Kolja Zydatiss / 12.08.2022 / 10:00 / Foto: Pixabay / 70 / Seite ausdrucken

Ausgestoßene der Woche: Entdecker

Das Deutsche Technikmuseum Berlin verabschiedet sich von seinem Slogan „Für Entdecker!“, weil der Begriff kolonial und nicht inklusiv genug sei. Stattdessen wird nun schlicht mit „Einfach für dich!“ geworben.

Entdeckt werden darf nicht mehr, zumindest im Deutschen Technikmuseum Berlin. Bereits Ende Juni hatte das staatliche Museum auf Facebook feierlich verkündet, seinen bisherigen Slogan „Für Entdecker!“ aus dem Verkehr zu ziehen: „Es ist offiziell: Wir haben einen neuen Slogan – und der lautet ‚Einfach für dich‘! Da unser alter Slogan nicht gendergerecht war und zudem auf einem kolonial konnotierten Begriff basierte, war für uns klar, dass etwas Neues hermuss. Der Banner unter dem Rosinenbomber wurde auch gleich entfernt und der neue Schriftzug angebracht.“ Garniert ist der Post mit einem Foto, das die Abhängung des „Entdecker“-Banners von der Gebäudefassade zeigt.

Diese jüngste Bilderstürmerei wurde einem größeren Publikum bekannt, als Harald Martenstein sich kürzlich in einem Zeit-Artikel mit ihr befasste. „Sonderlich inspiriert klingt der neue Slogan nicht, finde ich, eher ein bisschen allgemein. Für leicht zu bedienende Handys, Zielgruppe Senioren, oder für einen Bergwanderführer, der sich an gehfaule Leute mit Höhenphobie richtet, mich zum Beispiel, wäre ‚Einfach für dich!‘ natürlich super“, mokiert sich der Kolumnist. Ich selbst musste bei dem neuen Slogan an etwas ganz anderes denken, und zwar an Kosmetikprodukte. Nun ja, große Geister denken nicht immer gleich.

Unter dem ursprünglichen Facebook-Post führt das Technikmuseum in einem Kommentar weiter aus:

„Das Deutsche Technikmuseum ist ein Museum für alle. Wir schätzen die Vielfalt unserer Gesellschaft und möchten allen Menschen einen angenehmen Aufenthalt bei uns im Haus bieten. Wir arbeiten aktiv an dem Abbau von unbeabsichtigten Barrieren und Ausschlüssen. Damit sich alle Menschen angesprochen fühlen können, wählen wir eine möglichst diversitätssensible Sprache. Wir tun das, weil es uns wichtig ist, niemanden auszuschließen. Unser neuer Slogan transportiert diese Gastfreundschaft und Wertschätzung.

Auch unsere Themen werden in Zukunft diverser. Es ist uns wichtig, unsere eurozentrische Weltsicht mit anderen Perspektiven in den Dialog treten zu lassen. Wir setzen uns für Demokratie und globale Gerechtigkeit ein und bieten Raum für gesellschaftliche Diskurse. Dazu gehen wir vermehrt in Austausch mit zivilgesellschaftlichen Gruppen, entwickeln entsprechende Angebote und initiieren einen Veränderungsprozess für das gesamte Museum.“

„Ganz gendergerecht fangen wir nochmal von vorne an“

Die fast durchweg negativen Reaktionen der Nutzer lassen darauf schließen, dass das Museum sein Stammpublikum wohl nicht so gut kennt. Ein Best-of:

„In der ‚woken‘ Welt in diesem Land ist wenig Raum für Technik. Man suhlt sich in Befindlichkeiten, ohne die Gesellschaft voranzubringen.“

„Vergessen Sie darüber bitte nicht, dass Sie ein Technikmuseum und nicht eine soziologische Spielplattform sind. Das Ganze gerät spätestens außer Kontrolle, wenn die E19 als ‚Der Lokomotiver‘ angesprochen werden will und die P8 nicht mehr ‚Mädchen für alles‘ sein darf. Sie merken, der eingeschlagene Pfad wird hart und lässt das Ziel aus den Augen verlieren.“

