Es mehren sich Straftaten in katholischen und evangelischen Kirchen, deutsche Grüne wollen amerikanische Tech-Konzerne zerschlagen, und ein Berliner Club wird boykottiert, weil sein Vermieter die falsche Partei unterstützt.
Der Papst ist tot, der Heiland auferstanden, das Osterwochenende liegt hinter uns. Zuvor gab es in den letzten Wochen eine auffällige Häufung von Vandalismus in deutschen Kirchen – evangelischen wie katholischen. Die Beobachtungsstelle für Intoleranz und Diskriminierung gegenüber Christen in Europa (OIDAC Europe) schlägt Alarm. In einer evangelischen Kirche im hessischen Groß-Gerau brannte eine Bibel auf dem Holzaltar, im niedersächsischen Salzgitter wurde eine Marienstatue beschädigt, im rheinland-pfälzischen Hermeskeil sprühte man Graffiti auf die Außenwand einer Kirche, darunter ein Hakenkreuz. Im baden-württembergischen Öhringen entfernte jemand das Schwert aus der Hand des hölzernen Apostel Paulus am Hochaltar und zerstörte es.
Im Kraichgau, der zum gleichen Bundesland gehört, kam es zu mehreren Sachbeschädigungen an Kirchen, die extremste war laut den Badischen Neuesten Nachrichten, als kürzlich „jemand auf der Kanzel sein großes Geschäft verrichtet und dieses dann mit der aufgeklappten Bibel – die Buchseiten nach unten – abgedeckt“ hat. Eine solche „Kirchenschändung“ habe das Gotteshaus in 700 Jahren noch nicht erlebt, so der Kirchengemeinderatsvorsitzende. Offenbar spielen Entwicklungen jüngeren Datums eine Rolle. Gewiss, einige Vorkommnisse, wie sie etwa der katholische Innenstadtpfarrer in Köln schildert, gehen auf Junkies zurück. Manchmal will man nur den Opferstock klauen, die eine oder andere Beschädigung mag zudem in die Kategorie Dummejungenstreich fallen. Ob Urin im Weihwasserbecken, wovon der katholische Mainzer Stadtpfarrer erzählt, noch dazu gehört? Ein Ereignis mit Randalierern aus dem vergangenen Jahr sicher nicht: „Sie haben den Deckel des Taufbeckens durch den Kirchenraum geschleudert, Kerzenständer umgeworfen und die Tür vom Beichtstuhl aus den Angeln gerissen."
In einer Kirche im nordrhein-westfälischen Neuss kam es diesen Monat offenbar sogar zu einer Brandstiftung. Keine Angst, kein rheinisches Notre Dame – ein Ausbreiten der Flammen konnte rechtzeitig verhindert werden. Über den betreffenden Neusser Stadtteil schreibt ein Telegram-User: „Dort musste man leider schon vor Jahrzehnten mit sowas rechnen.“ Vielleicht wohnen da viele Vandalen? Dieser germanische Stamm, der in der Spätantike u.a. Mallorca beherrschte, verfolgte zeitweise auch Katholiken. OIDAC Europe spricht für die heutige Zeit jedenfalls von einer Vielzahl „antichristlicher Straftaten“, die die bundesdeutsche Statistik unter erfasse.
Dresden gegen „Kommentierende“
In München steht ein Hofbräuhaus, in Dresden stehen Fahrrad-Barometer. Diese Stelen am Radwegesrand geben neben Datum, Uhrzeit, Temperatur auch an, wie viele „Radfahrende“ die Stelle bereits passiert haben. Kosten: eine halbe Million. Verantwortlich zeichnet Baubürgermeister Stephan Kuhn (Grüne), unter dessen Ägide bereits die Carolabrücke eingestürzt ist. Der einschlägige Eintrag auf der Facebook-Seite der Stadt lockte letzte Woche eine hohe Zahl an Kommentaren an. So bemängelten Bürger, dass anderswo das Geld fehle und die Gebühren für die Kindertagesstätten angehoben wurden. Angesichts so viel Unmuts zog es die Stadtverwaltung vor, den Kommentarbereich unter dem Post zu schließen. Sie schrieb dazu: „Bitte halten Sie sich an die Netiquette!“ Klar, das Problem liegt beim Bürger. Der lässt sich nicht nehmen, ersatzweise unter einem anderen Post zu fragen: „Wann bitte kommt das Fahrradbarometer wieder weg“?
