Kolja Zydatiss / 19.03.2021 / 10:00 / Foto: Michael Beleites / 75 / Seite ausdrucken

Ausgestoßene der Woche: Blumen und Kräutertees

„Es wäre sein erster Treffer für 96 gewesen. Den letzten hat er im Land der Sushis geschossen.“ Dieser Spruch, bezogen auf den japanischen Hannover-96-Spieler Sei Muroya, hat dem Fußball-Kommentator Jörg Dahlmann den endgültigen Rausschmiss bei Sky beschert. Wie sportbuzzer.de mitteilt, hat sich der Pay-TV-Sender „mit sofortiger Wirkung“ von dem Reporter getrennt. Der Kündigung ging offenbar eine Rassismus-Diskussion im Netz voraus.

Auf Instagram kommentierte Dahlmann die Kündigung wie folgt: „Land der Sushis als Pseudonym für Japan. Ähnlich wie Land der Fjorde für Norwegen. Einige Leute haben daraus einen rassistischen Hintergrund gebastelt. (…) Ich wehre mich aber mit Händen und Füßen gegen diese absurden Vorwürfe. Ich hasse Rassismus! Weltoffenheit und Diversität sind mir wichtige Anliegen. Die Trennung aus diesem Grund ist aus meiner Sicht nicht okay und nicht fair.“ Sein Rausschmiss sei „ein Sieg ‚sozialer Hater‘ über den freien Journalismus“.

Jörg Dahlmann ist bereits zum zweiten Mal ein „Ausgestoßener der Woche“. Ende letzten Jahres hatte der 62-Jährige beim DFB-Pokalspiel zwischen Union Berlin und Paderborn erklärt, dass Union-Torwart Loris Karius in Berlin meist nur auf der Bank sitze. „Hat den Vorteil, dass er zu Hause kuscheln kann mit seiner Sophia Thomalla“, schob er nach. „Aber für so eine Kuschelnacht mit Sophia würde ich mich auch auf die Bank setzen.“ Damals verteidigte Sky seinen Reporter nicht etwa gegen den einsetzenden Sexismus-Shitstorm, sondern setzte ihn kurzfristig für ein bereits angesetztes Pokalspiel ab. Wenig später teilte ihm der Sender mit, dass sein zum Saisonende im Juni auslaufender Vertrag nicht verlängert werde.

Zwecks kathartischer Reinigung hier noch ein paar Länderbezeichnungen, ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit:

Land des Vodkas
Land des Honigs
Land der Kuckucksuhren
Land der dunklen Wälder
Land des Lächelns
Land des schadhaften Lächelns
Land der Pharaonen
Land der Waffeln
Land der Waffen
Noch ein Land der Waffen

Kräutertee und Hirse

Ausgestoßen ist diese Woche auch Michael Beleites. Die Waren seines Unternehmens Blankensteiner Blumen GbR, die in Sachsen Blumen und Kräutertees aus biologischem Anbau erzeugt und vertreibt, sind von der Verbrauchergemeinschaft Dresden (VG) ausgelistet worden. Zur Begründung teilt die VG mit, Beleites habe in den vergangenen Jahren verschiedene Aussagen gemacht, deren Inhalte sich nicht mit den Werten der VG vereinbaren ließen. So habe er der Pegida-Bewegung 2015 „erstaunlich viele Parallelen“ zu den DDR-Bürgerprotesten im Jahr 1989 attestiert und „umstrittene Schriften“ zum Thema Rasse verfasst. Zudem sei er mehrmals als Referent bei Veranstaltungen von Götz Kubitschek aufgetreten, der als Vordenker der Neuen Rechten gilt. Die Entscheidung, Beleites rauszuschmeißen, ist innerhalb der rund 11.000 Mitglieder zählenden VG umstritten. Mehrere Mitglieder haben einen gemeinsamen Brief mit kritischen Nachfragen an Vorstand und Aufsichtsrat geschickt.

Beleites war seit 1982 einer der wichtigsten Umweltaktivisten der DDR und wurde von der Stasi beobachtet und verfolgt. Nach der Wiedervereinigung wirkte er u.a. als Berater von Greenpeace Deutschland sowie der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Sächsischen Landtag. Von 2000 bis 2010 war Beleites Sächsischer Landesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen. Achgut.com berichtete bereits im Oktober letzten Jahres über den sich anbahnenden Konflikt zwischen ihm und der Leitung der VG.

2019 gab es bereits einen sehr ähnlichen Fall von Cancel Culture. Die Bioladen-Ketten Alnatura, BioCompany, dennree, Weiling und Biomare listeten die Produkte der Spreewälder Hirsemühle aus, weil deren Inhaber Jan Plessow bei der AfD aktiv ist. Obgleich die Auslistung der AfD-Hirse offensichtlich einen erzieherischen Zweck hatte, ist sie nicht zu verwechseln mit „Der Erziehung der Hirse“, denn letzteres ist ein politisches Agitationsstück von Bertolt Brecht, das den Kampf um die Steigerung der Hirseerträge im Südosten der UdSSR zum Thema hat.