„Am deutschen Wesen soll die Welt genesen. jetzt, wie vor 100 Jahren. Unglaublich dieser Blödsinn. Ich bin in einem ideologischen Unrechtsstaat groß geworden und genau dort wieder aufgewacht.“

„Ich werde in diesem Leben nichts Neues mehr entdecken. Versprochen.“

„Edison hat etliches entdeckt, aber nichts davon war kolonial. Albert Einstein lag nichts ferner als Kolonialismus. Marie Curie hat sich ebenfalls nicht mit dem Kolonialismus befasst. Die Entdeckung, dass die Erde eine Kugel ist, muss jetzt auch widerrufen werden, denn der Prozess, der dazu führte, war ja getrieben vom Kolonialismus. Also, Freund:*?!innen der Technik, die Erde ist eine Scheibe, es gibt weder Telefon noch Elektrizität noch Energie aus Atomen. Ganz gendergerecht fangen wir nochmal von vorne an. Da wünsche ich mir vor allem die alte Museumsleitung zurück, die noch Ziele und Visionen hatten und nicht nur noch Irritationen.“

Aus den eigenen Reihen kommt folgende Kritik:

„Ich arbeite seit 12 Jahren in dem Museum und habe noch nie erlebt oder gehört, dass sich ein Besucher, Besucherin oder Besuchende an dem Wort ‚EntdeckerIn‘ gestört oder nicht willkommen gefühlt hat. Worüber sich die BesucherInnen ärgern, sind defekte Exponate, Hörstationen etc., die ewig nicht repariert werden. ‚Entdecker‘ kolonial konnotiert? In der Vergangenheit wurde doch ständig irgendwas entdeckt, neue Tierarten, Pflanzen und ihre Heilung/Wirkung, alte Knochen, z. B. von Dinosauriern, Viren, Bakterien etc. Der Kaffenkahn wurde doch auch in der Havel entdeckt. Den müsste man ja dann auch entfernen. Verstehe die ganze Aktion der Änderung des Slogans nicht!“

Gerüchte, dass die Sammlung des Deutschen Technikmuseums künftig von einem superwoken Indonesischen Künstlerkollektiv kuratiert werden soll, wollte die Leitung bislang weder bestätigen noch dementieren.

Wegen eines Indianer-Mottos abgelehnt

Indianer, nein, die gehen auch nicht mehr. Das wissen wir spätestens, seitdem sich eine prominente Grünen-Politikerin 2021 für die Bemerkung entschuldigen musste, sie wäre als Kind gern „Indianerhäuptling“ geworden. Das anstößige Wort wurde sogar in einer von den Grünen im Internet veröffentlichen Videoaufzeichnung ihres Berliner Parteitags durch einen Piepton unhörbar gemacht. Da ist es nur konsequent, dass ein Förderantrag eines gemeinnützigen Hannoveraner Trägers für eine Kinder-Ferienfreizeit wegen eines Indianer-Mottos abgelehnt wurde, wie unter anderem BILD letzte Woche berichtete.

Das Paritätische Familienzentrum „Auf der Papenburg“ hatte bei der Stadt einen Zuschuss für die Ferienfreizeit für Kinder aus armen, kinderreichen Familien in Höhe von 3.000 Euro beantragt. Doch der Integrationsbeirat Hannover-Ricklingen legte ein Veto ein. Gegenüber der Hannoverischen Allgemeinen gab Rathaus-Sprecherin Christina Merzbach zu Protokoll: „Im Fokus sollte die geschichtliche und zeitliche Einordnung des Themas in der Vermittlung an Kinder und Teilnehmende stehen, ohne Fokus auf eine Ethnie und die Reproduktion von Klischees.“

Später sprach die zuständige Behörde dann laut BILD von einem „Missverständnis“. Wenn der Antragsteller an der betreffenden Ratssitzung teilgenommen und seine Pläne dargelegt hätte, hätte man das Vorhaben womöglich anders bewertet. Das Paritätische Familienzentrum meint, es habe mit dem Begriff Indianer niemanden verletzen, sondern vielmehr Kinder ansprechen wollen. Bei dem Projekt geht es gemäß einer Sprecherin darum, den Kindern etwa alte Handwerkstechniken zu vermitteln und Interesse für die Kultur zu wecken. Die Ferienfreizeit konnte letzte Woche auch ohne städtische Förderung starten. Das Familienzentrum hat gegenüber t-online angegeben, sie aus eigenen Mitteln und Spenden zu finanzieren.