Grüne wollen US-Unternehmen zerschlagen
Dass deutsche Grünen beim Digital Services Act (DSA) der EU leuchtende Augen bekommen, verwundert nicht. Plattformen, die nicht nach Brüssels Pfeife tanzen, riskieren massive Geldbußen. „Hohe Strafen sind die Sprache, die auch Zuckerberg, Musk und Co. verstehen“, erklären die Grünen-Bundestagsabgeordneten Konstantin von Notz und Andreas Audretsch – Profiteur der Gelbhaar-Affäre – in der Wirtschaftswoche. Die inzwischen von der EU-Kommission verhängten Bußen gegen Apple und Mark Zuckerbergs Meta dürften in ihrem Sinne sein. Aber damit nicht genug. Die beiden Vizefraktionsvorsitzenden liebäugeln auch mit einer Zerschlagung von Apple und Meta, Amazon sowie Google-Holdinggesellschaft Alphabet. Eine solche „Entflechtung“ könnte als „ultima ratio“ die „freie und faire Marktwirtschaft“ durchsetzen.
Das präpotente Duo beklagt den politischen Einfluss von Wirtschaftsbossen wie Twitter-Eigner Elon Musk. Nicht zu hören waren derartige Klagen, bevor auf Twitter unter dem neuen Eigentümer wieder mehr Meinungsfreiheit einkehrte oder bevor Zuckerberg opportunistisch auf den Trump-Kurs einschwenkte. Mit dem Ausmaß an Zensur, wie es zuvor jahrelang herrschte, hatte man auf grüner Seite logischerweise keinerlei Problem. Genauso wenig mit dem politischen Einfluss von Multimilliardären wie Bill Gates oder George Soros. Von Notz und Audretsch werfen in ihrem Wirtschaftswoche-Beitrag den US-Tech-Unternehmen vor, „unliebsame Meinungen zu drosseln und zu unterdrücken“, ihrer Meinung nach „streben [diese] nicht nach Wettbewerb, sondern nach Dominanz“. In der Psychologie nennt man das Projektion.
Top secret
Konstantin von Notz sitzt derzeit übrigens dem Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr) des Bundestages für die Geheimdienste vor. Genau wie Kollegen von Union und SPD möchte er die AfD dort weiterhin außen vor lassen. Auch in der neuen Wahlperiode sollen blaue Abgeordnete nicht die nötige Stimmenzahl erreichen, um ins PKGr einzuziehen. Schließlich, heißt es von den Mainstream-Parteien, sei die AfD demokratiefeindlich und würde dann vertrauliche Infos an den Kreml weiterreichen. Wer seine Partei ausschließe, so AfD-MdB Martin Hess, „verfolgt das Ziel, unliebsame politische Konkurrenz auszuschalten.“ Wer einen Sumpf trockenlegen will, möchte bei einschlägigen Besprechungen keine Frösche mitquaken hören.
Intifada in Neukölln
Von Attacken auf die israelsolidarische Programmkneipe Bajszel in Berlin-Neukölln hatte ich Ihnen vergangenes Jahr bereits berichtet. Inzwischen verzeichnet das Lokal seit Oktober 2023 eine zweistellige Zahl solcher Angriffe. Schmierereien, teils mit Hamas-Symbolen, ein Brandanschlag, Beschimpfungen, Pflastersteine. Ein solcher Stein soll letzten Freitag wieder geworfen worden, aber an einer Sicherheits-Glasscheibe des Bajszel abgeprallt sein. Laut Betreibern der Gaststätte habe die Polizei keinen Zusammenhang zwischen der angezeigten Sachbeschädigung und auf dem Boden liegenden Steinen herstellen wollen. Schon im vergangenen Jahr gab es Differenzen zwischen den Wirten und der Polizei, ob ein Anschlag als Mordversuch oder als Sachbeschädigung zu werten war.
