Nach der Terrorattacke der Hamas stellt ein jüdischer Sportverein in Berlin seine Aktivität aus Sicherheitsgründen vorläufig ein, Kamerateams, die von Pro-Palästina-Demos berichteten, wurden bedroht, und an einer muslimisch geprägten Schule Berlins kam es zu einer Prügelei um eine Palästinenserflagge.
Die pogromförmige Terrorattacke, die die Hamas am Samstag in Israel verübt hat, findet ihren Niederschlag auch in verschiedenen Behinderungen und Einschränkungen hierzulande. So stellt der jüdische Sportverein TuS Makkabi Berlin seinen Spiel- und Trainingsbetrieb bis auf Weiteres ein, man fürchtet um die Sicherheit. Beim Frankfurter Pendant spielt man weiter – unter verschärften Sicherheitsvorkehrungen. Letzte Woche noch hatten wir Gefährdungen von AfD-Politikern thematisiert, jetzt erweitert sich die ohnehin präsente Problematik, Aktivitäten von jüdischen Einrichtungen zu gewährleisten.
Halt die Presse
Fans findet der Hamas-Terrorismus – nicht nur – unter einigen jungen Leuten in Berlin-Neukölln. Als ein Kamerateam der Welt am Samstag auf der Sonnenallee Reaktionen einfing, wurden sie von einigen arabischstämmigen jungen Männern und einer ebensolchen Frau umzingelt, die von den Journalisten die Löschung ihres Materials verlangten. Wie der betroffene Reporter Nils Jensen berichtet, waren darunter auch drei Personen, die sich kurz zuvor noch bereitwillig von ihm hatten interviewen lassen. Sie waren offenbar der Meinung, man dürfe sie nicht filmen. Jensen und sein Kameramann sind der mit großem Nachdruck vorgetragenen Aufforderung nachgekommen – „unserer eigenen Sicherheit zuliebe“. Welt-Chefredakteur Ulf Poschardt forderte die Berliner Innensenatorin (Iris Spranger, SPD) auf, diesen Angriff auf die Pressefreiheit „aufzuklären und die nötigen Konsequenzen daraus zu ziehen“.
Buntes Treiben nur wenig später auch in Duisburg: Am Montag wurde ein Welt-Kamerateam bei einer Anti-Israel-Demo in der Ruhrgebietsstadt „absolut bedrängt“, wie Reporterin Greta Wagener schilderte. Nur der angeheuerten Security und der Polizei sei es zu verdanken gewesen, dass die Journalisten ihre Arbeit tun konnten. Zum Vergleich: Zu den Hochzeiten der Corona-Demos galt es (in dem Fall in Österreich) bereits als „Attacke“, wenn eine Journalistin einen Schluck Schnaps angeboten bekam und jemand den Pelzkragen ihrer Jacke küsste.
Schulhofprügelei
Aber zurück auf die muslimisch geprägte Neuköllner Sonnenallee. Am dort gelegenen Ernst-Abbé-Gymnasium kam es am Montag zu einer Auseinandersetzung zwischen einem Lehrer und mehreren Schülern auf dem Schulhof. Laut Polizeibericht erhielt ein 61-jähriger Lehrer, der einen 14-jährigen Schüler aufforderte, seine hausordnungswidrig gezeigte Palästinenserflagge wegzupacken, von einem anderen, 15-jährigen, Schüler einen Kopfstoß. Gegen diesen verteidigte er sich durch eine Ohrfeige, worauf er wiederum von dem Schüler getreten wurde und auf dem Boden landete. Ein in den sozialen Medien kursierendes Video zeigt den entscheidenden Moment nicht eindeutig genug, sodass einige eine Attacke des Lehrers annehmen.
Eine Online-Petition mit fast 4.000 Unterzeichnern fordert „angemessene Maßnahmen gegen den beteiligten Lehrer“. Es sei „inakzeptabel, dass Schulpersonal seine Emotionen nicht kontrollieren kann und handgreiflich wird“. Unter den staatlichen Berliner Gymnasien weist das Ernst-Abbé den höchsten Anteil von Schülern mit „nichtdeutscher Herkunftssprache“ auf, nämlich beachtliche 95 Prozent. Eine Demo „gegen Gewalt an Schulen“ – selbstverständlich auf den Lehrer gemünzt –, die dort am Mittwoch stattfinden sollte, wurde von der Polizei verboten.