Charles Darwin zensieren

In Frankreich hat indessen der Campus Reims der staatlichen Eliteuniversität Sciences Po abrupt zwei Seminare abgesagt, die den Studenten evolutionäre Perspektiven auf das menschliche Verhalten nahebringen sollten. Die Lehrveranstaltungen sollten von dem Wissenschaftler Dr. Leonardo Orlando, der sich laut Profil auf der Universitätswebseite mit „biologischen, evolutionären und neurowissenschaftlichen Ansätzen in der Politikwissenschaft und den internationalen Beziehungen“ beschäftigt, und der Wissenschaftsjournalistin und selbsterklärten „Evolutionsfeministin“ Dr. Peggy Sastre unterrichtet werden. Das Canceln geht auf den Druck des universitätseigenen Forschungs- und Lehrprogramms für Genderwissenschaften (Unter der Abkürzung „Presage“ an der Science Po bekannt) zurück. (1) Ein Kurs, der sich kritisch mit „biologischem Determinismus“ beschäftigt, kann im Vorlesungsverzeichnis verbleiben. L’Express berichtet über die Affäre unter der Überschrift „‚Es ist zum ultimativen Tabu geworden‘: Wenn Sciences Po Darwin zensiert“.

„Taiwan, China“

Der amerikanische Computerkonzern Apple hat offenbar seine in Taiwan ansässigen Lieferanten aufgefordert, ihre Produkte als in „Chinese Taipeh“ oder „Taiwan, China“ hergestellt zu kennzeichnen. So sollen wohl Verzögerungen in den Lieferketten vermieden werden, die durch strenge oder schikanöse chinesische Zollinspektionen entstehen könnten. „Eine Kennzeichnung, nach der importierte Waren den Eindruck erwecken müssen, dass [Taiwan] Teil der Volksrepublik China ist, ist eigentlich schon seit Langem Pflicht, wurde aber bislang nicht durchgesetzt“, erklärt der Spiegel. Experten vermuteten, dass die chinesische Führung, verärgert über den jüngsten Taiwan-Besuch der Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, neuerdings strengere Zollkontrollen als Druckmittel einsetzt. Taiwanesische Gesetze verlangen, dass Exporte entweder mit dem Namen „Taiwan“ oder dem offiziellen Namen des de facto unabhängigen Staates, „Republik China“, gekennzeichnet werden.

Vom Präsenzunterricht augeschlossen

Die amerikanische Großstadt New Orleans hat diese Woche entschieden, sämtliche Schüler ab fünf Jahren (!) vom Präsenzunterricht auszuschließen, die nicht mindestens zwei Impfungen gegen Covid-19 erhalten haben. Nach Angaben des Wall Street Journal trifft das auf 48 Prozent, also fast die Hälfte der Schüler in der mehrheitlich afroamerikanisch geprägten Stadt zu. In der amerikanischen Hauptstadt Washington D.C. verlangt die Schulbehörde, dass alle Schüler ab 12 Jahren gegen Corona geimpft sind. Ansonsten können sie, wie in New Orleans, nicht am Präsenzunterricht teilnehmen. Lesen Sie zum Thema auch den entsetzten Meinungsbeitrag von Ian Miller bei OutKick.

Und damit endet der wöchentliche Überblick des Cancelns, Empörens, Strafens, Umerziehens, Ausstoßens, Zensierens, Entlassens, Einschüchterns, Moralisierens, Politisierens, Umwälzens und Kulturkämpfens. Bis nächste Woche!

 

Mehr vom Autor dieser wöchentlichen Kolumne Kolja Zydatiss zum Thema Meinungsfreiheit und Debattenkultur lesen Sie im Buch „Cancel Culture: Demokratie in Gefahr“ (Solibro Verlag, März 2021). Bestellbar hier. Ein Archiv der Cancel Culture in Deutschland mit Personenregister finden Sie unter www.cancelculture.de.