Am Veranstaltungsprogramm ist der linksantideutsche Hintergrund des Bajszel zu erkennen – Rechtsantideutsche würden z.B. eine Anetta Kahane nicht zu einer Lesung einladen. Vorletzten Montag, als dieser Termin stattfand, wurden Mitarbeiter der Gastwirtschaft draußen als „Kindermörder“ beschimpft. Die beiden mutmaßlichen Täterinnen konnten von der Security bis zum Eintreffen der Polizei festgehalten werden. Nach einem bedrohlichen Besuch zweier Männer der Kneipe im Januar forderte ein Betreiber die Ausweitung des Polizeischutzes für die Örtlichkeit, der damals ab 18:30 Uhr galt, für die gesamte Öffnungszeit – ab 16 Uhr. Der Steinwurf von vergangenem Freitag ereignete sich passenderweise um 15 Uhr.
Falscher Vermieter
Das wahre Problem in der Bundeshauptstadt sind aber mitnichten Hamas-Freunde, die Gaststätten attackieren und Hörsäle verwüsten oder Islamisten, die ihre Ausbildung bei der Hisbollah absolviert haben. Vielmehr stellt sich die Frage: Finanziere ich die AfD, wenn ich den Club gehe? Denn der namhafte Club Metropol im Bezirk Schöneberg befindet sich in einer Immobilie, die Henning Conle gehört. Und der soll über Strohmänner angeblich illegale Spenden an die blaue Partei geleistet haben – in Millionenhöhe. Der Musiker Zartmann (Textzeile aus einem Lied: „‚Fickt die AfD‘“) sagte deshalb ein Konzert ab, das Anfang des Monats im Metropol hätte stattfinden sollen, und verlegte es in eine andere Location. Darauf folgten weitere Boykotte, verschiedene Partys in der Veranstaltungsstätte mussten ausfallen.
Das trifft die Betreiberfirma wirtschaftlich hart. Sie betont, gar nicht mit Conle selbst zu tun gehabt, sondern über ein Mietverwaltungsunternehmen den Vertrag abgeschlossen zu haben. Außerdem distanziert sich die Geschäftsführerin von der blauen Partei und lässt wissen: „Unser Programm ist divers, queerlastig und antirassistisch“. „Wo kommen wir denn hin, wenn der Vermieter gleichgesetzt wird mit dem Mieter?“, sekundiert der grüne Bezirksbürgermeister von Tempelhof-Schöneberg, Jörn Oltmann. „Es muss uns doch darum gehen, dass der Betreiber für andere Werte steht." Auch mehrere Bands erklären sich mit dem Metropol solidarisch. Dem gegenüber steht aber eine Haltung, wie sie eine Facebook-Nutzerin formuliert: „Wenn ich erfahre, welcher Unternehmer die Rechtsradikalen unterstützt, wird er von mir boykottiert. Ob das was nützt, weiß ich nicht, es beruhigt aber mein Gewissen“.
Bücherjagd in der Bundeshauptstadt
Bleiben wir in Berlin. Frisch und auf Englisch erschienen ist Douglas Murrays Buch On Democracies and Death Cults: Israel, Hamas and the Future of the West („Über Demokratien und Todeskulte. Israel, die Hamas und die Zukunft des Westens“). Arthur Roffey vom britischen Magazin Spectator beschwert sich, dass er das Werk in großen Buchhandlungen der Bundeshauptstadt nicht auftreiben konnte. Offenbar ist die gedruckte Version derzeit in Deutschland generell nicht ohne weiteres beschaffbar. Davon abgesehen war Roffeys Annahme, Bände wie des Islamkritikers Murray fänden sich in Regalen normaler deutscher Buchläden, von vornherein etwas naiv. Immerhin ein Geschäfts war bereit, ihm das gewünschte Buch zu bestellen.
