchen von Tichys Einblick (TE) ohnehin frei erfunden. „Aufgrund der Pensionierung des bisherigen Leiters“ vor wenigen Wochen, so die Behörde, finde auch kein späterer Alternativtermin statt. Diese Begründung vermag zwar weder die JF noch TE zu überzeugen; vorstellbar wäre allerdings, dass nach dem Ausscheiden desjenigen, der Bernig eingeladen hat, keiner mehr dort sitzt, der ihn einladen würde.
Sturmlauf gegen ARD-Sendung
„Kleines Feigenblatt“ oder „ein Öffnungs-Zeichen“, fragt Peter Grimm in seinem Achgut-Beitrag über die letzte Woche in der ARD ausgestrahlte KLAR-Doku „Asylpolitik in Deutschland: Droht ein Kontrollverlust?“ Die verantwortliche Journalistin Julia Ruhs vom behördlich-zwangsfinanzierten BR hatte ich schon vorletztes Jahr als „konservatives Feigenblatt“ bezeichnet – nicht als an die junge Frau gerichteter Vorwurf, sondern zur Einschätzung ihrer Rolle. „Die Ausnahme bestätigt die Regel“, urteilt die NZZ über die Sendung, die sich halbwegs kritisch mit Problemen durch gewisse Importierte auseinandersetzt, insbesondere mit der Kriminalität.
Trotzdem stürmte es Exkremente gegen die Doku. Zwei freie Mitarbeiter des NDR distanzierten sich von der Produktion, darunter einer, der als Cutter selbst mitgewirkt hatte. Der unvermeidliche Jan Böhmermann sprach in seinem ZDF-Format von „rechtspopulistischem Quatsch“, ZDF-Journalistin Nicole Diekmann ging Ruhs von oben herab an – nicht zum ersten Mal. Der Verein Neue Deutsche Medienmacher:innen vertritt angeblich die Devise „Guter Journalismus ist vielfältig“, hat aber natürlich ein Problem damit, „wenn migrationsfeindliche Narrative plötzlich als ‚Meinungsvielfalt‘ verkauft werden“. Er ruft dazu auf, die Redaktionen von BR und NDR mit negativer Kritik zu bombardieren; eine weitere Sendung dieser Art will man damit wohl verhindern. Die Organisation, die nicht zuletzt Journalisten mit Migrationshintergrund vertreten will, verfügte 2023 übrigens über ein Budget von fast 6 Millionen Euro – mehr als 93 Prozent davon kamen vom Steuerzahler.
Hass auf Hetzel
Vor zwei Wochen war an dieser Stelle von einer Blockade des Autos der Veranstalterin der Nürnberger Montagsdemos die Rede, in dem sich Equipment für die Versammlung befand. In Niedernberg bei Aschaffenburg ist jetzt ein ganzer Anhänger, der solches Material enthielt, in Flammen aufgegangen. In den frühen Morgenstunden des vergangenen Sonntags kam es zu Bränden auf einem Gartengrundstück, neben dem Anhänger wurde dabei auch ein Sportboot zerstört. Bei dem Betroffenen handelt es sich um Michael Hetzel von Rhein-Main steht auf, einer Gruppe, die sich seit Corona-Zeiten in Unterfranken und Südhessen an Demos beteiligt. Der Anhänger soll bei zahlreichen davon zum Einsatz gekommen sein, er habe „mehrere Boxen, Lautsprecher, Banner sowie Zubehör für Tontechnik“ enthalten und ein Alice-Weidel-Banner – von der AfD-Chefin selbst handsigniert.
Laut Polizei „kann eine vorsätzliche Brandlegung nicht ausgeschlossen werden“, Hetzel zufolge gehe die Kripo von zwei Brandsätzen aus. Während die Polizei den Sachschaden auf 10.000 Euro schätzt, beziffert ihn Hetzel auf 13.000 bis 15.000 Euro, wenn nicht noch mehr. Bei Rhein-Main steht auf vermutet man die Täter in Antifa-Kreisen. Offenbar war zuvor das Auto Hetzels mit dem Zahlencode „161“ beschmiert worden, der für Antifaschistische Aktion (AfA) steht. Der Mann ist einschlägigen Linksextremisten schon seit einer Weile ein Dorn im Auge. Rhein-Main steht auf liebäugelt nun damit, die verbrannten Gerätschaften bei einem Autokorso der Bevölkerung in Aschaffenburg zu präsentieren.