Holger und die Lesben
Bleiben wir in Neukölln. Dort ist Comedian Felix Lobrecht aufgewachsen, dessen autobiographisch gefärbter Roman Sonne und Beton dieses Jahr in die Kinos gekommen ist. Wie Lobrecht dieser Tage verriet, war er vorher auch mit Netflix im Gespräch, was die Verfilmung betraf. Dass der Deal nicht zustande kam, lag unter anderem am Bestreben des Streamingdienstes, in die Story einzugreifen. „Die Fiction-Abteilung bei Netflix ist völlig irre. Die sind wirklich deep down in diesem Woke-Gaga“, zitiert die Welt Lobrecht. „Die wollten Neukölln politisch korrekt machen.“ Statt arabischer Drogendealer sollte eine Bande lesbischer Mädchen ohne Migrationshintergrund den Bezirk unsicher machen. Das war selbst dem mainstreamkonformen und mit Langstrecken-Luisa befreundeten Lobrecht zu viel. „Was denn für ‘ne Mädchengang? Was denn für deutsche Gangster? Stell dir vor, Hakan und Hamudi stehen an der Sonnenallee an der Ecke und plötzlich kommen da jetzt Holger und Jens. Seid ihr wahnsinnig?“
FKK in Kiel
Am Samstag trat die Musikgruppe Analogue Birds in einem Kieler Friseursalon vor rund 100 Zuschauern auf. Worum ich Ihnen das erzähle? Eigentlich hätte die Band in einer anderen Location in der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt spielen sollen. Das veranstaltende FahrradKinoKombinat (FKK) cancelte das Konzert jedoch, und zwar, wie Musiker Tom Fronza „über Umwege erfuhr“, weil er Didgeridoo spielt. Das Instrument stammt von australischen Aborigines, Fronza wiederum wurde in Italien geboren und lebt in Deutschland. Darin sah das FKK offenbar kulturelle Aneignung. Das empörte – nicht nur – Fonza. „Wer versucht, mit Kleingeistigkeit einen planlosen, ungebildeten und dogmatischen Machtanspruch umzusetzen, leistet der Welt und ihrer bunten Kultur einen Bärendienst“, schrieb er dem FKK ins Stammbuch. Droht das Aus demnächst auch „dem Orffschen Instrumentarium mit seinen Klanghölzern und Xylofonen, wo in jedem Ton die deutsche Kolonialgeschichte mitschwingt“, fragt die Welt.
Sogar Kabarettist Dieter Nuhr griff den Fall auf, in seiner ARD-Sendung Nuhr im Ersten: „Das heißt, die Berechtigung zum Spielen eines Musikinstrumentes wird hier nach völkischer Abstammung vergeben – und das ist links?! […] Das hätte den Nazis sehr gefallen.“ Das offensichtlich sehr woke FKK selbst äußerte sich erst spät zur Causa und relativierte den Absagegrund. Die Absprache über das Konzert sei „außerhalb der Kommunikation unseres Plenums“ erfolgt, man habe es daher nie kollektiv zugesagt, die Absage basiere zudem nicht „ausschließlich“ auf kultureller Aneignung. Es ginge ihnen zum Beispiel um mehr Auftrittsmöglichkeiten für irgendwelche mit Akronymen abgekürzte Personengruppen, zu denen sie die beiden weißen Männer von Analogue Birds wohl nicht zählen. Das sei „kein Canceln“ und man sehe sich auch nicht als „‚Westentaschen-Taliban‘“.
Zum Abschied Ausschluss
Die geplante Gründung einer Sahra-Wagenknecht-Partei ist in aller Munde. Jetzt wollen einige Mitglieder der Linkspartei ihre Bundestagsabgeordnete deshalb aus der Partei werfen. Über 50 Genossen haben den Ausschluss Wagenknechts beantragt. In Anbetracht der Langwierigkeit solcher Verfahren dürfte die Lafontaine-Gattin vorher längst selbst das Weite gesucht haben.
Herein, wenn’s keine Schneider ist!
Anna Schneider hat es wieder gemacht. Die Welt-Journalistin war Ende vergangenen Jahres bei der Online-Plattform Mastodon unterwegs, einem von ihr so getauften „safe space für Spießer“, und wurde als unwillkommener Eindringling schnell gesperrt. Wie letztes Mal erwähnt, soll jetzt das Netzwerk Blue Sky als neue Twitter-Alternative dienen, als Bunker für diese Leute. Und so hat es sich Schneider nicht nehmen lassen, auch dort eine Präsenz anzulegen. Es kam, wie es kommen musste: Vor einer Woche landete sie in den Top 3 der von Nutzern am meisten blockierten Accounts, neben solchen, die auf den Namen von Achgut-Gastautor Jordan Peterson lauten. Glückwunsch!