Plakat mt falschen Links

In Hamburg werden die Clubs Docks und Große Freiheit 36 unter Druck gesetzt. Die beiden Etablissements hatten in der Zeit des Lockdowns Plakate angebracht, die sich gegen den Lockdown wendeten. Vergangene Woche tauchte ein Plakat vor dem Docks auf, auf dem zu lesen war: „Stopp Lockdown: Bewaffnet euch mit Wissen“, darunter Links zu reitschuster.de, rubikon.de, KenFM.de, wodarg.com und aerztefueraufklaerung.de.

Die Konzertveranstalter FKP Scorpio Konzertproduktionen, Karsten Jahnke Konzertdirektion, STP Hamburg Konzerte, Inferno Events / Reeperbahn Festival, Neuland Concerts, A.S.S. Concerts & Promotion, Buback Tonträger, Semmel Concerts, River Concerts, Kingstar Music, OHA! Music und Interessengemeinschaft Hamburger Musikwirtschaft kündigten daraufhin an, die Clubs zu boykottieren. Sie sind laut eigener Aussage für über 90 Prozent des Bühnenprogramms des Docks und der Großen Freiheit 36 verantwortlich.

„Mit großer und wachsender Enttäuschung haben wir in den vergangenen Monaten beobachten müssen, dass ihr zunehmend gefährlichem und demokratiefeindlichem Gedankengut ein Forum bietet. Spätestens mit indirekten Aufrufen zur Gewalt und dem Verweis auf rechtspopulistische und verschwörerische ‚Medien‘, die diesen Namen nicht verdienen, hat unsere Geduld ihr Ende gefunden“, teilen die Veranstalter in einem offenen Brief mit. Auch das Clubkombinat, in dem fast alle Clubs der Stadt vertreten sind und das die Docks-Geschäftsführerin Susanne „Leo“ Leonhard bereits im vergangenen Jahr aufgrund ihrer Positionen zu Corona aus dem Vorstand schmiss, distanzierte sich in einem Statement von den Plakaten. (Quelle: Hamburger Morgenpost)

Der schwierige Umgang mit besonderer Herkunft

In der Saga um die Übersetzung des Gedichtes „The Hill We Climb“ der afroamerikanischen Poetin Amanda Gorman gibt es ein neues Kapitel. Vorletzte Woche schrieb ich darüber, dass die niederländische Schriftstellerin Marieke Lucas Rijneveld den Auftrag zur Übersetzung von Gormans Werken abgegeben hatte, weil es scharfe Kritik daran gegeben hatte, dass eine weiße Person Gorman übersetzen soll.

Nun meldet orf.at, dass in Spanien ein weiterer weißer Gorman-Übersetzer weichen musste. Victor Obiols hatte bereits seine Übersetzung ins Katalanische fertiggestellt, als der auftraggebende Verlag ihm mitteilte, er sei „nicht der Richtige“ für die Übersetzung des Gedichts. „Sie haben meine Fähigkeiten nicht hinterfragt, aber sie suchten nach einem anderen Profil – nach einer Frau, jung, Aktivistin und vorzugsweise schwarz“, zitiert orf.at den Übersetzer. Der 60-Jährige kann die Entscheidung nicht nachvollziehen und bemerkt: „Wenn ich eine Dichterin nicht übersetzen kann, weil sie eine Frau ist, jung, schwarz, eine US-Amerikanerin im 21. Jahrhundert, dann kann ich auch Homer nicht übersetzen, weil ich kein Grieche des achten Jahrhunderts vor Christus bin.“ In Deutschland wird „The Hill We Climb“ von einem nach Herkunft gut quotierten Klein-Kollektiv übersetzt, was derartigen Scherereien vorbeugen dürfte (siehe den Achgut.com-Beitrag von Peter Grimm).

In der englischsprachigen Welt werden indessen Kritiker von Herzogin Meghan Markle systematisch aussortiert. Zur Erinnerung: Der TV-Moderator Piers Morgan hatte letzte Woche in seiner Sendung „Good Morning Britain“ gesagt, dass er Markle ihre selbsterklärten Depressionen und Suizidgedanken nicht abnehme. Es hagelte Kritik von Zuschauern, Beratungsstellen und einschlägigen Experten, und der Moderator musste seinen Hut nehmen.

