Schon das Posten des weiblichen Chromosomensatzes alarmiert die Facebook-Zensur, Elon Musk erhält Drohungen von der EU wie von der britischen Polizei, und der israelische Botschafter wurde nicht zu einer Gedenkfeier in Nagasaki eingeladen.
„Post mit dem Hashtag ‚xx‘ werden hier vorübergehend verborgen, da manche der Inhalte gegen unsere Gemeinschaftsstandards verstoßen.“ Über diese Maßnahme im Dienste „einer sicheren Community“ informierte Facebook dieser Tage User. Gemeint war der weibliche Chromosomensatz XX. Der tauchte verschiedentlich in Posts auf, um das olympische Frauenboxen zu kommentieren. Bei den Spielen in Paris hatten zwei Personen eine Goldmedaille in ihrer jeweiligen Gewichtsklasse gewonnen, die offenbar nicht über diesen Chromosomensatz verfügen. „Facebook ist ein semi-totalitäres, wokes Irrenhaus“, urteilt Achgut-Autor und Rechtsanwalt Joachim Steinhöfel, der schon einige Prozesse gegen die Plattform gewonnen hat.
Atheist glaubt an Gene
Einer der weltberühmtesten Atheisten, der britische Biologe Prof. Richard Dawkins, hatte zuvor mutmaßlich ein ähnliches Problem mit Facebook gehabt. Seine Seite auf dem zu Zuckerbergs Meta-Konzern gehörenden Social Medium sei ohne Angabe von Gründen gesperrt worden. Er spekulierte, der Anlass könne seine Äußerung gewesen sein, dass „genetisch männliche Boxer wie Imane Khalif […] bei den Olympischen Spielen nicht gegen Frauen kämpfen sollten“. Diesen Tweet löschte Dawkins später allerdings wieder. „Facebook alias ‚Meta‘ kann man nie trauen“, meint dazu Twitter-Eigner Elon Musk. Anwalt Steinhöfel schaltete sich ein, Dawkins‘ Facebook-Seite ist inzwischen wieder nutzbar.
Bei den Gewinnern von Goldmedaillen im Frauenschlagen, Imane Khelif aus Algerien und Lin Yu-ting aus Taiwan, handelt es sich laut Laboruntersuchungen im Auftrag des Internationalen Boxverbands (IBA), darunter offenbar Gentests, nicht um Frauen. Tatsächlich waren Boxerinnen also gezwungen, mit Gegnern zu konkurrieren, bei denen es sich um Männer oder Hermaphroditen (also im heute gängigem Sprachgebrauch Intersexuelle) handelt, und ihnen zu unterliegen. Die IBA-Tests werden übrigens angezweifelt und sogar als „russische Desinformation“ gebrandmarkt. Denn der IBA verlor letztes Jahr seine Anerkennung durch das Internationale Olympische Komitee, was neben anderem vermutlich auch mit der Kreml-Nähe seines russischen Präsidenten zu tun hatte. Die betreffenden Boxer haben allerdings ihrerseits keine Beweise vorgelegt, die für ein anderes Geschlechtsresultat sprächen. Im Gegenteil, Khelifs Trainer räumte jüngst ein, dass es bei den Tests an seinem Schützling „ein Problem mit Hormonen [und] mit Chromosomen“ gegeben habe.
Breton gegen Musk
Der erwähnte Elon Musk sieht sich verschiedenen Drohungen ausgesetzt. Im Vorfeld seines Gesprächs mit US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump, das Anfang dieser Woche als Twitter-Livestream stattfand (Achgut berichtete), schrieb ihm mal wieder EU-Kommissar Thierry Breton. Auch bei „Interviews im Kontext von Wahlen“ dürfe nicht zu „Gewalt, Hass und Rassismus“ aufgerufen werden, und überhaupt schaue man bei Musks relativ meinungsfreiheits-freundlicher Plattform genau hin, ob sie die Brüsseler Zensur-Anforderungen erfüllt. Auch auf seinem eigenem Twitter-Profil müsse der afroamerikanische Multimilliardär gefälligst EU-rechtskonform (Stichwort: Digital Services Act) posten.
Schließlich will der Franzose Breton, ein „eitler Narr“ (Steinhöfel), der von seiner zusätzlichen senegalischen Staatsangehörigkeit steuerlich profitiert, „EU-Bürger vor ernsthaften Schäden schützen“. Und sei es durch Einmischung in den amerikanischen Wahlkampf. „Sie sind ein Tyrann“, wirft Achgut-Gastautor Michael Shellenberger dem Eurokraten vor. „Was machen Sie als nächstes?“, fragt Ayaan Hirsi Ali, gleichfalls Achgut-Gastautorin, „den Gulag wiedereinführen“? Die Global Alliance for Responsible Media (GARM) hat sich, kurz nachdem Musk Klage gegen sie einreichte – wie letzte Woche behandelt –, nun gleich ganz aufgelöst. Daran könnte man sich in Brüssel durchaus ein Vorbild nehmen.
Briten gegen Musk
Breton sprach auch die Unruhen in Großbritannien an, wo Musks Plattform möglichst nicht Ungehöriges verbreiten soll. Auch dort will man jetzt „legale, aber schädliche“ Inhalte in den Social Media entfernen. Die britische Regierung warnt: „Nachdenken vor dem Posten!“ Der Große Bruder scheut auch nicht vor Festnahmen zurück, wenn missliebige Inhalte geteilt oder auch nur weitergeleitet werden. Bei Bedarf will man Verdächtige aus dem Ausland auf die Insel ausliefern lassen. Der Londoner Polizeichef Mark Rowley betont auf Nachfrage, ob das auch für Musk gelte, dass alle „Tastaturkrieger“ sich nach britischem Recht strafbar machen könnten. Der Twitter-Eigner hatte sich verschiedentlich zu Missständen im Vereinigten Königreich geäußert.