Dicke Bretter bohren
Ulrike Guérot, Dauergast dieser Kolumne, wurde jetzt ein Negativpreis zuerkannt. In Österreich verlieh man der Politologin Das Goldene Brett vorm Kopf. Durchgesetzt hatte sie sich gegen die ebenfalls nominierten Stefan Homburg und Ferdinand Wegscheider. Prof. Homburg, Achgut-Gastautor, hat sich einen Namen als schon früher Kritiker der Corona-Politik gemacht, Wegscheider verantwortet als Intendant des österreichischen Fernsehsenders Servus.TV Sendungen mit einer gewissen Meinungsvielfalt – auch solche zum Beispiel mit Henryk Broder oder Gunter Frank. Den Preis für „antiwissenschaftliche Schwurbelei“ verleiht die Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP). Dabei handelte es sich um sogenannte Skeptiker – deren Skepsis Randständigen und Oppositionellen gilt, gegenüber dem Mainstream und herrschenden Narrativen hingegen fehlt.
Durch die Verleihung führte Kabarettist Martin Puntigam, ein Unterstützer der Klimakleber, in der Jury saß unter anderem Drehbuchautor (sowie „linksfreidrehende Joghurtkultur“) Mario Sixtus, und die Laudatio auf die Preisträgerin hielt die Medizinhistorikerin Daniela Angetter-Pfeiffer, die zwar des Genderns mächtig ist, den Namen „Guérot“ aber nicht vernünftig auszusprechen vermag. Aus dem Publikum gab es während der Veranstaltung (hier im Video) lautstark Kontra, was laut Standard an „Vertreterinnen der Grünen gegen Impfpflicht (GGI)“ lag, einer Organisation, die inzwischen Grüner Verein für Grundrechte und Informationsfreiheit heißt. Guérot wurde von den Veranstaltern selbstverständlich ihrer abweichenden Standpunkte in Sachen Pandemiepolitik und Ukrainekrieg geziehen.
De mortuis
Übrigens enthielt die ursprüngliche Liste der eingereichten Nominierungen auch den bereits verstorbenen Clemens Arvay. Der österreichische Botaniker und Öko hatte sich Anfang des Jahres das Leben genommen, nachdem er wegen seiner Kritik an Corona-Spritze & Co. jahrelange massive Kritik von linker Seite einstecken musste. „Es war eine unglaublich hasserfüllte Hetze“, so der Psychiater Raphael Bonelli. „Er wurde ausgegrenzt, angefeindet, entmenschlicht“, ergänzt der Journalist Boris Reitschuster in seinem frisch erschienenen Buch „Meine Vertreibung“. Kritiker sehen in der Veröffentlichung der Nominierung eine „widerliche“ „Geschmack- und Pietätlosigkeit“. Zwischenzeitlich wurde sie von der Website des Goldenen Bretts entfernt. Einer angeblich von „Impfgegnern und Coronaleugnern“ in den Tod getriebenen österreichischen Ärztin widmete die ARD eine 45-minütige Doku; darauf werden wir umgekehrt bei Arvay wohl lange warten müssen.
In Scherben
Vor einer Woche wurden Fenster und Türscheibe des AfD-Wahlkreisbüros im niedersächsischen Walsrode beschädigt. „Mitschuldig sind jene Politiker und Vertreter der Medien, die immer hasserfüllter und enthemmter gegen die AfD und Andersdenkende auftreten“, lässt Landtagsabgeordneter Alfred Dannenberg, einer der Betreiber des Wahlkreisbüros, verlauten. Dies reiht sich in verschiedene Angriffe auf beziehungsweise Bedrohungen von AfD-Politikern ein, wie sie Nius-Journalist Jan A. Karon für die letzten Wochen zusammengestellt hat.
Aufarbeitung nur online
Raumkündigungen sind für Veranstaltungen ein Problem, vor allem, wenn sie so kurzfristig erfolgen, dass kein Ausweichort gefunden werden kann. Letzte Woche Donnerstag traf es Achgut-Gastautor Prof. Andreas Sönnichsen. Der Mediziner und Kritiker der Corona-Politik kam in dieser Kolumne schon mal zur Sprache und wurde Anfang 2022 von der Medizinischen Uni Wien rausgeschmissen. In Regensburg hätte Sönnichsen bei seiner Partei, dieBasis, einen Vortrag unter dem Titel „Die fragwürdige Rolle der WHO. Eine wissenschaftliche Aufarbeitung der Corona-Krise“ halten sollen. Einen Tag vorher erfolgte dann die Absage. Sönnichsen: „Dem Raumbetreiber wurde wohl gedroht, dass man den Raum nicht mehr nutzen würde, wenn er auch an Schwurbler vermietet wird ...“. Die Veranstaltung wurde stattdessen online abgehalten.