Diese Woche musste der Journalist Ian Murray gehen. Als Vorsitzender des britischen Verbands der Redakteure (Society of Editors) hatte er ein Statement verantwortet, das Bezug auf die Rassismusvorwürfe von Markle und ihrem Ehemann Prinz Harry gegenüber der britischen Presse nahm. Der Verband schrieb u.a.:

„Die britischen Medien sind nicht voreingenommen und werden sich nach dem Angriff des Herzogs und der Herzogin von Sussex auf die Presse nicht von ihrer wichtigen Rolle abbringen lassen, die Reichen und Mächtigen zur Verantwortung zu ziehen. (…) Es ist nicht akzeptabel, dass der Herzog und die Herzogin solche Behauptungen aufstellen, ohne irgendwelche Beweise zu liefern.“

Einige Journalisten, u.a. beim Guardian, der Financial Times und der HuffPost, kritisierten das Statement. Mehr als 250 Medienschaffende mit Migrationshintergrund unterzeichneten einen offenen Brief, in dem sie dem Verband Wahrheitsverweigerung vorwarfen. Schnell veröffentlichte die Society of Editors eine „Klarstellung“ zu ihrem Statement, und Murray beging metaphorisches Seppuku. (Quelle: Spiked)

Falsche Namen und eine gute Nachricht

In den USA wird die eigentlich jeden Montag bis Freitag live gesendete Talkshow „The Talk“ seit einigen Tagen nicht mehr ausgestrahlt. Die Moderatorinnen Sheryl Underwood und Sharon Osbourne (Frau und Managerin von Heavy-Metal-Legende Ozzy Osbourne) hatten sich in der Sendung über Piers Morgan gestritten, mit dem Osbourne persönlich befreundet ist. Eine Verteidigung dieses Unmenschen, das kam bei vielen Zuschauern nicht gut an, und so leitete der Sender CBS trotz einer Entschuldigung Osbournes eine interne Untersuchung ein, berichtet Spiked. Da noch andere Rassismus- und Homophobie-Vorwürfe gegenüber Osbourne im Raum stehen, wird die Sendung wohl eine längere Pause einlegen, mutmaßen verschiedene Medien.

An der Universität von Liverpool hatte eine Kampagne zur Umbenennung des Studentenwohnheims Gladstone Hall Erfolg. Das Gebäude ist nach dem viermaligen britischen Premierminister William Ewart Gladstone (1809–1898) benannt. Der Politiker setzte sich u.a. für das Recht ein, Gewerkschaften zu gründen, für die Glaubens-, Gewissens- und Versammlungsfreiheit und die allgemeine Schulpflicht. Weitere Schwerpunkte seiner Politik waren die Korruptionsbekämpfung sowie die Reform des Wahlrechts, des Gerichtswesens, der Beamtenrekrutierung und der Armee.

Man könnte argumentieren, dass William Gladstone den modernen britischen Staat geschaffen hat. Aber weil sein Vater und andere Familienangehörige Sklaven besaßen und vom Sklavenhandel profitierten und Gladstone selbst in jungen Jahren die Sklaverei befürwortete (er wurde später zu einem entschiedenen Gegner), ist sein Name an einem Wohnheim offenbar untragbar. (Quelle: Daily Mail)

Gibt es auch eine gute Nachricht? Ja! Entscheidungsträger an der amerikanischen Duke University sind nicht auf einen offenen Brief von Fakultätsmitgliedern eingegangen, in dem die Absage eines Gastvortrags von Bjørn Lomborg gefordert wurde. Der dänische Statistiker und Umweltschützer ist für seine Kalkulationen bekannt, mit denen er zeigen will, dass viele Klimaschutzmaßnahmen langfristig kaum einen Einfluss auf das Weltklima haben werden und Mittel verschlingen, die anders verwendet einen positiveren Effekt, auch und gerade für die Ärmsten der Welt, haben könnten. Lomborgs Vortrag an der Duke University können Sie sich hier anschauen.

Mehr vom Autor dieser wöchentlichen Kolumne Kolja Zydatiss zum Thema Meinungsfreiheit und Debattenkultur lesen Sie im Buch „Cancel Culture: Demokratie in Gefahr“ (Solibro Verlag, 20. März 2021). Vorbestellbar hier.

Foto: Michael Beleites

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Joerg Haerter / 19.03.2021

Langsam drehen sie alle am Rad. Es wird Zeit, den Irren in die Speichen zu fassen. Keine Duldung solcher Abartigkeiten, Widerspruch!

Uwe Schäfer / 19.03.2021

Die Kasper, die boykottieren und zum Boykott aufrufen merken genau wie die Mitläufer und unter vorauseilendem Gehorsam handelnden A…kriecher unter Nazis und Stalinisten nicht, dass sie es sind, die die unverzichtbare Stütze jeder Diktatur sind. Sie sind die Feinde selbst denkender normaler Menschen, sie verhalten sich wie Nazis, das gutmenschliche Gewand des Zeitgeistes übergestülpt.

Florian Bode / 19.03.2021

Ich finde es übrigens ein Unding, dass Bücher, die von männlichen Autoren geschrieben wurden, von weiblichen Rezensentinnen kritisiert werden. Das ist struktureller Antimaskulinismus. Darauf ist im Rahmen der stattfindenen Säuberungen unbedingt hinzuweisen.

Martin Müller / 19.03.2021

Man könnte glatt denken, Mielke sei auferstanden…

Lars Bäcker / 19.03.2021

Hätte er Land „deS“ Sushis und nicht „deR“ Sushis gesagt, hätte man ihm keinen Strick daraus drehen können, da in der zweiten Variante die Auslegungsmöglichkeit naheliegt, die Japaner als Sushis bezeichnet zu haben.

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