Der Nicht-Eingeladene unter den Staaten
Vor einer Woche gedachte die japanische Stadt Nagasaki des Atombombenabwurfs vor 79 Jahren. Nicht eingeladen hatte Bürgermeister Shiro Suzuki allerdings den israelischen Botschafter. Diese Entscheidung sei „nicht politisch motiviert“ gewesen. Offenbar fürchtete man Gegenproteste bei der Veranstaltung. Ein Abgesandter aus der Tokioter Vertretung der palästinensischen Autonomiebehörde war allerdings willkommen… Als Reaktion auf die Abweisung ihres israelischen Kollegen blieben auch die Botschafter der G7-Staaten der Zeremonie fern. Im Gegensatz zu den Partnerländern vermied die deutsche Botschaft in Japan jedoch auffällig, den Anlass zu benennen. Man schicke nur einen Referatsleiter, weil ranghöhere Diplomaten verhindert seien, hieß es stattdessen. Bei der Gedenkveranstaltung in Hiroshima wiederum war der israelische Botschafter eingeladen; in deren Umfeld kam es deshalb zu antiisraelischen Protesten.
Politik am Piano
Umgekehrt traf es den klassischen Musiker Jayson Gillham. Ein für gestern geplantes Konzert des australisch-britischen Pianisten beim und mit dem Melbourne Symphony Orchestra (MSO) fiel aus, weil Gillham sich bei einem Auftritt wenige Tage zuvor zum Gaza-Krieg geäußert hatte. Er spielte dort ein kurzfristig ergänztes Musikstück, das er mit der Bemerkung einleitete, Israel habe seit Beginn des Krieges „mehr als 100 palästinensische Journalisten getötet“, angeblich teils gezielt und unter Verletzung des Völkerrechts. Am 7. Oktober in Israel umgebrachte Journalisten, in Hamas-Terroranschläge verstrickte Medienvertreter oder z.B. Abdallah Aljamal erwähnte der Klavierspieler dabei wohl nicht. Gillham agiert länger schon antiisraelisch und stellte bereits einen Beethoven mit Pali-Schal auf einem T-Shirt zur Schau. Das MSO begründete die Absage damit, dass es keine Verbreitung persönlicher Meinungen auf seiner Bühne wünsche. Nach Protesten, u.a. von einer Musikervereinigung, ruderte die Kultureinrichtung zurück und will das Konzert nachholen.
Entwaffnend
Am Mittwoch setzte das Bundesverwaltungsgericht das Compact-Verbot erst einmal außer Kraft (Achgut berichtete). Mit einem Eilantrag gescheitert war vorher allerdings ein früherer stiller Gesellschafter der COMPACT-Magazin GmbH. Dem Mann, der – wie die Junge Freiheit berichtet – bis Ende 2023 nach eigener Aussage mit 0,74 Prozent an dem Unternehmen beteiligt gewesen sein soll, war die waffenrechtliche Erlaubnis entzogen worden. Dies bestätigte das Verwaltungsgericht Köln, indem es dem Betreffenden eine „passive Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Vereinigung“, nämlich Compact, attestierte. Diese Entscheidung dürfte seit Mittwoch auf tönernen Füßen stehen. Generell verlieren zunehmend Menschen mit der ‚falschen‘ Haltung die Waffenerlaubnis. So z.B. AfD-Mitglieder wegen ihres Parteibuchs, darunter ein früherer GSG-9-Beamter. „Ein solcher Generalverdacht ist eines Rechtsstaates unwürdig“, kommentiert die NZZ. Seit Jahrzehnten wird das Waffenrecht immer weiter verschärft, immer mehr Bürger werden entwaffnet.
Keine Freudenfeuer
Nicht nur der Staat geht gegen die AfD vor. Der sächsische Innenminister Armin Schuster (CDU) dankte im Januar Demonstranten „gegen rechts“, die seine Verfassungs- und Staatsschützer unterstützen – auf einer Demo in Bautzen, an der auch die Antifa teilnahm. Mutmaßlich aus deren Spektrum sind letzte Woche zwei Autos des sächsischen Landtagsabgeordneten Holger Hentschel in Leipzig angezündet worden. „Ein Peugeot der Familie wurde komplett zerstört. Ein Seat beschädigt“, so die Fraktion. Gerade in der Antifa-Hochburg Leipzig kein Einzelfall. Auch in Bremen brannte ein Auto, nämlich der VW-Transporter eines früheren AfD-Bundestags- und Bürgerschaftsabgeordneten; bei diesem handelt es sich um offenbar um Frank Magnitz. Wie praktisch, dass man für solche Brandanschläge keinen Waffenschein braucht.
Und so endet der allwöchentliche Überblick des Cancelns, Framens, Empörens, Strafens, Umerziehens, Ausstoßens, Zensierens, Denunzierens, Entlassens, Einschüchterns, Moralisierens, Politisierens, Umwälzens und Kulturkämpfens. Bis nächste Woche!
Ein Archiv der Cancel Culture in Deutschland mit Personenregister finden Sie unter www.cancelculture.de. Um auch weniger prominente Betroffene aufnehmen zu können, sind die Betreiber der Website auf Hinweise angewiesen. Schreiben Sie ihnen gerne unter cancelculture@freiblickinstitut.de.
Christoph Lövenich ist Novo-Redakteur und wohnt in Bonn. Er hat zum Sammelband „Sag, was Du denkst! Meinungsfreiheit in Zeiten der Cancel Culture“ beigetragen.
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