 

Weitere Quelle

(1) Présage bedeutet auf Französisch (schlechter) Vorbote, (schlechtes) Vorzeichen, in diesem Fall gilt also wortwörtlich Nomen est Omen!

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Leserpost

netiquette:

Uta Buhr / 12.08.2022

Ich finde diesen grassierenden Wahnsinn einfach zum Kotzen.

Eberhardt Feldhahn / 12.08.2022

Mal auf gut Deutsch: komplett ins Gehirn geschissen.

Gus Schiller / 12.08.2022

Kleine Korrektur an die Redaktion: Das Blatt heißt richtig: Hannoversche Allgemeine Zeitung!

lutzgerke / 12.08.2022

Dahinter steckt die SPD, die die Geschichte aus Mißgunst umdeutet, um sich die Macht zu sichern. Weder waren die Kulturgüter aus Übersee in den Museen Raubgut, noch beutete man Kolonialgebiete aus. Die Artefakte waren nicht so wertvoll, als die Seefahrt sie aus Übersee mitbrachte. Das war wertloser Klimbim. Ein Bewußtsein dafür ist erst später entstanden. Vor Rom liegt der Müllberg der Antike. Heute wühlen Archäologen in dem herum, was was Cäsar in die Mülltonne warf. Wertvoller war der globale Handel, den die Schiffahrt plötzlich ermöglicht hat. Neue Horizonte. Die alte Tante SPD hätte nie die Route nach China entdeckt, die wäre schon in der Elbe untergegangen. Da mußte ein erfahrener Mann her, Marco Polo. Und der brachte feine Stoffe und Gewürze mit, die wir nicht kannten. Die woke Bewegung ist von Neid zerfressen, das schwitzen die Sozialdemokraten überall aus. Schon die Wikinger haben Handelsbeziehungen in die ganze Welt aufgebaut, die Normandie, da haben die sich angesiedelt, das waren die Normannen. / Klaus Schwabs „Leben durch Abos“ (gemeint ist, dass wir nichts mehr besitzen sollen, sondern nur alles mieten) ist Leibeigenschaft, ist Sklaverei! Milliardäre, Globalisten, Konzerne werden alles besitzen: Häuser, Fabriken, Bauernhöfe, Autos, Möbel. Und die Bürger müssen jeden Tag mieten, was sie benötigen – wenn es ihre Sozial-Kreditpunkte erlauben. Senator Malcom Roberts; Australien / Das war ja nicht so schwer, zu erkennen. Wer den Feudalismus heraufziehen sah, war Teil der Lösung und lag goldrichtig. Und wer den Kapitalismus verteidigt hat, war Teil des Problems und lag falsch. Sorry.  

Ludwig Luhmann / 12.08.2022

Der kollektive ubiquitäre Irrsinn war schon immer da. Aber noch nie hat er sich weltweit so deutlich gezeigt. Ob das zukünftig alles mit Blut reingewaschen oder konsolidiert wird? On verra ... ...

Jürgen Fischer / 12.08.2022

„Einfach für dich“ - das dürfte die gleiche Agentur verbrochen haben, die schon auf Scholzens Wahlplakate „Respekt für dich“ schmieren ließ.

G.Kammerer / 12.08.2022

Dieses inflationäre und übergriffige Herumgeduze verschiedenster Unternehmen, Einzelhändler und Einrichtungen geht mir unfaßbar auf die Nerven. Eine Zeitlang dachte ich, sie wollten damit nur die erfolgreiche Strategie von Ikea nachahmen (dabei ignorierend, daß man sich in Schweden als kulturelle Eigenheit wohl allgemein hauptsächlich duzt). Inzwischen kommt es mir aber fast vor, als wäre das nur ein weiteres Puzzleteil für den Großen Plan mit einer durchgeimpften, arm-aber-glücklichen Bevölkerungsmasse ohne Bildung, in primitiven Lebensverhältnissen und ohne individuelle Würde, aber mit QR-Code.  Eine VT, ich weiß..

Helge Jörn / 12.08.2022

@T.Brecht: “Die doofen woken stoßen in Bereiche vor wo noch nie ein Mensch gewesen ist.” Und wo auch noch nie jemand hin wollte!

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