Kein Vertrauen in Vertrauensmann
Ein AfD-Kommunalpolitiker, der bei den Personalratswahlen am besten abschneidet und ver.di angehört? Jens Keller, der bei der Abfallentsorgung in der Region Hannover arbeitet, hatten wir vor über einem Jahr hier zum Thema. Die Gewerkschaft wollte den Hannoveraner Fraktionschef der Blauen zunächst ausschließen, beschränkte sich dann aber aus rechtlichen Gründen darauf, ihm einen Teil seiner Mitgliedsrechte zu entziehen, darunter die Möglichkeit, weiter als ver.di-Vertrauensmann in seinem Betrieb tätig zu sein. Dagegen klagte Keller; im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes erlangte er vor dem Landgericht Berlin II diese Rechte und seinen Status als gewählter Vertrauensmann zurück. Nachdem er zwischenzeitlich sogar eine Kandidatur für den ver.di-Bundesvorstand angedroht hat, zieht Keller nun aber selbst Konsequenzen und verlässt die Massenorganisation freiwillig. Stattdessen will er sich nun bei der Gewerkschaft Zentrum betätigen.
Es wird eng für die AfD
Da hatte sich der AfD-Bundestagsabgeordnete und Parteivize Stephan Brandner schon gefreut, dass seine Fraktion nun in den Otto-Wels-Saal im Bundestag einziehen könnte. Der zweitgrößte Fraktionssitzungsaal im Reichstags-Gebäudekomplex wird bisher von der SPD genutzt, der aber nach dem Wahlergebnis die blaue Partei den Rang als zweitgrößte Fraktion abgelaufen hat. Zu früh jubiliert? „Wir werden alles dafür tun, dass der Otto-Wels-Saal fest in sozialdemokratischer Hand bleibt“, hatte SPD-Chef Lars Klingbeil schon im Februar erklärt. Die Roten könnten auch einfach einen neuen, kleineren Raum nach Otto Wels, der 1933 im Reichstag dem Ermächtigungsgesetz widersprach, benennen. Aber in „unserer Demokratie“ ist eben fast „alles“ möglich.
Dem Ersten Parlamentarischen Geschäftsführer der AfD Bernd Baumann zufolge wollen Union und SPD der größten Oppositionskraft diesen Raum verweigern. Stattdessen sollen die Schmuddelkinder in den ehemaligen FDP-Fraktionssaal umziehen, während die SPD ihren angestammten Raum behält (Achgut berichtete). Nach seiner Berechnung könnte dann ein SPD-Bundestagsabgeordneter während der Fraktionssitzung durchschnittlich fast 4 Quadratmater Platz einnehmen, während seine Leute auf gerade mal 1,6 Quadratmeter im Mittel „zusammengepfercht“ würden. Das widerspricht aus Baumanns Sicht der Geschäftsordnung des Parlaments und würde konzentriertes Arbeiten in seiner Fraktion erschweren. Um dieses Platzproblems Herr zu werden, sollen die AfD-Abgeordneten – wie die Junge Freiheit berichtet – kleinere Tische bekommen. Eine Entscheidung des Ältestenrats steht noch aus, die AfD erwägt rechtliche Schritte.
Und so endet der allwöchentliche Überblick des Cancelns, Framens, Empörens, Strafens, Umerziehens, Ausstoßens, Zensierens, Denunzierens, Entlassens, Einschüchterns, Moralisierens, Politisierens, Umwälzens und Kulturkämpfens. Bis nächste Woche!
Ein Archiv der Cancel Culture in Deutschland mit Personenregister finden Sie unter www.cancelculture.de. Um auch weniger prominente Betroffene aufnehmen zu können, sind die Betreiber der Website auf Hinweise angewiesen. Schreiben Sie ihnen gerne unter cancelculture@freiblickinstitut.de.
Christoph Lövenich ist Novo-Redakteur und wohnt in Bonn. Er hat zum Sammelband „Sag, was Du denkst! Meinungsfreiheit in Zeiten der Cancel Culture“ beigetragen.
Die in diesem Text enthaltenen Links zu Bezugsquellen für Bücher sind teilweise sogenannte Affiliate-Links. Das bedeutet: Sollten Sie über einen solchen Link ein Buch kaufen, erhält Achgut.com eine kleine Provision. Damit unterstützen Sie Achgut.com. Unsere Berichterstattung beeinflusst das nicht.