Im KulturKaufhaus Dussmann in der Friedrichstraße entspann sich nach Roffeys Darstellung jedoch ein ganz anderer Dialog. Den Autor Murray, aus dessen Feder bereits mehrere Werke geflossen sind, teils auch in deutscher Übersetzung (z.B. hier, hier und hier), führe man generell nicht. Warum nicht, frug Roffey. Weil er rechts ist, antwortete die Angestellte. „Ach so, dann ist das hier ein linker Buchladen?“, entgegnete der Brite. Nein, keineswegs, aber mit sowas wolle man eben nichts zu tun haben. Nach Roffeys Eindruck findet man in Berliner Buchhandlungen eine Menge woker Literatur in der Auslage, könne aber froh sein, wenn ein Unternehmen mal ausnahmsweise einen Jordan Peterson vorrätig habe.
Fly me to the moon
Bleiben wir bei Büchern, wechseln aber ins westfälische Münster, wo vor einem halben Jahrtausend schon Bücherverbrennungen stattfanden, und zwar unter den Wiedertäufern. „Dies ist ein Werk mit umstrittenem Inhalt“, heißt es in einem Warnhinweis der dortigen Stadtbücherei, den wir Ende des letzten Jahres schon thematisiert hatten. „Dieses Exemplar wird aufgrund der Zensur-, Meinungs- und Informationsfreiheit zur Verfügung gestellt.“ Offenbar betrifft er zwei Bücher, die die örtlichen Bibliothekare nur mit größtem Widerwillen ihrer Bevölkerung zur Verfügung stellen. Wie bereits behandelt, geht es in einem der Bücher um Putin. Mutmaßlich das andere wurde jetzt zum Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzung. Ein Autor hatte nämlich gegen diesen Warnhinweis geklagt. In seinem Werk würden sowohl die Mondlandung als auch die beiden Atombombenabwürfe auf Japan bestritten, berichtet der Spiegel. Im Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht Münster bekam er erstinstanzlich Unrecht, die Bibliothek darf so vorgehen.
Altersmilde statt Brandmauer
Zuletzt ein Fortgang. Schraubenhersteller Reinhold Würth, der sich im letzten Jahr mit seinem Aufruf in die Nesseln gesetzt hatte, die Beschäftigten seines Unternehmens sollen gefälligst nicht AfD wählen, hat eine partielle Kehrtwende vollzogen. In einem F.A.Z.-Interview zu seinem 90. Geburtstag bringt der Multimilliardär die blaue Partei zwar nach wie mit ’33 in Verbindung, aber jetzt auf einmal soll sie politisch Einfluss nehmen. Eine jedenfalls fallweise von der AfD unterstützte Minderheitsregierung unter Kanzler Merz zieht er nämlich einer zu großen Bindung der Union an die SPD vor.
Und so endet der allwöchentliche Überblick des Cancelns, Framens, Empörens, Strafens, Umerziehens, Ausstoßens, Zensierens, Denunzierens, Entlassens, Einschüchterns, Moralisierens, Politisierens, Umwälzens und Kulturkämpfens. Bis nächste Woche!
Ein Archiv der Cancel Culture in Deutschland mit Personenregister finden Sie unter www.cancelculture.de. Um auch weniger prominente Betroffene aufnehmen zu können, sind die Betreiber der Website auf Hinweise angewiesen. Schreiben Sie ihnen gerne unter cancelculture@freiblickinstitut.de.
Christoph Lövenich ist Novo-Redakteur und wohnt in Bonn. Er hat zum Sammelband „Sag, was Du denkst! Meinungsfreiheit in Zeiten der Cancel Culture“ beigetragen.
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