Gekündigt auf Verdacht
„Der Outdoor-Sport ist dominiert von weißen Menschen, und nicht jeder fühlt sich dort wohl“, klagte vor Monaten eine dunkelhäutige Frau in einer Sendung des behördlich-bayerischen Rundfunks zum Thema Bergwandern. Dafür gibt es in den USA einen schwarzen Profi-Bergsteiger namens Manoah Ainuu. Der, behauptet John Talbot, sei in seiner Branche dafür bekannt, andere fälschlich des „Rassismus“ oder der „Gewalt“ zu bezichtigen; sein Sponsor, die große Bekleidungsmarke The North Face, störe sich nicht daran. Talbot sieht sich als eines der Opfer Ainuus. Er verlor nämlich seine Arbeit beim Konkurrenzunternehmen Outdoor Research, weil der Sportler ihn nach einem gemeinsamen Kneipenaufenthalt in Montana übel in den sozialen Medien beschimpft hatte.
Die Bar befindet sich in Bozeman – Nomen wäre Omen im Niederländischen, wo das „wütender Mann“ heißt. Der nach Talbots Einschätzung besoffene Ainuu postete, Talbot sei ein „Rassist“ und attestierte ihm „toxische Männlichkeit“ sowie „weiße Schuld“. Er appellierte an seinen Arbeitgeber, Talbot zur Verantwortung zu ziehen, faselte etwas von „Vernichtung“ und von Rassisten in der Branche, die es zu „entfernen“ gelte. Schon am nächsten Morgen zog Outdoor Research, um sein Image besorgt, Talbot von seinen beruflichen Verpflichtungen ab. Jetzt ist er arbeitslos und auf Online-Spenden angewiesen, damit er seine Familie ernähren kann. Talbot bestreitet, sich rassistisch geäußert zu haben, er sei lediglich aufgrund seiner Hautfarbe und seines Geschlechts ein leichtes Opfer gewesen. Nun beschreitet er den Rechtsweg, um seinen ramponierten Ruf wiederherzustellen.
Murks vs. Musk
Schließlich noch mal zurück zur Situation nach dem Hamas-Angriff aus Israel. Wie vergangene Woche geschildert, gefällt sich der französische EU-Kommissar Thierry Breton in drohender Pose gegenüber Twitter-Eigner Elon Musk. Am Dienstag stellte der Eurokrat dem Multimilliardär ein Ultimatum, das er auf dessen Plattform öffentlich übermittelte. Ist das bei amtlichen Schreiben neuerdings so üblich? Innerhalb von 24 Stunden habe Musk sich umfassend zu Fragen zu äußern, die mit Posts zur Gazafrage in Verbindung stehen. Es geht um Content-Moderation – was ist auf dem Kurznachrichtendienst erlaubt, wie wird gegen „falsche und irreführende Informationen“ vorgegangen und so weiter. Auf Musks fristgerechte Rückfrage, was denn im Einzelnen moniert werde, reagierte Breton nur mit der Aufforderung, Musk möge gefälligst den Meldungen seiner Nutzer und der Behörden über Gewaltverherrlichung und Fälschungen nachgehen. Der Afroamerikaner betont, entgegen der Praxis seiner Vorgänger (Stichwort: Twitter-Files) dergleichen nicht mehr in Hinterzimmern regeln zu wollen.
Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes, unter Leitung von Deutschenhasserin Ferda Ataman, löschte gestern ihr Twitter-Profil. „Alle Ministerien und andere öffentliche Stellen sollten sich fragen, ob es weiterhin tragbar ist, auf einer Plattform zu bleiben, die zu einem Desinformations-Netzwerk geworden ist und dessen Eigentümer antisemitische, rassistische und populistische Inhalte verbreitet.“ Man wird Atamans Behörde dort nicht viele Tränen nachweinen.
Ausladung für Rapperin
Trotz Hamas-Terror fließen weiter Steuergelder aus Deutschland und der EU in die Palästinensergebiete (Achgut berichtete). An die Stelle ernsthafter politischer Konsequenzen tritt symbolisches Canceln. Das widerfuhr der Rapperin Nura. Da sie am Sonntag ein Bild auf Instagram gepostet hatte, das den Schriftzug „Free Palestine“ enthält, wurde sie bei Late Night Berlin ausgeladen. In der ProSieben-Show hätte die eritreisch-saudisch-stämmige Musikerin am Dienstag auftreten sollen.
Und so endet der allwöchentliche Überblick des Cancelns, Framens, Empörens, Strafens, Umerziehens, Ausstoßens, Zensierens, Denunzierens, Entlassens, Einschüchterns, Moralisierens, Politisierens, Umwälzens und Kulturkämpfens. Bis nächste Woche!
Ein Archiv der Cancel Culture in Deutschland mit Personenregister finden Sie unter www.cancelculture.de. Um auch weniger prominente Betroffene aufnehmen zu können, sind die Betreiber der Webseite auf Hinweise angewiesen. Schreiben Sie ihnen gerne unter cancelculture@freiblickinstitut.de.